Bundesgerichtshof Beschluss, 24. Juli 2018 - 3 StR 88/17
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers und des Generalbundesanwalts - zu 1. mit dessen Zustimmung, zu 2. auf dessen Antrag - am 24. Juli 2018 gemäß § 154a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Abs. 2, § 349 Abs. 2 und 4, § 354 Abs. 1 analog StPO beschlossen:
a) das Verfahren auf den Vorwurf des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge beschränkt,
b) das vorgenannte Urteil im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge schuldig ist. 2. Die weitergehende Revision wird verworfen. 3. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.
Gründe:
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- Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Hiergegen richtet sich die auf die allgemeine Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten. Das Rechtsmittel führt zur teilweisen Beschränkung der Strafverfolgung und hat insoweit zum Schuldspruch den aus der Entschei- dungsformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
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- 1. Nach den vom Landgericht rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen bezog der Angeklagte im Zeitraum zwischen dem 1. Mai und dem 26. Oktober 2014 von einem unbekannten Drogenhändler mehrfach auf "Kommission" Marihuana in gleichbleibender Qualität. Die Rauschgiftmengen mit einem Gewicht zwischen 200 und 1.200 Gramm wurden stets an der Wohnung des Angeklagten übergeben, wobei dieser jeweils die vorausgegangene Lieferung anlässlich der nächsten bezahlte. Von den insgesamt 8.628 Gramm mit einem Wirkstoffgehalt von 13,5 % waren durch den Angeklagten 8.361 Gramm für den gewinnbringenden Weiterverkauf bestimmt; den Rest konsumierte er selbst.
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- 2. Der Senat hat das Verfahren mit Zustimmung des Generalbundesanwalts gemäß § 154a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Abs. 2 StPO auf den Vorwurf des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge beschränkt. Die hierdurch bedingte Änderung des Schuldspruchs lässt die vom Landgericht verhängte Freiheitsstrafe unberührt. Aus den in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts genannten Gründen ist auszuschließen, dass die Strafkammer ohne das ausgeschiedene Delikt des Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge auf eine geringere Strafe erkannt hätte.
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- 3. Die Verurteilung des Angeklagten wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge erweist sich nicht als zu seinem Nachteil rechtsfehlerhaft.
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- Zwar hat das Landgericht aufgrund des Umstands, dass der Angeklagte jeweils die vorausgegangene Lieferung anlässlich der nächsten bezahlte, zu Unrecht darauf erkannt, dass der Tatbestand des Handeltreibens mit Betäu- bungsmitteln in nicht geringer Menge nur ein einziges Mal verwirklicht sei. Vielmehr gilt, dass die Bezahlung zuvor "auf Kommission" erhaltener Rauschgiftmengen aus Anlass der Übernahme weiterer Rauschgiftmengen die Umsatzgeschäfte zu einer einheitlichen Tat im Sinne einer natürlichen Handlungseinheit verbindet; die Geschäfte bilden hingegen keine Bewertungseinheit (vgl. BGH, Beschluss vom 10. Juli 2017 - GSSt 4/17, juris Rn. 28 ff.). Das bedeutet,dass in diesen Fällen die Tatbestände des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln (in nicht geringer Menge) in der jeweiligen Anzahl der Einzelgeschäfte tateinheitlich verwirklicht sind.
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- Hinsichtlich der Verurteilung wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge beschwert indes die vom Landgericht der Sache nach angenommene Bewertungseinheit den Angeklagten nicht. Wenngleich das Landgericht den vom Angeklagten selbst konsumierten Anteil des Marihuanas von 267 Gramm nicht den einzelnen Lieferungen zugeordnet hat, können auf der Grundlage der Urteilsfeststellungen - rein rechnerisch - nur die durch ihn zum gewinnbringenden Weiterverkauf bestimmten Teilmengen der ersten und der vierten Lieferung (200 bzw. 300 Gramm) den Grenzwert im Sinne des § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG unterschreiten. Bei allen anderen Lieferungen (mindestens 700 Gramm) bezieht sich das Handeltreiben dagegen zwingend auf nicht geringe Mengen.
