Bundesgerichtshof Beschluss, 21. Nov. 2006 - 4 StR 459/06

published on 21/11/2006 00:00
Bundesgerichtshof Beschluss, 21. Nov. 2006 - 4 StR 459/06
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Gericht


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 459/06
vom
21. November 2006
in der Strafsache
gegen
wegen versuchten Totschlags u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 21. November 2006 gemäß § 349
Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 13. April 2006 im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte des versuchten Totschlags in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und der fahrlässigen Körperverletzung in zwei rechtlich zusammentreffenden Fällen schuldig ist. 2. Die weiter gehende Revision wird verworfen. 3. Von der Erhebung von Kosten und Auslagen im Revisionsverfahren wird abgesehen (§ 109 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 74 JGG); jedoch trägt der Angeklagte die dem Nebenkläger im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten des versuchten Totschlags in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung (Fall II. 1 der Urteilsgründe, Tat in der Nacht zum 11. September 2005) sowie der "Gefährdung des Straßenverkehrs in Tateinheit mit fahrlässiger Körperverletzung" (Fall II. 2 der Urteilsgründe; Verkehrsunfall vom 18. September 2005) für schuldig befunden und ihn zu einer Jugendstrafe von drei Jahren verurteilt. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner Revision, mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt. Das Rechtsmittel führt lediglich zu einer den Vorfall vom 18. Sep- tember 2005 betreffenden Schuldspruchänderung; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2
Die Überprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung hat keinen durchgreifenden Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben, soweit ihn das Landgericht hinsichtlich der Tat in der Nacht zum 11. September 2005 des versuchten Totschlags in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und hinsichtlich des Verkehrsunfallgeschehens vom 18. September 2005 der fahrlässigen Körperverletzung (zu ergänzen: in zwei rechtlich zusammentreffenden Fällen) für schuldig befunden und ihn zu der erkannten Jugendstrafe verurteilt hat. Insoweit nimmt der Senat Bezug auf die Ausführungen in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts vom 25. Oktober 2006. Das weitere Vorbringen des Beschwerdeführers im Schriftsatz seines Verteidigers vom 1. November 2006 führt zu keinem anderen Ergebnis.
3
Es beschwert den Angeklagten auch nicht, dass das Landgericht ohne weitere Begründung davon abgesehen hat, dem Angeklagten mit Blick auf das Verkehrsunfallgeschehen vom 18. September 2005 die Fahrerlaubnis zu entziehen.
4
Dagegen kann der das Verkehrsunfallgeschehen betreffende Schuldspruch nicht bestehen bleiben, soweit das Landgericht den Angeklagten auch wegen tateinheitlich begangener Gefährdung des Straßenverkehrs (§ 315 c StGB) verurteilt hat. Die Feststellungen belegen nicht, dass die tatbestandlichen Voraussetzungen der vom Landgericht angenommenen Tatbestandsalternative des Absatzes 1 Nr. 2 Buchst. d) der Vorschrift vorliegen. Zwar hat das Landgericht zu Recht angenommen, dass der Angeklagte grob verkehrswidrig und rücksichtslos zu schnell gefahren und dadurch den Verkehrsunfall, bei dem die beiden Insassen erheblich verletzt wurden, verursacht hat. Bei dieser Sachlage hat das Landgericht § 315 c Abs. 1 Nr. 2 Buchst. d) StGB deshalb bejaht, weil sich der Unfall an bzw. in Höhe der Einmündung einer Nebenstraße ereignete (UA 10, 23). Das genügt für sich allein indes nicht. Denn nach dem eindeutigen Tatbestandsaufbau ("und dadurch") muss die herbeigeführte Gefahr in einem inneren Zusammenhang mit den Risiken stehen, die bei dieser Tatbestandsalternative u.a. von unübersichtlichen Stellen bzw. Straßeneinmündungen typischerweise ausgehen. Dass der Gefahrerfolg nur gelegentlich des zu schnellen Fahrens eintritt, reicht damit nicht aus (König in LK, StGB 11. Aufl. § 315 c Rdn. 113; Groeschke in MüKo StGB § 315 c Rdn. 43). Einen solchen Gefahrverwirklichungszusammenhang zwischen dem Unfallgeschehen und der Situation an der Einmündung hat das Landgericht jedoch gerade nicht festgestellt. Es fehlt jeglicher Hinweis darauf, dass der Angeklagte etwa wegen eines aus der Nebenstraße kommenden Verkehrsteilnehmers in Schreck geraten und deshalb die Kontrolle über sein Fahrzeug verloren hat. Auch für andere Tatbestandsalternativen des § 315 c Abs. 1 Nr. 2 StGB geben die Feststellungen nichts her. Vielmehr hat das Landgericht - insoweit entgegen der Anklage - ausdrücklich nicht festzustellen vermocht, dass der Angeklagte sich in einem Überholvorgang befand oder die rechte Fahrspur an einer unübersichtlichen Stelle nicht einhielt (UA 10). Hiernach muss der Schuldspruch nach § 315 c StGB entfallen.
5
Die Schuldspruchänderung lässt den Rechtsfolgenausspruch unberührt. Denn der Schuldgehalt der Taten, der - wie das Landgericht zu Recht hervorgehoben hat - dadurch geprägt ist, dass der Angeklagte innerhalb von nur einer guten Woche drei Menschen schwer verletzt hat (UA 26), wird dadurch ebenso wenig berührt wie der vom Landgericht für die Rechtsfolgenbemessung rechtsfehlerfrei angenommene Erziehungsbedarf.
Tepperwien Maatz Athing
Ernemann Sost-Scheible
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09/04/2021 14:49

