Bundesgerichtshof Beschluss, 20. Okt. 2015 - 4 StR 343/15
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Gründe:
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- Das Landgericht hat den Angeklagten wegen „besonders schweren Rau- bes in Tateinheit mit unerlaubtem Besitz und Führen einer halbautomatischen Selbstladekurzwaffe zum Verschießen von Patronenmunition, Beihilfe zum schweren Raub in zwei Fällen, versuchten besonders schweren Raubes in Tateinheit mit unerlaubtem Besitz und Führen einer halbautomatischen Selbstladekurzwaffe zum Verschießen von Patronenmunition und mit räuberischem Angriff auf Kraftfahrer sowie wegen besonders schweren Raubes in zwei Fällen, je- weils in Tateinheit mit unerlaubtem Besitz und Führen einer halbautomatischen Selbstladekurzwaffe zum Verschießen von Patronenmunition, davon in einem Fall in Tateinheit mit räuberischem Angriff auf Kraftfahrer“ zu einer Gesamtfrei- heitsstrafe von neun Jahren verurteilt. Hiergegen richtet sich die auf die allgemeine Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten. Sie führt zu einer Änderung des Schuldspruchs in den Fällen II. 4. bis 6. der Urteilsgründe. Im Übrigen hat sie keinen Erfolg.
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- 1. Nach den vom Landgericht zu den Fällen II. 3. bis 6. getroffenen Feststellungen reiste der Angeklagte etwa im Februar 2011 nach Deutschland ein, um – dieses Mal als Mittäter – an einem (weiteren) Überfall auf einen Juwelier in M. mitzuwirken. In der von ihm sodann bezogenen Wohnung befand sich eine „scharfe“ Pistole Crvena Zastava 9 mm sowie Munition. Diese verwendete der Angeklagte bei dem Überfall auf den Juwelier in M. am 14. März 2011 (Fall II. 3. der Urteilsgründe, abgeurteilt als besonders schwerer Raub in Tateinheit mit unerlaubtem Besitz und Führen einer halbautomatischen Selbstladekurzwaffe zum Verschießen von Patronenmunition) sowie bei drei während der Flucht begangenen Taten, die auf die Erlangung von Fluchtfahrzeugen gerichtet waren (Fälle II. 4. bis 6. der Urteilsgründe; abgeurteilt im Fall II. 4. als versuchter besonders schwerer Raub in Tateinheit mit unerlaubtem Besitz und Führen einer halbautomatischen Selbstladekurzwaffe zum Verschießen von Patronenmunition und mit räuberischem Angriff auf Kraftfahrer sowie in den Fällen II. 5. und 6. jeweils als besonders schwerer Raub in Tateinheit mit unerlaubtem Besitz und Führen einer halbautomatischen Selbstladekurzwaffe zum Verschießen von Patronenmunition, im Fall II. 6. in weiterer Tateinheit mit räuberischem Angriff auf Kraftfahrer).
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- 2. Die Verurteilung des Angeklagten in den Fällen II. 4. bis 6. der Urteilsgründe jeweils auch wegen Besitzes einer halbautomatischen Selbstladekurzwaffe zum Verschießen von Patronenmunition begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
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- a) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs erfährt das Dauerdelikt des unerlaubten Besitzes einer Waffe materiell-rechtlich eine Zäsur, wenn der Waffenbesitzer später einen neuen Entschluss zur Begehung eines Verbrechens mit dieser Waffe fasst. Das Dauerdelikt vor und nach dieser Tat ist jeweils selbständig zu beurteilen. Das Verbrechen selbst steht in Tateinheit mit dem Dauerdelikt des Vergehens nach dem Waffengesetz (BGH, Urteil vom 16. März 1989 – 4 StR 60/89, BGHSt 36, 151, 154; Urteil vom 15. April 1998 – 2 StR 670/97, NStZ-RR 1999, 8; vgl. auch LK-StGB/Rissing-van Saan, 12. Aufl., § 52 Rn. 33).
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- b) Daran gemessen ist es auch im Hinblick auf den bereits vor der Einreise des Angeklagten nach Deutschland und der Inbesitznahme der Waffe gefassten Entschluss zum Überfall auf den Juwelier in M. zwar rechtlich unbedenklich , für diese Tat Tateinheit zwischen dem Besitz sowie Führen der Waffe und dem besonders schweren Raub anzunehmen. Da das Dauerdelikt nach dieser Tat aber selbständig zu beurteilen ist, bei oder zwischen den sich unmittelbar an den Überfall auf den Juwelier anschließenden Überfällen auf Kraftfahrer jedoch der Besitz der Waffe gegenüber dem Führen zurücktritt und deren „bloßer“ Besitz nicht festgestellt ist, kommt diesem bei den Taten zum Nachteil der Kraftfahrer kein gegenüber dem Führen eigenständiger Unrechtsgehalt mehr zu. Für diese Taten tritt der Besitz daher gegenüber dem Führen der Waffe zurück (vgl. BGH, Beschluss vom 15. Juni 2015 – 5 StR 197/15, NStZ 2015, 529 mwN).
