Bundesgerichtshof Beschluss, 25. Sept. 2007 - 4 StR 338/07

published on 25/09/2007 00:00
Bundesgerichtshof Beschluss, 25. Sept. 2007 - 4 StR 338/07
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Gericht


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 338/07
vom
25. September 2007
in der Strafsache
gegen
Nachschlagewerk: ja
BGHSt: ja
BGHR: ja
Veröffentlichung: ja
Zur Anwendbarkeit des § 316 a Abs. 1 StGB, wenn das Tatopfer bei Beginn
des Angriffs noch nicht Führer des Kraftfahrzeugs war.
BGH, Beschluss vom 25. September 2007 – 4 StR 338/07 – LG Hamburg
wegen räuberischen Angriffs auf einen Kraftfahrer u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts
und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 25. September 2007
gemäß § 349 Abs. 2 StPO beschlossen:
1. Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 18. April 2007 wird als unbegründet verworfen. 2. Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen räuberischen Angriffs auf Kraftfahrer in Tateinheit mit schwerem Raub und Freiheitsberaubung zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die Verletzung materiellen Rechts gestützten Revision.
2
Die sachlich-rechtliche Überprüfung des Urteils hat weder zum Schuldspruch noch zum Strafausspruch Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.
3
Näherer Erörterung bedarf nur der Schuldspruch wegen räuberischen Angriffs auf Kraftfahrer gemäß § 316 a Abs. 1 StGB.
4
1. Der Angeklagte und Danny F. hatten sich entschlossen, durch einen Überfall auf den Zeugen S. Geld zu erbeuten. Sie beobachteten das spätere Tatopfer, als dieses gerade im Begriff war, in sein hochwertiges Fahrzeug einzusteigen. Während sich der Zeuge auf den Fahrersitz setzte, gelangten der Angeklagte und sein Mittäter durch die Hintertüren auf die Rückbank des Fahrzeugs. Noch bevor der Geschädigte sich dazu angeschickt hatte, das Fahrzeug in Gang zu setzen, bedrohten sie ihn mit einer (ungeladenen) Gaspistole und forderten ihn auf, ihren Weisungen nachzukommen, sonst würden sie ihm "das Gehirn wegblasen". Unter dem Eindruck dieser Drohung startete der Geschädigte - wie ihm geheißen - das Fahrzeug und lenkte es aus der Stadt hinaus zu einem abgelegenen Parkplatz. Während dieser Fahrt wurde das Tatopfer aufgefordert , sein Mobiltelefon an den Angeklagten zu übergeben und den Aufbewahrungsort des von ihm mitgeführten Geldes zu benennen. Beidem kam der Zeuge nach. Der Angeklagte entnahm daraufhin der auf dem Rücksitz befindlichen Tasche des Tatopfers 75 Euro. Auf dem Parkplatz musste der Geschädigte in den Kofferraum seines Fahrzeugs steigen. Der Angeklagte und sein Mittäter fuhren sodann mit dem Fahrzeug noch geraume Zeit umher. Als sie es ca. 2 ½ Stunden nach Fahrtantritt stehen ließen, konnte sich der Geschädigte befreien.
5
2. Diese Feststellungen tragen auch die tateinheitliche Verurteilung wegen räuberischen Angriffs auf Kraftfahrer nach § 316 a Abs. 1 StGB.
