Bundesgerichtshof Beschluss, 01. Aug. 2006 - 4 StR 261/06
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
a) in den Fällen II. 3. bis 7. und 22. der Urteilsgründe (Verkaufsmengen: jeweils 100 g Haschisch), in den Fällen II. 8. bis 11. (Verkaufsmengen: jeweils 125 g Haschisch) und im Fall II. 35. der Urteilsgründe (Verkaufsmenge: 10 g Kokain),
b) im Fall II. 36. der Urteilsgründe (= Fall 37 der Anklage ); insoweit wird das Verfahren eingestellt und trägt die Staatskasse die Kosten des Revisionsverfahrens sowie die dem Angeklagten entstandenen ausscheidbaren notwendigen Auslagen,
c) im Ausspruch über die in den übrigen Fällen (Fälle II. 1., 2., 12. bis 21. und 23. bis 34. der Urteilsgründe ) verhängten Einzelfreiheitsstrafen,
d) im Ausspruch über die Gesamtfreiheitsstrafe.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die übrigen Kos- ten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.
Gründe:
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- Das Landgericht hat den Angeklagten wegen „gewerbsmäßigen“ unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (zu ergänzen ist: in 36 Fällen) unter Einbeziehung einer Strafe aus einer Vorverurteilung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Die hiergegen gerichtete Revision des Angeklagten hat mit der Sachrüge den aus der Beschlussformel ersichtlichen Erfolg; im Übrigen erweist sich das Rechtsmittel als unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
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- 1. Das Urteil hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand, soweit der Angeklagte in den Fällen II. 3. bis 11., 22. und 35. der Urteilsgründe wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge verurteilt worden ist. Nach den getroffenen Feststellungen lieferte der Angeklagte in den Fällen II. 3. bis 11. und 22. 100 g bzw. 125 g Haschisch „jeweils mittlerer Qualität“ an verschiedene Abnehmer. Im Fall II. 35. verkaufte er 10 g Kokain an Mustafa M. . Zu dem Wirkstoffgehalt der veräußerten Betäubungsmittel verhält sich das Urteil nicht. Der Senat kann daher nicht überprüfen, ob in den genannten Fällen die Grenzwerte der nicht geringen Menge von 7,5 g THC (vgl. BGHSt 33, 8; 42, 1) für Cannabisprodukte und 5,0 g Kokainhydrochlorid (vgl. BGHSt 33, 133) für Kokain erreicht worden sind. Dies versteht sich auch bei den Haschischverkäufen nicht von selbst. Bei mittlerer (= durchschnittlicher) Qualität von Haschisch wird zwar regelmäßig von einem THC-Gehalt von 5 bis zu 8 % ausgegangen werden können (vgl. BGHSt 42, 1, 14; Weber BtMG 2. Aufl. An- hang H). Bei Zugrundelegung des danach gegebenen unteren Wertes von 5 % THC wäre jedoch in keinem der betroffenen Fälle der Grenzwert von 7,5 g THC erreicht.
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- 2. Keinen Bestand hat auch die Verurteilung des Angeklagten im Fall II. 36. der Urteilsgründe (= Fall 37 der Anklage). Ausweislich der Sitzungsniederschrift vom 3. April 2006 ist das Verfahren auf Antrag der Staatsanwaltschaft insoweit gemäß § 154 Abs. 2 StPO eingestellt worden. Der gerichtliche Einstellungsbeschluss nach § 154 Abs. 2 StPO begründet ein Verfahrenshindernis (vgl. Meyer/Goßner StPO 49. Aufl. § 154 Rdn. 17). Das Verfahren ist daher in diesem Punkt einzustellen (§ 206 a Abs. 1 StPO).
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- 3. Schließlich können auch die von der Urteilsaufhebung nicht betroffenen Einzelstrafen nicht bestehen bleiben. Zwar kann insoweit aufgrund der festgestellten Verkaufsmengen ausgeschlossen werden, dass der Grenzwert der nicht geringen Menge im Sinne des § 29 a Abs. 1 Nr. 2 BtMG nicht erreicht worden ist. Jedoch stellt die Gesamtmenge des Wirkstoffs einen wesentlichen Umstand für die Beurteilung des Unrechts- und Schuldgehalts der Tat dar (vgl. BGHR BtMG § 29 Strafzumessung 8; BGH NStZ-RR 2002, 52, 53 m.w.N.). Der Senat kann daher nicht ausschließen, dass die unterbliebene Feststellung des Wirkstoffgehalts der veräußerten Drogen sich bei der Bemessung der verhängten Strafen zum Nachteil des Angeklagten ausgewirkt hat, zumal das Landgericht bei der Strafzumessung allgemein zu seinen Ungunsten berücksichtigt hat, er habe „bei seinen Geschäften die nicht geringe Menge in einem erheblichen Umfang überschritten“.
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- 4. Die Sache bedarf daher in dem aufgezeigten Umfang der erneuten Verhandlung und Entscheidung. Der neue Tatrichter wird - was dem Senat mangels Feststellungen zum Vollstreckungsstand nicht möglich war – zu prüfen haben, ob eine nachträgliche Gesamtstrafenbildung mit den Strafen aus den weiteren Vorverurteilungen aus dem Jahr 2004 (vgl. UA 4 Ziff. 5. bis 7.) in Betracht kommt.
