Bundesgerichtshof Beschluss, 18. Feb. 2016 - 1 StR 590/15

ECLI: ECLI:DE:BGH:2016:180216B1STR590.15.0
published on 18/02/2016 00:00
Bundesgerichtshof Beschluss, 18. Feb. 2016 - 1 StR 590/15
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Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 590/15
vom
18. Februar 2016
in der Strafsache
gegen
wegen Anstiftung zur Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer
Menge u.a.
ECLI:DE:BGH:2016:180216B1STR590.15.0

Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 18. Februar 2016 beschlossen :
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 30. April 2015 wird als unbegründet verworfen, da die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben hat (§ 349 Abs. 2 StPO). Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.
Ergänzend zur Antragsschrift des Generalbundesanwalts bemerkt der Senat :
1. Es bestehen bereits Bedenken hinsichtlich der Zulässigkeit der Rüge einer Verletzung von § 261 StPO, weil der Revisionsführer nicht vorträgt, dass der Inhalt der schriftlichen Auskunft von W. zu einer Überweisung nicht auf andere Weise in die Hauptverhandlung eingeführt worden ist. Vor dem Hintergrund der Einheit der Hauptverhandlung muss sich der Revisionsführer hierzu grundsätzlich verhalten (vgl. BGH, Urteil vom 17. Juli 2014 – 4 StR 78/14, NStZ 2014, 604 mwN). Zwar stellt die Kammer in den Urteilsgründen auf die „verlesene“ Urkunde ab (vgl. hierzu BGH, Beschluss vom 22. September 2006 – 1 StR 298/06, NStZ 2007, 235, 236). Weil es sich aber um einen denkbar überschaubaren Urkundeninhalt handelt, der auch auf einen Blick erfasst werden kann (vgl. hierzu BGH, Beschluss vom 12. Dezember 2013 – 3 StR 267/13, NStZ 2014, 606), und sich der nichtrevidierende Mitangeklagte als Absender des Geldes ausweislich der Urteilsgründe ganz ausführlich zu dieser
Überweisung, deren Höhe, der Empfängerin und der Transaktionsnummer geäußert hat (UA S. 14 f.), war entsprechender Vortrag hierzu zu erwarten.
Jedenfalls ist die Rüge unbegründet, denn der Senat kann angesichts der ausführlichen Angaben des genannten Mitangeklagten zu der Überweisung ausschließen, dass das Urteil auf einem solchen Rechtsfehler beruht. Ist der Inhalt eines Schriftstücks in der Hauptverhandlung erörtert und auch nicht bestritten worden, dass das Schriftstück diesen Inhalt hat, so kann ein Urteil regelmäßig nicht darauf beruhen, dass das Schriftstück nicht verlesen worden ist (BGH, Beschluss vom 22. September 2006 – 1 StR 298/06, NStZ 2007, 235,

236).


2. Die Rüge einer Verletzung von § 228 Abs. 1, § 229 StPO ist unbegründet. Es liegt keine unzulässige Überschreitung der dreiwöchigen Unterbrechungsfrist (§ 229 Abs. 1 und 4 Satz 1 StPO) vor.
Am 23. Februar 2015 (41. Hauptverhandlungstag) wurde die Hauptverhandlung vom Vorsitzenden unterbrochen. Zwar konnte der ursprünglich vorgesehene Fortsetzungstermin am 12. März 2015 nicht stattfinden, weil aus unerfindlichen Gründen ein Schöffe nicht erschienen war. Der vom Vorsitzenden deshalb angesetzte Fortsetzungstermin am 18. März 2015 wahrte aber noch die Frist des § 229 Abs. 1 StPO. Bei dieser Fristberechnung sind weder der Tag, an dem die Unterbrechung angeordnet wird, noch derjenige, an dem die Verhandlung wieder aufgenommen wird, in die Frist einzuberechnen (BGH, Beschluss vom 20. März 2014 – 3 StR 408/13, NStZ 2014, 469 mwN). Die am Montag, den 23. Februar 2015 unterbrochene Hauptverhandlung musste nach § 229 Abs. 4 Satz 1 StPO also erst am Mittwoch, den 18. März 2015 fortgesetzt werden.
Da der inhaftierte Angeklagte an diesem Tag, wie die Revision unter Vorlage einer Bestätigung der zuständigen Justizvollzugsanstalt vorträgt, erkrankt war und deshalb an der Hauptverhandlung nicht teilnehmen konnte, zudem die Hauptverhandlung schon bereits an mindestens zehn Tagen stattgefunden hatte , war der Lauf der Frist während der Dauer der Verhinderung des Angeklagten nach § 229 Abs. 3 Satz 1 StPO gehemmt. Zwar war die Erkrankung des Angeklagten nach der Auskunft der Justizvollzugsanstalt nicht von langer Dauer. Die zulässige Unterbrechung endete gemäß § 229 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 2 StPO aber frühestens zehn Tage nach Ablauf der Hemmung. Die Fortsetzung der Hauptverhandlung am 23. März 2015 war demnach rechtzeitig. Ein Verstoß gegen § 228 Abs. 1, § 229 StPO liegt nicht vor.
Dass das Gericht entgegen § 229 Abs. 3 Satz 2 StPO den Beginn und das Ende der Hemmung nicht durch Beschluss festgestellt hat, steht dem nicht entgegen. Die Hemmung tritt kraft Gesetzes ein (BGH, Urteil vom 12. August 1992 – 5 StR 234/92, NStZ 1992, 550, 551). Zu einer weiteren freibeweislichen Klärung der Frage, ob und wie lange der Angeklagte erkrankt war (hierzu näher Gmel, in KK, 7. Aufl., § 229 Rn. 15), bestand für den Senat angesichts der aussagekräftigen Bestätigung durch die Justizvollzugsanstalt kein Anlass.
3. Soweit der Revisionsführer einen Verstoß gegen § 265 Abs. 1 StPO mit der Begründung rügt, ihm sei nicht der förmliche Hinweis erteilt worden, dass er im Fall 1 wegen Beihilfe statt Täterschaft verurteilt werden könnte, schließt der Senat jedenfalls ein Beruhen des Urteils auf diesem Rechtsfehler aus. Der Revisionsführer war nicht nur durch die Mitteilung eines Gesprächs zwischen Gericht und Verteidiger (vgl. Antragsschrift des Generalbundesanwalts S. 6), sondern auch durch den Nichtabhilfe-Beschluss des Landgerichts vom 20. Januar 2015 im Rahmen des Haftbeschwerdeverfahrens eindeutig und unmissver-
ständlich darauf hingewiesen worden, dass die Kammer seine mögliche Beteiligung an der fraglichen Tat als Beihilfe und nicht als Täterschaft wertet. In welche Richtung er sich verteidigen musste, konnte dem Angeklagten demnach nicht zweifelhaft sein (vgl. zum Ausschluss des Beruhens in solchen Konstellationen Meyer-Goßner, in Meyer-Goßner/Schmitt, 58. Aufl., § 265 Rn. 48 mwN).
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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

