Bundesgerichtshof Beschluss, 23. Juli 2019 - 3 StR 279/19
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 23. Juli 2019 gemäß § 349 Abs. 2 und 4, § 354 Abs. 1 analog StPO einstimmig beschlossen:
a) im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte des schweren sexuellen Missbrauchs eines Kindes in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch einer Schutzbefohlenen in zwei Fällen und des sexuellen Missbrauchs einer Schutzbefohlenen in drei Fällen schuldig ist,
b) im gesamten Strafausspruch aufgehoben; jedoch bleiben die zugehörigen Feststellungen aufrechterhalten.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
Gründe:
- 1
- Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Schutzbefohlenen in fünf Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt und im Übrigen freigesprochen. Die gegen die Verurteilung gerichtete, auf die Rüge der Verletzung sachlichen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
- 2
- 1. Die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen tragen in drei Fällen (Taten Nr. 3 bis 5) den Schuldspruch wegen sexuellen Missbrauchs eines Kindes nicht, da sie nicht belegen, dass der Angeklagte sexuelle Handlungen an einer Person unter vierzehn Jahren vornahm (§ 176 Abs. 1, § 176a Abs. 2 Nr. 1 StGB).
- 3
- Nach den Urteilsgründen fanden die Tat Nr. 3 "bei einer nicht mehr eingrenzbaren Gelegenheit" nach dem 2. Juli 2012 sowie die Taten Nr. 4 und Nr. 5 im Jahr 2013 oder 2014 statt. Aus dem weiteren Zusammenhang ergeben sich keine Anhaltspunkte dafür, dass diese drei Taten vor dem 9. Mai 2014 begangen wurden, als die Geschädigte 14 Jahre alt wurde. Deren im Rahmen der Beweiswürdigung wiedergegebene Aussage, bei Tat Nr. 4 sei sie 13 oder 14 Jahre alt gewesen, verdeutlicht vielmehr, dass eine genauere zeitliche Eingrenzung der drei Taten nicht möglich gewesen ist.
- 4
- Weil auszuschließen ist, dass in einer neuen Hauptverhandlung Tatzeiten vor dem 9. Mai 2014 festgestellt werden könnten, ändert der Senat in entsprechender Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO den Schuldspruch selbst ab.
- 5
- 2. Die Schuldspruchänderung hat die Aufhebung der drei betroffenen Einzelstrafen zur Folge; denn das Landgericht hat diese aus dem Strafrahmen für das weggefallene Delikt entnommen. Dies zieht die Aufhebung der Gesamtfreiheitsstrafe nach sich.
- 6
- Hinsichtlich der verbleibenden beiden Einzelstrafen hat der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift ausgeführt: "Bedenken begegnen darüber hinaus auch die Strafzumessungserwägungen zu den rechtlich zutreffend gewürdigten Taten 1 - 2 der Urteilsgründe. Denn das Landgericht ist zu Unrecht von mehreren, wenn auch nicht schwerwiegenden Vorstrafen des Angeklagten ausgegangen (UA S. 26), obwohl diese Verurteilungen erst im Jahr 2015 deutlich nach Begehung der verfahrensgegenständlichen Taten erfolgten (UA S. 4). Trotz der Erwägung zugunsten des Angeklagten, die Vorstrafen seien nicht einschlägig und schwerwiegend (UA S. 26), ist unter diesen Umständen nicht auszuschließen, dass das Landgericht dem Angeklagten zu Unrecht tatsächlich nicht bestehende Vorstrafen angelastet hat. Aus diesem Grund ist der Strafausspruch insgesamt aufzuheben; dies ermöglicht dem neuen Tatrichter zudem eine widerspruchsfreie Strafzumessung der Einzelstrafen. Hingegen bedarf es wegen des Fehlers allein bei der Rechtsanwendung auf den rechtsfehlerfrei festgestellten Sachverhalt einer Aufhebung der zugehörigen Feststellungen nicht."
- 7
- Dem schließt sich der Senat an.
- 8
- Er bemerkt ergänzend, dass ein Härteausgleich, sofern dafür überhaupt Anlass besteht (vgl. BGH, Urteil vom 5. November 2013 - 1 StR 387/13, juris Rn. 10 ff. mwN), regelmäßig nicht bei der Festsetzung der Einzelfreiheitsstrafen , sondern bei der Bemessung der Gesamtstrafe vorzunehmen ist (s. BGH, Beschluss vom 25. Februar 2016 - 2 StR 31/16, NStZ-RR 2016, 251; Urteil vom 29. Juli 1982 - 4 StR 75/82, BGHSt 31, 102, 104).