6
a) Nach der Grundsatzentscheidung des Senats vom 20. November 2003 (BGHSt 49, 8 ff.) erfasst der Tatbestand des § 316 a StGB als taugliches Tatopfer nur den Führer oder den Mitfahrer eines Kraftfahrzeugs. Erforderlich ist, dass das Tatopfer diese Eigenschaft zum Tatzeitpunkt, d.h. bei Verüben des Angriffs, besitzt. Das Landgericht hat nicht verkannt, dass bei Beginn des Angriffs , also im Zeitpunkt, als der Angeklagte und sein Mittäter in das Fahrzeug eindrangen und den Geschädigten mit der Gaspistole bedrohten, dieser noch nicht Führer des Fahrzeugs war. Zwar hielt sich das Tatopfer bereits im Fahrzeug auf, es war aber zu diesem Zeitpunkt nach den Feststellungen noch nicht mit der Bewältigung von Betriebs- oder Verkehrsvorgängen befasst und damit nach der Rechtsprechung des Senats noch nicht Führer des Kraftfahrzeugs und deshalb zu diesem Zeitpunkt kein taugliches Angriffsziel im Sinne des § 316 a StGB (vgl. BGHSt aaO).
7
Indem die Täter ihr Opfer zu der anschließenden Fahrt zwangen und es während der Fahrt jedenfalls konkludent weiter bedrohten, lag aber die für die Tatbestandsmäßigkeit erforderliche zeitliche Verknüpfung zwischen dem Verüben des Angriffs und der Führereigenschaft des Angegriffenen vor.
8
Die Anwendbarkeit des § 316 a StGB erfordert nämlich nicht, dass das Tatopfer bereits bei Beginn des Angriffs Führer oder Mitfahrer des Kraftfahrzeugs war. Das Tatbestandsmerkmal "Verüben eines Angriffs" ist vielmehr auch dann erfüllt, wenn ein Opfer durch einen vor Fahrtantritt begonnenen Angriff zur (Mit-)Fahrt gezwungen wird und der Angriff während der Fahrt fortgesetzt wird. Eine engere, allein auf den ersten nötigenden Zugriff auf das Tatopfer abstellende Auslegung, würde dem Schutzzweck der Norm nicht gerecht (vgl. BGHSt aaO S. 10). Das Tatbestandsmerkmal erfasst vielmehr auch den Zeitraum bis zur Beendigung des Angriffs. Es liegt auf der Hand, dass die Sicherheit des Kraftfahrverkehrs auf Straßen als Schutzgut des § 316 a StGB (vgl. BGHSt aaO S. 11) nicht nur dann beeinträchtigt wird, wenn das Tatopfer während des Führens des Kraftfahrzeugs erstmals angegriffen wird, sondern dies ist auch der Fall, wenn ein bereits vor Fahrtantritt begonnenes, offenes Bedrohungsgeschehen während des Führens des Kraftfahrzeugs (nur) seinen Fortgang nimmt (vgl. BGHSt aaO S. 13; für den Fall eines "neuen" Angriffs während der Fahrt Senatsbeschluss vom 25. Februar 2004 - 4 StR 394/03 = NStZ 2004, 626).
9
b) Der Angeklagte und sein Mittäter haben bei dem während der Fahrt fortdauernden Angriff auch die besonderen Verhältnisse des Straßenverkehrs ausgenutzt.
10
Danach ist erforderlich, dass der tatbestandsmäßige Angriff gegen das Tatopfer als Kraftfahrzeugführer unter Ausnutzung der spezifischen Bedingungen des Straßenverkehrs begangen wird (vgl. BGHSt aaO S. 11). Objektiv ist dies der Fall, wenn der Führer eines Kraftfahrzeugs im Zeitpunkt des Angriffs in einer Weise mit der Beherrschung seines Kraftfahrzeugs und/oder mit der Bewältigung von Verkehrsvorgängen beschäftigt ist, dass er gerade deshalb leichter zum Angriffsobjekt eines Überfalls werden kann. In subjektiver Hinsicht ist ausreichend aber erforderlich, dass sich der Täter der die Abwehrmöglichkeiten des Tatopfers einschränkenden besonderen Verhältnisse des Straßenverkehrs bewusst ist. Nicht erforderlich ist hingegen, dass er eine solche Erleichterung seines Angriffs zur ursächlichen Bedingung seines Handelns macht (vgl. BGHSt 50, 169, 172).
