Bundesgerichtshof Beschluss, 29. Jan. 2019 - 2 StR 507/18
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 29. Januar 2019 gemäß § 154 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2, § 349 Abs. 2 und 4, § 354 Abs. 1 analog StPO
beschlossen:
a) das Verfahren eingestellt, soweit der Angeklagte im Fall II.15 der Urteilsgründe wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern verurteilt worden ist; im Umfang der Einstellung fallen die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Angeklagten der Staatskasse zur Last;
b) das vorgenannte Urteil im Schuldspruch dahin abgeändert, dass der Angeklagte des sexuellen Missbrauchs von Kindern in 13 Fällen, davon in neun Fällen in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Schutzbefohlenen, in einem weiteren Fall in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Schutzbefohlenen und Besitz kinderpornographischer Schriften und in zwei weiteren Fällen in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Schutzbefohlenen und Herstellen kinderpornographischer Schriften sowie des versuchten sexuellen Missbrauchs von Kindern in Tateinheit mit versuchtem sexuellem Missbrauch von Schutzbefohlenen schuldig ist; die Einzelstrafe im Fall II.12 der Urteilsgründe entfällt. 2. Die weiter gehende Revision des Angeklagten wird verworfen.
3. Der Beschwerdeführer hat die verbleibenden Kosten seines Rechtsmittels und die den Nebenklägerinnen im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
Gründe:
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- Das Landgericht hat den Angeklagten wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern in 14 Fällen (Fälle II.1 bis II.9, II.11, II.13 bis II.16 der Urteilsgründe), davon in zehn Fällen in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Schutzbefohlenen (Fälle II.1 bis II.3, II.5 bis II.9, II.11 und II.13 der Urteilsgründe), in einem weiteren Fall in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Schutzbefohlenen und mit Besitz kinderpornographischer Schriften (Fall II.16 der Urteilsgründe) und in einem weiteren Fall in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Schutzbefohlenen und mit Herstellen kinderpornographischer Schriften (Fall II.16) sowie versuchten sexuellen Missbrauchs von Kindern in Tateinheit mit versuchtem sexuellem Missbrauch von Schutzbefohlenen (Fall II.10 der Urteilsgründe) und Herstellens kinderpornographischer Schriften (Fall II.12 der Urteilsgründe) zu vier Jahren und drei Monaten Gesamtfreiheitsstrafe verurteilt und eine Einziehungsentscheidung getroffen. Die hiergegen gerichtete und auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision führt zur teilweisen Einstellung des Verfahrens und hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
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- 1. Auf Antrag des Generalbundesanwalts hat der Senat das Verfahren im Fall II.15 der Urteilsgründe, in dem der Angeklagte wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern durch Vorzeigen pornographischer Abbildungen oder Dar- stellungen verurteilt wurde, aus prozessökonomischen Gründen eingestellt. Die Tathandlung des Einwirkens im Sinne von§ 176 Abs. 4 Nr. 4 StGB setzt eine psychische Einflussnahme tiefergehender Art voraus (Senat, Urteil vom 22. Oktober 2014 – 2 StR 509/13, NStZ-RR 2015, 74; Beschluss vom 2. November 2017 – 2 StR 415/17, NStZ 2018, 603 f., jeweils mwN). Dies wird durch die bislang getroffenen Feststellungen nicht hinreichend belegt.
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- 2. In den Fällen II.12 und II.13 der Urteilsgründe begegnet die konkurrenzrechtliche Bewertung der Strafkammer durchgreifenden Bedenken.
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- Nach den insoweit getroffenen Feststellungen fertigte der Angeklagte in von ihm hierzu ausgestatteten Räumen zunächst unverfängliche und sodann kinderpornographische Fotos seiner zehn Jahre alten Enkeltochter und deren gleichaltriger Freundin. Im Anschluss daran ließ sich der Angeklagte von der Enkeltochter ein Kondom überziehen, was ihn derart erregte, dass er ejakulierte. Dem schloss sich ein „Spiel“ an, bei dem der Angeklagte vorgab, „K.O.- Tropfen“ genommen zu haben und die Mädchen unter anderem mit einer vom Angeklagten zuvor hierzu bereitgelegten Penispumpe an ihm sexuelle Handlungen vornahmen. Hinsichtlich dieses von einem einheitlichen Willen des Angeklagten getragenen Tatablaufs, der sich aufgrund des engen räumlichen und zeitlichen Zusammenhangs objektiv als einheitliches Geschehen darstellt, ist von einer Tat im Rechtssinne (§ 52 StGB) auszugehen. Es liegt – wie der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift vom 13. November 2018 zutreffend ausgeführt hat – eine natürliche Handlungseinheit vor (vgl. Senat, Beschluss vom 10. Februar 2016 − 2 StR 391/15, NStZ 2016, 594 f.; BGH, Urteil vom 30. November 1995 – 5 StR 465/95, BGHSt 41, 368). Ein Motiv- oder Vorsatzwechsel , der eine Zäsurwirkung innerhalb eines mehraktigen Geschehensablaufs begründen könnte (vgl. Senat, Urteil vom 22. März 2002 – 2 StR 517/01, NStZ 2002, 432), ist nicht festgestellt.
