Bundesgerichtshof Beschluss, 22. März 2007 - 4 StR 60/07
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Gründe:
- 1
- Das Landgericht hat den Angeklagten unter Freisprechung im Übrigen wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt und die Einziehung des sichergestellten Haschischs sowie des Erlöses aus der Notveräußerung des bei der Tat benutzten Fahrzeugs angeordnet. Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit seiner Revision, mit der er das Verfahren beanstandet und die Verletzung sachlichen Rechts rügt. Das Rechtsmittel hat zum Strafausspruch Erfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
- 2
- 1. Die Überprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung hat zum Schuldspruch und zum Ausspruch über die Einziehung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Insoweit verweist der Senat auf die zutreffenden Ausführungen in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts vom 20. Februar 2007.
- 3
- 2. Dagegen hält der Strafausspruch der sachlich-rechtlichen Überprüfung nicht stand. Zu Recht beanstandet die Revision, dass das Landgericht dem Angeklagten rechtsfehlerhaft sein Verteidigungsverhalten strafschärfend angelastet hat.
- 4
- a) Der Angeklagte hat den Tatvorwurf durchgehend in Abrede gestellt und sich dahin eingelassen, das in dem Mercedes Cabriolet CLK 320 aufgefundene Haschisch gehöre ihm nicht. Er habe das Fahrzeug zuvor an seinen Bekannten Abdelkarim E. A. verkauft und es diesem durch Aushändigung der Fahrzeug- und Garagenschlüssel auch bereits übertragen. Diese Einlassung hat das Landgericht rechtsfehlerfrei widerlegt. Dies rechtfertigte es jedoch nicht, strafschärfend zu werten, dass der Angeklagte "den Tatverdacht wider besseres Wissen gezielt auf den nicht mehr in Deutschland aufhältigen Monaim B. gelenkt hat“ (UA 37), bei dem es sich um den von dem Angeklagten benannten, unter falscher Identität in die Bundesrepublik eingereisten „E. A. “ handelt. Denn nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist es einem eine Straftat leugnenden Angeklagten unbenommen, sich damit zu verteidigen, dass er anderen die Schuld an der Tat zuschiebt; auch dann, wenn sich diese Anschuldigungen als haltlos erweisen, darf eine belastende Zurechnung bei der Strafzumessung grundsätzlich nicht erfolgen (vgl. Tröndle/Fischer StGB 54. Aufl. § 46 Rdn. 50 ff.; BGHR StGB § 46 Abs. 2 Verteidigungsverhalten 4, 5, 10). Anders kann es sich allerdings verhalten - und dann eine Strafschärfung rechtfertigen - wenn Umstände im Rahmen einer Falschbelastung hinzukommen , nach denen sich das Verteidigungsverhalten als Ausdruck einer zu missbilligenden Einstellung darstellt (BGH aaO). Ein solcher Umstand kann - wovon ersichtlich die Strafkammer ausgegangen ist - auch darin gesehen werden , dass der die Tat leugnende Angeklagte einen völlig Unschuldigen der Tatbegehung bezichtigt (vgl. BGH StV 1995, 633, 634). Auch wenn dem Tatrichter bei der Entscheidung darüber, ob im Einzelfall ein Verteidigungsvorbringen die Grenzen angemessener Verteidigung überschreitet, ein Beurteilungsspielraum zuzubilligen ist (vgl. BGH aaO), rechtfertigt dies hier die strafschärfende Wertung des Einlassungsverhaltens des Angeklagten schon deshalb nicht, weil er - insoweit entgegen der Annahme des Landgerichts – Monaim B. alias Abdelkarim E. A. nicht etwa "gezielt" (UA 37) des Handeltreibens mit der sichergestellten Haschischmenge bezichtigt hat, sondern sich lediglich damit verteidigt hat, er habe das Fahrzeug an ihn verkauft. Angesichts dieser - fraglos zulässigen - Verteidigungsstrategie