Bundesgerichtshof Beschluss, 10. Feb. 2016 - 2 StR 391/15
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 10. Februar 2016 gemäß § 349 Abs. 4 StPO beschlossen:
Gründe:
- 1
- Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung in zwei tateinheitlichen Fällen in Tateinheit mit Nötigung, versuchter Nötigung , Bedrohung und Diebstahl zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt. Darüber hinaus hat es aufgrund des Anerkenntnisses des Angeklagten eine Adhäsionsentscheidung zugunsten des Nebenklägers getroffen. Die auf die Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat Erfolg.
I.
- 2
- Nach den Feststellungen wollte der Angeklagte unter Mithilfe von drei weiteren Tätern dem zu diesem Zweck einbestellten Nebenkläger in der Wohnung der Zeugin B. eine Abreibung verpassen. Ca. 15 Minuten vor dem Eintreffen des Nebenklägers erschien überraschend der weitere Geschädigte P. , der aufgrund eines Spontanentschlusses des Angeklagten u.a. unter Verwendung einer Stabtaschenlampe bis zur Bewusstlosigkeit zusammengeschlagen und getreten wurde.
- 3
- Gleiches widerfuhr dem später eintreffenden Nebenkläger, der, als er aus der Bewusstlosigkeit erwachte, den Geschädigten P. wahrnahm, der blutverschmiert auf dem Sofa saß und röchelte. Nunmehr verlangte der Angeklagte von dem Nebenkläger aufzustehen und sich gerade hinzustellen, woraufhin er diesem einen Kopfstoß versetzte. Beide Geschädigten mussten dann ihre Jacken ausziehen und entleeren. Sowohl der Angeklagte als auch seine Mittäter nahmen diverse Gegenstände an sich. Abschließend forderte der Angeklagte den Geschädigten P. auf, A. noch in derselben Nacht zu verlassen, wenn ihm sein Leben lieb sei.
II.
- 4
- Das Urteil hält rechtlicher Überprüfung nicht stand.
- 5
- 1. Die Urteilsgründe müssen so abgefasst werden, dass sie erkennen lassen, welche der festgestellten Tatsachen den objektiven und subjektiven Tatbestandsmerkmalen der abgeurteilten Taten zuzuordnen sind und diese ausfüllen können (vgl. Meyer-Goßner/Appl, Die Urteile in Strafsachen, 29. Aufl., Rn. 281 ff.). Hier ist den Gründen einschließlich der rechtlichen Würdigung im Gesamtzusammenhang gerade noch hinreichend zu entnehmen, welche Handlungen als Straftaten der Angeklagten abgeurteilt sind.
- 6
- 2. Fehlerhaft sind hingegen die Konkurrenzerwägungen der Strafkammer , die insoweit ausgeführt hat, das gesamte Tathandeln des Angeklagten erscheine von einem einheitlichen Willen getragen und aufgrund seines räumlich -zeitlichen Zusammenhangs derart eng miteinander verbunden, dass das gesamte Tätigwerden des Angeklagten bei natürlicher Betrachtungsweise als einheitliches zusammengehöriges Tun erscheine, weshalb eine natürliche Handlungseinheit anzunehmen sei.
- 7
- So beruhen die vorausgeplanten Misshandlungen des Nebenklägers und das Zusammenschlagen des unerwartet und zufällig 15 Minuten zuvor erschienenen Geschädigten P. schon nicht auf einem einheitlichen Tatentschluss. Im Übrigen sind nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs höchstpersönliche Rechtsgüter verschiedener Personen und deren Verletzung einer additiven Betrachtungsweise, wie sie etwa der natürlichen Handlungseinheit zugrunde liegt, nur ausnahmsweise zugänglich. Greift daher der Täter einzelne Menschen – wie hier – nacheinander an, um jeden von ihnen in seiner Individualität zu beeinträchtigen, so besteht sowohl bei natürlicher als auch bei rechtsethisch wertender Betrachtungsweise selbst bei einheitlichem Tatentschluss und engem räumlichen und zeitlichen Zusammenhang regelmäßig kein Anlass, diese Vorgänge rechtlich als eine Tat zusammenzufassen (vgl. nur BGH, Beschluss vom 22. Oktober 2015 - 4 StR 262/15; Urteil vom 11. Oktober 2005 - 1 StR 195/05, NStZ 2006, 284, 286 mwN). Etwas anderes kann ausnahmsweise dann gelten, wenn eine Aufspaltung in Einzeltaten wegen eines außergewöhnlich engen zeitlichen und situativen Zusammenhangs, etwa bei Messerstichen innerhalb weniger Sekunden oder bei einem gegen eine aus der Sicht des Täters nicht individualisierte Personenmehrheit gerichteten Angriff, willkürlich und gekünstelt erschiene (BGH, Urteil vom 11. Oktober 2005 aaO, vgl. auch BGH, Beschluss vom 24. Oktober 2000 - 5 StR 323/00, NStZ-RR 2001, 82).
- 8
- Hier liegt ein außergewöhnlich enger zeitlicher und situativer Zusammenhang , wie ihn die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ausnahmsweise zur Begründung einer natürlichen Handlungseinheit in Fällen der vorliegenden Art heranzieht, nicht vor.
