Bundesgerichtshof Beschluss, 28. Apr. 2015 - 3 StR 48/15

published on 28/04/2015 00:00
Bundesgerichtshof Beschluss, 28. Apr. 2015 - 3 StR 48/15
Urteilsbesprechung zu {{shorttitle}}
Referenzen - Gesetze
Referenzen - Urteile

Gericht


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 S t R 4 8 / 1 5
vom
28. April 2015
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen besonders schweren Raubes u.a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung der Beschwerdeführer
und des Generalbundesanwalts am 28. April 2015 gemäß § 349 Abs. 4
StPO einstimmig beschlossen:
Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil der auswärtigen großen Strafkammer des Landgerichts Kleve in Moers vom 15. Oktober 2014 mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat die Angeklagten wegen besonders schweren Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung jeweils zu der Freiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten verurteilt. Die Revisionen der Angeklagten haben mit der Sachrüge Erfolg. Der Schuldspruch wegen besonders schweren Raubes hält rechtlicher Überprüfung nicht stand.
2
1. Nach den Feststellungen besaß der Geschädigte auf seinem Handy Aufnahmen der gesondert verfolgten C. , auf denen erkennbar war, dass diese als Prostituierte arbeitete. Um an das Mobiltelefon mitsamt den Bildern zu gelangen, brachte die gesondert verfolgte C. die beiden Angeklagten mit der Behauptung, um sie zur Prostitution zu zwingen drohe ihr der Geschädigte, die Fotos ihrer Familie zu zeigen, zu dem Entschluss, diesem das Handy wegzunehmen. Zusammen mit zwei Mittätern begaben sie sich deshalb zu einem Feldweg, zu dem die gesondert verfolgte C. nach vorheriger Absprache den Geschädigten lockte. Auf der gemeinsamen Fahrt besprachen die vier Täter ihr Vorgehen. Sie fassten den Plan, die erwartete Gegenwehr des Geschädigten mit personeller Überlegenheit und Gewalt zu überwinden. Außerdem zeigte einer der Mittäter eine Schusswaffe oder ein Schusswaffenimitat (im Folgenden: die Waffe), wobei Einigkeit bestand, dass dieser Gegenstand jedenfalls zur Drohung eingesetzt werden sollte. Die Angeklagten beabsichtigten, dem Geschädigten das Handy wegzunehmen und nicht wiederzugeben. Sie wollten es auf etwaige Aufnahmen untersuchen und diese löschen. Danach sollte über den Verbleib des Mobiltelefons entschieden werden. Während der Angeklagte U. in dem abseits geparkten Fahrzeug verblieb, erwarteten der Angeklagte E. und die beiden Mittäter den Geschädigten und die gesondert Verfolgte am verabredeten Ort. Als diese vorfuhren, riss der Angeklagte E. die Beifahrertür auf und forderte den Geschädigten auf, auszusteigen. Dabei hielt ein Mittäter dem Geschädigten die Waffe an den Kopf. Dann zog ihn der Angeklagte E. zusammen mit dem Mittäter aus dem Fahrzeug. Dieser schlug mit der Waffe auf den Kopf des Geschädigten ein, wobei der Angeklagte E. den Geschädigten an den Beinen festhielt. Während der Angeklagte E. die Schläge mit der Waffe billigte und sich in Kenntnis der Schläge weiter an der Tat beteiligte, erschien der Angeklagte U. erst am Tatort, nachdem der Mittäter die Übergriffe beendet hatte. Ein weiterer Mittäter suchte nach dem Mobiltelefon, fand es schließlich auf dem Boden neben dem Beifahrersitz und übergab es dem Angeklagten U. , der es einsteckte. Der Verbleib des Handys konnte nicht geklärt werden. Eine Überwachung der IMEI-Nummer ergab, dass das Mobiltelefon einige Wochen später nochmals kurzzeitig in Betrieb genommen worden war.
3
2. Diese Feststellungen belegen nicht, dass die Angeklagten, wie von § 249 Abs. 1 StGB vorausgesetzt, die Absicht hatten, das Mobiltelefon des Geschädigten sich oder einem Dritten zuzueignen. Die Zueignungsabsicht ist gegeben, wenn der Täter im Zeitpunkt der Wegnahme die fremde Sache unter Ausschließung des Eigentümers oder bisherigen Gewahrsamsinhabers körperlich oder wirtschaftlich für sich oder einen Dritten erlangen und sie der Substanz oder dem Sachwert nach seinem Vermögen oder dem eines Dritten "einverleiben" oder zuführen will (BGH, Urteil vom 28. Juni 1961 - 2 StR 184/61, BGHSt 16, 190, 192; Beschluss vom 5. März 1971 - 3 StR 231/69, BGHSt 24, 115, 119; Urteil vom 27. Januar 2011 - 