Bundesgerichtshof Beschluss, 06. Feb. 2014 - 1 StR 700/13
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Gründe:
- 1
- 1. Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Vergewaltigung in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten verurteilt. Die Revision des Angeklagten hat mit der Sachrüge Erfolg, so dass es auf die erhobenen Verfahrensrügen nicht ankommt.
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- 2. Die Beweiswürdigung des Landgerichts hält revisionsrechtlicher Überprüfung nicht stand.
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- a) Wenn Aussage gegen Aussage steht und die Entscheidung im Wesentlichen davon abhängt, welchen Angaben das Gericht folgt, müssen die Urteilsgründe erkennen lassen, dass der Tatrichter alle Umstände, die die Entscheidung beeinflussen können, erkannt und in seine Überlegungen einbezogen hat. Das gilt besonders, wenn sich sogar die Unwahrheit eines Aussage- teils des Belastungszeugen herausstellt (vgl. Senat, Beschluss vom 19. Oktober 2000 – 1 StR 439/00, NStZ 2001, 161, 162).
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- b) Diesen besonderen Anforderungen genügt die Beweiswürdigung nicht.
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- aa) Vorliegend handelt es sich um einen Fall, in dem zu der entscheidenden Frage, ob der Geschlechtsverkehr mit der Nebenklägerin einvernehmlich erfolgte (wie der Angeklagte behauptet) oder vom Angeklagten erzwungen wurde (wie die Nebenklägerin behauptet), letztlich Aussage gegen Aussage steht (vgl. insoweit auch BGH, Beschluss vom 3. April 2002 – 3 StR 33/02, NStZ 2002, 494). Zudem hat die Nebenklägerin mehrfach nachweislich die Unwahrheit gesagt (beim Notruf, hinsichtlich ihres in der Wohnung aufhältlichen Bruders, zum Nachtatgeschehen) und dabei nicht nur wiederholt die Polizei, sondern auch das Gericht angelogen.
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- bb) Nicht einbezogen in die bei dieser Lage notwendige besonders sorgfältige Gesamtwürdigung hat die Kammer den Inhalt eines vom Angeklagten aufgezeichneten Streitgesprächs zwischen dem Angeklagten und der Nebenklägerin , das nach den Feststellungen der Kammer nach dem anklagegegenständlichen Vorfall stattgefunden hat. In diesem Gespräch wirft die Nebenklägerin dem Angeklagten im Kern vor, er nutze sie aus, weil er das Geld, das er verdiene, seinen Verwandten schicke. Er solle seine Sachen holen und die Wohnung verlassen, sonst werde die Nebenklägerin ihn erstechen und dafür ins Gefängnis gehen. Wörtlich sagte die Nebenklägerin in diesem Zusammen- hang: „Ich bin so dumm, weil ich jedesMal, wenn du Sex haben willst, es dir auch gebe.“ Vor dem Hintergrund, dass der Angeklagte kurz zuvor die Neben- klägerin vergewaltigt haben soll, war dieser Inhalt des Streitgesprächs für die Beweiswürdigung ersichtlich von besonderem Belang und hätte deshalb in die Gesamtwürdigung einbezogen werden müssen.
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- cc) Soweit die Kammer meint, das Verletzungsbild bei dem Angeklagten lasse sich mit den Angaben der Nebenklägerin besser in Einklang bringen als mit der Einlassung des Angeklagten, ist dies nicht ohne weiteres nachvollziehbar. Die Kammer findet es näherliegend, dass die Nebenklägerin – wie sie angibt – dem Angeklagten eine größere Kratzverletzung an der Brust unter seinem T-Shirt zugefügt hat, indem sie, als er zur Ausübung des Geschlechtsverkehrs auf ihr lag, den Halsausschnitt seines T-Shirts nach unten gezogen und über den Halsausschnitt unter sein T-Shirt gefasst und ihn gekratzt habe. Demgegenüber sei fernerliegend, dass diese Verletzung – wie der Angeklagte behauptet – erst später entstanden sei, als sich beide in der Wohnung gegenüber gestanden hätten, denn dann hätte die Nebenklägerin dem ihr körperlich überlegenen Angeklagten unter das T-Shirt fassen müssen. Dabei erörtert die Kammer indes nicht die Einlassung des Angeklagten, der angegeben hat, sein Unterhemd sei kaputt gegangen, als ihn die Nebenklägerin aus dem Bett gezogen habe, und erst anschließend sei die Verletzung an seiner Brust erfolgt. Träfe die Einlassung des Angeklagten zu, hätte die Nebenklägerin zur Verursachung des Kratzers womöglich nicht unter ein T-Shirt des Angeklagten fassen müssen.
