Bundesgerichtshof Beschluss, 21. Aug. 2019 - 3 StR 325/19
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers und des Generalbundesanwalts - zu 2. auf dessen Antrag - am 21. August 2019 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:
Gründe:
- 1
- Das Landgericht hat die Unterbringung des Beschuldigten in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet und die Vollstreckung dieser Maßnahme zur Bewährung ausgesetzt. Die auf die allgemeine Sachbeschwerde gestützte Revision des Beschuldigten erzielt den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg. Im Übrigen ist sie unbegründet.
I.
- 2
- Nach den Feststellungen des Landgerichts beging der Beschuldigte im Zeitraum vom 20. August 2017 bis zum 1. September 2017 fünf - teils versuch- te, teils gefährliche, teils in Tateinheit mit Begleitdelikten (§ 114 Abs. 1, § 241 StGB) stehende - Körperverletzungen.
- 3
- Zur Schuldfähigkeit des Beschuldigten hat das Landgericht ausgeführt, dass er an einem akuten Schub einer manischen Episode mit psychotischen Symptomen als Ausprägung einer bipolaren affektiven Störung gelitten habe. Zu den jeweiligen Tatzeitpunkten sei seine Einsichtsfähigkeit krankheitsbedingt nicht ausschließbar aufgehoben, jedenfalls aber erheblich vermindert gewesen.
II.
- 4
- 1. Die Anordnung der Unterbringung des Beschuldigten in einem psychiatrischen Krankenhaus begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Denn das Landgericht hat zum subjektiven Tatgeschehen keine hinreichenden Feststellungen getroffen und damit die Voraussetzungen der §§ 20, 21, 63 StGB nicht belegt.
- 5
- Dem Gutachten des psychiatrischen Sachverständigen folgend hat die Strafkammer angenommen, dass die manische Episode als Ausprägung der bipolaren Störung ursächlich für die Tatbegehungen gewesen sei. Aufgrund der psychotisch bedingten Krankheitssymptome sei die Fähigkeit des Beschuldigten , das Unrecht seiner Taten einzusehen, sicher erheblich vermindert und nicht ausschließbar aufgehoben gewesen. Er habe die Taten deshalb "im Zustand der erheblich verminderten Schuldfähigkeit (§ 21 StGB) begangen" (UA S. 12).
- 6
- 2. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist eine verminderte Einsichtsfähigkeit strafrechtlich jedoch erst dann von Bedeutung, wenn sie das Fehlen der Unrechtseinsicht zur Folge hat. Ein Täter, der trotz verminderter Einsichtsfähigkeit im konkreten Fall die Einsicht in das Unrecht der Tat besitzt, ist, sofern nicht seine Steuerungsfähigkeit erheblich eingeschränkt ist, voll schuldfähig. Die Feststellung einer verminderten Einsichtsfähigkeit allein kann deshalb eine Unterbringung nach § 63 StGB nicht rechtfertigen. Nimmt das Tatgericht eine erheblich verminderte Einsichtsfähigkeit des Täters an, so muss es darüber befinden, ob diese das Fehlen der Unrechtseinsicht bei der Tat zur Folge hatte oder nicht (vgl. etwa BGH, Beschlüsse vom 25. Juli 2012 - 1 StR 332/12, juris; vom 20. November 2012 - 1 StR 504/12, NJW 2013, 246 f.; vom 30. Juni 2015 - 3 StR 181/15, NStZ-RR 2015, 273 f.; vom 9. Januar 2019 - 5 StR 466/18, juris, jeweils mwN).
- 7
- Vorliegend lässt sich den Urteilsgründen jedoch nicht einmal sicher entnehmen , dass die durch den Sachverständigen diagnostizierte psychische Erkrankung bei der Tat überhaupt relevante Auswirkungen auf die Unrechtseinsicht des Beschuldigten besaß. Feststellungen zu seinen inneren Vorgängen hat das Tatgericht nicht getroffen. Der Beschuldigte hat sich bezüglich der Mehrzahl der Taten dahin eingelassen, dass er sich nicht mehr erinnere. Den ersten Fall hat er eingeräumt und ausgeführt, er wisse nicht, warum er dies getan habe. Damit ist ein subjektives Geschehen, innerhalb dessen der Beschuldigte sein Verhalten wahnhaft als erlaubt oder gerechtfertigt einstufte und deshalb ohne Unrechtseinsicht handelte, nicht belegt. Der Umstand, dass der Sachverständige sich das irrationale Verhalten des Beschuldigten bei seinen Taten nicht anders als mit einer psychotischen Realitätsverzerrung hat erklären können (UA S. 10), reicht in diesem Zusammenhang als Beleg nicht aus.