(1) Der Angeklagte darf nicht auf Grund eines anderen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten Strafgesetzes verurteilt werden, ohne daß er zuvor auf die Veränderung des rechtlichen Gesichtspunktes besonders hingewiesen und ihm Gel

Über das Ergebnis der Beweisaufnahme entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Inbegriff der Verhandlung geschöpften Überzeugung.
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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

(1) Der Angeklagte darf nicht auf Grund eines anderen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten Strafgesetzes verurteilt werden, ohne daß er zuvor auf die Veränderung des rechtlichen Gesichtspunktes besonders hingewiesen und ihm Gel

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Annotations

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

Über das Ergebnis der Beweisaufnahme entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Inbegriff der Verhandlung geschöpften Überzeugung.

(1) Über die Aussetzung einer Hauptverhandlung oder deren Unterbrechung nach § 229 Abs. 2 entscheidet das Gericht. Kürzere Unterbrechungen ordnet der Vorsitzende an.

(2) Eine Verhinderung des Verteidigers gibt, unbeschadet der Vorschrift des § 145, dem Angeklagten kein Recht, die Aussetzung der Verhandlung zu verlangen.

(3) Ist die Frist des § 217 Abs. 1 nicht eingehalten worden, so soll der Vorsitzende den Angeklagten mit der Befugnis, Aussetzung der Verhandlung zu verlangen, bekanntmachen.

(1) Eine Hauptverhandlung darf bis zu drei Wochen unterbrochen werden.

(2) Eine Hauptverhandlung darf auch bis zu einem Monat unterbrochen werden, wenn sie davor jeweils an mindestens zehn Tagen stattgefunden hat.

(3) Hat eine Hauptverhandlung bereits an mindestens zehn Tagen stattgefunden, so ist der Lauf der in den Absätzen 1 und 2 genannten Fristen gehemmt, solange

1.
ein Angeklagter oder eine zur Urteilsfindung berufene Person wegen Krankheit oder
2.
eine zur Urteilsfindung berufene Person wegen gesetzlichen Mutterschutzes oder der Inanspruchnahme von Elternzeit
nicht zu der Hauptverhandlung erscheinen kann, längstens jedoch für zwei Monate. Die in den Absätzen 1 und 2 genannten Fristen enden frühestens zehn Tage nach Ablauf der Hemmung. Beginn und Ende der Hemmung stellt das Gericht durch unanfechtbaren Beschluß fest.

(4) Wird die Hauptverhandlung nicht spätestens am Tage nach Ablauf der in den vorstehenden Absätzen bezeichneten Frist fortgesetzt, so ist mit ihr von neuem zu beginnen. Ist der Tag nach Ablauf der Frist ein Sonntag, ein allgemeiner Feiertag oder ein Sonnabend, so kann die Hauptverhandlung am nächsten Werktag fortgesetzt werden.