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- 4. Auch soweit der Angeklagte wegen Lieferungen verurteilt worden ist, die nicht in der Anklageschrift der Staatsanwaltschaft vom 29. Februar 2016 erwähnt sind, mangelt es nicht an der Verfahrensvoraussetzung einer Anklageerhebung und demzufolge derjenigen eines Eröffnungsbeschlusses.
- 8
- Die Staatsanwaltschaft hatte Anklage wegen sechs Lieferungen betreffend eine Gesamtmenge von 4.400 Gramm erhoben. Diese Umsatzgeschäfte hat das Landgericht entsprechend der Anklageschrift festgestellt. Den weiteren Feststellungen zufolge lieferte der unbekannte Drogenhändler darüber hinaus nach dem fünften und vor dem sechsten im Anklagesatz geschilderten Geschäft mehrmals Teilmengen von mindestens 700 Gramm.
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- Diese - in der Anklageschrift nicht erwähnten - zusätzlichen Lieferungen sind gleichwohl Gegenstand der Anklage sowie des hierauf bezogenen Eröffnungsbeschlusses des Landgerichts vom 16. September 2016. Sämtliche festgestellten Geschäfte stellen - wie dargelegt - eine materiellrechtliche Tat im Sinne einer natürlichen Handlungseinheit dar, weil der Angeklagte jeweils die vorausgegangene Lieferung anlässlich der nächsten bezahlte (vgl. BGH, Beschluss vom 10. Juli 2017 - GSSt 4/17, juris Rn. 28 ff.). Ebenso sind die Geschäfte als eine einheitliche prozessuale Tat im Sinne des § 264 Abs. 1 StPO zu beurteilen und unterlagen somit insgesamt der tatrichterlichen Kognitionspflicht (s. hierzu BGH, Urteil vom 26. Januar 2017 - 3 StR 482/16, juris Rn. 21). In Fällen materiellrechtlicher Idealkonkurrenz liegt grundsätzlich nur eine Tat im prozessualen Sinne vor (vgl. BGH, Beschluss vom 9. Juli 2015 - 3 StR 537/14, BGHSt 60, 308, 316; LR/Stuckenberg, StPO, 26. Aufl., § 264 Rn. 59 mwN). Von diesem Grundsatz abzuweichen, besteht für die vorliegende Fallkonstellation kein Anlass (s. auch BGH, Beschluss vom 9. Juli 2015 - 3 StR 537/14, aaO, S. 320). Einzelne Lieferungen eines solchen zu einer prozessualen Tat zusammengefassten fortwährenden Handeltreibens können damit - wie hier - von der Anklageerhebung erfasst sein, auch wenn die Anklageschrift nicht darauf eingeht.
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- Die frühere abweichende Auffassung des Senats zu den materiellrechtlichen Konkurrenzen in Fällen wie diesem (vgl. Vorlagebeschluss vom 15. November 2016 - 3 StR 236/15, juris Rn. 6), die auch zu einer anderen Bewertung der Rechtslage hinsichtlich der Verfahrensvoraussetzungen einer Anklageerhebung und eines Eröffnungsbeschlusses geführt hätte und dem Senat daher im vorliegenden Verfahren Anlass gab, die - auf seine Vorlage in anderer Sache zu treffende - Entscheidung des Großen Senats für Strafsachen abzuwarten, ist durch dessen Beschluss vom 10. Juli 2017 (GSSt 4/17, juris), nach Absetzung der Beschlussgründe hier eingegangen am 4. Juli 2018, überholt.
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- 5. Angesichts des geringen Erfolges der Revision ist es nicht unbillig, den Angeklagten mit den gesamten Kosten seines Rechtsmittels zu belasten (§ 473 Abs. 4 StPO).
Berg Hoch
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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
(1) Fallen einzelne abtrennbare Teile einer Tat oder einzelne von mehreren Gesetzesverletzungen, die durch dieselbe Tat begangen worden sind,
- 1.
für die zu erwartende Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung oder - 2.
neben einer Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Beschuldigten wegen einer anderen Tat rechtskräftig verhängt worden ist oder die er wegen einer anderen Tat zu erwarten hat,
(2) Nach Einreichung der Anklageschrift kann das Gericht in jeder Lage des Verfahrens mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft die Beschränkung vornehmen.
