Bundesgerichtshof Beschluss, 04. Juli 2017 - 4 StR 566/16

ECLI: ECLI:DE:BGH:2017:040717B4STR566.16.0
published on 04/07/2017 00:00
Bundesgerichtshof Beschluss, 04. Juli 2017 - 4 StR 566/16
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Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 566/16
vom
4. Juli 2017
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
wegen schweren Bandendiebstahls u.a.
ECLI:DE:BGH:2017:040717B4STR566.16.0

Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und der Beschwerdeführer am 4. Juli 2017 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revisionen der Angeklagten D. , T. und M. wird das Urteil des Landgerichts Baden-Baden vom 22. April 2016 im Schuldspruch wie folgt geändert:
a) Der Angeklagte D. ist des schweren Bandendiebstahls in sechs vollendeten und sechs versuchten Fällen, des Wohnungseinbruchsdiebstahls in neun vollendeten und elf versuchten Fällen sowie des Diebstahls in einem Fall schuldig.
b) Der Angeklagte T. ist des schweren Bandendiebstahls in fünf vollendeten und zwei versuchten Fällen, des versuchten Wohnungseinbruchsdiebstahls in acht Fällen sowie des Diebstahls in einem Fall schuldig.
c) Der Angeklagte M. ist des schweren Bandendiebstahls in vier vollendeten und zwei versuchten Fällen schuldig. Die gegen den Angeklagten D. in den Fällen II.9, II.27 und II.28 und die gegen die Angeklagten T. und M. in den Fällen II.27 und II.28 der Urteilsgründe verhängten Einzelstrafen entfallen. 2. Die weiter gehenden Revisionen der Angeklagten werden verworfen.
3. Jeder Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten D. wegen schweren Bandendiebstahls in sechs vollendeten und acht versuchten Fällen, Wohnungseinbruchsdiebstahls in neun vollendeten und zwölf versuchten Fällen und wegen Diebstahls zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwölf Jahren verurteilt. Gegen den Angeklagten T. hat es wegen schweren Bandendiebstahls in fünf vollendeten und vier versuchten Fällen, versuchten Wohnungseinbruchsdiebstahls in acht Fällen sowie wegen Diebstahls eine Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und neun Monaten und gegen den Angeklagten M. wegen schweren Bandendiebstahls in vier vollendeten und vier versuchten Fällen eine Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verhängt. Die auf die Sachrüge, beim Angeklagten D. auch auf Verfahrensrügen gestützten Revisionen der Angeklagten führen zu der aus dem Urteilstenor ersichtlichen Änderung des Schuldspruchs und dem Wegfall von drei (Angeklagter D. ) bzw. zwei (Angeklagte T. und M. ) Einzelstrafen; im Übrigen sind sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2
1. Die Annahme real konkurrierender Taten in den Fällen II.9 und II.10 sowie II.26 bis II.28 der Urteilsgründe hält rechtlicher Überprüfung nicht stand.
3
a) Nach den Feststellungen fuhren der Angeklagte D. und der Mitangeklagte G. am 2. Januar 2015 nach R. , um dort Wohnungseinbrüche zu begehen (Fälle II.9 und II.10 der Urteilsgründe). In der Folge drang G. durch eine mittels Herausdrehens des Schließzylinders geöffnete Tür in eine Wohnung im 8. Stock eines Mehrfamilienhauses ein, während der Angeklagte D. in seinem Pkw in Sichtweite zum Tatort wartete und die Umgebung beobachtete, um seinen Mittäter gegebenenfalls per Mobilfunk zu warnen. Nachdem G. in der Wohnung keine stehlenswerten Gegenstände gefunden hatte, drang er wiederum nach Herausdrehen des Schließzylinders in die gegenüberliegende Wohnung ein und entwendete dort verschiedene Gegenstände, während der Angeklagte D. weiterhin aus seinem Fahrzeug die Umgebung absicherte. Am 13. Februar 2015 fuhren die Angeklagten D. , T. und M. nach L. , um entsprechend einer vorherigen Übereinkunft (weitere) Wohnungseinbruchsdiebstähle zu begehen (Fälle II.26 bis II.28 der Urteilsgründe). Zumindest einer der Angeklagten versuchte in Umsetzung des gemeinsamen Tatplans nacheinander die Hauseingangstüren der Mehrfamilienhäuser S. straße 9, 11 und 13 aufzuhebeln , was in allen Fällen misslang. Nähere Feststellungen dazu, wer aus der Tätergruppe versuchte, in die Häuser einzudringen und wer die Umgebung absicherte, hat das Landgericht nicht zu treffen vermocht.
4
