Bundesgerichtshof Beschluss, 17. März 2016 - 2 StR 544/15
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts am 17. März 2016 gemäß § 349 Abs. 4 StPO beschlossen:
Gründe:
- 1
- Das Landgericht hat den Angeklagten wegen räuberischen Diebstahls in zwei Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit versuchter gefährlicher Körperverletzung , unter Einbeziehung der Strafe aus einer Vorverurteilung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt und seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet.
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- Die hiergegen gerichtete und auf die Sachrüge gestützte Revision hat in vollem Umfang Erfolg.
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- Der Generalbundesanwalt hat in seiner Antragsschrift vom 19. Januar 2016 ausgeführt: "I. Die den Feststellungen zugrunde liegende Beweiswürdigung begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
nicht bedacht, dass der Angeklagte das Verhalten der Zeugen H. und K. zwar realitätsentsprechend wahrgenommen , aber diesbezüglich vorsätzlich falsche Angaben gemacht haben könnte, um seine Schutzbehauptung, der Messereinsatz sei nicht durch Besitzerhaltungsabsicht motiviert gewesen, zu untermauern und einer Bestrafung wegen räuberischen Diebstahls zu entgehen. Eine Erörterung dieser Möglichkeit musste sich aufdrängen, weil der Angeklagte die Besitzerhaltungsabsicht, die den Messereinsatz auch ohne die Annahme krankheitsbedingter Wahrnehmungsverzerrungen plausibel zu erklären vermochte, zur Überzeugung der Strafkammer (auch subjektiv) wahrheitswidrig geleugnet, seine Beweggründe also jedenfalls insoweit vorsätzlich falsch dargestellt hat ('Schutzbehauptung'). Hätte der Angeklagte das Verhalten der Zeugen H. und K. hingegen tatsächlich subjektiv verzerrt als 'erhöht bedrohlich' wahrgenommen und - wie von ihm angegeben - 'Angst um sein Leben' gehabt, spräche dies wiederum für die Richtigkeit seiner weiteren Einlassung, in den Momenten des Messereinsatzes nicht mehr an den entwendeten Pullover gedacht zu haben. Denn wenn sich der Angeklagte in Lebensgefahr wähnte, könnte die Abwehr dieser Gefahr durchaus das allein bestimmende Handlungsmotiv gebildet haben und der Erhalt des Besitzes an dem gestohlenen Pullover demgegenüber vollends in den Hintergrund getreten sein. Diesen Gesichtspunkt hat das Landgericht ebenfalls übergangen, obwohl sich eine Erörterung aufgrund der Angaben der Zeugen H. und K. aufgedrängt hätte (vgl. Bl. 16 f. UA: 'psychisch auffällig und psychopathisch', 'seltsam und auffällig', 'nicht mehr Herr seiner Sinne', 'ungewöhnlich aggressiv'). Die Beweiswürdigung ist insofern lücken- und somit rechtsfehlerhaft, was zur Aufhebung des Schuldspruchs führt. II. Darüber hinaus tragen die (rechtsfehlerhaft) getroffenen Feststellungen weder den Schuldspruch noch belegen sie die Voraussetzungen für die Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 63 StGB. 1. Den Feststellungen zufolge hat der Angeklagte lediglich einen Diebstahl verübt und, auf frischer Tat betroffen, mit sei-
nem Messer zunächst dem Zeugen H. gedroht und sodann einen Stich in Richtung des Zeugen K. geführt, um sich im Besitz des gestohlenen Pullovers zu erhalten (vgl. Bl. 9 ff. UA). Es liegt daher nur eine einheitliche Tat des schweren räuberischen Diebstahls (§§ 242 Abs. 1, 252, 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB) in Tateinheit mit versuchter gefährlicher Körperverletzung vor und nicht - wie das Landgericht angenommen hat (vgl. Bl. 20 UA) - schwerer räuberischer Diebstahl in zwei Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung. 2. Die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nach § 63 StGB darf nur angeordnet werden, wenn zweifelsfrei feststeht, dass der Unterzubringende bei der Begehung der Anlasstaten aufgrund eines psychischen Defekts schuldunfähig oder vermindert schuldfähig war und die Tatbegehung hierauf beruht (vgl. BGH, Beschluss vom 26. März 2015 - 2 StR 37/15 -, juris Rn. 4 m. w. Nachw.). Das Urteil enthält hierzu keine ausreichenden Feststellungen.
a) Die Strafkammer ist im Anschluss an das Gutachten der psychiatrischen Sachverständigen Dr. R. davon ausgegangen, dass die psychische Erkrankung des Angeklagten sich nicht bereits bei dem Diebstahl des Pullovers , sondern lediglich bei dem nachfolgenden Messereinsatz gegen die Zeugen H. und K. ausgewirkt habe. Denn dabei sei seine 'Kritik- und Urteilsfähigkeit' insofern beeinträchtigt gewesen, als er die Zeugen H. und K. 'krankheitsbedingt verzerrt als erhöht bedrohlich' wahrgenommen habe; infolge dessen sei seine Steuerungsfähigkeit erheblich vermindert gewesen (vgl. Bl. 12, 23 ff. UA).
b) Eine Beeinträchtigung kognitiver Fähigkeiten wie der 'Kritik - und Urteilsfähigkeit' mag zu einer Verminderung der Einsichtsfähigkeit führen, die allerdings nur dann die Anwendung von § 21 StGB rechtfertigt, wenn - wozu sich die Urteilsgründe nicht verhalten - dem Angeklagten auch tatsächlich die Unrechtseinsicht fehlte (vgl. Fischer, StGB, 63. Aufl., § 21 Rn. 3 ff. m. w. Nachw.). Inwiefern daraus eine Verminderung der Steuerungsfähigkeit, d. h.
der Fähigkeit des Angeklagten, sein Verhalten nach seiner vorhandenen Einsicht in das Unrecht der Tat zu richten (vgl. Fischer, a.a.O., § 20 Rn. 4, 44 m. w. Nachw.), resultieren sollte, erschließt sich indes nicht und hätte jedenfalls näherer Darlegung bedurft."
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- Der Senat tritt diesen zutreffenden Ausführungen bei. Die Sache bedarf daher neuer Verhandlung und Entscheidung. Krehl Eschelbach Ott Zeng Bartel
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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
Über das Ergebnis der Beweisaufnahme entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Inbegriff der Verhandlung geschöpften Überzeugung.
Hat jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20) oder der verminderten Schuldfähigkeit (§ 21) begangen, so ordnet das Gericht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an, wenn die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Tat ergibt, daß von ihm infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich erheblich geschädigt oder erheblich gefährdet werden oder schwerer wirtschaftlicher Schaden angerichtet wird, zu erwarten sind und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist. Handelt es sich bei der begangenen rechtswidrigen Tat nicht um eine im Sinne von Satz 1 erhebliche Tat, so trifft das Gericht eine solche Anordnung nur, wenn besondere Umstände die Erwartung rechtfertigen, dass der Täter infolge seines Zustandes derartige erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird.
Hat jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20) oder der verminderten Schuldfähigkeit (§ 21) begangen, so ordnet das Gericht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an, wenn die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Tat ergibt, daß von ihm infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich erheblich geschädigt oder erheblich gefährdet werden oder schwerer wirtschaftlicher Schaden angerichtet wird, zu erwarten sind und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist. Handelt es sich bei der begangenen rechtswidrigen Tat nicht um eine im Sinne von Satz 1 erhebliche Tat, so trifft das Gericht eine solche Anordnung nur, wenn besondere Umstände die Erwartung rechtfertigen, dass der Täter infolge seines Zustandes derartige erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird.
Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.