Bundesgerichtshof Beschluss, 19. Sept. 2017 - 3 StR 418/17
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 19. September 2017 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
Gründe:
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- Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchten Mordes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten verurteilt. Die auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten, die sich insbesondere gegen die Ablehnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt richtet, hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
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- 1. Nach den vom Landgericht getroffenen Feststellungen geriet der Angeklagte , der sich im Methadonsubstitutionsprogramm befand und zusätzlich täglich Heroin konsumierte, in einem alkoholisierten und von Methadon und Morphin beeinflussten Zustand, der seine Steuerungsfähigkeit erheblich einschränkte , in der Küche der gemeinsamen Flüchtlingsunterkunft mit dem Nebenkläger H. in Streit. Im Verlauf der Auseinandersetzung stach er mit Tötungsvorsatz unvermittelt mehrfach auf diesen ein. Verletzt flüchtete der Nebenkläger auf den Flur. Der Angeklagte verfolgte ihn und brachte ihm weitere Stiche bei. Schließlich konnte der Nebenkläger in das Zimmer des Zeugen Ho. ausweichen, die Tür von innen verriegeln und einen Notruf absetzen. Er konnte von den alsbald eingetroffenen Rettungskräften notärztlich versorgt und schließlich gerettet werden.
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- 2. Die Feststellungen tragen den Schuldspruch. Auch der Strafausspruch ist frei von durchgreifenden Rechtsfehlern zum Nachteil des Angeklagten.
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- 3. Dagegen hält die Versagung der Unterbringung nach § 64 StGB rechtlicher Prüfung nicht stand. Der Generalbundesanwalt hat dazu in seiner Zuleitungsschrift ausgeführt: "Das Landgericht hat seine Entscheidung, die Maßregel zu versagen, nicht begründet, obgleich sich eine inhaltliche Auseinandersetzung mit den Voraussetzungen des § 64 StGB - auch jenseits des von der Verteidigung urteilsfremd vorgetragenen vorbereitenden Sachverständigengutachtens - aufdrängte:
a) Nach den Feststellungen nahm der Angeklagte an einem Methadonprogramm teil und konsumierte darüber hinaus ein Bubble Heroin am Tag; nach seiner Inhaftierung litt er an Entzugserscheinungen (UA S. 4).
b) Zudem lässt sich auch ein symptomatischer Zusammenhang zwischen der Tat und einem Hang nach den Urteilsgründen nicht ohne Weiteres ausschließen. Denn es ist nach ständiger Rechtsprechung nicht erforderlich, dass der Hang die alleinige oder vorrangige Ursache der Anlasstat ist; vielmehr ist es ausreichend, dass der Hang neben anderen Umständen dazu beigetragen hat, dass der Angeklagte erhebliche Straftaten begangen hat (BGH NStZ 2010, 83, 84 mwN). Vorliegend ist das Landgericht davon ausgegangen, dass aufgrund des Betäubungsmittelkonsums im Zusammenhang mit genossenem Alkohol im Tatzeitpunkt die Steuerungsfähigkeit des Angeklagten in der Tatsituation erheblich vermindert war i.S.d. § 21 StGB (UA S. 6, 7, 24 - 26). Es hat deshalb die Strafe gemäß §§ 21, 49 Abs. 1 StGB gemildert (UA S. 31). Dies legt einen symptomatischen Zusammenhang zwischen einem Hang zum Opiatkonsum und der Tat nahe.
c) Anhaltspunkte dafür, dass ohne Weiteres von einer fehlenden Erfolgsaussicht der Maßregelanordnung auszugehen sein könnte (vgl. § 64 S. 2 StGB), lassen sich den auf die Sachrüge allein zu berücksichtigenden Urteilsgründen gleichfalls nicht entnehmen.
d) Da zudem der Angeklagte neben seiner Teilnahme am Methadonprogramm weiterhin Heroin konsumierte (UA S. 4), scheidet eine Geeignetheit und Erforderlichkeit der Unterbringung als Voraussetzung für die Verhältnismäßigkeit der Maßregelanordnung gleichfalls nicht ohne Weiteres aus. Damit lag ein Fehlen der Voraussetzungen des § 64 StGB nicht in einer Art und Weise auf der Hand, dass die bloße Mitteilung des Landgerichts , die Maßregel komme 'nicht in Betracht' (UA S. 32), als aus-
reichende Begründung angesehen werden könnte. Liegen nämlich Umstände vor, die nahe legen, dass die Unterbringungsvoraussetzungen gegeben sein könnten, und wird die Maßregel dennoch nicht verhängt , so muss unabhängig von gestellten Anträgen im Urteil dargelegt werden, warum von der Anordnung abgesehen worden ist (van Gemmeren in Münchener Kommentar, StGB, 3. Aufl., § 64 Rn. 119). Da es an solchen Erörterungen mangelt, ist das Urteil im beantragten Umfang aufzuheben; die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen können indes bestehen bleiben."
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- Diesen zutreffenden Erwägungen schließt sich der Senat an.
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- Es ist auszuschließen, dass die rechtsfehlerhafte Ablehnung der Unterbringung nach § 64 StGB Einfluss auf den Strafausspruch gehabt hat. Dieser kann daher bestehen bleiben.
Berg Hoch
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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.
Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.
(1) Ist eine Milderung nach dieser Vorschrift vorgeschrieben oder zugelassen, so gilt für die Milderung folgendes:
- 1.
An die Stelle von lebenslanger Freiheitsstrafe tritt Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren. - 2.
Bei zeitiger Freiheitsstrafe darf höchstens auf drei Viertel des angedrohten Höchstmaßes erkannt werden. Bei Geldstrafe gilt dasselbe für die Höchstzahl der Tagessätze. - 3.
Das erhöhte Mindestmaß einer Freiheitsstrafe ermäßigt sich im Falle eines Mindestmaßes von zehn oder fünf Jahren auf zwei Jahre, im Falle eines Mindestmaßes von drei oder zwei Jahren auf sechs Monate, im Falle eines Mindestmaßes von einem Jahr auf drei Monate, im übrigen auf das gesetzliche Mindestmaß.
(2) Darf das Gericht nach einem Gesetz, das auf diese Vorschrift verweist, die Strafe nach seinem Ermessen mildern, so kann es bis zum gesetzlichen Mindestmaß der angedrohten Strafe herabgehen oder statt auf Freiheitsstrafe auf Geldstrafe erkennen.
Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.