Bundesgerichtshof Beschluss, 12. Juni 2018 - 3 StR 226/18
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers und des Generalbundesanwalts - zu 2. auf dessen Antrag - am 12. Juni 2018 gemäß § 349 Abs. 2 und 4, § 354 Abs. 1 analog StPO einstimmig beschlossen :
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Krefeld vom 15. Januar 2018
a) im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte schuldig ist: - der schweren Vergewaltigung in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Schutzbefohlenen, - der schweren Vergewaltigung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung, - der Vergewaltigung sowie - des schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Schutzbefohlenen ;
b) in den Einzelstrafaussprüchen zu den Fällen III. 2., III. 3. und III. 4. der Urteilsgründe sowie im Ausspruch über die Gesamtfreiheitsstrafe aufgehoben; jedoch bleiben die zugehörigen Feststellungen aufrechterhalten.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
Gründe:
- 1
- Das Landgericht hat den Angeklagten - unter Freispruch im Übrigen - wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Schutzbefohlenen, wegen schwerer Vergewaltigung in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Schutzbefohlenen und mit Beischlaf zwischen Verwandten, wegen schwerer Vergewaltigung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und mit Beischlaf zwischen Verwandten sowie wegen Vergewaltigung in Tateinheit mit Beischlaf zwischen Verwandten zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren verurteilt. Die hiergegen gerichtete Revision des Angeklagten, die er auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts stützt, hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist sein Rechtsmittel unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).
- 2
- 1. Nach den Feststellungen zu Fall III. 2. der Urteilsgründe drückte der Angeklagte im Sommer 2011 seine 16-jährige Tochter mit Gesicht und Bauch auf ihr Bett und setzte sich auf sie. Er fesselte mit Tesaband ihre Arme auf ihren Rücken und führte anschließend den Analverkehr bis zum Samenerguss durch. Im Fall III. 3. drückte der Angeklagte ein Tuch oder einen Wattebausch mit Chloroform oder Äther gegen die Nase seiner nunmehr 18-jährigen Tochter, um ihren Widerstand zu brechen. Anschließend vollzog er bei seiner bewusstlosen Tochter erneut den Analverkehr. Rund zwei Jahre später drückte der Angeklagte seine Tochter vor einer Wohnungstür zu Boden und führte wiederum den Analverkehr aus (Fall III. 4.).
- 3
- 2. Das Landgericht hat in den drei genannten Fällen neben schwerer Vergewaltigung (III. 2. und III. 3.) bzw. Vergewaltigung (III. 4.) u.a. den Tatbestand des Beischlafs zwischen Verwandten (§ 173 Abs. 1 StGB) als verwirklicht angesehen. Dies hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Der Begriff des "Beischlafs" setzt das Eindringen des männlichen Glieds in die Scheide voraus; nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut werden beischlafähnliche Handlungen von § 173 StGB (anders als von § 177 Abs. 6 Satz 2 Nr. 1 StGB nF/§ 177 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 StGB aF) nicht erfasst (siehe nur BGH, Beschluss vom 7. September 2010 - 4 StR 342/10, NStZ-RR 2010, 371; MüKoStGB/Ritscher, 3. Aufl., § 173 Rn. 9; S/S-Lenckner/Bosch, StGB, 29. Aufl., § 173 Rn. 3; Fischer, StGB, 65. Aufl., § 173 Rn. 9). Damit unterfällt ebenso wenig wie der Oralverkehr (BGH aaO) der Analverkehr dem Tatbestand des Beischlafs zwischen Verwandten. Der Senat hat den Schuldspruch entsprechend geändert.
