Bundesgerichtshof Beschluss, 27. Feb. 2019 - 2 StR 439/18
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 27. Februar 2019 gemäß § 356a StPO beschlossen:
Gründe:
I.
- 1
- Der gerichtlich bestellte Verteidiger des Antragstellers hatte form- und fristgerecht Revision eingelegt und begründet. Außerdem hatte sein Wahlverteidiger Revision eingelegt. Der Generalbundesanwalt hatte beantragt, die Revision zu verwerfen und unter anderem ausgeführt, die Rüge der Verletzung des Rechts auf freie Verteidigerwahl sei unzulässig.
- 2
- Nachdem der Verwerfungsantrag zunächst nur dem bestellten Verteidiger zugestellt worden war, hat der Generalbundesanwalt auf telefonische Nachfrage des Wahlverteidigers die Zustellung an diesen nachgeholt. Der Senat hat dem Wahlverteidiger unter dem 13. Dezember 2018 Akteneinsicht gewährt und mitgeteilt, dass er nicht vor dem 8. Januar 2019 über das Rechtsmittel entscheiden werde. Mit Schriftsatz vom 25. Dezember 2018 hat der Wahlverteidiger beantragt, ihn anstelle des bisherigen Pflichtverteidigers zu bestellen und die Frist zur Stellungnahme bis zum 2. Februar 2019 zu verlängern; zudem hat er Rechtsausführungen zur Revisionsbegründung gemacht.
- 3
- Der Vorsitzende des Senats hat am 8. Januar 2019 den Antrag auf gerichtliche Bestellung des Verteidigers zurückgewiesen. Der Senat hat die Revision des Verurteilten am gleichen Tag verworfen und angemerkt, dass für die beantragte Fristverlängerung kein Raum sei. Diese Entscheidungen wurden am 22. Januar 2019 an die Verfahrensbeteiligten abgesandt.
- 4
- Mit Schriftsatz vom 7. Februar 2019, der am 8. Februar 2019 beim Bundesgerichtshof eingegangen ist, hat der Antragsteller durch den Wahlverteidiger „das sofortige Rechtsmittel gegen der Ablehnung des Pflichtverteidigerwechsels und zusätzlich das sofortige Rechtsmittel (Anhörungsrüge) gegen den Be- schluss vom BGH“ eingelegt.
II.
- 5
- Die Gegenvorstellung gegen die Ablehnung der gerichtlichen Bestellung des Wahlverteidigers im Revisionsverfahren ist unzulässig, weil nach Eintritt der Rechtskraft des Urteils keine Möglichkeit mehr zur Beanstandung der Zwischenentscheidung besteht.
III.
- 6
- 1. Die Anhörungsrüge gegen den Senatsbeschluss über die Verwerfung der Revision ist unzulässig. Sie wäre im Übrigen auch unbegründet.
- 7
- a) Da das Revisionsgericht den für die Wahrung der einwöchigen Frist gemäß § 356a Satz 2 StPO maßgeblichen Zeitpunkt, zu dem der Betroffene Kenntnis von den tatsächlichen Umständen erlangt hat, nicht selbst zuverlässig feststellen kann, muss dieser den Zeitpunkt der Kenntniserlangung im Antrag mitteilen und glaubhaft machen (vgl. Senat, Beschluss vom 8. März 2005 – 2 StR444/04, NStZ 2005, 462, 463; BGH, Beschlüsse vom 10. Januar 2013 – 1 StR 382/10 und vom 22. Juli 2016 – 1 StR 579/15). Dies gilt jedenfalls dann, wenn sich die Fristwahrung nicht aus dem aktenkundigen Ablauf ergibt, wie es hier der Fall ist. Der mithin erforderliche Sachvortrag des Antragstellers und dessen Glaubhaftmachung fehlen, so dass die Anhörungsrüge bereits deshalb unzulässig ist.
- 8
- b) Soweit dem Vorbringen des Antragstellers Rügen der Verletzung von Art. 103 Abs. 1 GG entnommen werden können, wären sie im Übrigen unbegründet.
- 9
- aa) Soweit der Antragsteller die Art der Verteidigung in der Tatsacheninstanz und das Verfahren des Landgerichts beanstandet, geht sein Vorbringen fehl. Eine Anhörungsrüge ist nur gegen eine erstmalige Verletzung von Art. 103 Abs. 1 GG durch die letzte fachgerichtliche Instanz zulässig (vgl. MüKoStPO/Knauer/Kudlich, 2019, § 356a Rn. 3).
- 10
- bb) Dadurch, dass der Antragsteller die „Fristverlängerungsablehnung“ erwähnt, hat er nicht eindeutig zum Ausdruck gebracht, dass er dies als Verletzung von Art. 103 Abs. 1 GG rügen will. Eine solche Rüge wäre auch unbegründet ; denn die Frist gemäß § 349 Abs. 3 Satz 2 StPO lässt sich nicht verlängern (vgl. Senat, Beschluss vom 30. Juli 2008 – 2 StR 234/08, NStZ-RR 2008, 352). Daher stellt es keine Verletzung von Art. 103 Abs. 1 GG dar, wenn ein Antrag auf Fristverlängerung unbeachtet bleibt (vgl. MüKoStPO/Knauer/Kudlich aaO Rn. 22). Eine Pflicht des Revisionsgerichts, auf weiteres Vorbringen zu warten, besteht ebenfalls nicht (vgl. BGH, Beschluss vom 3. März 2016 – 1 StR 518/15, NStZ 2016, 496, 497).
- 11
- 2. Auch als Gegenvorstellung kann der Rechtsbehelf keinen Erfolg haben. Ein nach § 349 Abs. 2 StPO ergangener Beschluss kann außerhalb des Anhörungsrügeverfahrens vom Revisionsgericht weder aufgehoben noch abgeändert werden (vgl. Senat aaO NStZ 2005, 462, 463; BGH, Beschluss vom 9. Mai 2017 – 1 StR 627/16).
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Hat das Gericht bei einer Revisionsentscheidung den Anspruch eines Beteiligten auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt, versetzt es insoweit auf Antrag das Verfahren durch Beschluss in die Lage zurück, die vor dem Erlass der Entscheidung bestand. Der Antrag ist binnen einer Woche nach Kenntnis von der Verletzung des rechtlichen Gehörs schriftlich oder zu Protokoll der Geschäftsstelle beim Revisionsgericht zu stellen und zu begründen. Der Zeitpunkt der Kenntniserlangung ist glaubhaft zu machen. Hierüber ist der Angeklagte bei der Bekanntmachung eines Urteils, das ergangen ist, obwohl weder er selbst noch ein Verteidiger mit nachgewiesener Vertretungsvollmacht anwesend war, zu belehren. § 47 gilt entsprechend.
(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.