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- 3. Der Senat ändert den Schuldspruch entsprechend ab. § 265 StPO steht dem nicht entgegen.
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- 4. Mit der Teileinstellung des Verfahrens und der Änderung der konkurrenzrechtlichen Bewertung entfallen die Einzelstrafen in den Fällen II.15 (vier Monate) und II.12 (sechs Monate). Für die nunmehr als sexueller Missbrauch von Kindern in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Schutzbefohlenen und Herstellen kinderpornographischer Schriften zu bewertende Tat aus den Fällen II.12 und II.13 der Urteilsgründe verbleibt es bei der zu Fall II.13 der Urteilsgründe festgesetzten Einzelstrafe von einem Jahr und sechs Monaten. Der Wegfall zweier Einzelstrafen führt nicht zu einer Änderung der verhängten Gesamtfreiheitsstrafe. Der Senat schließt aus, dass das Landgericht angesichts der verbleibenden Einzelfreiheitsstrafen von einem Jahr und neun Monaten, einem Jahr und sechs Monaten, einem Jahr und vier Monaten, einem Jahr und zwei Monaten, einem Jahr, zehn Monaten, neun Monaten, dreimal acht Monaten , zweimal sieben Monaten, sechs Monaten und vier Monaten zu einer milderen Gesamtstrafe gelangt wäre.
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- 5. Der nur geringe Teilerfolg der Revision rechtfertigt es nicht, den Angeklagten teilweise von den durch sein Rechtsmittel entstandenen verbleibenden Kosten und Auslagen freizustellen (§ 473 Abs. 1 und 4 StPO).
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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
(1) Mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr wird bestraft, wer
- 1.
sexuelle Handlungen an einer Person unter vierzehn Jahren (Kind) vornimmt oder an sich von dem Kind vornehmen lässt, - 2.
ein Kind dazu bestimmt, dass es sexuelle Handlungen an einer dritten Person vornimmt oder von einer dritten Person an sich vornehmen lässt, - 3.
ein Kind für eine Tat nach Nummer 1 oder Nummer 2 anbietet oder nachzuweisen verspricht.
(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nummer 1 kann das Gericht von Strafe nach dieser Vorschrift absehen, wenn zwischen Täter und Kind die sexuelle Handlung einvernehmlich erfolgt und der Unterschied sowohl im Alter als auch im Entwicklungsstand oder Reifegrad gering ist, es sei denn, der Täter nutzt die fehlende Fähigkeit des Kindes zur sexuellen Selbstbestimmung aus.
(1) Verletzt dieselbe Handlung mehrere Strafgesetze oder dasselbe Strafgesetz mehrmals, so wird nur auf eine Strafe erkannt.
(2) Sind mehrere Strafgesetze verletzt, so wird die Strafe nach dem Gesetz bestimmt, das die schwerste Strafe androht. Sie darf nicht milder sein, als die anderen anwendbaren Gesetze es zulassen.
(3) Geldstrafe kann das Gericht unter den Voraussetzungen des § 41 neben Freiheitsstrafe gesondert verhängen.
(4) Auf Nebenstrafen, Nebenfolgen und Maßnahmen (§ 11 Absatz 1 Nummer 8) muss oder kann erkannt werden, wenn eines der anwendbaren Gesetze dies vorschreibt oder zulässt.
(1) Der Angeklagte darf nicht auf Grund eines anderen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten Strafgesetzes verurteilt werden, ohne daß er zuvor auf die Veränderung des rechtlichen Gesichtspunktes besonders hingewiesen und ihm Gelegenheit zur Verteidigung gegeben worden ist.