b) Sind an einer Deliktserie mehrere Personen als Mittäter beteiligt, ist die Frage, ob die einzelnen Taten tateinheitlich oder tatmehrheitlich zusammentreffen , bei jedem Beteiligten gesondert zu prüfen und zu entscheiden. Maßgeblich ist dabei der Umfang des erbrachten Tatbeitrags. Leistet ein Mittäter für alle oder einige Einzeltaten einen individuellen, nur diese fördernden Tatbeitrag, so sind ihm diese Taten – soweit keine natürliche Handlungseinheit vorliegt – als tatmehrheitlich begangen zuzurechnen. Fehlt es an einer solchen individuellen Tatförderung, erbringt der Täter aber im Vorfeld oder während des Laufs der Deliktserie Tatbeiträge, durch die alle oder mehrere Einzeltaten seiner Tatgenossen gleichzeitig gefördert werden, sind ihm die gleichzeitig geförderten einzelnen Straftaten als tateinheitlich begangen zuzurechnen, da sie in seiner Person durch den einheitlichen Tatbeitrag zu einer Handlung im Sinne des § 52 Abs. 1 StGB verknüpft werden. Ohne Bedeutung ist dabei, ob die Mittäter die einzelnen Delikte tatmehrheitlich begangen haben (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 17. Juni 2004 – 3 StR 344/03, BGHSt 49, 177, 182 f.; Beschlüsse vom 22. Dezember 2011 – 4 StR 514/11, wistra 2012, 146; vom 30. Juli 2013 – 4 StR 29/13, NStZ 2013, 641); vom 3. Juli 2014 – 4 StR 191/14, NStZ 2014, 702; vom 28. März 2017 – 4 StR 82/17).
5
c) In den Fällen II.9 und II.10 der Urteilsgründe hat die Strafkammer eine individuelle, nur jeweils diese Taten fördernde Mitwirkung des Angeklagten D. nicht festgestellt. Sein Tatbeitrag erschöpfte sich nach der Sachverhaltsdarstellung im angefochtenen Urteil vielmehr darin, seinen Tatgenossen mit dem Pkw zum Tatort zu fahren und die Umgebung abzusichern. Dass der Angeklagte D. während beider Wohnungseinbrüche telefonischen Kontakt zum Angeklagten G. hielt und diesem konkrete Sicherheitshinweise während beider Einbrüche gab, ist den Urteilsfeststellungen nicht zu entnehmen. Die Fälle II.9 und II.10 sind daher für den Angeklagten D. konkurrenzrechtlich zu einer tateinheitlichen Tat des Wohnungseinbruchsdiebstahls zusammenzufassen.
6
d) Da das Landgericht in den Fällen II.26 bis II.28 der Urteilsgründe die einzelnen Tatbeiträge nicht genauer feststellen konnte, ist nach dem Zweifelssatz zugunsten jedes Angeklagten davon auszugehen, dass er nicht selbst versucht hat, die Eingangstüren der drei Häuser zu öffnen, sondern an den von seinen Mittätern ausgeführten Einbruchsversuchen durch das Absichern der Umgebung übergreifend mitgewirkt hat. Damit hat jeder der Angeklagten in Bezug auf diese drei Taten keinen individuellen, sondern nur einen einheitlichen Tatbeitrag erbracht, so dass insoweit (gleichartige) Tateinheit gemäß § 52 Abs. 1 StGB gegeben ist (vgl. BGH, Beschluss vom 3. Juli 2014 – 4 StR 191/14, NStZ 2014, 702).
7
2. Der Senat ändert den Schuldspruch unter Verzicht auf eine ausdrückliche Kennzeichnung der gleichartigen Tateinheit entsprechend ab (vgl. BGH, Urteil vom 27. Juni 1996 – 4 StR 166/96, NStZ 1996, 493, 494). § 265 StPO steht dem nicht entgegen, da die Angeklagten sich nicht wirksamer als geschehen hätten verteidigen können.
8
Infolge der Schuldspruchänderung entfällt beim Angeklagten D. die Einzelstrafe von einem Jahr Freiheitsstrafe im Fall II.9 der Urteilsgründe wegen versuchten Wohnungseinbruchsdiebstahls. Bei allen drei Angeklagten entfallen in den Fällen II.27 und II.28 der Urteilsgründe jeweils zwei Freiheitsstrafen von einem Jahr und fünf Monaten (D. ) bzw. einem Jahr (T. und M. ). Einer Aufhebung der Gesamtstrafen bedarf es nicht. Die bloße Korrektur des Konkurrenzverhältnisses hat keine Verringerung des Tatunrechts und des Schuldgehalts in seiner Gesamtheit zur Folge (BGH, Urteil vom 20. Februar 2014 – 3 StR 178/13, StraFo 2014, 298, 299; Urteil vom 5. Juni 2013 – 2 StR 537/12, Rn. 12; Beschluss vom 30. Juli 2013 – 4 StR 29/13, NStZ 2013, 641; Beschluss vom 22. Dezember 2011 – 4 StR 514/11, wistra 2012, 146, 147; Beschluss vom 7. Januar 2011 – 4 StR 409/10, insofern nicht abgedruckt in NStZ 2011, 281, 282). Der Senat schließt deshalb aus, dass das Landgericht vor dem Hintergrund der verbleibenden Einzelstrafen auf niedrigere Gesamtfreiheitsstrafen erkannt hätte.
Sost-Scheible Roggenbuck Cierniak
Franke Bender
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Annotations