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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
(1) Mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr wird bestraft, wer
- 1.
sexuelle Handlungen an einer Person unter vierzehn Jahren (Kind) vornimmt oder an sich von dem Kind vornehmen lässt, - 2.
ein Kind dazu bestimmt, dass es sexuelle Handlungen an einer dritten Person vornimmt oder von einer dritten Person an sich vornehmen lässt, - 3.
ein Kind für eine Tat nach Nummer 1 oder Nummer 2 anbietet oder nachzuweisen verspricht.
(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nummer 1 kann das Gericht von Strafe nach dieser Vorschrift absehen, wenn zwischen Täter und Kind die sexuelle Handlung einvernehmlich erfolgt und der Unterschied sowohl im Alter als auch im Entwicklungsstand oder Reifegrad gering ist, es sei denn, der Täter nutzt die fehlende Fähigkeit des Kindes zur sexuellen Selbstbestimmung aus.
(1) Mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren wird bestraft, wer
- 1.
sexuelle Handlungen vor einem Kind vornimmt oder vor einem Kind von einer dritten Person an sich vornehmen lässt, - 2.
ein Kind dazu bestimmt, dass es sexuelle Handlungen vornimmt, soweit die Tat nicht nach § 176 Absatz 1 Nummer 1 oder Nummer 2 mit Strafe bedroht ist, oder - 3.
auf ein Kind durch einen pornographischen Inhalt (§ 11 Absatz 3) oder durch entsprechende Reden einwirkt.
(2) Ebenso wird bestraft, wer ein Kind für eine Tat nach Absatz 1 anbietet oder nachzuweisen verspricht oder wer sich mit einem anderen zu einer solchen Tat verabredet.
(3) Der Versuch ist in den Fällen des Absatzes 1 Nummer 1 und 2 strafbar. Bei Taten nach Absatz 1 Nummer 3 ist der Versuch in den Fällen strafbar, in denen eine Vollendung der Tat allein daran scheitert, dass der Täter irrig annimmt, sein Einwirken beziehe sich auf ein Kind.
(1) Erfolgt die Aufhebung des Urteils nur wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen, so hat das Revisionsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, sofern ohne weitere tatsächliche Erörterungen nur auf Freisprechung oder auf Einstellung oder auf eine absolut bestimmte Strafe zu erkennen ist oder das Revisionsgericht in Übereinstimmung mit dem Antrag der Staatsanwaltschaft die gesetzlich niedrigste Strafe oder das Absehen von Strafe für angemessen erachtet.
(1a) Wegen einer Gesetzesverletzung nur bei Zumessung der Rechtsfolgen kann das Revisionsgericht von der Aufhebung des angefochtenen Urteils absehen, sofern die verhängte Rechtsfolge angemessen ist. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft kann es die Rechtsfolgen angemessen herabsetzen.
(1b) Hebt das Revisionsgericht das Urteil nur wegen Gesetzesverletzung bei Bildung einer Gesamtstrafe (§§ 53, 54, 55 des Strafgesetzbuches) auf, kann dies mit der Maßgabe geschehen, dass eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung über die Gesamtstrafe nach den §§ 460, 462 zu treffen ist. Entscheidet das Revisionsgericht nach Absatz 1 oder Absatz 1a hinsichtlich einer Einzelstrafe selbst, gilt Satz 1 entsprechend. Die Absätze 1 und 1a bleiben im Übrigen unberührt.
(2) In anderen Fällen ist die Sache an eine andere Abteilung oder Kammer des Gerichtes, dessen Urteil aufgehoben wird, oder an ein zu demselben Land gehörendes anderes Gericht gleicher Ordnung zurückzuverweisen. In Verfahren, in denen ein Oberlandesgericht im ersten Rechtszug entschieden hat, ist die Sache an einen anderen Senat dieses Gerichts zurückzuverweisen.
(3) Die Zurückverweisung kann an ein Gericht niederer Ordnung erfolgen, wenn die noch in Frage kommende strafbare Handlung zu dessen Zuständigkeit gehört.