Bundesgerichtshof Beschluss, 07. Jan. 2015 - 2 StR 259/14
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Gründe:
- 1
- Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schweren sexuellen Missbrauchs eines Kindes in drei Fällen und sexuellen Missbrauch eines Kindes zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und drei Monaten verurteilt. Hiergegen richtet sich die auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten. Das Rechtsmittel führt in dem aus der Urteilsformel ersichtlichen Umfang zur Aufhebung des Strafausspruchs; im Übrigen ist es unbegründet.
I.
- 2
- Nach den Feststellungen des Landgerichts missbrauchte der damals 18jährige Angeklagte die zehnjährige Nebenklägerin P. Ende 2000 oder Anfang 2001 dadurch, dass er an ihrer Scheide manipulierte (Fall 1). Im Oktober 2002 streichelte er in einer Sauna die Scheide dieser Geschädigten und drang mit dem Finger ein (Fall 2).
- 3
- Weitere Taten zum Nachteil dieser Nebenklägerin waren auch aufgrund des Geständnisses des Angeklagten und der Vernehmung von Zeugen nicht konkret feststellbar; insoweit beschränkte das Landgericht das Verfahren gemäß § 154 Abs. 2 StPO.
- 4
- Am 22. Juni 2013 missbrauchte der Angeklagte bei zwei Gelegenheiten den sechsjährigen H. dadurch, dass er zuerst im Schlafzimmer seiner Wohnung mit diesem wechselseitig den Oralverkehr ausübte (Fall 3). Wenig später am gleichen Tag fuhr der Angeklagte mit dem Kind in den Wald, wo es erneut zu Oralverkehr kam und der Angeklagte sexuelle Handlungen und ein Posieren des nackten Kindes fotografierte (Fall 4).
II.
- 5
- Die Revision des Angeklagten ist unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO, soweit sie sich gegen den Schuldspruch und gegen den Strafausspruch in den Fällen 3 und 4 richtet. Sie führt aber zur Aufhebung des Strafausspruchs hinsichtlich der Einzelstrafen zu den Fällen 1 und 2 und des Ausspruchs über die Gesamtfreiheitsstrafe.
- 6
- a) Die Strafzumessung in den Fällen 1 und 2 ist rechtsfehlerhaft, weil das Landgericht die von der Verfahrensbeschränkung gemäß § 154 Abs. 2 StPO betroffenen Taten zum Nachteil der Nebenklägerin P. nicht festgestellt, aber zu seinen Lasten berücksichtigt hat, dass "die konkret festgestellten Taten nur ein Ausschnitt einer Tatserie sind".
- 7
- Zwar ist es zulässig, bei der Strafzumessung zu berücksichtigen, dass der Angeklagte weitere nicht abgeurteilte Straftaten begangen hat. Voraussetzung dafür ist jedoch, dass die weiteren Taten prozessordnungsgemäß festgestellt sind. Das Abstellen auf einen bloßen Verdacht ist unzulässig (vgl. BGH, Beschluss vom 12. September 2012 - 5 StR 425/12, NStZ-RR 2012, 368). Die Taten müssen auch jedenfalls so konkret festgestellt sein, dass sie in ihrem wesentlichen Unwertgehalt abzuschätzen sind (vgl. Senat, Urteil vom 5. Juni 2014 - 2 StR 381/13, NJW 2014, 2514, 2516).
- 8
- Nach den getroffenen Feststellungen bleibt offen, welche und wie viele Straftaten der Angeklagte - über die abgeurteilten Taten im gleichen Zeitraum hinaus - innerhalb von sechs Jahren nach dem Jahreswechsel von 2000 zu 2001 zum Nachteil der Nebenklägerin P. begangen hat. Das Landgericht hat ausgeführt, dass es in diesem Zeitraum "mehrfach zu sexuellen Übergriffen des Angeklagten" gekommen sei. Wann dies der Fall war, konnte die Jugendkammer nicht feststellen. Nähere Einzelheiten des jeweiligen Geschehensablaufs vermochte sie nicht zu klären. Die Ausführungen genügen daher nicht dem Erfordernis ausreichend bestimmter Feststellungen zu solchen Taten, die trotz Verfahrensbeschränkung gemäß § 154 Abs. 2 StPO strafschärfend berücksichtigt werden können (vgl. BGH, Beschluss vom 9. Oktober 2003 - 4 StR 359/03). Fischer Schmitt Krehl Eschelbach Zeng
Annotations
(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
(1) Die Staatsanwaltschaft kann von der Verfolgung einer Tat absehen,
- 1.
