Bundesgerichtshof Beschluss, 30. Apr. 2019 - 4 StR 482/18
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 30. April 2019 gemäß § 154 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2, § 349 Abs. 2 und 4, § 354 Abs. 1 StPO einstimmig
beschlossen:
a) das Verfahren im Fall II. D. 29. (Fall 28 der Anklageschrift, S. ) eingestellt; im Umfang der Einstellung fallen die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Angeklagten der Staatskasse zur Last;
b) das vorbezeichnete Urteil, soweit es ihn betrifft, aa) im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen, des Betrugs in 35 Fällen, der Beihilfe zum Betrug und der Verabredung zur gewerblichen Fälschung von Zahlungskarten mit Garantiefunktion schuldig ist; bb) im Ausspruch über die Einziehung mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben, soweit die Einziehung der in den Betriebsräumlichkeiten L. weg in D. sichergestellten „Lampen, Ventilatoren, Videoüberwachungssets, Steuerungsanlagen , PCs und das weitere Zubehör der Cannabisplantage“ sowie der in der Wohnung A. in M. sichergestellten „Handys, Spei- chermedien, Laptops, Kreditkarten, Prepaidkarten, EC-Karten und PCs“ angeordnet worden ist. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die verbleibenden Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weiter gehende Revision des Angeklagten wird verworfen.
Gründe:
- 1
- Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen, wegen Betruges in 35 Fällen, versuchten Betruges und Beihilfe zum Betrug sowie wegen Verabredung zur gewerblichen Fälschung von Zahlungskarten mit Garantiefunktion zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von neun Jahren verurteilt. Darüber hinaus hat es seine Unterbringung in einer Entziehunganstalt (§ 64 StGB) angeordnet , eine Entscheidung über den Vorwegvollzug eines Teils der Strafe getroffen sowie die Einziehung des Wertes von Taterträgen angeordnet. Schließlich hat das Landgericht eine umfangreiche Einziehungsentscheidung getroffen. Die auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg. Im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).
- 2
- 1. Auf Antrag des Generalbundesanwalts hat der Senat das Verfahren bezüglich des Vergehens des versuchten Betruges im Fall II. D. 29. der Urteilsgründe gemäß § 154 Abs. 2 StPO aus prozessökonomischen Gründen einge- stellt; die bisher getroffenen Feststellungen und Beweiserwägungen verhalten sich nicht zum Vorstellungsbild des Angeklagten nach Abschluss der letzten Ausführungshandlung und tragen daher auch in ihrem Gesamtzusammenhang nicht die Annahme eines beendeten oder fehlgeschlagenen Versuchs. Die teilweise Einstellung des Verfahrens führt zur entsprechenden Schuldspruchänderung , die der Senat selbst vorgenommen hat.
- 3
- Der Strafausspruch bleibt von der teilweisen Einstellung des Verfahrens unberührt. Im Hinblick auf die vom Landgericht rechtsfehlerfrei verhängte Einsatzstrafe von sechs Jahren und sechs Monaten und die Höhe der 38 in die Gesamtstrafe einzubeziehenden Einzelstrafen schließt der Senat aus, dass sich der Wegfall der Einzelstrafe von einem Jahr auf die Höhe der Gesamtfreiheitsstrafe ausgewirkt hätte.
- 4
- 2. Die Einziehungsanordnung im Hinblick auf die in D. und in M. sichergestellten Gegenstände kann keinen Bestand haben, weil die einzuziehenden Gegenstände weder in der Urteilsformel noch in den Urteilsgründen hinreichend konkret bezeichnet werden. Nach ständiger Rechtsprechung müssen die einzuziehenden Gegenstände so genau bezeichnet werden, dass für alle Beteiligten und die Vollstreckungsbehörde Klarheit über den Umfang der Einziehung besteht (vgl. BGH, Beschluss vom 29. August 2018 – 4 StR 56/18,juris; Beschluss vom 9. Februar 2017 – 1 StR 490/16, juris; Beschluss vom 9. Juli 2004 – 2 StR 150/04, StraFo 2004, 394; Beschluss vom 12. Oktober 1999 – 4 StR 391/99, juris).
