Bundesgerichtshof Beschluss, 10. Sept. 2013 - 2 StR 321/13

published on 10/09/2013 00:00
Bundesgerichtshof Beschluss, 10. Sept. 2013 - 2 StR 321/13
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Gericht


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 StR 321/13
vom
10. September 2013
in der Strafsache
gegen
wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern u.a.
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts
und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 10. September 2013
gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 14. Februar 2013 im Strafausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels und die notwendigen Auslagen der Nebenkläger an eine andere als Jugendschutzkammer zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern in sechs Fällen, sexuellen Missbrauchs von Kindern in drei Fällen, sexuellen Missbrauchs von Kindern in Tateinheit mit Nötigung und versuchten sexuellen Missbrauchs von Kindern zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von neun Jahren verurteilt. Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit der auf die allgemeine Sachrüge gestützten Revision. Sein Rechtsmittel ist, was den Schuldspruch anbelangt, aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO; hinsichtlich des Strafausspruchs führt es zur Aufhebung und Zurückverweisung.
2
Nach den Feststellungen des Landgerichts handelt es sich bei dem Angeklagten um einen Alkoholiker, der darüber hinaus abhängig ist von Opioiden, Sedativa und Hypnotika und der zudem gelegentlich Cannabis konsumiert. Diese Faktoren hatten jedoch - wie von der sachverständig beratenen Strafkammer zutreffend dargelegt - aus unterschiedlichen Gründen keinen Einfluss auf seine Schuldfähigkeit bei den von ihm verübten Missbrauchstaten.
3
Weiterhin liegt seine intellektuelle Leistungsfähigkeit im Bereich der Grenzbegabung (IQ-Wert-Bereich von 70-84), weshalb er seit 2007 in einer betreuten Sozialwohnung für psychisch Kranke lebt und unter gesetzlicher Betreuung steht. Schließlich hat der Sachverständige bei dem Angeklagten eine homosexuelle Pädophilie vom nicht ausschließlichen Typus diagnostiziert; eine genuine Pädophilie hat er hingegen ausgeschlossen, weil der Angeklagte erst im fortgeschrittenen Lebensalter mit pädophilen Handlungen in Erscheinung getreten sei und bis dahin auch befriedigende sexuelle Kontakte zu gleichaltrigen Frauen gehabt habe.
4
Das Landgericht hat angesichts dieser Diagnose eine erhebliche Verminderung der Schuldfähigkeit des Angeklagten bei Tatbegehung ausgeschlossen. Seine Ausführungen hierzu begegnen rechtlichen Bedenken.
5
So stellt die Strafkammer maßgeblich darauf ab, dass es nach Darlegung des Sachverständigen keine über die Pädophilie als solche hinausgehende Persönlichkeitsstörung pathologischen Ausmaßes gebe. Ein solcher Ansatz ist jedoch rechtlich nicht tragfähig, da es unerheblich ist, ob die Persönlichkeitsveränderung "Krankheitswert" erreicht; das Merkmal der schweren anderen seelischen Abartigkeit erfasst gerade solche Veränderungen in der Persönlichkeit , die nicht pathologisch bedingt sind, also gerade keine krankhaften seelischen Störungen darstellen (BGH StGB § 21 Seelische Abartigkeit 33).
6
Eine Devianz im Sexualverhalten in Form einer Pädophilie ist zwar nicht ohne weiteres mit einer schweren anderen seelischen Abartigkeit im Sinne der §§ 20, 21 StGB gleichzusetzen. Vielmehr kann auch nur eine gestörte sexuelle Entwicklung vorliegen, die als allgemeine Störung der Persönlichkeit, des Sexualverhaltens oder der Anpassung nicht den Schweregrad einer anderen seelischen Abartigkeit im Sinne des § 21 StGB erreicht. Ob eine Persönlichkeitsstörung im sexuellen Bereich das Wesen des Täters so nachhaltig verändert hat, dass er zur Bekämpfung seiner Triebe nicht die erforderlichen Hemmungen aufbringt, kann nur im Wege einer Gesamtbetrachtung der Persönlichkeit des Täters unter Einbeziehung seiner Entwicklung, seines Charakterbildes sowie der ihm zur Last gelegten Taten einschließlich der ihnen zugrundeliegenden Motive festgestellt werden (BGHR StGB § 21 Seelische Abartigkeit 37). Eine solche Gesamtbetrachtung wird der neu entscheidende Tatrichter vorzunehmen und sich insbesondere damit auseinanderzusetzen haben, ob und ggf. in welchem Ausmaß sich die gravierende Intelligenzminderung des Angeklagten auf seine Fähigkeit ausgewirkt hat, seine pädophilen Neigungen zu beherrschen. Appl Schmitt Krehl Eschelbach Zeng
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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

Ohne Schuld handelt, wer bei Begehung der Tat wegen einer krankhaften seelischen Störung, wegen einer tiefgreifenden Bewußtseinsstörung oder wegen einer Intelligenzminderung oder einer schweren anderen seelischen Störung unfähig ist, das Unrecht der
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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

Ohne Schuld handelt, wer bei Begehung der Tat wegen einer krankhaften seelischen Störung, wegen einer tiefgreifenden Bewußtseinsstörung oder wegen einer Intelligenzminderung oder einer schweren anderen seelischen Störung unfähig ist, das Unrecht der
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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

Ohne Schuld handelt, wer bei Begehung der Tat wegen einer krankhaften seelischen Störung, wegen einer tiefgreifenden Bewußtseinsstörung oder wegen einer Intelligenzminderung oder einer schweren anderen seelischen Störung unfähig ist, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln.

Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.