wenn die Strafe oder die Maßregel der Besserung und Sicherung, zu der die Verfolgung führen kann, neben einer Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Beschuldigten wegen einer anderen Tat rechtskräftig verhängt worden ist oder die er wegen einer anderen Tat zu erwarten hat, nicht beträchtlich ins Gewicht fällt oder - 2.
darüber hinaus, wenn ein Urteil wegen dieser Tat in angemessener Frist nicht zu erwarten ist und wenn eine Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Beschuldigten rechtskräftig verhängt worden ist oder die er wegen einer anderen Tat zu erwarten hat, zur Einwirkung auf den Täter und zur Verteidigung der Rechtsordnung ausreichend erscheint.
(2) Ist die öffentliche Klage bereits erhoben, so kann das Gericht auf Antrag der Staatsanwaltschaft das Verfahren in jeder Lage vorläufig einstellen.
(3) Ist das Verfahren mit Rücksicht auf eine wegen einer anderen Tat bereits rechtskräftig erkannten Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung vorläufig eingestellt worden, so kann es, falls nicht inzwischen Verjährung eingetreten ist, wieder aufgenommen werden, wenn die rechtskräftig erkannte Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung nachträglich wegfällt.
(4) Ist das Verfahren mit Rücksicht auf eine wegen einer anderen Tat zu erwartende Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung vorläufig eingestellt worden, so kann es, falls nicht inzwischen Verjährung eingetreten ist, binnen drei Monaten nach Rechtskraft des wegen der anderen Tat ergehenden Urteils wieder aufgenommen werden.
(5) Hat das Gericht das Verfahren vorläufig eingestellt, so bedarf es zur Wiederaufnahme eines Gerichtsbeschlusses.
(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
(1) Die Staatsanwaltschaft kann von der Verfolgung einer Tat absehen,
- 1.
wenn die Strafe oder die Maßregel der Besserung und Sicherung, zu der die Verfolgung führen kann, neben einer Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Beschuldigten wegen einer anderen Tat rechtskräftig verhängt worden ist oder die er wegen einer anderen Tat zu erwarten hat, nicht beträchtlich ins Gewicht fällt oder - 2.
darüber hinaus, wenn ein Urteil wegen dieser Tat in angemessener Frist nicht zu erwarten ist und wenn eine Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Beschuldigten rechtskräftig verhängt worden ist oder die er wegen einer anderen Tat zu erwarten hat, zur Einwirkung auf den Täter und zur Verteidigung der Rechtsordnung ausreichend erscheint.
(2) Ist die öffentliche Klage bereits erhoben, so kann das Gericht auf Antrag der Staatsanwaltschaft das Verfahren in jeder Lage vorläufig einstellen.
(3) Ist das Verfahren mit Rücksicht auf eine wegen einer anderen Tat bereits rechtskräftig erkannten Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung vorläufig eingestellt worden, so kann es, falls nicht inzwischen Verjährung eingetreten ist, wieder aufgenommen werden, wenn die rechtskräftig erkannte Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung nachträglich wegfällt.
(4) Ist das Verfahren mit Rücksicht auf eine wegen einer anderen Tat zu erwartende Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung vorläufig eingestellt worden, so kann es, falls nicht inzwischen Verjährung eingetreten ist, binnen drei Monaten nach Rechtskraft des wegen der anderen Tat ergehenden Urteils wieder aufgenommen werden.
(5) Hat das Gericht das Verfahren vorläufig eingestellt, so bedarf es zur Wiederaufnahme eines Gerichtsbeschlusses.