Bundesgerichtshof Beschluss, 03. Mai 2018 - 3 StR 658/17
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 3. Mai 2018 gemäß § 349 Abs. 4 StPO einstimmig beschlossen:
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Gründe:
- 1
- Das Landgericht hat den Angeklagten wegen "Vergewaltigung" in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung unter Einbeziehung einer Strafe aus einer früheren Verurteilung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und zwei Monaten und zwei Wochen verurteilt. Das auf die Rüge der Verletzung sachlichen Rechts gestützte Rechtsmittel des Angeklagten führt zur Aufhebung des Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Landgericht zu neuer Verhandlung und Entscheidung.
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- 1. Nach den Feststellungen vereinbarte der Angeklagte in einem Bordell mit der der Prostitution nachgehenden Geschädigten die Ausübung des Ge- schlechtsverkehrs. Nachdem er mit ihr den Geschlechtsverkehr vollzogen hatte, war jedenfalls aus seiner Sicht der abgesprochene Zeitraum noch nicht ausgeschöpft , weshalb die Geschädigte ihm eine Massage anbot, während er ein weiteres Mal die Ausübung des Geschlechtsverkehrs verlangte. Dies lehnte die Geschädigte zunächst ab, erklärte sich aber, da der Angeklagte zunehmend aggressiv auftrat, letztlich doch dazu bereit. Dennoch begann dieser die Geschädigte so heftig zu würgen, dass sie Todesangst verspürte. Dann drückte er die Beine der Geschädigten auseinander und versuchte, ungeschützt in sie einzudringen. Ihrer Bitte, wenigstens ein Kondom zu benutzen, begegnete er mit verstärktem Würgen, so dass sie zunehmend schwächer wurde und ihre Abwehrbemühungen einstellen musste, was sie ihm mit einem "Okay" signalisierte. Obwohl dem Angeklagten der entgegenstehende Wille der Geschädigten bewusst war, drang er nun ungeschützt in sie ein, wobei er seinen Würgegriff lockerte, sie aber an den Armen festhielt. Nach Beendigung des Geschlechtsverkehrs gelang es der Geschädigten, ihn von sich wegzuschubsen, weshalb er von ihr abließ.
- 3
- 2. Das Landgericht hat das Vorgehen des Angeklagten - was es im Schuldspruch nicht zum Ausdruck gebracht hat - als besonders schwere Vergewaltigung nach § 177 Abs. 4 Nr. 2 Buchst. a StGB aF gewertet. Die Feststellungen tragen diese rechtliche Würdigung indes nicht.
- 4
- Die Qualifikation des § 177 Abs. 4 Nr. 2 Buchst. a StGB aF (§ 177 Abs. 8 Nr. 2 Buchst. a StGB nF) setzt voraus, dass der Täter das Opfer bei der Tat körperlich schwer misshandelt. Erforderlich ist danach eine gravierende Beeinträchtigung des körperlichen Wohlbefindens; ein Erfolg im Sinne der schweren Körperverletzung gemäß § 226 Abs. 1 StGB braucht indes nicht einzutreten. Andererseits reicht eine rohe Misshandlung im Sinne von § 225 Abs. 1 StGB oder eine "nicht nur unerhebliche" Beeinträchtigung der körperlichen Unversehrtheit nicht aus. Die körperliche Integrität des Opfers muss vielmehr in einer Weise, die mit erheblichen Schmerzen verbunden ist, beeinträchtigt sein (BGH, Urteile vom 13. September 2000 - 3 StR 347/00, NJW 2000, 3655; vom 9. Dezember 2014 - 5 StR 422/14, BGHSt 60, 89, 91 f.). Da der Qualifikationstatbestand des § 177 Abs. 4 Nr. 2 Buchst. a StGB aF einerseits die zu verhängende Mindeststrafe im Vergleich zu dem Grundtatbestand des § 177 Abs. 1 StGB aF wie zu den besonders schweren Fällen des § 177 Abs. 2 StGB aF in beträchtlichem Umfang erhöht, andererseits nach der gesetzlichen Unrechtsbewertung mit der Verursachung einer tatbedingten konkreten Todesgefahr im Sinne des § 177 Abs. 4 Nr. 2 Buchst. b StGB aF auf einer Stufe steht, dürfen die insoweit zu stellenden Anforderungen nicht zu niedrig angesetzt werden.