4 StR 502/10, NStZ 2011, 699, 701). An dem für eine Aneignung erforderlichen Willen des Täters, den Bestand seines Vermögens oder den des Vermögens eines Dritten zu mehren, fehlt es dagegen, wenn er das Nötigungsmittel nur zur Erzwingung einer Gebrauchsanmaßung einsetzt oder wenn er die fremde Sache nur wegnimmt, um sie "zu zerstören", "zu vernichten", "preiszugeben", "wegzuwerfen", "beiseite zu schaffen", "zu beschädigen", sie als Druckmittel zur Durchsetzung einer Forderung zu benutzen oder um den Eigentümer durch bloßen Sachentzug zu ärgern (vgl. BGH, Urteile vom 26. September 1984 - 3 StR 367/84, NJW 1985, 812; vom 27. Januar 2011 - 4 StR 502/10, NStZ 2011, 699, 701 jeweils mwN).
4
Nach diesen Maßstäben ist die Zugeignungsabsicht der Angeklagten hier nicht belegt. Sie wollten das Handy auf kompromittierende Aufnahmen der gesondert verfolgten C. untersuchen, um diese zu löschen. Was weiter mit dem Handy geschehen sollte, stand zum Tatzeitpunkt hingegen noch nicht fest. Vielmehr sollte erst später über seinen Verbleib entschieden werden. Zwar kann die Zueignungsabsicht auch bei einer Wegnahme mit dem Willen vorhanden sein, die Sache zunächst zu behalten und sich erst später darüber schlüssig zu werden, wie über sie zu verfügen sei (BGH, Urteil vom 25. Oktober 1968 - 4 StR 398/68, GA 1969, 306, 307). Doch ergeben die Feststellungen gerade nicht, dass die Angeklagten zum Zeitpunkt der Wegnahme dasHandy - wenn auch nur vorübergehend - über die für die Löschung der Bilder benötigte Zeit hinaus behalten wollten. Dass die von den Angeklagten beabsichtigte Durchsuchung des Speichers und die Identifizierung der dabei aufgefundenen Bilddateien im Rahmen des bestimmungsgemäßen Gebrauchs der Sache lagen, ändert hieran nichts, denn diese führten nicht zu deren Verbrauch (BGH, Beschluss vom 14. Februar 2012 - 3 StR 392/11, NStZ 2012, 627 mwN).
5
Auch eine - bei fehlender Zueignungsabsicht mögliche (vgl. BGH, Urteil vom 5. Juli 1960 - 5 StR 80/60, BGHSt 14, 386) - Strafbarkeit wegen räuberischer Erpressung (§ 253 Abs. 1, § 255 StGB) kommt auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen nicht in Betracht, denn die Angeklagten handelten nicht in der Absicht, sich oder einen Dritten zu bereichern. Bloßer Besitz einer Sache bildet einen Vermögensvorteil nur dann, wenn ihm ein eigenständiger wirtschaftlicher Wert zukommt, etwa weil er zu wirtschaftlich messbaren Gebrauchsvorteilen führt, die der Täter oder der Dritte für sich nutzen will. Daran fehlt es nicht nur in den Fällen, in denen der Täter die Sache unmittelbar nach Erlangung vernichten will, sondern auch dann, wenn er den mit seiner Tat verbundenen Vermögensvorteil nur als notwendige oder mögliche Folge seines ausschließlich auf einen anderen Zweck gerichteten Verhaltens hinnimmt (vgl. nur BGH, Urteil vom 27. Januar 2011 - 4 StR 502/10, NStZ 2011, 699, 701; Beschluss vom 14. Februar 2012 - 3 StR 392/11, NStZ 2012, 627).
6
Nach alledem kann das Urteil keinen Bestand haben. Die Sache bedarf vielmehr neuer Verhandlung und Entscheidung.
7
3. Für die neue Verhandlung weist der Senat auf Folgendes hin:
8
Soweit das Landgericht den Angeklagten U. wegen besonders schweren Raubes verurteilt hat, leidet das Urteil noch an einem weiteren Rechtsfehler: Die Qualifikation des § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB ist nur dann erfüllt, wenn der Täter einen objektiv gefährlichen Gegenstand verwendet (BGH, Beschluss vom 17. Juni 1998 - 2 StR 167/98, BGHSt 44, 103). Das ist beim Einsatz von Scheinwaffen, wie er vorliegend nicht ausgeschlossen werden konnte, nicht der Fall (BGH, Beschluss vom 7. Januar 1999 - 4 StR 686/98, StV 1999, 209). Zwar wurde die Waffe bei Tatbegehung auch als Schlagwerkzeug verwendet. Dieser Einsatz war aber vom gemeinsamen Tatplan nicht umfasst und stellte sich mithin in Bezug auf den Angeklagten U. als Mittäterexzess dar. Seine Bestrafung wegen besonders schweren Raubes kam damit nach den getroffenen Feststellungen nicht in Betracht.
Becker Schäfer RiBGH Mayer befindet sich im Urlaub und ist daher gehindert zu unterschreiben. Becker Gericke Spaniol
Urteilsbesprechung zu {{shorttitle}}
{{count_recursive}} Urteilsbesprechungen zu {{shorttitle}}