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- 3. Im Übrigen weist das Urteil aus den vom Generalbundesanwalt in der Antragsschrift vom 3. August 2015 dargelegten Gründen keinen den Angeklagten beschwerenden Rechtsfehler auf (§ 349 Abs. 2 StPO).
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- 4. Der Senat schließt aus, dass die in den Fällen II. 4. bis 6. der Urteilsgründe verhängten Einzelstrafen oder die Gesamtstrafe von dem Rechtsfehler beeinflusst sind. Denn die Strafkammer hat dem Angeklagten in diesen Fällen – rechtsfehlerfrei – lediglich die Verwendung derWaffe, nicht aber einen dar- über hinausgehenden Besitz strafschärfend angelastet.
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- 5. Im Hinblick auf den nur geringfügigen Erfolg des Rechtsmittels des Angeklagten ist eine Kostenteilung nicht geboten (§ 473 Abs. 4 StPO; vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 58. Aufl., § 473 Rn. 26 mwN).
RiBGH Dr. Franke ist infolge Urlaubs an der Unterschriftsleistung gehindert. Mutzbauer Bender
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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
(1) Die Kosten eines zurückgenommenen oder erfolglos eingelegten Rechtsmittels treffen den, der es eingelegt hat. Hat der Beschuldigte das Rechtsmittel erfolglos eingelegt oder zurückgenommen, so sind ihm die dadurch dem Nebenkläger oder dem zum Anschluß als Nebenkläger Berechtigten in Wahrnehmung seiner Befugnisse nach § 406h erwachsenen notwendigen Auslagen aufzuerlegen. Hat im Falle des Satzes 1 allein der Nebenkläger ein Rechtsmittel eingelegt oder durchgeführt, so sind ihm die dadurch erwachsenen notwendigen Auslagen des Beschuldigten aufzuerlegen. Für die Kosten des Rechtsmittels und die notwendigen Auslagen der Beteiligten gilt § 472a Abs. 2 entsprechend, wenn eine zulässig erhobene sofortige Beschwerde nach § 406a Abs. 1 Satz 1 durch eine den Rechtszug abschließende Entscheidung unzulässig geworden ist.
(2) Hat im Falle des Absatzes 1 die Staatsanwaltschaft das Rechtsmittel zuungunsten des Beschuldigten oder eines Nebenbeteiligten (§ 424 Absatz 1, §§ 439, 444 Abs. 1 Satz 1) eingelegt, so sind die ihm erwachsenen notwendigen Auslagen der Staatskasse aufzuerlegen. Dasselbe gilt, wenn das von der Staatsanwaltschaft zugunsten des Beschuldigten oder eines Nebenbeteiligten eingelegte Rechtsmittel Erfolg hat.
(3) Hat der Beschuldigte oder ein anderer Beteiligter das Rechtsmittel auf bestimmte Beschwerdepunkte beschränkt und hat ein solches Rechtsmittel Erfolg, so sind die notwendigen Auslagen des Beteiligten der Staatskasse aufzuerlegen.
(4) Hat das Rechtsmittel teilweise Erfolg, so hat das Gericht die Gebühr zu ermäßigen und die entstandenen Auslagen teilweise oder auch ganz der Staatskasse aufzuerlegen, soweit es unbillig wäre, die Beteiligten damit zu belasten. Dies gilt entsprechend für die notwendigen Auslagen der Beteiligten.
(5) Ein Rechtsmittel gilt als erfolglos, soweit eine Anordnung nach § 69 Abs. 1 oder § 69b Abs. 1 des Strafgesetzbuches nur deshalb nicht aufrechterhalten wird, weil ihre Voraussetzungen wegen der Dauer einer vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis (§ 111a Abs. 1) oder einer Verwahrung, Sicherstellung oder Beschlagnahme des Führerscheins (§ 69a Abs. 6 des Strafgesetzbuches) nicht mehr vorliegen.
(6) Die Absätze 1 bis 4 gelten entsprechend für die Kosten und die notwendigen Auslagen, die durch einen Antrag
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auf Wiederaufnahme des durch ein rechtskräftiges Urteil abgeschlossenen Verfahrens oder - 2.
auf ein Nachverfahren (§ 433)
(7) Die Kosten der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand fallen dem Antragsteller zur Last, soweit sie nicht durch einen unbegründeten Widerspruch des Gegners entstanden sind.