(2) Ebenso ist zu verfahren, wenn
- 1.
sich erst in der Verhandlung vom Strafgesetz besonders vorgesehene Umstände ergeben, welche die Strafbarkeit erhöhen oder die Anordnung einer Maßnahme oder die Verhängung einer Nebenstrafe oder Nebenfolge rechtfertigen, - 2.
das Gericht von einer in der Verhandlung mitgeteilten vorläufigen Bewertung der Sach- oder Rechtslage abweichen will oder - 3.
der Hinweis auf eine veränderte Sachlage zur genügenden Verteidigung des Angeklagten erforderlich ist.
(3) Bestreitet der Angeklagte unter der Behauptung, auf die Verteidigung nicht genügend vorbereitet zu sein, neu hervorgetretene Umstände, welche die Anwendung eines schwereren Strafgesetzes gegen den Angeklagten zulassen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten oder die zu den in Absatz 2 Nummer 1 bezeichneten gehören, so ist auf seinen Antrag die Hauptverhandlung auszusetzen.
(4) Auch sonst hat das Gericht auf Antrag oder von Amts wegen die Hauptverhandlung auszusetzen, falls dies infolge der veränderten Sachlage zur genügenden Vorbereitung der Anklage oder der Verteidigung angemessen erscheint.
(1) Die Kosten eines zurückgenommenen oder erfolglos eingelegten Rechtsmittels treffen den, der es eingelegt hat. Hat der Beschuldigte das Rechtsmittel erfolglos eingelegt oder zurückgenommen, so sind ihm die dadurch dem Nebenkläger oder dem zum Anschluß als Nebenkläger Berechtigten in Wahrnehmung seiner Befugnisse nach § 406h erwachsenen notwendigen Auslagen aufzuerlegen. Hat im Falle des Satzes 1 allein der Nebenkläger ein Rechtsmittel eingelegt oder durchgeführt, so sind ihm die dadurch erwachsenen notwendigen Auslagen des Beschuldigten aufzuerlegen. Für die Kosten des Rechtsmittels und die notwendigen Auslagen der Beteiligten gilt § 472a Abs. 2 entsprechend, wenn eine zulässig erhobene sofortige Beschwerde nach § 406a Abs. 1 Satz 1 durch eine den Rechtszug abschließende Entscheidung unzulässig geworden ist.
(2) Hat im Falle des Absatzes 1 die Staatsanwaltschaft das Rechtsmittel zuungunsten des Beschuldigten oder eines Nebenbeteiligten (§ 424 Absatz 1, §§ 439, 444 Abs. 1 Satz 1) eingelegt, so sind die ihm erwachsenen notwendigen Auslagen der Staatskasse aufzuerlegen. Dasselbe gilt, wenn das von der Staatsanwaltschaft zugunsten des Beschuldigten oder eines Nebenbeteiligten eingelegte Rechtsmittel Erfolg hat.
(3) Hat der Beschuldigte oder ein anderer Beteiligter das Rechtsmittel auf bestimmte Beschwerdepunkte beschränkt und hat ein solches Rechtsmittel Erfolg, so sind die notwendigen Auslagen des Beteiligten der Staatskasse aufzuerlegen.
(4) Hat das Rechtsmittel teilweise Erfolg, so hat das Gericht die Gebühr zu ermäßigen und die entstandenen Auslagen teilweise oder auch ganz der Staatskasse aufzuerlegen, soweit es unbillig wäre, die Beteiligten damit zu belasten. Dies gilt entsprechend für die notwendigen Auslagen der Beteiligten.
(5) Ein Rechtsmittel gilt als erfolglos, soweit eine Anordnung nach § 69 Abs. 1 oder § 69b Abs. 1 des Strafgesetzbuches nur deshalb nicht aufrechterhalten wird, weil ihre Voraussetzungen wegen der Dauer einer vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis (§ 111a Abs. 1) oder einer Verwahrung, Sicherstellung oder Beschlagnahme des Führerscheins (§ 69a Abs. 6 des Strafgesetzbuches) nicht mehr vorliegen.
(6) Die Absätze 1 bis 4 gelten entsprechend für die Kosten und die notwendigen Auslagen, die durch einen Antrag
- 1.
auf Wiederaufnahme des durch ein rechtskräftiges Urteil abgeschlossenen Verfahrens oder - 2.
auf ein Nachverfahren (§ 433)
(7) Die Kosten der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand fallen dem Antragsteller zur Last, soweit sie nicht durch einen unbegründeten Widerspruch des Gegners entstanden sind.