- 9
- 3. Darüber hinaus hat die Strafkammer verkannt, dass die ausgeurteilte Bedrohung hinter der durch die gleiche Handlung verwirklichten versuchten Nötigung zurücktritt (vgl. Fischer, StGB, 63. Aufl., § 241 Rn. 7).
- 10
- 4. Der Senat kann auch nicht ausschließen, dass der Angeklagte im vorliegenden Fall durch die rechtsfehlerhafte Annahme von Tateinheit jeweils beschwert ist. So hat das Landgericht bei seiner Strafzumessungsentscheidung einen minder schweren Fall des § 224 StGB u.a. mit der Begründung abgelehnt , durch die Tat seien gleichzeitig zwei Geschädigte verletzt worden. Zudem seien durch die Tat weitere Straftatbestände verwirklicht worden, so u.a. eine versuchte Nötigung und eine Bedrohung.
- 11
- 5. Der Adhäsionsausspruch bleibt bestehen, weil der Angeklagte die geltend gemachte Schadens- und Schmerzensgeldansprüche anerkannt hat (§ 406 Abs. 2 StPO) und die Wirksamkeit des Anerkenntnisses von ihm nicht in Frage gestellt worden ist (BGH, Beschlüsse vom 9. Oktober 2013 - 4 StR 364/13 und vom 2. Februar 2006 - 4 StR 570/05, NJW 2006, 1890, 1891).
- 12
- 6. Für die neue Verhandlung und Entscheidung verweist der Senat, was eine eventuell zu treffende Bewährungsentscheidung anbelangt, auf die Antragsschrift des Generalbundesanwalts. Im Übrigen wird die Strafkammer ge- gebenenfalls zu prüfen haben, ob eine für den am 11. April 2015 von dem Angeklagten verübten Ladendiebstahl eventuell bereits verhängte Strafe gesamtstrafenfähig wäre. Fischer Appl Ott Zeng Bartel
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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
(1) Wer die Körperverletzung
- 1.
durch Beibringung von Gift oder anderen gesundheitsschädlichen Stoffen, - 2.
mittels einer Waffe oder eines anderen gefährlichen Werkzeugs, - 3.
mittels eines hinterlistigen Überfalls, - 4.
mit einem anderen Beteiligten gemeinschaftlich oder - 5.
mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung
(2) Der Versuch ist strafbar.
(1) Das Gericht gibt dem Antrag in dem Urteil statt, mit dem der Angeklagte wegen einer Straftat schuldig gesprochen oder gegen ihn eine Maßregel der Besserung und Sicherung angeordnet wird, soweit der Antrag wegen dieser Straftat begründet ist. Die Entscheidung kann sich auf den Grund oder einen Teil des geltend gemachten Anspruchs beschränken; § 318 der Zivilprozessordnung gilt entsprechend. Das Gericht sieht von einer Entscheidung ab, wenn der Antrag unzulässig ist oder soweit er unbegründet erscheint. Im Übrigen kann das Gericht von einer Entscheidung nur absehen, wenn sich der Antrag auch unter Berücksichtigung der berechtigten Belange des Antragstellers zur Erledigung im Strafverfahren nicht eignet. Der Antrag ist insbesondere dann zur Erledigung im Strafverfahren nicht geeignet, wenn seine weitere Prüfung, auch soweit eine Entscheidung nur über den Grund oder einen Teil des Anspruchs in Betracht kommt, das Verfahren erheblich verzögern würde. Soweit der Antragsteller den Anspruch auf Zuerkennung eines Schmerzensgeldes (§ 253 Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches) geltend macht, ist das Absehen von einer Entscheidung nur nach Satz 3 zulässig.
(2) Erkennt der Angeklagte den vom Antragsteller gegen ihn geltend gemachten Anspruch ganz oder teilweise an, ist er gemäß dem Anerkenntnis zu verurteilen.
(3) Die Entscheidung über den Antrag steht einem im bürgerlichen Rechtsstreit ergangenen Urteil gleich. Das Gericht erklärt die Entscheidung für vorläufig vollstreckbar; die §§ 708 bis 712 sowie die §§ 714 und 716 der Zivilprozessordnung gelten entsprechend. Soweit der Anspruch nicht zuerkannt ist, kann er anderweit geltend gemacht werden. Ist über den Grund des Anspruchs rechtskräftig entschieden, so findet die Verhandlung über den Betrag nach § 304 Abs. 2 der Zivilprozeßordnung vor dem zuständigen Zivilgericht statt.
(4) Der Antragsteller erhält eine Abschrift des Urteils mit Gründen oder einen Auszug daraus.
(5) Erwägt das Gericht, von einer Entscheidung über den Antrag abzusehen, weist es die Verfahrensbeteiligten so früh wie möglich darauf hin. Sobald das Gericht nach Anhörung des Antragstellers die Voraussetzungen für eine Entscheidung über den Antrag für nicht gegeben erachtet, sieht es durch Beschluss von einer Entscheidung über den Antrag ab.