- 5
- Darüber hinaus werden die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 74 Abs. 1 StGB durch den in den Urteilsgründen enthaltenen pauschalen Hinweis, dass es sich um „Tatmittel“ handele, nicht tragfähig belegt. Schließlich lässt sich der knappen Begründung des Landgerichts auch nicht sicher entnehmen, dass sich das Landgericht des Umstands bewusst gewesen ist, eine Ermessensentscheidung zu treffen (vgl. BGH, Beschluss vom 4. Januar 1994 – 4 StR 718/93, BGHR StGB § 74 Abs. 1 Ermessensentscheidung 1; Beschluss vom 23. August 2011 – 4 StR 375/11).
- 6
- Die Sache bedarf daher hinsichtlich der Einziehung – mit Ausnahme der eingezogenen Betäubungsmittel, die in der Urteilsformel hinreichend bestimmt bezeichnet sind – neuer Verhandlung und Entscheidung.
- 7
- Das neue Tatgericht wird Gelegenheit haben, über die Einziehung in der gebotenen Form unter Beachtung der materiellen Voraussetzungen neu zu entscheiden. Dabei wird es auch zu prüfen haben, ob die einzuziehenden Gegenstände im Eigentum des Angeklagten stehen, wie dies von § 74 Abs. 3 StGB vorausgesetzt ist. Dies gilt insbesondere für die sichergestellten Kreditkarten, die im Falle ihrer Echtheit im Eigentum des ausgebenden Kreditinstituts stehen könnten (vgl. BGH, Beschluss vom 8. Februar 1995 – 2 StR 739/94, BGHR StGB § 74 Abs. 2 Nr. 1 Eigentümer 2).
Feilcke Bartel
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(1) Die Staatsanwaltschaft kann von der Verfolgung einer Tat absehen,
- 1.
wenn die Strafe oder die Maßregel der Besserung und Sicherung, zu der die Verfolgung führen kann, neben einer Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Beschuldigten wegen einer anderen Tat rechtskräftig verhängt worden ist oder die er wegen einer anderen Tat zu erwarten hat, nicht beträchtlich ins Gewicht fällt oder - 2.
darüber hinaus, wenn ein Urteil wegen dieser Tat in angemessener Frist nicht zu erwarten ist und wenn eine Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Beschuldigten rechtskräftig verhängt worden ist oder die er wegen einer anderen Tat zu erwarten hat, zur Einwirkung auf den Täter und zur Verteidigung der Rechtsordnung ausreichend erscheint.
(2) Ist die öffentliche Klage bereits erhoben, so kann das Gericht auf Antrag der Staatsanwaltschaft das Verfahren in jeder Lage vorläufig einstellen.
(3) Ist das Verfahren mit Rücksicht auf eine wegen einer anderen Tat bereits rechtskräftig erkannten Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung vorläufig eingestellt worden, so kann es, falls nicht inzwischen Verjährung eingetreten ist, wieder aufgenommen werden, wenn die rechtskräftig erkannte Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung nachträglich wegfällt.
(4) Ist das Verfahren mit Rücksicht auf eine wegen einer anderen Tat zu erwartende Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung vorläufig eingestellt worden, so kann es, falls nicht inzwischen Verjährung eingetreten ist, binnen drei Monaten nach Rechtskraft des wegen der anderen Tat ergehenden Urteils wieder aufgenommen werden.
(5) Hat das Gericht das Verfahren vorläufig eingestellt, so bedarf es zur Wiederaufnahme eines Gerichtsbeschlusses.
(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
(1) Erfolgt die Aufhebung des Urteils nur wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen, so hat das Revisionsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, sofern ohne weitere tatsächliche Erörterungen nur auf Freisprechung oder auf Einstellung oder auf eine absolut bestimmte Strafe zu erkennen ist oder das Revisionsgericht in Übereinstimmung mit dem Antrag der Staatsanwaltschaft die gesetzlich niedrigste Strafe oder das Absehen von Strafe für angemessen erachtet.