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- dd) Zu weiten Teilen der Einlassung des Angeklagten, eben auch zu der Frage, ob er – wie er behauptet – ein Unterhemd anhatte, das die Nebenklägerin kaputt gemacht hat, verhält sich das Urteil nicht. In den Urteilsgründen heißt es insoweit, dass die Kammer die Einlassung des Angeklagten zum Nachtatgeschehen zum Teil als unwiderleglich erachtet. Welche Teile der umfangreichen Einlassung des Angeklagten (mit Ausnahme des aufgezeichneten Telefonge- sprächs) dies sind, wird aus dem Urteil nicht hinreichend deutlich. Die Kammer teilt auch nicht für das Revisionsgericht nachvollziehbar mit, welchen Teilen der Einlassung des Angeklagten (mit Ausnahme des unmittelbaren Tatgeschehens) sie aus welchen Gründen keinen Glauben schenkt und sie für widerlegt erachtet.
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- ee) Nicht ohne weiteres nachvollziehbar sind für den Senat in diesem Zusammenhang auch die Schlussfolgerungen, welche die Kammer aus dem Spurenbild an der Unterhose der Nebenklägerin gezogen hat. Einige der Spuren , die sich aus den im Urteil in Bezug genommenen Lichtbildern (§ 267 Abs. 1 Satz 3 StPO) ergeben, scheinen jedenfalls auf den ersten Blick nicht ohne weiteres mehr für die Schilderung der Nebenklägerin als für diejenige des Angeklagten zu sprechen.
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- ff) Hinzu kommt, dass das Landgericht die gegen die Glaubhaftigkeit der Angaben der Nebenklägerin sprechenden Indizien jeweils eher isoliert in den Blick genommen hat. Bei der Beurteilung der Glaubwürdigkeit des Tatopfers sowie der Glaubhaftigkeit seiner Angaben darf sich der Tatrichter indes nicht darauf beschränken, Umstände, die gegen die Zuverlässigkeit der Aussage sprechen können, gesondert und einzeln zu erörtern sowie getrennt voneinander zu prüfen, um festzustellen, dass sie jeweils nicht geeignet seien, die Glaubwürdigkeit in Zweifel zu ziehen. Selbst wenn nämlich jedes einzelne Glaubwürdigkeit oder Glaubhaftigkeit möglicherweise in Frage stellende Indiz noch keine Bedenken gegen die den Angeklagten belastende Aussage aufkommen ließe, so kann doch eine Häufung von – jeweils für sich erklärbaren – Fragwürdigkeiten bei einer Gesamtschau zu durchgreifenden Zweifeln an der Richtigkeit eines Tatvorwurfs führen (vgl. BGH, Urteil vom 19. November 2008 – 2 StR 394/08).
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- 3. Die Gesamtwürdigung der Beweise, die für und gegen die Glaubhaftigkeit der Tatschilderungen der einzigen Belastungszeugin sprechen, erscheint daher insgesamt unvollständig und leidet unter Darstellungsmängeln. Die Sache bedarf deshalb neuer tatrichterlicher Prüfung. Angesichts der besonderen Umstände des Falls (mehrfache Falschangaben der Hauptbelastungszeugin) kann sich für das neue Tatgericht ausnahmsweise auch die Einholung eines Glaubwürdigkeitsgutachtens anbieten (vgl. BGH, Urteil vom 12. November 2003 – 2 StR 354/03, NStZ-RR 2004, 87 f.).
Jäger Mosbacher
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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
(1) Wird der Angeklagte verurteilt, so müssen die Urteilsgründe die für erwiesen erachteten Tatsachen angeben, in denen die gesetzlichen Merkmale der Straftat gefunden werden. Soweit der Beweis aus anderen Tatsachen gefolgert wird, sollen auch diese Tatsachen angegeben werden. Auf Abbildungen, die sich bei den Akten befinden, kann hierbei wegen der Einzelheiten verwiesen werden.