- 8
- Im Übrigen legen die vom Landgericht festgestellten unvermittelten Gewaltausbrüche des Beschuldigten (auch) die Beeinträchtigung der Steuerungsfähigkeit nahe. Mit der Frage einer Verminderung oder Aufhebung der Steue- rungsfähigkeit hat sich die Strafkammer aber nicht befasst. Eine eigenständige Beurteilung ist dem Revisionsgericht insoweit verwehrt.
- 9
- 3. Die Sache bedarf deshalb neuer Verhandlung und Entscheidung, gegebenenfalls unter Hinzuziehung eines anderen psychiatrischen Sachverständigen. Die Feststellungen zum objektiven Tatgeschehen sind von dem Rechtsfehler nicht betroffen und können deshalb bestehen bleiben. Neue Feststellungen sind möglich, sofern sie den bisherigen nicht widersprechen.
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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
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(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
(1) Wer einen Amtsträger oder Soldaten der Bundeswehr, der zur Vollstreckung von Gesetzen, Rechtsverordnungen, Urteilen, Gerichtsbeschlüssen oder Verfügungen berufen ist, bei einer Diensthandlung tätlich angreift, wird mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.
(2) § 113 Absatz 2 gilt entsprechend.
(3) § 113 Absatz 3 und 4 gilt entsprechend, wenn die Diensthandlung eine Vollstreckungshandlung im Sinne des § 113 Absatz 1 ist.
(1) Wer einen Menschen mit der Begehung einer gegen ihn oder eine ihm nahestehende Person gerichteten rechtswidrigen Tat gegen die sexuelle Selbstbestimmung, die körperliche Unversehrtheit, die persönliche Freiheit oder gegen eine Sache von bedeutendem Wert bedroht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft.
(2) Wer einen Menschen mit der Begehung eines gegen ihn oder eine ihm nahestehende Person gerichteten Verbrechens bedroht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
(3) Ebenso wird bestraft, wer wider besseres Wissen einem Menschen vortäuscht, daß die Verwirklichung eines gegen ihn oder eine ihm nahestehende Person gerichteten Verbrechens bevorstehe.
(4) Wird die Tat öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten eines Inhalts (§ 11 Absatz 3) begangen, ist in den Fällen des Absatzes 1 auf Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder auf Geldstrafe und in den Fällen der Absätze 2 und 3 auf Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder auf Geldstrafe zu erkennen.
(5) Die für die angedrohte Tat geltenden Vorschriften über den Strafantrag sind entsprechend anzuwenden.
Ohne Schuld handelt, wer bei Begehung der Tat wegen einer krankhaften seelischen Störung, wegen einer tiefgreifenden Bewußtseinsstörung oder wegen einer Intelligenzminderung oder einer schweren anderen seelischen Störung unfähig ist, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln.
Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.
Hat jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20) oder der verminderten Schuldfähigkeit (§ 21) begangen, so ordnet das Gericht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an, wenn die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Tat ergibt, daß von ihm infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich erheblich geschädigt oder erheblich gefährdet werden oder schwerer wirtschaftlicher Schaden angerichtet wird, zu erwarten sind und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist. Handelt es sich bei der begangenen rechtswidrigen Tat nicht um eine im Sinne von Satz 1 erhebliche Tat, so trifft das Gericht eine solche Anordnung nur, wenn besondere Umstände die Erwartung rechtfertigen, dass der Täter infolge seines Zustandes derartige erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird.
Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.
Hat jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20) oder der verminderten Schuldfähigkeit (§ 21) begangen, so ordnet das Gericht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an, wenn die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Tat ergibt, daß von ihm infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich erheblich geschädigt oder erheblich gefährdet werden oder schwerer wirtschaftlicher Schaden angerichtet wird, zu erwarten sind und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist. Handelt es sich bei der begangenen rechtswidrigen Tat nicht um eine im Sinne von Satz 1 erhebliche Tat, so trifft das Gericht eine solche Anordnung nur, wenn besondere Umstände die Erwartung rechtfertigen, dass der Täter infolge seines Zustandes derartige erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird.