Bundesgerichtshof Beschluss, 30. Mai 2012 - 2 StR 98/12

published on 30/05/2012 00:00
Bundesgerichtshof Beschluss, 30. Mai 2012 - 2 StR 98/12
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Gericht


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 StR 98/12
vom
30. Mai 2012
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen schweren sexuellen Missbrauchs eines Kindes u. a.
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und der Beschwerdeführer am 30. Mai 2012 gemäß § 349
Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten K. wird das Urteil des Landgerichts Gera vom 12. September 2011, soweit es ihn betrifft, im Adhäsionsausspruch aufgehoben. Von einer Entscheidung über den Adhäsionsantrag wird abgesehen. Die weitergehende Revision des Angeklagten wird verworfen. Es wird davon abgesehen, dem Angeklagten die durch sein Rechtsmittel entstandenen Kosten und Auslagen aufzuerlegen. Er hat jedoch die hierdurch der Nebenklägerin entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen. Die durch das Adhäsionsverfahren entstandenen gerichtlichen Auslagen werden der Staatskasse auferlegt. Die durch dieses Verfahren den Beteiligten erwachsenen notwendigen Auslagen tragen diese selbst. 2. Auf die Revision der Angeklagten E. wird das vorbezeichnete Urteil, soweit es sie betrifft, im Strafausspruch und im Adhäsionsausspruch aufgehoben. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels und die der Nebenklägerin dadurch entstandenen not- wendigen Auslagen, an eine allgemeine Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten K. wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern in zwei Fällen und wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern in zwei weiteren Fällen zu einer Jugendstrafe verurteilt und im Übrigen freigesprochen. Gegen die Angeklagte E. hat es - unter Freisprechung im Übrigen - wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern in zwei Fällen auf eine Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren erkannt. Daneben hat das Landgericht gegen beide Angeklagten eine Adhäsionsentscheidung getroffen. Gegen dieses Urteil wenden sich die Angeklagten mit ihren Revisionen. Die Rechtsmittel haben jeweils auf die Sachrüge in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang Erfolg. Im Übrigen sind sie aus den Gründen der Antragsschriften des Generalbundesanwalts unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2
1. Die im Adhäsionsverfahren gegen den Angeklagten K. getroffenen Entscheidungen haben schon deshalb keinen Bestand, weil dieser Angeklagte zur Tatzeit Jugendlicher war. Eine Anwendung der Vorschriften über eine Entschädigung des Verletzten (§§ 403 bis 406c StPO) kam daher gemäß § 81 JGG nicht in Betracht.
3
2. a) Hinsichtlich der Angeklagten E. hält der Strafausspruch sachlich -rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
4
Das Landgericht hat es unterlassen, schon bei der Bemessung der beiden Einzelfreiheitsstrafen von jeweils fünf Jahren die persönlichen Verhältnisse der Angeklagten und daraus resultierend die Wirkung der Strafe für deren zukünftiges Leben in die Abwägung miteinzubeziehen; es hat zu ihren Gunsten lediglich ihre bisherige Unbestraftheit berücksichtigt. Nach den ohnehin knappen Feststellungen des Landgerichts zu ihren (offensichtlich desolaten) Lebensverhältnissen fühlte sich die Angeklagte, die zur Tatzeit erst 23 Jahre alt war und von ihrem Ehemann getrennt lebte, mit der Erziehung ihrer damals 6jährigen Tochter, der hier geschädigten Nebenklägerin, überfordert. Sie hatte sich deshalb an das Jugendamt gewendet und um Hilfe zur Erziehung gebeten, nachdem sie zuvor bereits eine weitere Tochter zur Adoption freigegeben und ihren Sohn in die Betreuung der Schwiegereltern übergeben hatte (UA S. 7). Der Senat vermag nicht auszuschließen, dass die Strafkammer bei Berücksichtigung dieser nach § 46 Abs. 2 StGB bedeutsamen Umstände im Ergebnis auf mildere Strafen erkannt hätte.
5
Die Feststellungen zum Strafausspruch können bestehen bleiben; einer Aufhebung bedarf es nicht, weil sie von dem zur Aufhebung führenden Rechtsfehler unberührt bleiben. Ergänzende, nicht widersprechende Feststellungen insbesondere zu den persönlichen Verhältnissen der Angeklagten sind möglich.
6
b) Auch die im Adhäsionsverfahren gegen die Angeklagte E. getroffenen Entscheidungen haben keinen Bestand, da es an einem wirksamen Adhäsionsantrag fehlt, was eine von Amts wegen zu prüfende Verfahrensvoraussetzung darstellt (vgl. Senat, Beschluss vom 9. Juli 2004 - 2 StR 37/04, StrFo 2004, 386, 387). Der Adhäsionsantrag wurde außerhalb der Hauptver- handlung gestellt, jedoch ausweislich der Verfahrensakten entgegen § 404 Abs. 1 Satz 3 StPO nicht zugestellt. Auch eine Heilung durch die nochmalige Antragstellung in der mündlichen Verhandlung ist nicht eingetreten, weil diese erst nach dem Schlussvortrag der Staatsanwaltschaft und damit nach § 404 Abs. 1 Satz 1 StPO verspätet erfolgte.
7
3. Da sich das Verfahren nunmehr ausschließlich gegen eine Erwachsene richtet, verweist der Senat die Sache an eine allgemeine Strafkammer des Landgerichts zurück (BGHSt 35, 267, 269).
Fischer Berger Krehl Eschelbach Ott
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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

(1) Die Schuld des Täters ist Grundlage für die Zumessung der Strafe. Die Wirkungen, die von der Strafe für das künftige Leben des Täters in der Gesellschaft zu erwarten sind, sind zu berücksichtigen. (2) Bei der Zumessung wägt das Gericht die Um

(1) Der Antrag, durch den der Anspruch geltend gemacht wird, kann schriftlich oder mündlich zu Protokoll des Urkundsbeamten, in der Hauptverhandlung auch mündlich bis zum Beginn der Schlußvorträge gestellt werden. Er muß den Gegenstand und Grund des
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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

(1) Die Schuld des Täters ist Grundlage für die Zumessung der Strafe. Die Wirkungen, die von der Strafe für das künftige Leben des Täters in der Gesellschaft zu erwarten sind, sind zu berücksichtigen. (2) Bei der Zumessung wägt das Gericht die Um

(1) Der Antrag, durch den der Anspruch geltend gemacht wird, kann schriftlich oder mündlich zu Protokoll des Urkundsbeamten, in der Hauptverhandlung auch mündlich bis zum Beginn der Schlußvorträge gestellt werden. Er muß den Gegenstand und Grund des
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Annotations

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

Die Vorschriften der Strafprozeßordnung über das Adhäsionsverfahren (§§ 403 bis 406c der Strafprozeßordnung) werden im Verfahren gegen einen Jugendlichen nicht angewendet.

(1) Die Schuld des Täters ist Grundlage für die Zumessung der Strafe. Die Wirkungen, die von der Strafe für das künftige Leben des Täters in der Gesellschaft zu erwarten sind, sind zu berücksichtigen.

(2) Bei der Zumessung wägt das Gericht die Umstände, die für und gegen den Täter sprechen, gegeneinander ab. Dabei kommen namentlich in Betracht:

die Beweggründe und die Ziele des Täters, besonders auch rassistische, fremdenfeindliche, antisemitische oder sonstige menschenverachtende,die Gesinnung, die aus der Tat spricht, und der bei der Tat aufgewendete Wille,das Maß der Pflichtwidrigkeit,die Art der Ausführung und die verschuldeten Auswirkungen der Tat,das Vorleben des Täters, seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse sowiesein Verhalten nach der Tat, besonders sein Bemühen, den Schaden wiedergutzumachen, sowie das Bemühen des Täters, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen.

(3) Umstände, die schon Merkmale des gesetzlichen Tatbestandes sind, dürfen nicht berücksichtigt werden.

(1) Der Antrag, durch den der Anspruch geltend gemacht wird, kann schriftlich oder mündlich zu Protokoll des Urkundsbeamten, in der Hauptverhandlung auch mündlich bis zum Beginn der Schlußvorträge gestellt werden. Er muß den Gegenstand und Grund des Anspruchs bestimmt bezeichnen und soll die Beweismittel enthalten. Ist der Antrag außerhalb der Hauptverhandlung gestellt, so wird er dem Beschuldigten zugestellt.

(2) Die Antragstellung hat dieselben Wirkungen wie die Erhebung der Klage im bürgerlichen Rechtsstreit. Sie treten mit Eingang des Antrages bei Gericht ein.

(3) Ist der Antrag vor Beginn der Hauptverhandlung gestellt, so wird der Antragsteller von Ort und Zeit der Hauptverhandlung benachrichtigt. Der Antragsteller, sein gesetzlicher Vertreter und der Ehegatte oder Lebenspartner des Antragsberechtigten können an der Hauptverhandlung teilnehmen.

(4) Der Antrag kann bis zur Verkündung des Urteils zurückgenommen werden.

(5) Dem Antragsteller und dem Angeschuldigten ist auf Antrag Prozeßkostenhilfe nach denselben Vorschriften wie in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten zu bewilligen, sobald die Klage erhoben ist. § 121 Abs. 2 der Zivilprozeßordnung gilt mit der Maßgabe, daß dem Angeschuldigten, der einen Verteidiger hat, dieser beigeordnet werden soll; dem Antragsteller, der sich im Hauptverfahren des Beistandes eines Rechtsanwalts bedient, soll dieser beigeordnet werden. Zuständig für die Entscheidung ist das mit der Sache befaßte Gericht; die Entscheidung ist nicht anfechtbar.