Ein Motorradfahrer überschreitet die zulässige Höchstgeschwindigkeit in der Bremer Innenstadt erheblich. Infolgedessen kann er bei Wahrnehmung eines Fußgängers nicht rechtzeitig abbremsen. Nahm er den Tod dieses Unbeteiligten billigend in Kauf oder vertraute er vielmehr auf das Ausbleiben eines solchen Unfalls? Kollidiert ein – die zulässige Höchstgeschwindigkeit überschreitender – Motorradfahrer an einem Fußgängerüberweg mit einem das Rotlicht der Ampel missachtenden Fußgänger, so spricht die erhebliche Eigengefährdung des Fahrers gegen eine vorsätzliche Tatbegehung. Auch andere objektive Umstände, wie das Verhalten bei der Tat, können eine solchen widerlegen. Dazu gehört im vorliegenden Fall insbesondere, dass der Täter bei Wahrnehmung des Passanten eine Vollbremsung einlegte – Dirk Streifler, Streifler & Kollegen Rechtsanwälte
09/04/2021 14:49

Ein Motorradfahrer überschreitet die zulässige Höchstgeschwindigkeit in der Bremer Innenstadt erheblich. Infolgedessen kann er bei Wahrnehmung eines Fußgängers nicht rechtzeitig abbremsen. Nahm er den Tod dieses Unbeteiligten billigend in Kauf oder vertraute er vielmehr auf das Ausbleiben eines solchen Unfalls? Kollidiert ein – die zulässige Höchstgeschwindigkeit überschreitender – Motorradfahrer an einem Fußgängerüberweg mit einem das Rotlicht der Ampel missachtenden Fußgänger, so spricht die erhebliche Eigengefährdung des Fahrers gegen eine vorsätzliche Tatbegehung. Auch andere objektive Umstände, wie das Verhalten bei der Tat, können eine solchen widerlegen. Dazu gehört im vorliegenden Fall insbesondere, dass der Täter bei Wahrnehmung des Passanten eine Vollbremsung einlegte – Dirk Streifler, Streifler & Kollegen Rechtsanwälte
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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Im Verfahren gegen einen Jugendlichen kann davon abgesehen werden, dem Angeklagten Kosten und Auslagen aufzuerlegen.
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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Im Verfahren gegen einen Jugendlichen kann davon abgesehen werden, dem Angeklagten Kosten und Auslagen aufzuerlegen.
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Im Verfahren gegen einen Jugendlichen kann davon abgesehen werden, dem Angeklagten Kosten und Auslagen aufzuerlegen.

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Wer die Sicherheit des Schienenbahn-, Schwebebahn-, Schiffs- oder Luftverkehrs dadurch beeinträchtigt, daß er

1.
Anlagen oder Beförderungsmittel zerstört, beschädigt oder beseitigt,
2.
Hindernisse bereitet,
3.
falsche Zeichen oder Signale gibt oder
4.
einen ähnlichen, ebenso gefährlichen Eingriff vornimmt,
und dadurch Leib oder Leben eines anderen Menschen oder fremde Sachen von bedeutendem Wert gefährdet, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren bestraft.

(2) Der Versuch ist strafbar.

(3) Auf Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr ist zu erkennen, wenn der Täter

1.
in der Absicht handelt,
a)
einen Unglücksfall herbeizuführen oder
b)
eine andere Straftat zu ermöglichen oder zu verdecken, oder
2.
durch die Tat eine schwere Gesundheitsschädigung eines anderen Menschen oder eine Gesundheitsschädigung einer großen Zahl von Menschen verursacht.

(4) In minder schweren Fällen des Absatzes 1 ist auf Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren, in minder schweren Fällen des Absatzes 3 auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren zu erkennen.

(5) Wer in den Fällen des Absatzes 1 die Gefahr fahrlässig verursacht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(6) Wer in den Fällen des Absatzes 1 fahrlässig handelt und die Gefahr fahrlässig verursacht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.