11
In Fällen, in denen ein vollendeter Angriff auf das Tatopfer bereits außerhalb des Fahrzeugs oder jedenfalls vor Fahrtantritt stattgefunden hat, bedarf dieses Tatbestandsmerkmal besonders sorgfältiger Prüfung und wird nur in Ausnahmefällen zu bejahen sein. Ein solcher Ausnahmefall liegt hier vor.
12
Zwar ist auch ein Kraftfahrzeugführer, dessen sich der Täter bereits vor Fahrtantritt bemächtigt hat, in Folge seiner Konzentration auf die Verkehrslage und die Fahrzeugbedienung in seiner Gegenwehr gegen den während der Fahrt fortdauernden Angriff des Täters eingeschränkt. Ein Ausnutzen dieses Umstandes im Sinne des § 316 a StGB ist allerdings nur dann gegeben, wenn der räuberische Angriff auch durch die verkehrsspezifischen Einschränkungen, denen sich der Kraftfahrzeugführer während der Fahrt ausgesetzt sieht, erleichtert wird. Die Eigenschaft des Tatopfers als Kraftfahrzeugführer muss deshalb in objektiver Hinsicht für die Aufrechterhaltung bzw. Fortdauer des Angriffs mindestens mitursächlich geworden sein. Ein solcher Ursachenzusammenhang fehlt jedoch, wenn der Täter sein Opfer bereits vor der Fahrt unter seine uneingeschränkte Kontrolle gebracht hat und die dadurch geschaffene Nötigungslage während der nachfolgenden Fahrt lediglich unverändert aufrechterhalten wird. In diesen Fällen dient das Fahrzeug nur Beförderungszwecken, ohne dass sich die mit der Fahrt einhergehende eingeschränkte Abwehrmöglichkeit des Tatopfers auf die Angriffshandlung des Täter noch in irgendeiner Weise fördernd auswirkt. So verhält es sich etwa dann, wenn der Täter sein Tatopfer bereits in dessen Wohnung überfallen hat und es später unter Vorhalt einer Waffe zur Fahrt zu einem Geldautomaten zwingt, um dort vom Konto des Opfers Geld abzuheben. In solchen Fällen hat sich die Nötigungslage in aller Regel bereits vor Fahrtantritt derart verfestigt, dass die fahrtbedingten eingeschränkten Abwehrmöglichkeiten des Tatopfers für die fortdauernde Angriffshandlung des Täters ohne jeden Belang sind.
13
Anders verhält es sich indes im vorliegenden Fall. Der Angeklagte und sein Mittäter hatten sich durch die erste Angriffshandlung des Tatopfers noch nicht kontrolliert bemächtigt. Durch die erzwungene Fahrt wurden, wie dies der Tatbestand des § 316 a StGB erfordert, vielmehr die Gegenwehr und insbesondere die Fluchtmöglichkeit des Opfers erst endgültig eingeschränkt. Mithin wurde durch die Eigenschaft des Tatopfers als Kraftfahrzeugführer der räuberische Angriff hier zumindest erleichtert. Dies war dem Angeklagten und seinem Mittäter nicht nur bewusst, sondern es kam ihnen nach den getroffenen Feststellungen hierauf gerade an.
14
3. Dass der Angeklagte nicht, worauf der Generalbundesanwalt zu Recht hinweist, anstelle eines tateinheitlich begangenen Vergehens der Freiheitsberaubung wegen eines Verbrechens des erpresserischen Menschenraubs gemäß § 239 a StGB verurteilt worden ist, beschwert den Angeklagten nicht.
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(1) Wer im Verkehr (§§ 315 bis 315e) ein Fahrzeug führt, obwohl er infolge des Genusses alkoholischer Getränke oder anderer berauschender Mittel nicht in der Lage ist, das Fahrzeug sicher zu führen, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft, wenn die Tat nicht in § 315a oder § 315c mit Strafe bedroht ist.

(2) Nach Absatz 1 wird auch bestraft, wer die Tat fahrlässig begeht.

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.