Bundesgerichtshof Beschluss, 19. Juni 2018 - 4 StR 25/18
BUNDESGERICHTSHOF
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 19. Juni 2018 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
a) soweit der Angeklagte in den Fällen II. 4 und II. 6 der Urteilsgründe verurteilt worden ist;
b) im Ausspruch über die Gesamtstrafe. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.
Gründe:
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- Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Bedrohung in zwei Fällen, Verstoßes gegen Weisungen während der Führungsaufsicht in zwei Fällen, Missbrauchs von Notrufen und Beleidigung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt. Mit seiner Revision rügt der Angeklagte die Verletzung materiellen Rechts. Das Rechtsmittel hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Erfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
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- 1. Die Verurteilung des Angeklagten wegen Verstoßes gegen Weisungen während der Führungsaufsicht gemäß § 145a Satz 1 StGB in den Fällen II. 4 und II. 6 der Urteilsgründe kann schon deshalb nicht bestehen bleiben, weil das Landgericht in beiden Fällen keine Feststellungen zu der für einen Schuldspruch erforderlichen Gefährdung des Zwecks der Maßregel getroffen hat.
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- a) § 145a Satz 1 StGB setzt voraus, dass durch den Weisungsverstoß eine Gefährdung des Maßregelzwecks eingetreten ist. Dies ist dann der Fall, wenn sich dadurch die Gefahr weiterer Straftaten erhöht oder die Aussicht ihrer Abwendung verschlechtert hat (vgl. BGH, Beschluss vom 9. Oktober 2017 – 2 StR 31/17, StraFo 2017, 512; Urteil vom 18. Dezember 2012 – 1 StR 415/12, BGHSt 58, 72, 75; Beschluss vom 28. Mai 2008 – 1 StR 243/08, NStZ-RR 2008, 277, 278). Dazu bedarf es eines am Einzelfall orientierten Wahrscheinlichkeitsurteils, das neben dem sonstigen Verhalten des Angeklagten auch die konkrete spezialpräventive Zielsetzung der verletzten Weisung in den Blick nimmt (Einzelheiten bei Roggenbuck in: LK-StGB, 12. Aufl., § 145a Rn. 18 ff. mwN).
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- b) Diesen Anforderungen werden die Urteilsgründe nicht gerecht. Das Landgericht hat lediglich festgestellt, dass der nach der Erledigung seiner Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus unter Führungsaufsicht stehende Angeklagte gegen die ihm vom Landgericht Paderborn mit Beschlüssen vom 19. Dezember 2014 und 30. Juli 2015 erteilten strafbewehrten Weisungen, „sich unangekündigten Drogentests nach Weisung des Bewährungshelfers zu unterziehen“ und keinen Alkohol zu sich zu nehmen, verstoßen hat, indem er einer Aufforderung seiner Bewährungshelferin vom 16. Februar 2016, innerhalb von drei Tagen ein Drogenscreening vorzulegen, nicht nachkam (Fall II. 4 der Urteilsgründe) und am 10. März 2016 alkoholisiert war (Blutalkoholkonzentration 0,36 Promille; Fall II. 6 der Urteilsgründe). Inwieweit diese Verstöße die Gefahr weiterer Straftaten erhöht oder die Aussicht ihrer Abwendung verschlechtert haben könnten, teilt das Urteil nicht mit. Dies liegt hier auch nicht auf der Hand. Ob und inwieweit die einmalige Missachtung einer Weisung, sich einem Drogenscreening zu unterziehen, die Gefahr weiterer Straftaten erhöht, kann nur mit Blick auf das übrige Verhalten des Täters beantwortet werden (vgl. dazu BGH, Urteil vom 18. Dezember 2012 – 1 StR 415/12, BGHSt 58, 72, 75). Hinsichtlich des gegen die Abstinenzweisung verstoßenden Alkoholkonsums sprechen die von der Strafkammer zur Ablehnung einer Anordnung nach § 64 StGB getroffenen Feststellungen sogar gegen die Annahme einer Gefährdung des Maßregelzwecks. Danach sind die Anlassstraftaten auf die bei dem Angeklagten festgestellte Persönlichkeitsstörung im Zusammenhang mit einer drogeninduzierten Psychose zurückzuführen. Der Suchtmittelkonsum war daneben lediglich sekundär (UA 27).
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- 2. Die Aufhebung der Verurteilung in den Fällen II. 4 und II. 6 der Urteilsgründe (Einzelstrafen von jeweils acht Monaten Freiheitsstrafe) zieht die Aufhebung der Gesamtstrafe nach sich.
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- 3. Für die Neuverhandlung weist der Senat auf das Folgende hin:
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- Ein Weisungsverstoß unterfällt nur dann dem objektiven Tatbestand des § 145a Satz 1 StGB, wenn die fragliche Weisung rechtsfehlerfrei ist (vgl. BGH, Beschluss vom 19. August 2015 – 5 StR 275/15, StV 2017, 36; Urteil vom 7. Februar 2013 – 3 StR 486/12, BGHSt 58, 136 mwN). Dies ist in den Urteilsgründen vollständig darzustellen (vgl. BGH, Beschluss vom 11. Februar 2016 – 2 StR 512/15, BGHR StGB § 145a Bestimmtheit 2). Dabei wird hinsichtlich der Weisung, ein Drogenscreening vorzulegen, näher als bisher darauf einzugehen sein, ob die sich aus dem Bestimmtheitsgrundsatz ergebenden Anforderungen erfüllt sind (vgl. dazu BGH, Beschluss vom 19. August 2015 – 5 StR 275/15, StV 2017, 36; Urteil vom 7. Februar 2013 – 3 StR 486/12, Rn. 4 insofern nicht abgedruckt in BGHSt 58, 136; Urteil vom 18. Dezember 2012 – 1 StR 415/12, BGHSt 58, 72 Rn. 18 [Meldeweisung]; Roggenbuck in: LK-StGB, 12. Aufl., § 145a Rn. 8 ff.). In Bezug auf die Abstinenzweisung wird sich der neue Tatrichter mit der Frage zu befassen haben, ob bei ihrer Erteilung gegenüber dem psychisch kranken Angeklagten der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz beachtet wurde (vgl. BVerfG, Beschluss vom 30. März 2016 – 2 BvR 496/12, NJW 2016, 2170 mwN).
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- 4. Im Übrigen hat die Überprüfung des Urteils aus den vom Generalbundesanwalt in seiner Zuschrift vom 24. Januar 2018 angeführten Gründen keinen den Angeklagten beschwerenden Rechtsfehler ergeben (§ 349 Abs. 2 StPO).
Quentin Feilcke
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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
Wer während der Führungsaufsicht gegen eine bestimmte Weisung der in § 68b Abs. 1 bezeichneten Art verstößt und dadurch den Zweck der Maßregel gefährdet, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. Die Tat wird nur auf Antrag der Aufsichtsstelle (§ 68a) verfolgt.
Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.
Wer während der Führungsaufsicht gegen eine bestimmte Weisung der in § 68b Abs. 1 bezeichneten Art verstößt und dadurch den Zweck der Maßregel gefährdet, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. Die Tat wird nur auf Antrag der Aufsichtsstelle (§ 68a) verfolgt.
(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.