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- 3. Dies führt zur Aufhebung der zu den Fällen III. 2. bis III. 4. verhängten Einzelstrafen. Denn das Landgericht hat jeweils strafschärfend berücksichtigt, dass der Angeklagte mehrere Straftatbestände verwirklichte. Der Senat schließt indes aus, dass diese drei Strafen die Strafzumessung für die erste Sexualstraftat mit einer Einzelfreiheitsstrafe von vier Jahren beeinflusst haben. Die Aufhebung der drei Einzelstrafen zieht die Aufhebung des Gesamtstrafausspruchs nach sich. Die zugehörigen Feststellungen bleiben von den allein den Schuldspruch betreffenden Wertungsmängeln unberührt und können bestehen bleiben (§ 353 Abs. 2 StPO). Becker Gericke Spaniol Berg Leplow
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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
(1) Wer mit einem leiblichen Abkömmling den Beischlaf vollzieht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
(2) Wer mit einem leiblichen Verwandten aufsteigender Linie den Beischlaf vollzieht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft; dies gilt auch dann, wenn das Verwandtschaftsverhältnis erloschen ist. Ebenso werden leibliche Geschwister bestraft, die miteinander den Beischlaf vollziehen.
(3) Abkömmlinge und Geschwister werden nicht nach dieser Vorschrift bestraft, wenn sie zur Zeit der Tat noch nicht achtzehn Jahre alt waren.
(1) Wer gegen den erkennbaren Willen einer anderen Person sexuelle Handlungen an dieser Person vornimmt oder von ihr vornehmen lässt oder diese Person zur Vornahme oder Duldung sexueller Handlungen an oder von einem Dritten bestimmt, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.
(2) Ebenso wird bestraft, wer sexuelle Handlungen an einer anderen Person vornimmt oder von ihr vornehmen lässt oder diese Person zur Vornahme oder Duldung sexueller Handlungen an oder von einem Dritten bestimmt, wenn
- 1.
der Täter ausnutzt, dass die Person nicht in der Lage ist, einen entgegenstehenden Willen zu bilden oder zu äußern, - 2.
der Täter ausnutzt, dass die Person auf Grund ihres körperlichen oder psychischen Zustands in der Bildung oder Äußerung des Willens erheblich eingeschränkt ist, es sei denn, er hat sich der Zustimmung dieser Person versichert, - 3.
der Täter ein Überraschungsmoment ausnutzt, - 4.
der Täter eine Lage ausnutzt, in der dem Opfer bei Widerstand ein empfindliches Übel droht, oder - 5.
der Täter die Person zur Vornahme oder Duldung der sexuellen Handlung durch Drohung mit einem empfindlichen Übel genötigt hat.
(3) Der Versuch ist strafbar.
(4) Auf Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr ist zu erkennen, wenn die Unfähigkeit, einen Willen zu bilden oder zu äußern, auf einer Krankheit oder Behinderung des Opfers beruht.
(5) Auf Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr ist zu erkennen, wenn der Täter
- 1.
gegenüber dem Opfer Gewalt anwendet, - 2.
dem Opfer mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben droht oder - 3.
eine Lage ausnutzt, in der das Opfer der Einwirkung des Täters schutzlos ausgeliefert ist.
(6) In besonders schweren Fällen ist auf Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren zu erkennen. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn
- 1.
der Täter mit dem Opfer den Beischlaf vollzieht oder vollziehen lässt oder ähnliche sexuelle Handlungen an dem Opfer vornimmt oder von ihm vornehmen lässt, die dieses besonders erniedrigen, insbesondere wenn sie mit einem Eindringen in den Körper verbunden sind (Vergewaltigung), oder - 2.
die Tat von mehreren gemeinschaftlich begangen wird.
(7) Auf Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter
- 1.
eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug bei sich führt, - 2.
sonst ein Werkzeug oder Mittel bei sich führt, um den Widerstand einer anderen Person durch Gewalt oder Drohung mit Gewalt zu verhindern oder zu überwinden, oder - 3.
das Opfer in die Gefahr einer schweren Gesundheitsschädigung bringt.
(8) Auf Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter
- 1.
bei der Tat eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug verwendet oder - 2.
das Opfer - a)
bei der Tat körperlich schwer misshandelt oder - b)
durch die Tat in die Gefahr des Todes bringt.
(9) In minder schweren Fällen der Absätze 1 und 2 ist auf Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu drei Jahren, in minder schweren Fällen der Absätze 4 und 5 ist auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen der Absätze 7 und 8 ist auf Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren zu erkennen.