(1a) Wegen einer Gesetzesverletzung nur bei Zumessung der Rechtsfolgen kann das Revisionsgericht von der Aufhebung des angefochtenen Urteils absehen, sofern die verhängte Rechtsfolge angemessen ist. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft kann es die Rechtsfolgen angemessen herabsetzen.
(1b) Hebt das Revisionsgericht das Urteil nur wegen Gesetzesverletzung bei Bildung einer Gesamtstrafe (§§ 53, 54, 55 des Strafgesetzbuches) auf, kann dies mit der Maßgabe geschehen, dass eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung über die Gesamtstrafe nach den §§ 460, 462 zu treffen ist. Entscheidet das Revisionsgericht nach Absatz 1 oder Absatz 1a hinsichtlich einer Einzelstrafe selbst, gilt Satz 1 entsprechend. Die Absätze 1 und 1a bleiben im Übrigen unberührt.
(2) In anderen Fällen ist die Sache an eine andere Abteilung oder Kammer des Gerichtes, dessen Urteil aufgehoben wird, oder an ein zu demselben Land gehörendes anderes Gericht gleicher Ordnung zurückzuverweisen. In Verfahren, in denen ein Oberlandesgericht im ersten Rechtszug entschieden hat, ist die Sache an einen anderen Senat dieses Gerichts zurückzuverweisen.
(3) Die Zurückverweisung kann an ein Gericht niederer Ordnung erfolgen, wenn die noch in Frage kommende strafbare Handlung zu dessen Zuständigkeit gehört.
Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.
(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
(1) Die Staatsanwaltschaft kann von der Verfolgung einer Tat absehen,
- 1.
wenn die Strafe oder die Maßregel der Besserung und Sicherung, zu der die Verfolgung führen kann, neben einer Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Beschuldigten wegen einer anderen Tat rechtskräftig verhängt worden ist oder die er wegen einer anderen Tat zu erwarten hat, nicht beträchtlich ins Gewicht fällt oder - 2.
darüber hinaus, wenn ein Urteil wegen dieser Tat in angemessener Frist nicht zu erwarten ist und wenn eine Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Beschuldigten rechtskräftig verhängt worden ist oder die er wegen einer anderen Tat zu erwarten hat, zur Einwirkung auf den Täter und zur Verteidigung der Rechtsordnung ausreichend erscheint.
(2) Ist die öffentliche Klage bereits erhoben, so kann das Gericht auf Antrag der Staatsanwaltschaft das Verfahren in jeder Lage vorläufig einstellen.
(3) Ist das Verfahren mit Rücksicht auf eine wegen einer anderen Tat bereits rechtskräftig erkannten Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung vorläufig eingestellt worden, so kann es, falls nicht inzwischen Verjährung eingetreten ist, wieder aufgenommen werden, wenn die rechtskräftig erkannte Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung nachträglich wegfällt.
(4) Ist das Verfahren mit Rücksicht auf eine wegen einer anderen Tat zu erwartende Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung vorläufig eingestellt worden, so kann es, falls nicht inzwischen Verjährung eingetreten ist, binnen drei Monaten nach Rechtskraft des wegen der anderen Tat ergehenden Urteils wieder aufgenommen werden.
(5) Hat das Gericht das Verfahren vorläufig eingestellt, so bedarf es zur Wiederaufnahme eines Gerichtsbeschlusses.
(1) Gegenstände, die durch eine vorsätzliche Tat hervorgebracht (Tatprodukte) oder zu ihrer Begehung oder Vorbereitung gebraucht worden oder bestimmt gewesen sind (Tatmittel), können eingezogen werden.
(2) Gegenstände, auf die sich eine Straftat bezieht (Tatobjekte), unterliegen der Einziehung nach der Maßgabe besonderer Vorschriften.
(3) Die Einziehung ist nur zulässig, wenn die Gegenstände zur Zeit der Entscheidung dem Täter oder Teilnehmer gehören oder zustehen. Das gilt auch für die Einziehung, die durch eine besondere Vorschrift über Absatz 1 hinaus vorgeschrieben oder zugelassen ist.