(5) Ist dem Gericht wegen einer vorübergehenden technischen Störung die Fortsetzung der Hauptverhandlung am Tag nach Ablauf der in den vorstehenden Absätzen bezeichneten Frist oder im Fall des Absatzes 4 Satz 2 am nächsten Werktag unmöglich, ist es abweichend von Absatz 4 Satz 1 zulässig, die Hauptverhandlung unverzüglich nach der Beseitigung der technischen Störung, spätestens aber innerhalb von zehn Tagen nach Fristablauf fortzusetzen. Das Vorliegen einer technischen Störung im Sinne des Satzes 1 stellt das Gericht durch unanfechtbaren Beschluss fest.

(1) Über die Aussetzung einer Hauptverhandlung oder deren Unterbrechung nach § 229 Abs. 2 entscheidet das Gericht. Kürzere Unterbrechungen ordnet der Vorsitzende an.

(2) Eine Verhinderung des Verteidigers gibt, unbeschadet der Vorschrift des § 145, dem Angeklagten kein Recht, die Aussetzung der Verhandlung zu verlangen.

(3) Ist die Frist des § 217 Abs. 1 nicht eingehalten worden, so soll der Vorsitzende den Angeklagten mit der Befugnis, Aussetzung der Verhandlung zu verlangen, bekanntmachen.

(1) Eine Hauptverhandlung darf bis zu drei Wochen unterbrochen werden.

(2) Eine Hauptverhandlung darf auch bis zu einem Monat unterbrochen werden, wenn sie davor jeweils an mindestens zehn Tagen stattgefunden hat.

(3) Hat eine Hauptverhandlung bereits an mindestens zehn Tagen stattgefunden, so ist der Lauf der in den Absätzen 1 und 2 genannten Fristen gehemmt, solange

1.
ein Angeklagter oder eine zur Urteilsfindung berufene Person wegen Krankheit oder
2.
eine zur Urteilsfindung berufene Person wegen gesetzlichen Mutterschutzes oder der Inanspruchnahme von Elternzeit
nicht zu der Hauptverhandlung erscheinen kann, längstens jedoch für zwei Monate. Die in den Absätzen 1 und 2 genannten Fristen enden frühestens zehn Tage nach Ablauf der Hemmung. Beginn und Ende der Hemmung stellt das Gericht durch unanfechtbaren Beschluß fest.

(4) Wird die Hauptverhandlung nicht spätestens am Tage nach Ablauf der in den vorstehenden Absätzen bezeichneten Frist fortgesetzt, so ist mit ihr von neuem zu beginnen. Ist der Tag nach Ablauf der Frist ein Sonntag, ein allgemeiner Feiertag oder ein Sonnabend, so kann die Hauptverhandlung am nächsten Werktag fortgesetzt werden.

(5) Ist dem Gericht wegen einer vorübergehenden technischen Störung die Fortsetzung der Hauptverhandlung am Tag nach Ablauf der in den vorstehenden Absätzen bezeichneten Frist oder im Fall des Absatzes 4 Satz 2 am nächsten Werktag unmöglich, ist es abweichend von Absatz 4 Satz 1 zulässig, die Hauptverhandlung unverzüglich nach der Beseitigung der technischen Störung, spätestens aber innerhalb von zehn Tagen nach Fristablauf fortzusetzen. Das Vorliegen einer technischen Störung im Sinne des Satzes 1 stellt das Gericht durch unanfechtbaren Beschluss fest.

(1) Der Angeklagte darf nicht auf Grund eines anderen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten Strafgesetzes verurteilt werden, ohne daß er zuvor auf die Veränderung des rechtlichen Gesichtspunktes besonders hingewiesen und ihm Gelegenheit zur Verteidigung gegeben worden ist.

(2) Ebenso ist zu verfahren, wenn

1.
sich erst in der Verhandlung vom Strafgesetz besonders vorgesehene Umstände ergeben, welche die Strafbarkeit erhöhen oder die Anordnung einer Maßnahme oder die Verhängung einer Nebenstrafe oder Nebenfolge rechtfertigen,
2.
das Gericht von einer in der Verhandlung mitgeteilten vorläufigen Bewertung der Sach- oder Rechtslage abweichen will oder
3.
der Hinweis auf eine veränderte Sachlage zur genügenden Verteidigung des Angeklagten erforderlich ist.

(3) Bestreitet der Angeklagte unter der Behauptung, auf die Verteidigung nicht genügend vorbereitet zu sein, neu hervorgetretene Umstände, welche die Anwendung eines schwereren Strafgesetzes gegen den Angeklagten zulassen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten oder die zu den in Absatz 2 Nummer 1 bezeichneten gehören, so ist auf seinen Antrag die Hauptverhandlung auszusetzen.

(4) Auch sonst hat das Gericht auf Antrag oder von Amts wegen die Hauptverhandlung auszusetzen, falls dies infolge der veränderten Sachlage zur genügenden Vorbereitung der Anklage oder der Verteidigung angemessen erscheint.