- 5
- Nach diesen Maßstäben belegen die bisher getroffenen Feststellungen eine körperlich schwere Misshandlung nicht. Danach würgte der Angeklagte die Geschädigte zwar heftig, so dass sie Todesangst verspürte und schließlich "schwächer" wurde. Das Landgericht hat aber weder dargelegt, dass diese Behandlung für die Geschädigte in besonderer, eine "einfache" Körperverletzung im Sinne des § 223 Abs. 1 StGB deutlich übersteigender Weise schmerzhaft war, noch hat es festgestellt, dass sie zu Verletzungen führte, die die körperliche Integrität schwer beeinträchtigten. Die Zeugin, die die Geschädigte unmittelbar nach der Tat sah, bemerkte lediglich Rötungen an deren Hals, die in den Urteilsgründen nicht näher beschrieben werden.
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- Das Urteil kann danach insgesamt keinen Bestand haben. Der Senat hat auch die an sich rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen, die jedenfalls einen Schuldspruch wegen Vergewaltigung nach § 177 Abs. 1, Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 StGB aF tragen, aufgehoben, um der neu entscheidenden Strafkammer Gele- genheit zu geben, insgesamt stimmige Sachverhaltsfeststellungen - auch zu den Voraussetzungen des § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB (zur lebensgefährdenden Behandlung durch Würgen vgl. Fischer, StGB, 65. Aufl., § 224 Rn. 31mwN) - zu treffen.
Hoch Leplow
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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
(1) Hat die Körperverletzung zur Folge, daß die verletzte Person
- 1.
das Sehvermögen auf einem Auge oder beiden Augen, das Gehör, das Sprechvermögen oder die Fortpflanzungsfähigkeit verliert, - 2.
ein wichtiges Glied des Körpers verliert oder dauernd nicht mehr gebrauchen kann oder - 3.
in erheblicher Weise dauernd entstellt wird oder in Siechtum, Lähmung oder geistige Krankheit oder Behinderung verfällt,
(2) Verursacht der Täter eine der in Absatz 1 bezeichneten Folgen absichtlich oder wissentlich, so ist die Strafe Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren.
(3) In minder schweren Fällen des Absatzes 1 ist auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren, in minder schweren Fällen des Absatzes 2 auf Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren zu erkennen.
(1) Wer eine Person unter achtzehn Jahren oder eine wegen Gebrechlichkeit oder Krankheit wehrlose Person, die
- 1.
seiner Fürsorge oder Obhut untersteht, - 2.
seinem Hausstand angehört, - 3.
von dem Fürsorgepflichtigen seiner Gewalt überlassen worden oder - 4.
ihm im Rahmen eines Dienst- oder Arbeitsverhältnisses untergeordnet ist,
(2) Der Versuch ist strafbar.
(3) Auf Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr ist zu erkennen, wenn der Täter die schutzbefohlene Person durch die Tat in die Gefahr
- 1.
des Todes oder einer schweren Gesundheitsschädigung oder - 2.
einer erheblichen Schädigung der körperlichen oder seelischen Entwicklung
(4) In minder schweren Fällen des Absatzes 1 ist auf Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren, in minder schweren Fällen des Absatzes 3 auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren zu erkennen.
(1) Wer gegen den erkennbaren Willen einer anderen Person sexuelle Handlungen an dieser Person vornimmt oder von ihr vornehmen lässt oder diese Person zur Vornahme oder Duldung sexueller Handlungen an oder von einem Dritten bestimmt, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.
(2) Ebenso wird bestraft, wer sexuelle Handlungen an einer anderen Person vornimmt oder von ihr vornehmen lässt oder diese Person zur Vornahme oder Duldung sexueller Handlungen an oder von einem Dritten bestimmt, wenn
- 1.
der Täter ausnutzt, dass die Person nicht in der Lage ist, einen entgegenstehenden Willen zu bilden oder zu äußern, - 2.
der Täter ausnutzt, dass die Person auf Grund ihres körperlichen oder psychischen Zustands in der Bildung oder Äußerung des Willens erheblich eingeschränkt ist, es sei denn, er hat sich der Zustimmung dieser Person versichert, - 3.
der Täter ein Überraschungsmoment ausnutzt, - 4.
der Täter eine Lage ausnutzt, in der dem Opfer bei Widerstand ein empfindliches Übel droht, oder - 5.
der Täter die Person zur Vornahme oder Duldung der sexuellen Handlung durch Drohung mit einem empfindlichen Übel genötigt hat.
(3) Der Versuch ist strafbar.
(4) Auf Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr ist zu erkennen, wenn die Unfähigkeit, einen Willen zu bilden oder zu äußern, auf einer Krankheit oder Behinderung des Opfers beruht.
(5) Auf Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr ist zu erkennen, wenn der Täter
- 1.
gegenüber dem Opfer Gewalt anwendet, - 2.
dem Opfer mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben droht oder - 3.
eine Lage ausnutzt, in der das Opfer der Einwirkung des Täters schutzlos ausgeliefert ist.
