Bundesgerichtshof Beschluss, 09. Apr. 2019 - 2 StR 518/18

published on 09/04/2019 00:00
Bundesgerichtshof Beschluss, 09. Apr. 2019 - 2 StR 518/18
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Gericht


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 StR 518/18
vom
9. April 2019
in der Strafsache
gegen
wegen besonders schwerer räuberischer Erpressung u.a.
ECLI:DE:BGH:2019:090419B2STR518.18.0

Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 9. April 2019 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Köln vom 27. Juli 2018 im Maßregelausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen besonders schwerer räuberischer Erpressung in zwei Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit besonders schwerem Raub, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren und sechs Monaten verurteilt, die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt und den Vorwegvollzug eines Teils der Gesamtfreiheitsstrafe sowie die Einziehung eines Geldbetrages angeordnet. Die auf die allgemeine Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten hat in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen ist sie offensichtlich unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).
2
1. Die umfassende Überprüfung der angefochtenen Entscheidung hat im Schuldspruch, im Strafausspruch und hinsichtlich der Einziehungsentscheidung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.
3
2. Hingegen hält der Maßregelausspruch rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Das Landgericht hat die hinreichend konkrete Erfolgsaussicht für die angeordnete Unterbringung in einer Entziehungsanstalt (§ 64 Satz 2 StGB) nur unzureichend begründet.
4
a) Nach den Feststellungen des Landgerichts konsumierte der 45-jährige Angeklagte erstmals im Alter von zehn Jahren Alkohol; ab dem Jahre 2010 begann er regelmäßig Alkohol, insbesondere Bier, Wodka und Weinbrand, zu sich zu nehmen. Zigaretten raucht er seit seinem 13. Lebensjahr, zudem ab dem 15. Lebensjahr regelmäßig Cannabis. Spätestens im Alter von 18 Jahren konsumierte er erstmals Heroin, ab dem 25. Lebensjahr regelmäßig. Ab dem 19. Lebensjahr war er drei bis vier Jahre abhängig von Codein. Seit dem Jahr 2007 konsumiert er regelmäßig vom Arzt verschriebene Benzodiazepine. In den letzten Jahren kam schließlich ein regelmäßiger Konsum von Kokain und Amphetamin hinzu. Der Angeklagte hat in seinem Leben zahllose Entgiftungen und Therapien, darunter mehrere stationäre Langzeittherapien, durchgeführt und meist regulär beendet, bislang aber ohne nachhaltigen Erfolg. Der in der Hauptverhandlung gehörte Sachverständige geht von einem multiplen Substanzmissbrauch durch Cannabinoide und Amphetamin und von einem psychischen Abhängigkeitssyndrom betreffend Alkohol und Opiaten aus.
5
b) Angesichts dieser außerordentlich ungünstigen Umstände, die gegen einen mehr als nur kurzfristigen Behandlungserfolg sprechen, ist alleine die Erklärung des Angeklagten, therapiemotiviert und überzeugt zu sein, dass ihn eine Entziehungsbehandlung in die Lage versetzen könne, seine Sucht und damit sein Leben in den Griff zu bekommen, nicht geeignet, eine konkrete Erfolgsaussicht der angeordneten Maßregel im Sinne des § 64 Satz 2 StGB zu begründen (vgl. BGH, Beschluss vom 2. November 2017 – 2 StR 387/17).
6
Wenngleich nicht jedes Risiko, dass in einer Entziehungsanstalt ein nachhaltiger Behandlungserfolg nicht erzielt wird, zugleich bedeutet, dass es an einer hinreichend konkreten Erfolgsaussicht fehlt (vgl. BGH, Beschluss vom 22. März 2017 – 3 StR 38/17, NStZ-RR 2017, 283, 284), hätte es hier, insbesondere im Hinblick auf die in der Vergangenheit gescheiterten Therapien, der eingehenden Darlegung der für eine hinreichend konkrete Erfolgsaussicht sprechenden Gesichtspunkte unter Mitteilung der diesbezüglichen Ausführungen des von der Strafkammer hinzugezogenen psychiatrischen Sachverständigen bedurft (st. Rspr.; vgl. Senat, aaO). Die Strafkammer wäre gehalten gewesen, das Risiko eines Scheiterns der Behandlung – als mehr oder weniger hoch bzw. gering – konkret zu gewichten, um die Behandlungsaussichten nachvollziehbar zu bewerten. Dabei wären in die Beurteilung die im Urteilszeitpunkt gegebenen prognosegünstigen (bekundete Therapiebereitschaft, mögliche Stabilisierung seiner persönlichen Lebensverhältnisse) und auch die prognoseungünstigen Faktoren (insbesondere langjährige Drogenabhängigkeit, mehrfache erfolglose Langzeittherapien) einzubeziehen gewesen.
7
Die danach erforderliche Abwägung kann weder ersetzt werden durch den bloßen Hinweis der Strafkammer auf die überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen, die nicht weiter mitgeteilt werden, noch durch die allgemeine Erwägung, der Annahme der Erfolgsaussicht stünde nicht entgegen, dass der Angeklagte bereits erfolglose Langzeittherapien hinter sich gebracht habe. Dass es sich – wie die Strafkammer in diesem Zusammenhang annimmt – bei einer Suchttherapie um einen langwierigen und mühsamen Prozess handele, der dem Betroffenen viel Durchhaltevermögen und Kraft abverlange, ist allein kein tragfähiger Beleg dafür, dass trotz des Scheiterns in der Vergangenheit eine neuerliche Therapie beim Angeklagten gerade jetzt aussichtsreich sein könnte.
8
3. Die Aufhebung des Maßregelausspruchs entzieht der Anordnung des Vorwegvollzugs eines Teils der Gesamtfreiheitsstrafe die Grundlage.
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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb
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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb
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Annotations

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.