Bundesgerichtshof Beschluss, 25. Jan. 2017 - 1 StR 588/16
BUNDESGERICHTSHOF
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 25. Januar 2017 beschlossen :
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 2. August 2016 wird als unbegründet verworfen (§ 349 Abs. 2 StPO). Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels und die dem Nebenkläger im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
Ergänzend bemerkt der Senat:
Das Landgericht hat auf der Grundlage einer rechtsfehlerfreien Beweiswürdigung das Vorliegen einer Notwehrlage (§ 32 Abs. 2 StGB) für den Angeklagten verneint, als dieser dem geschädigten Nebenkläger zwei Messerstiche in den Oberkörper versetzte.
Hat ein Angreifer bereits eine Verletzungshandlung begangen, so ist der Angriff so lange gegenwärtig i.S.v. § 32 Abs. 2 StGB, wie eine Wiederholung und damit ein erneutes Umschlagen in eine Verletzung unmittelbar zu befürchten ist (BGH, Urteile vom 24. November 2016 – 4 StR 235/16 Rn. 12, NStZ-RR 2017, 38, 39 mwN und vom 9. August 2005 – 1 StR 99/05, NStZ 2006, 152, 153). Dabei kommt es auf die objektive Sachlage an. Entscheidend sind daher nicht die Befürchtungen des Angegriffenen, sondern die Absichten des Angreifers und die von ihm ausgehende Gefahr einer (neuerlichen oder unverändert fortdauernden) Rechtsgutverletzung (BGH aaO jeweils mwN; siehe auch Urteil
vom 18. April 2002 – 3 StR 503/01, NStZ-RR 2002, 203). Nach den tatgerichtlichen Feststellungen hatte der Geschädigte dem Angeklagten den Faustschlag in das Gesicht versetzt, bevor dieser mehrfach zustach. Von einem erneuten, unmittelbar bevorstehenden Angriff seitens des geschädigten Nebenklägers auf den Angeklagten hat sich das Landgericht rechtsfehlerfrei gerade nicht überzeugen können (vgl. UA S. 18 und 25).
Fehlte es aber an einer Notwehrlage bei Ausführung der Messerstiche, kam es auf die ergänzenden Erwägungen des Landgerichts zum Fehlen der Erforderlichkeit der Messerstiche und des Verteidigungswillens beim Angeklagten nicht mehr an. Schon deshalb bleibt den beiden erhobenen Rügen der Verletzung von § 261 StPO der Erfolg versagt. Beide knüpfen an (mögliche) Geschehensabläufe an, denen rechtliche Bedeutung allenfalls bei Vorliegen eines gegenwärtigen Angriffs im Zeitpunkt der Messerstiche zukäme.
Einen Putativnotwehrexzess (vgl. BGH, Urteil vom 23. Januar 2003 – 4 StR 267/02,NStZ 2003, 599 f.), auf den § 33 StGB ohnehin keine Anwen- dung fände (BGH aaO), hat das Landgericht ebenfalls rechtsfehlerfrei nicht zugrunde gelegt. Es ist weder im Hinblick auf den Zweifelssatz noch sonst geboten , zugunsten des Angeklagten von Annahmen auszugehen, für deren Vorliegen das Beweisergebnis keine konkreten tatsächlichen Anhaltspunkte erbracht hat (BGH, Urteil vom 26. Oktober 2016 – 2 StR 275/16, Rn. 12 mwN).
Raum Graf Jäger Radtke Fischer
moreResultsText
moreResultsText
Annotations
(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
Über das Ergebnis der Beweisaufnahme entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Inbegriff der Verhandlung geschöpften Überzeugung.
Überschreitet der Täter die Grenzen der Notwehr aus Verwirrung, Furcht oder Schrecken, so wird er nicht bestraft.