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Verletzt dieselbe Handlung mehrere Strafgesetze oder dasselbe Strafgesetz mehrmals, so wird nur auf eine Strafe erkannt.

(2) Sind mehrere Strafgesetze verletzt, so wird die Strafe nach dem Gesetz bestimmt, das die schwerste Strafe androht. Sie darf nicht milder sein, als die anderen anwendbaren Gesetze es zulassen.

(3) Geldstrafe kann das Gericht unter den Voraussetzungen des § 41 neben Freiheitsstrafe gesondert verhängen.

(4) Auf Nebenstrafen, Nebenfolgen und Maßnahmen (§ 11 Absatz 1 Nummer 8) muss oder kann erkannt werden, wenn eines der anwendbaren Gesetze dies vorschreibt oder zulässt.

(1) Der Angeklagte darf nicht auf Grund eines anderen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten Strafgesetzes verurteilt werden, ohne daß er zuvor auf die Veränderung des rechtlichen Gesichtspunktes besonders hingewiesen und ihm Gelegenheit zur Verteidigung gegeben worden ist.

(2) Ebenso ist zu verfahren, wenn

1.
sich erst in der Verhandlung vom Strafgesetz besonders vorgesehene Umstände ergeben, welche die Strafbarkeit erhöhen oder die Anordnung einer Maßnahme oder die Verhängung einer Nebenstrafe oder Nebenfolge rechtfertigen,
2.
das Gericht von einer in der Verhandlung mitgeteilten vorläufigen Bewertung der Sach- oder Rechtslage abweichen will oder
3.
der Hinweis auf eine veränderte Sachlage zur genügenden Verteidigung des Angeklagten erforderlich ist.

(3) Bestreitet der Angeklagte unter der Behauptung, auf die Verteidigung nicht genügend vorbereitet zu sein, neu hervorgetretene Umstände, welche die Anwendung eines schwereren Strafgesetzes gegen den Angeklagten zulassen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten oder die zu den in Absatz 2 Nummer 1 bezeichneten gehören, so ist auf seinen Antrag die Hauptverhandlung auszusetzen.

(4) Auch sonst hat das Gericht auf Antrag oder von Amts wegen die Hauptverhandlung auszusetzen, falls dies infolge der veränderten Sachlage zur genügenden Vorbereitung der Anklage oder der Verteidigung angemessen erscheint.