(6) In besonders schweren Fällen ist auf Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren zu erkennen. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn
- 1.
der Täter mit dem Opfer den Beischlaf vollzieht oder vollziehen lässt oder ähnliche sexuelle Handlungen an dem Opfer vornimmt oder von ihm vornehmen lässt, die dieses besonders erniedrigen, insbesondere wenn sie mit einem Eindringen in den Körper verbunden sind (Vergewaltigung), oder - 2.
die Tat von mehreren gemeinschaftlich begangen wird.
(7) Auf Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter
- 1.
eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug bei sich führt, - 2.
sonst ein Werkzeug oder Mittel bei sich führt, um den Widerstand einer anderen Person durch Gewalt oder Drohung mit Gewalt zu verhindern oder zu überwinden, oder - 3.
das Opfer in die Gefahr einer schweren Gesundheitsschädigung bringt.
(8) Auf Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter
- 1.
bei der Tat eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug verwendet oder - 2.
das Opfer - a)
bei der Tat körperlich schwer misshandelt oder - b)
durch die Tat in die Gefahr des Todes bringt.
(9) In minder schweren Fällen der Absätze 1 und 2 ist auf Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu drei Jahren, in minder schweren Fällen der Absätze 4 und 5 ist auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen der Absätze 7 und 8 ist auf Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren zu erkennen.
(1) Wer gegen den erkennbaren Willen einer anderen Person sexuelle Handlungen an dieser Person vornimmt oder von ihr vornehmen lässt oder diese Person zur Vornahme oder Duldung sexueller Handlungen an oder von einem Dritten bestimmt, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.
(2) Ebenso wird bestraft, wer sexuelle Handlungen an einer anderen Person vornimmt oder von ihr vornehmen lässt oder diese Person zur Vornahme oder Duldung sexueller Handlungen an oder von einem Dritten bestimmt, wenn
- 1.
der Täter ausnutzt, dass die Person nicht in der Lage ist, einen entgegenstehenden Willen zu bilden oder zu äußern, - 2.
der Täter ausnutzt, dass die Person auf Grund ihres körperlichen oder psychischen Zustands in der Bildung oder Äußerung des Willens erheblich eingeschränkt ist, es sei denn, er hat sich der Zustimmung dieser Person versichert, - 3.
der Täter ein Überraschungsmoment ausnutzt, - 4.
der Täter eine Lage ausnutzt, in der dem Opfer bei Widerstand ein empfindliches Übel droht, oder - 5.
der Täter die Person zur Vornahme oder Duldung der sexuellen Handlung durch Drohung mit einem empfindlichen Übel genötigt hat.
(3) Der Versuch ist strafbar.
(4) Auf Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr ist zu erkennen, wenn die Unfähigkeit, einen Willen zu bilden oder zu äußern, auf einer Krankheit oder Behinderung des Opfers beruht.
(5) Auf Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr ist zu erkennen, wenn der Täter
- 1.
gegenüber dem Opfer Gewalt anwendet, - 2.
dem Opfer mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben droht oder - 3.
eine Lage ausnutzt, in der das Opfer der Einwirkung des Täters schutzlos ausgeliefert ist.
(6) In besonders schweren Fällen ist auf Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren zu erkennen. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn
- 1.
der Täter mit dem Opfer den Beischlaf vollzieht oder vollziehen lässt oder ähnliche sexuelle Handlungen an dem Opfer vornimmt oder von ihm vornehmen lässt, die dieses besonders erniedrigen, insbesondere wenn sie mit einem Eindringen in den Körper verbunden sind (Vergewaltigung), oder - 2.
die Tat von mehreren gemeinschaftlich begangen wird.
(7) Auf Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter
- 1.
eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug bei sich führt, - 2.
sonst ein Werkzeug oder Mittel bei sich führt, um den Widerstand einer anderen Person durch Gewalt oder Drohung mit Gewalt zu verhindern oder zu überwinden, oder - 3.
das Opfer in die Gefahr einer schweren Gesundheitsschädigung bringt.
(8) Auf Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter
- 1.
bei der Tat eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug verwendet oder - 2.
das Opfer - a)
bei der Tat körperlich schwer misshandelt oder - b)
durch die Tat in die Gefahr des Todes bringt.
(9) In minder schweren Fällen der Absätze 1 und 2 ist auf Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu drei Jahren, in minder schweren Fällen der Absätze 4 und 5 ist auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen der Absätze 7 und 8 ist auf Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren zu erkennen.
(1) Wer die Körperverletzung
- 1.
durch Beibringung von Gift oder anderen gesundheitsschädlichen Stoffen, - 2.
mittels einer Waffe oder eines anderen gefährlichen Werkzeugs, - 3.
mittels eines hinterlistigen Überfalls, - 4.
mit einem anderen Beteiligten gemeinschaftlich oder - 5.
mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung
(2) Der Versuch ist strafbar.