(2) Waren in der Verhandlung vom Strafgesetz besonders vorgesehene Umstände behauptet worden, welche die Strafbarkeit ausschließen, vermindern oder erhöhen, so müssen die Urteilsgründe sich darüber aussprechen, ob diese Umstände für festgestellt oder für nicht festgestellt erachtet werden.
(3) Die Gründe des Strafurteils müssen ferner das zur Anwendung gebrachte Strafgesetz bezeichnen und die Umstände anführen, die für die Zumessung der Strafe bestimmend gewesen sind. Macht das Strafgesetz Milderungen von dem Vorliegen minder schwerer Fälle abhängig, so müssen die Urteilsgründe ergeben, weshalb diese Umstände angenommen oder einem in der Verhandlung gestellten Antrag entgegen verneint werden; dies gilt entsprechend für die Verhängung einer Freiheitsstrafe in den Fällen des § 47 des Strafgesetzbuches. Die Urteilsgründe müssen auch ergeben, weshalb ein besonders schwerer Fall nicht angenommen wird, wenn die Voraussetzungen erfüllt sind, unter denen nach dem Strafgesetz in der Regel ein solcher Fall vorliegt; liegen diese Voraussetzungen nicht vor, wird aber gleichwohl ein besonders schwerer Fall angenommen, so gilt Satz 2 entsprechend. Die Urteilsgründe müssen ferner ergeben, weshalb die Strafe zur Bewährung ausgesetzt oder einem in der Verhandlung gestellten Antrag entgegen nicht ausgesetzt worden ist; dies gilt entsprechend für die Verwarnung mit Strafvorbehalt und das Absehen von Strafe. Ist dem Urteil eine Verständigung (§ 257c) vorausgegangen, ist auch dies in den Urteilsgründen anzugeben.
(4) Verzichten alle zur Anfechtung Berechtigten auf Rechtsmittel oder wird innerhalb der Frist kein Rechtsmittel eingelegt, so müssen die erwiesenen Tatsachen, in denen die gesetzlichen Merkmale der Straftat gefunden werden, und das angewendete Strafgesetz angegeben werden; bei Urteilen, die nur auf Geldstrafe lauten oder neben einer Geldstrafe ein Fahrverbot oder die Entziehung der Fahrerlaubnis und damit zusammen die Einziehung des Führerscheins anordnen, oder bei Verwarnungen mit Strafvorbehalt kann hierbei auf den zugelassenen Anklagesatz, auf die Anklage gemäß § 418 Abs. 3 Satz 2 oder den Strafbefehl sowie den Strafbefehlsantrag verwiesen werden. Absatz 3 Satz 5 gilt entsprechend. Den weiteren Inhalt der Urteilsgründe bestimmt das Gericht unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls nach seinem Ermessen. Die Urteilsgründe können innerhalb der in § 275 Abs. 1 Satz 2 vorgesehenen Frist ergänzt werden, wenn gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung des Rechtsmittels Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt wird.
(5) Wird der Angeklagte freigesprochen, so müssen die Urteilsgründe ergeben, ob der Angeklagte für nicht überführt oder ob und aus welchen Gründen die für erwiesen angenommene Tat für nicht strafbar erachtet worden ist. Verzichten alle zur Anfechtung Berechtigten auf Rechtsmittel oder wird innerhalb der Frist kein Rechtsmittel eingelegt, so braucht nur angegeben zu werden, ob die dem Angeklagten zur Last gelegte Straftat aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen nicht festgestellt worden ist. Absatz 4 Satz 4 ist anzuwenden.
(6) Die Urteilsgründe müssen auch ergeben, weshalb eine Maßregel der Besserung und Sicherung angeordnet, eine Entscheidung über die Sicherungsverwahrung vorbehalten oder einem in der Verhandlung gestellten Antrag entgegen nicht angeordnet oder nicht vorbehalten worden ist. Ist die Fahrerlaubnis nicht entzogen oder eine Sperre nach § 69a Abs. 1 Satz 3 des Strafgesetzbuches nicht angeordnet worden, obwohl dies nach der Art der Straftat in Betracht kam, so müssen die Urteilsgründe stets ergeben, weshalb die Maßregel nicht angeordnet worden ist.