moreResultsText


(1) Auf Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren ist zu erkennen, wenn 1. der Täter oder ein anderer Beteiligter am Raub a) eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug bei sich führt,b) sonst ein Werkzeug oder Mittel bei sich führt, um den Wider

(1) Wer mit Gewalt gegen eine Person oder unter Anwendung von Drohungen mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben eine fremde bewegliche Sache einem anderen in der Absicht wegnimmt, die Sache sich oder einem Dritten rechtswidrig zuzueignen, wird m

(1) Wer einen Menschen rechtswidrig mit Gewalt oder durch Drohung mit einem empfindlichen Übel zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung nötigt und dadurch dem Vermögen des Genötigten oder eines anderen Nachteil zufügt, um sich oder einen Dritten
{{title}} zitiert {{count_recursive}} §§.

(1) Auf Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren ist zu erkennen, wenn 1. der Täter oder ein anderer Beteiligter am Raub a) eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug bei sich führt,b) sonst ein Werkzeug oder Mittel bei sich führt, um den Wider

(1) Wer mit Gewalt gegen eine Person oder unter Anwendung von Drohungen mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben eine fremde bewegliche Sache einem anderen in der Absicht wegnimmt, die Sache sich oder einem Dritten rechtswidrig zuzueignen, wird m

(1) Wer einen Menschen rechtswidrig mit Gewalt oder durch Drohung mit einem empfindlichen Übel zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung nötigt und dadurch dem Vermögen des Genötigten oder eines anderen Nachteil zufügt, um sich oder einen Dritten
5 Referenzen - Urteile

moreResultsText

{{Doctitle}} zitiert oder wird zitiert von {{count_recursive}} Urteil(en).

