Bundesgerichtshof Beschluss, 02. Nov. 2017 - 2 StR 387/17
BUNDESGERICHTSHOF
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 2. November 2017 gemäß § 349 Abs. 4 StPO beschlossen:
Gründe:
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- Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Ferner hat es seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet.
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- Die auf die Verletzung sachlichen Rechts gestützte Revision des Angeklagten wendet sich, rechtlich wirksam, alleine gegen die Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt. Sie führt zur Aufhebung des Maßregelausspruchs.
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- Die Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt (§ 64 StGB) hält der revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand.
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- 1. Nach den Feststellungen der Strafkammer konsumierte der zur Tatzeit 40-jährige Angeklagte seit seinem 15./16. Lebensjahr Marihuana, seit seinem 19. Lebensjahr Amphetamin, Ecstasy und Kokain und seit seinem 25. Lebensjahr regelmäßig Heroin. Er ist seit 1998 vielfach wegen Betäubungsmittel - bzw. Beschaffungsdelikten vorbestraft. Zwischen 2003 und seiner letzten Entlassung aus der Strafhaft am 15. Februar 2016 verbüßte er insgesamt mehr als siebeneinhalb Jahre Freiheitsstrafe. Mehrere Zurückstellungen einzelner Freiheitsstrafen mussten widerrufen werden. Langzeittherapien in den Jahren 2008, 2009 und 2011 führten nicht dazu, dass es dem Angeklagten gelang, länger drogenfrei zu leben. Eine nach der letzten Haftentlassung angeordnete Führungsaufsicht blieb fruchtlos. Der neuerlichen Verurteilung liegt die Beschaffung einer größeren Menge Heroin für den Eigenkonsum im November 2016 zugrunde. Beruflich ist der Angeklagte seit 18 Jahren ohne Perspektive. Seine Lebenspartnerin, gleichzeitig Mittäterin des durch die Strafkammer abgeurteilten Betäubungsmitteldelikts, ist ebenfalls seit vielen Jahren drogenabhängig.
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- 2. Angesichts dieser außerordentlich ungünstigen Umstände, die gegen einen mehr als nur kurzfristigen Behandlungserfolg sprechen (vgl. MüKo/van Gemmeren, StGB, 3. Aufl., § 64 Rn. 64 f. mwN), ist alleine die vom Angeklagten gegenüber der Sachverständigen bekundete Therapiebereitschaft nicht geeignet , eine konkrete Erfolgsaussicht der angeordneten Maßregel im Sinne des § 64 Satz 2 StGB zu begründen.
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- Wenngleich nicht jedes Risiko, dass in einer Entziehungsanstalt ein nachhaltiger Behandlungserfolg nicht erzielt wird, zugleich bedeutet, dass keine hinreichend konkrete Erfolgsaussicht besteht (vgl. BGH, Beschluss vom 22. März 2017 – 3 StR 38/17, NStZ-RR 2017, 283, 284), hätte es der eingehenden Darlegung der für eine hinreichend konkrete Erfolgsaussicht sprechenden Gesichtspunkte unter Mitteilung der diesbezüglichen Ausführungen der von der Strafkammer hinzugezogenen psychiatrischen Sachverständigen bedurft (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschluss vom 27. November 2014 – 5 StR 454/14, juris Rn. 6). Die Strafkammer wäre gehalten gewesen, das Risiko eines Scheiterns der Behandlung - als mehr oder weniger hoch bzw. gering - zu gewichten, um die Behandlungsaussichten nachvollziehbar zu bewerten. Dabei wären die im Urteilszeitpunkt gegebenen prognosegünstigen Faktoren (bekundete Therapiebereitschaft , relativ gute Deutschkenntnisse) gegen die prognoseungünstigen Faktoren (langjährige Drogenabhängigkeit, wiederholte Inhaftierung, mehrfache erfolglose Langzeittherapien, fehlender sozialer Empfangsraum und berufliche Perspektivlosigkeit) in die Beurteilung einzubeziehen gewesen.
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- Einer eingehenden Auseinandersetzung mit der Erfolgsprognose hätte es insbesondere auch deshalb bedurft, weil der Angeklagte primär eine Zurückstellung nach § 35 BtMG erstrebt, die Sachverständige eine Therapienotwendigkeit von zwei Jahren prognostiziert und die Strafkammer lediglich eine Begleitstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verhängt hat. Unter Berücksichtigung der bereits vollstreckten sieben Monate Untersuchungs- und der noch erforderlichen Organisationshaft würde die erwartete Dauer der Maßregel die noch zu vollstreckende Restfreiheitsstrafe übersteigen. Vor diesem Hintergrund bedurfte die gegenüber der Sachverständigen geäußerte Therapiebereitschaft des Angeklagten einer näheren Erörterung, da diese angesichts des angeklagten Vorwurfs des bewaffneten Handeltreibens möglicherweise vor dem Hintergrund einer höheren Straferwartung durch den Angeklagten erklärt worden war.
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- 3. Über die Frage der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt muss deshalb - wiederum unter Hinzuziehung eines Sachverständigen (§ 246a StPO) - neu verhandelt und entschieden werden. Appl Krehl Eschelbach Zeng Schmidt
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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.