Solin-Stojanović Ernemann
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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
(1) Die Staatsanwaltschaft kann von der Verfolgung einer Tat absehen,
- 1.
wenn die Strafe oder die Maßregel der Besserung und Sicherung, zu der die Verfolgung führen kann, neben einer Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Beschuldigten wegen einer anderen Tat rechtskräftig verhängt worden ist oder die er wegen einer anderen Tat zu erwarten hat, nicht beträchtlich ins Gewicht fällt oder - 2.
darüber hinaus, wenn ein Urteil wegen dieser Tat in angemessener Frist nicht zu erwarten ist und wenn eine Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Beschuldigten rechtskräftig verhängt worden ist oder die er wegen einer anderen Tat zu erwarten hat, zur Einwirkung auf den Täter und zur Verteidigung der Rechtsordnung ausreichend erscheint.
(2) Ist die öffentliche Klage bereits erhoben, so kann das Gericht auf Antrag der Staatsanwaltschaft das Verfahren in jeder Lage vorläufig einstellen.
(3) Ist das Verfahren mit Rücksicht auf eine wegen einer anderen Tat bereits rechtskräftig erkannten Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung vorläufig eingestellt worden, so kann es, falls nicht inzwischen Verjährung eingetreten ist, wieder aufgenommen werden, wenn die rechtskräftig erkannte Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung nachträglich wegfällt.
(4) Ist das Verfahren mit Rücksicht auf eine wegen einer anderen Tat zu erwartende Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung vorläufig eingestellt worden, so kann es, falls nicht inzwischen Verjährung eingetreten ist, binnen drei Monaten nach Rechtskraft des wegen der anderen Tat ergehenden Urteils wieder aufgenommen werden.
(5) Hat das Gericht das Verfahren vorläufig eingestellt, so bedarf es zur Wiederaufnahme eines Gerichtsbeschlusses.
(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer
- 1.
Betäubungsmittel unerlaubt anbaut, herstellt, mit ihnen Handel treibt, sie, ohne Handel zu treiben, einführt, ausführt, veräußert, abgibt, sonst in den Verkehr bringt, erwirbt oder sich in sonstiger Weise verschafft, - 2.
eine ausgenommene Zubereitung (§ 2 Abs. 1 Nr. 3) ohne Erlaubnis nach § 3 Abs. 1 Nr. 2 herstellt, - 3.
Betäubungsmittel besitzt, ohne zugleich im Besitz einer schriftlichen Erlaubnis für den Erwerb zu sein, - 4.
(weggefallen) - 5.
entgegen § 11 Abs. 1 Satz 2 Betäubungsmittel durchführt, - 6.
entgegen § 13 Abs. 1 Betäubungsmittel - a)
verschreibt, - b)
verabreicht oder zum unmittelbaren Verbrauch überläßt,
- 6a.
entgegen § 13 Absatz 1a Satz 1 und 2 ein dort genanntes Betäubungsmittel überlässt, - 6b.
entgegen § 13 Absatz 1b Satz 1 Betäubungsmittel verabreicht, - 7.
entgegen § 13 Absatz 2 - a)
Betäubungsmittel in einer Apotheke oder tierärztlichen Hausapotheke, - b)
Diamorphin als pharmazeutischer Unternehmer
- 8.
entgegen § 14 Abs. 5 für Betäubungsmittel wirbt, - 9.
unrichtige oder unvollständige Angaben macht, um für sich oder einen anderen oder für ein Tier die Verschreibung eines Betäubungsmittels zu erlangen, - 10.
einem anderen eine Gelegenheit zum unbefugten Erwerb oder zur unbefugten Abgabe von Betäubungsmitteln verschafft oder gewährt, eine solche Gelegenheit öffentlich oder eigennützig mitteilt oder einen anderen zum unbefugten Verbrauch von Betäubungsmitteln verleitet, - 11.
ohne Erlaubnis nach § 10a einem anderen eine Gelegenheit zum unbefugten Verbrauch von Betäubungsmitteln verschafft oder gewährt, oder wer eine außerhalb einer Einrichtung nach § 10a bestehende Gelegenheit zu einem solchen Verbrauch eigennützig oder öffentlich mitteilt, - 12.
öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten eines Inhalts (§ 11 Absatz 3 des Strafgesetzbuches) dazu auffordert, Betäubungsmittel zu verbrauchen, die nicht zulässigerweise verschrieben worden sind, - 13.
Geldmittel oder andere Vermögensgegenstände einem anderen für eine rechtswidrige Tat nach Nummern 1, 5, 6, 7, 10, 11 oder 12 bereitstellt, - 14.
einer Rechtsverordnung nach § 11 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 oder § 13 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1, 2a oder 5 zuwiderhandelt, soweit sie für einen bestimmten Tatbestand auf diese Strafvorschrift verweist.
(2) In den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 1, 2, 5 oder 6 Buchstabe b ist der Versuch strafbar.
(3) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter
- 1.
in den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 1, 5, 6, 10, 11 oder 13 gewerbsmäßig handelt, - 2.
durch eine der in Absatz 1 Satz 1 Nr. 1, 6 oder 7 bezeichneten Handlungen die Gesundheit mehrerer Menschen gefährdet.
(4) Handelt der Täter in den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 1, 2, 5, 6 Buchstabe b, Nummer 6b, 10 oder 11 fahrlässig, so ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe.
(5) Das Gericht kann von einer Bestrafung nach den Absätzen 1, 2 und 4 absehen, wenn der Täter die Betäubungsmittel lediglich zum Eigenverbrauch in geringer Menge anbaut, herstellt, einführt, ausführt, durchführt, erwirbt, sich in sonstiger Weise verschafft oder besitzt.
(6) Die Vorschriften des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 1 sind, soweit sie das Handeltreiben, Abgeben oder Veräußern betreffen, auch anzuwenden, wenn sich die Handlung auf Stoffe oder Zubereitungen bezieht, die nicht Betäubungsmittel sind, aber als solche ausgegeben werden.