(3) Das Gericht kann in jeder Lage des Verfahrens ausgeschiedene Teile einer Tat oder Gesetzesverletzungen in das Verfahren wieder einbeziehen. Einem Antrag der Staatsanwaltschaft auf Einbeziehung ist zu entsprechen. Werden ausgeschiedene Teile einer Tat wieder einbezogen, so ist § 265 Abs. 4 entsprechend anzuwenden.
(1) Mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr wird bestraft, wer
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als Person über 21 Jahre Betäubungsmittel unerlaubt an eine Person unter 18 Jahren abgibt oder sie ihr entgegen § 13 Abs. 1 verabreicht oder zum unmittelbaren Verbrauch überläßt oder - 2.
mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge unerlaubt Handel treibt, sie in nicht geringer Menge herstellt oder abgibt oder sie besitzt, ohne sie auf Grund einer Erlaubnis nach § 3 Abs. 1 erlangt zu haben.
(2) In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren.
(1) Die Kosten eines zurückgenommenen oder erfolglos eingelegten Rechtsmittels treffen den, der es eingelegt hat. Hat der Beschuldigte das Rechtsmittel erfolglos eingelegt oder zurückgenommen, so sind ihm die dadurch dem Nebenkläger oder dem zum Anschluß als Nebenkläger Berechtigten in Wahrnehmung seiner Befugnisse nach § 406h erwachsenen notwendigen Auslagen aufzuerlegen. Hat im Falle des Satzes 1 allein der Nebenkläger ein Rechtsmittel eingelegt oder durchgeführt, so sind ihm die dadurch erwachsenen notwendigen Auslagen des Beschuldigten aufzuerlegen. Für die Kosten des Rechtsmittels und die notwendigen Auslagen der Beteiligten gilt § 472a Abs. 2 entsprechend, wenn eine zulässig erhobene sofortige Beschwerde nach § 406a Abs. 1 Satz 1 durch eine den Rechtszug abschließende Entscheidung unzulässig geworden ist.
(2) Hat im Falle des Absatzes 1 die Staatsanwaltschaft das Rechtsmittel zuungunsten des Beschuldigten oder eines Nebenbeteiligten (§ 424 Absatz 1, §§ 439, 444 Abs. 1 Satz 1) eingelegt, so sind die ihm erwachsenen notwendigen Auslagen der Staatskasse aufzuerlegen. Dasselbe gilt, wenn das von der Staatsanwaltschaft zugunsten des Beschuldigten oder eines Nebenbeteiligten eingelegte Rechtsmittel Erfolg hat.
(3) Hat der Beschuldigte oder ein anderer Beteiligter das Rechtsmittel auf bestimmte Beschwerdepunkte beschränkt und hat ein solches Rechtsmittel Erfolg, so sind die notwendigen Auslagen des Beteiligten der Staatskasse aufzuerlegen.
(4) Hat das Rechtsmittel teilweise Erfolg, so hat das Gericht die Gebühr zu ermäßigen und die entstandenen Auslagen teilweise oder auch ganz der Staatskasse aufzuerlegen, soweit es unbillig wäre, die Beteiligten damit zu belasten. Dies gilt entsprechend für die notwendigen Auslagen der Beteiligten.
(5) Ein Rechtsmittel gilt als erfolglos, soweit eine Anordnung nach § 69 Abs. 1 oder § 69b Abs. 1 des Strafgesetzbuches nur deshalb nicht aufrechterhalten wird, weil ihre Voraussetzungen wegen der Dauer einer vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis (§ 111a Abs. 1) oder einer Verwahrung, Sicherstellung oder Beschlagnahme des Führerscheins (§ 69a Abs. 6 des Strafgesetzbuches) nicht mehr vorliegen.
(6) Die Absätze 1 bis 4 gelten entsprechend für die Kosten und die notwendigen Auslagen, die durch einen Antrag
- 1.
auf Wiederaufnahme des durch ein rechtskräftiges Urteil abgeschlossenen Verfahrens oder - 2.
auf ein Nachverfahren (§ 433)
(7) Die Kosten der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand fallen dem Antragsteller zur Last, soweit sie nicht durch einen unbegründeten Widerspruch des Gegners entstanden sind.