(1) Ist jemand wegen einer Straftat zu einer Freiheitsstrafe von nicht mehr als zwei Jahren verurteilt worden und ergibt sich aus den Urteilsgründen oder steht sonst fest, daß er die Tat auf Grund einer Betäubungsmittelabhängigkeit begangen hat, so kann die Vollstreckungsbehörde mit Zustimmung des Gerichts des ersten Rechtszuges die Vollstreckung der Strafe, eines Strafrestes oder der Maßregel der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt für längstens zwei Jahre zurückstellen, wenn der Verurteilte sich wegen seiner Abhängigkeit in einer seiner Rehabilitation dienenden Behandlung befindet oder zusagt, sich einer solchen zu unterziehen, und deren Beginn gewährleistet ist. Als Behandlung gilt auch der Aufenthalt in einer staatlich anerkannten Einrichtung, die dazu dient, die Abhängigkeit zu beheben oder einer erneuten Abhängigkeit entgegenzuwirken.
(2) Gegen die Verweigerung der Zustimmung durch das Gericht des ersten Rechtszuges steht der Vollstreckungsbehörde die Beschwerde nach dem Zweiten Abschnitt des Dritten Buches der Strafprozeßordnung zu. Der Verurteilte kann die Verweigerung dieser Zustimmung nur zusammen mit der Ablehnung der Zurückstellung durch die Vollstreckungsbehörde nach den §§ 23 bis 30 des Einführungsgesetzes zum Gerichtsverfassungsgesetz anfechten. Das Oberlandesgericht entscheidet in diesem Falle auch über die Verweigerung der Zustimmung; es kann die Zustimmung selbst erteilen.
(3) Absatz 1 gilt entsprechend, wenn
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auf eine Gesamtfreiheitsstrafe von nicht mehr als zwei Jahren erkannt worden ist oder - 2.
auf eine Freiheitsstrafe oder Gesamtfreiheitsstrafe von mehr als zwei Jahren erkannt worden ist und ein zu vollstreckender Rest der Freiheitsstrafe oder der Gesamtfreiheitsstrafe zwei Jahre nicht übersteigt
(4) Der Verurteilte ist verpflichtet, zu Zeitpunkten, die die Vollstreckungsbehörde festsetzt, den Nachweis über die Aufnahme und über die Fortführung der Behandlung zu erbringen; die behandelnden Personen oder Einrichtungen teilen der Vollstreckungsbehörde einen Abbruch der Behandlung mit.
(5) Die Vollstreckungsbehörde widerruft die Zurückstellung der Vollstreckung, wenn die Behandlung nicht begonnen oder nicht fortgeführt wird und nicht zu erwarten ist, daß der Verurteilte eine Behandlung derselben Art alsbald beginnt oder wieder aufnimmt, oder wenn der Verurteilte den nach Absatz 4 geforderten Nachweis nicht erbringt. Von dem Widerruf kann abgesehen werden, wenn der Verurteilte nachträglich nachweist, daß er sich in Behandlung befindet. Ein Widerruf nach Satz 1 steht einer erneuten Zurückstellung der Vollstreckung nicht entgegen.
(6) Die Zurückstellung der Vollstreckung wird auch widerrufen, wenn
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bei nachträglicher Bildung einer Gesamtstrafe nicht auch deren Vollstreckung nach Absatz 1 in Verbindung mit Absatz 3 zurückgestellt wird oder - 2.
eine weitere gegen den Verurteilten erkannte Freiheitsstrafe oder freiheitsentziehende Maßregel der Besserung und Sicherung zu vollstrecken ist.
(7) Hat die Vollstreckungsbehörde die Zurückstellung widerrufen, so ist sie befugt, zur Vollstreckung der Freiheitsstrafe oder der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt einen Haftbefehl zu erlassen. Gegen den Widerruf kann die Entscheidung des Gerichts des ersten Rechtszuges herbeigeführt werden. Der Fortgang der Vollstreckung wird durch die Anrufung des Gerichts nicht gehemmt. § 462 der Strafprozeßordnung gilt entsprechend.
(1) Kommt in Betracht, dass die Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus oder in der Sicherungsverwahrung angeordnet oder vorbehalten werden wird, so ist in der Hauptverhandlung ein Sachverständiger über den Zustand des Angeklagten und die Behandlungsaussichten zu vernehmen. Gleiches gilt, wenn das Gericht erwägt, die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt anzuordnen.
(2) Ist Anklage erhoben worden wegen einer in § 181b des Strafgesetzbuchs genannten Straftat zum Nachteil eines Minderjährigen und kommt die Erteilung einer Weisung nach § 153a dieses Gesetzes oder nach den §§ 56c, 59a Absatz 2 Satz 1 Nummer 4 oder § 68b Absatz 2 Satz 2 des Strafgesetzbuchs in Betracht, wonach sich der Angeklagte psychiatrisch, psycho- oder sozialtherapeutisch betreuen und behandeln zu lassen hat (Therapieweisung), soll ein Sachverständiger über den Zustand des Angeklagten und die Behandlungsaussichten vernommen werden, soweit dies erforderlich ist, um festzustellen, ob der Angeklagte einer solchen Betreuung und Behandlung bedarf.
(3) Hat der Sachverständige den Angeklagten nicht schon früher untersucht, so soll ihm dazu vor der Hauptverhandlung Gelegenheit gegeben werden.