musste er, wenn er nicht von seinem Schweigerecht Gebrauch machen wollte (vgl. BGHR aaO Verteidigungsverhalten 5), den Käufer auch namhaft machen, denn es wäre von vornherein klar gewesen, dass ihm eine Einlassung, er kenne den Namen des Käufers nicht, schon angesichts des Wertes des Fahrzeugs nicht geglaubt würde. Der Angeklagte hat auch nicht etwa definitiv behauptet, das Haschisch gehöre dem von ihm benannten Käufer des Pkw bzw. es sei von diesem in dem Pkw gebunkert worden. Vielmehr hat er insoweit lediglich eine Vermutung geäußert (UA 13 a.E.). Dass sich eine solche Vermutung - ausgehend von der Verteidigungsstrategie des Angeklagten - aufdrängen konnte, liegt unabhängig davon auf der Hand, dass der Hinweis des Angeklagten, "E. A. " sei bereits einmal im Zusammenhang mit einem Haschischgeschäft festgenommen worden, zutraf. Jedenfalls kann in der Einlassung eine besonders herabwürdigende Verleumdung des von dem Angeklagten als Käufer benannten "E. A. " nicht gesehen werden, die im Rahmen eines sonst zulässigen Verteidigungsverhaltens strafschärfend gewertet werden könnte (vgl. BGH aaO). Schließlich hat das Landgericht selbst gesehen, dass die Gefahr einer Strafverfolgung für den nicht mehr in Deutschland aufhältigen Monaim B. von vornherein "denkbar gering“ war (UA 37). Auch unter dem Gesichtspunkt der Folgen, die ihm aus der Einlassung des Angeklagten erwachsen konnten (vgl. Tröndle/Fischer aaO Rdn. 54), kann deshalb daraus schwerlich eine rechtsfeindliche Einstellung des Angeklagten hergeleitet werden.
- 5
- b) Der aufgezeigte Rechtsfehler berührt allerdings nicht die Strafrahmenwahl. Denn schon angesichts der "enorm großen Drogenmenge" hat das Landgericht rechtsfehlerfrei das Vorliegen eines minder schweren Falles des § 29 a Abs. 2 BtMG verneint und die Strafe dem Regelstrafrahmen des § 29 a Abs. 1 BtMG entnommen. Der Senat kann jedoch nicht mit der erforderlichen Sicherheit ausschließen, dass die verhängte Strafe zum Nachteil des Angeklagten durch die rechtsfehlerhafte Strafzumessungserwägung beeinflusst worden ist.
- 6
- Über die Strafe ist deshalb neu zu befinden. Einer Aufhebung der zugehörigen Feststellungen bedarf es nicht, weil der Aufhebungsgrund lediglich in einem Wertungsfehler liegt (BGH, Urteil vom 1. September 1993 - 2 StR 263/93). Dies schließt ergänzende Feststellungen durch den neuen Tatrichter, die zu den bisher getroffenen nicht in Widerspruch stehen, nicht aus.
Ernemann Sost-Scheible
moreResultsText
Annotations
(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
(1) Die Schuld des Täters ist Grundlage für die Zumessung der Strafe. Die Wirkungen, die von der Strafe für das künftige Leben des Täters in der Gesellschaft zu erwarten sind, sind zu berücksichtigen.
(2) Bei der Zumessung wägt das Gericht die Umstände, die für und gegen den Täter sprechen, gegeneinander ab. Dabei kommen namentlich in Betracht:
die Beweggründe und die Ziele des Täters, besonders auch rassistische, fremdenfeindliche, antisemitische oder sonstige menschenverachtende, die Gesinnung, die aus der Tat spricht, und der bei der Tat aufgewendete Wille, das Maß der Pflichtwidrigkeit, die Art der Ausführung und die verschuldeten Auswirkungen der Tat, das Vorleben des Täters, seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse sowie sein Verhalten nach der Tat, besonders sein Bemühen, den Schaden wiedergutzumachen, sowie das Bemühen des Täters, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen.
(3) Umstände, die schon Merkmale des gesetzlichen Tatbestandes sind, dürfen nicht berücksichtigt werden.