published on 14/02/2012 00:00

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 3 StR 392/11 vom 14. Februar 2012 in der Strafsache gegen wegen Raubes u.a. Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers und des Generalbundesanwalts - zu 1. b) und 2. auf dessen Antr
published on 27/01/2011 00:00

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES Urteil 4 StR 502/10 vom 27. Januar 2011 in der Strafsache gegen 1. 2. wegen Körperverletzung mit Todesfolge u.a. zu Ziff. 1 wegen Beihilfe zur Körperverletzung mit Todesfolge u.a. zu Ziff. 2 Der 4. Strafsen
{{Doctitle}} zitiert {{count_recursive}} Urteil(e) aus unserer Datenbank.
published on 11/12/2018 00:00

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 5 StR 577/18 vom 11. Dezember 2018 in der Strafsache gegen 1. 2. wegen schweren Raubes u.a. hier: Revision des Angeklagten M. ECLI:DE:BGH:2018:111218B5STR577.18.0 Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nac
published on 17/10/2019 00:00

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 3 StR 536/18 vom 17. Oktober 2019 in der Strafsache gegen wegen gewerbsmäßiger Abgabe von Betäubungsmitteln an Minderjährige u.a. ECLI:DE:BGH:2019:171019U3STR536.18.0 Der 3. Strafsenat des Bundesger
published on 25/04/2018 00:00

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 4 StR 348/17 vom 25. April 2018 in der Strafsache gegen wegen schweren Raubes u.a. ECLI:DE:BGH:2018:250418B4STR348.17.0 Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhöru
{{count_recursive}} Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren {{Doctitle}}.

Annotations

(1) Wer mit Gewalt gegen eine Person oder unter Anwendung von Drohungen mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben eine fremde bewegliche Sache einem anderen in der Absicht wegnimmt, die Sache sich oder einem Dritten rechtswidrig zuzueignen, wird mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr bestraft.

(2) In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren.

(1) Wer einen Menschen rechtswidrig mit Gewalt oder durch Drohung mit einem empfindlichen Übel zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung nötigt und dadurch dem Vermögen des Genötigten oder eines anderen Nachteil zufügt, um sich oder einen Dritten zu Unrecht zu bereichern, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Rechtswidrig ist die Tat, wenn die Anwendung der Gewalt oder die Androhung des Übels zu dem angestrebten Zweck als verwerflich anzusehen ist.

(3) Der Versuch ist strafbar.

(4) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter gewerbsmäßig oder als Mitglied einer Bande handelt, die sich zur fortgesetzten Begehung einer Erpressung verbunden hat.

Wird die Erpressung durch Gewalt gegen eine Person oder unter Anwendung von Drohungen mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben begangen, so ist der Täter gleich einem Räuber zu bestrafen.

(1) Auf Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren ist zu erkennen, wenn

1.
der Täter oder ein anderer Beteiligter am Raub
a)
eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug bei sich führt,
b)
sonst ein Werkzeug oder Mittel bei sich führt, um den Widerstand einer anderen Person durch Gewalt oder Drohung mit Gewalt zu verhindern oder zu überwinden,
c)
eine andere Person durch die Tat in die Gefahr einer schweren Gesundheitsschädigung bringt oder
2.
der Täter den Raub als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung von Raub oder Diebstahl verbunden hat, unter Mitwirkung eines anderen Bandenmitglieds begeht.

(2) Auf Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter oder ein anderer Beteiligter am Raub

1.
bei der Tat eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug verwendet,
2.
in den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 eine Waffe bei sich führt oder
3.
eine andere Person
a)
bei der Tat körperlich schwer mißhandelt oder
b)
durch die Tat in die Gefahr des Todes bringt.

(3) In minder schweren Fällen der Absätze 1 und 2 ist die Strafe Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren.