Bundesgerichtshof Beschluss, 07. Feb. 2018 - 1 StR 582/17
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung der Beschwerdeführerin und des Generalbundesanwalts – zu 2. auf dessen Antrag – am 7. Februar 2018 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
Gründe:
- 1
- Das Landgericht hat die Angeklagte wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln und wegen unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in zwölf Fällen unter Einbeziehung einer anderweitig verhängten rechtskräftigen Freiheitsstrafe zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und zehn Monaten sowie wegen unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in zehn Fällen zu einer weiteren Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt und die Einziehung des Wertes von Taterträgen angeordnet. Hiergegen wendet sich die Angeklagte mit ihrer auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat mit der Sachrüge den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg (§ 349 Abs. 4 StPO) und ist im Übrigen gemäß § 349 Abs. 2 StPO unbegründet.
- 2
- 1. Die von dem Landgericht vorgenommene Schätzung des Wirkstoffgehaltes des Betäubungsmittels ist im Ergebnis nicht zu beanstanden.
- 3
- Zwar lässt sich den schriftlichen Urteilsgründen entnehmen, dass im Rahmen einer Durchsuchung der Wohnung der Angeklagten am 8. November 2016 geringe Mengen Methamphetamin sichergestellt worden sind, sodass jedenfalls eine exakte Feststellung des Wirkstoffgehalts dieser Menge mithilfe eines Sachverständigengutachtens möglich gewesen wäre. Dem Grunde nach begegnet die unterbliebene Begutachtung rechtlichen Bedenken, denn wegen der Bedeutung der Wirkstoffmenge für eine sachgerechte, schuldangemessene Festsetzung der Strafen im Betäubungsmittelstrafrecht kann grundsätzlich auf eine nach den Umständen des Falles mögliche genaue Feststellung des Wirkstoffgehalts nicht verzichtet werden (vgl. dazu BGH, Beschluss vom 20. Juni 2017 – 1 StR 227/17, StV 2018, 22 mwN). Allerdings bedurfte es im vorliegenden Fall ausnahmsweise keiner Begutachtung des sichergestellten Betäubungsmittels , weil die von der Angeklagten begangenen Taten in den Zeiträumen April bis Oktober 2014 und November 2015 bis April 2016 der Sicherstellung zeitlich weit vorgelagert waren und das erheblich später sichergestellte Betäubungsmittel keinen verlässlichen Rückschluss auf die Qualität der Betäubungsmittel in den urteilsgegenständlichen Zeiträumen erlaubt.
- 4
- 2. Die Gesamtstrafenaussprüche haben indes keinen Bestand.
- 5
- Das Landgericht hat im Rahmen der Strafzumessung rechtsfehlerhaft das Gesamtstrafübel für die Angeklagte nicht in den Blick genommen, das – infolgeder Zäsurwirkung des Urteils des Amtsgerichts Kulmbach vom 6. August 2015 – aus der obligatorischen Bildung von zwei Gesamtstrafen resultierte. Sofern die Zäsurwirkung einer einzubeziehenden Strafe zur Bildung mehrerer Gesamtstrafen führt, muss das Gericht grundsätzlich einen sich daraus möglicherweise für die Angeklagte ergebenden Nachteil infolge eines zu hohen Gesamtstrafübels ausgleichen. Hierzu muss es für das Revisionsgericht nachvollziehbar darlegen, dass es sich dieser Sachlage bewusst gewesen ist, und erkennen lassen, dass es das Gesamtmaß der Strafen für schuldangemessen gehalten hat (vgl. BGH, Beschlüsse vom 9. November 1995 – 4 StR 650/95, BGHSt 41, 310 [313]; vom 24. Juli 2007 – 4 StR 237/07, StV 2007, 632; vom 17. April 2008 – 4 StR 118/08, NStZ-RR 2008, 234 und vom 5. September 2017 – 1 StR 350/17). Diesen Anforderungen genügt das angefochtene Urteil, das bei einer Methamphetamingesamtmenge im zweistelligen Grammbereich gegen die Angeklagte einen Freiheitsentzug von insgesamt fünf Jahren und vier Monaten anordnet und keinerlei Ausführungen zum Gesamtstrafübel enthält , nicht.
- 6
- Der Senat kann nicht ausschließen, dass die Bemessung der Gesamtstrafen auf diesem Mangel beruht.
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- 3. Weder die Einzelstrafen noch die der Zumessung der Gesamtstrafen zugrunde liegenden Feststellungen (§ 353 Abs. 2 StPO) sind von dem Rechtsfehler betroffen, sodass sie bestehen bleiben. Das neue Tatgericht kann weitere , mit den bisherigen nicht in Widerspruch stehende Feststellungen treffen.
- 8
- 4. Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat auf Folgendes hin:
- 9
- Das neue Tatgericht wird außerdem zu prüfen haben, ob der zuvor nicht inhaftierten Angeklagten darüber hinaus noch ein Widerruf der Bewährung der mit Urteil vom 17. Dezember 2013 verhängten Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und zehn Monaten droht. Sollte dies der Fall sein, muss mit Rücksicht auf die Wirkungen der Strafe, die für das künftige Leben des Täters zu erwarten sind (§ 46 Abs. 1 Satz 2 StGB), auch insoweit das Gesamtstrafübel bei Festsetzung der neuen Strafe(n) im Auge behalten werden. Es obliegt dem Tatgericht , bei der Straffestsetzung den Umstand zu berücksichtigen, dass wegen der neuerlichen Taten der Widerruf einer früher gewährten Strafaussetzung zur Bewährung zu erwarten ist und die Angeklagte deshalb eine weitere Strafe zu verbüßen haben wird (vgl. dazu BGH, Beschlüsse vom 9. November 1995 – 4 StR650/95, BGHSt 41, 310 [314]; vom 29. Oktober 2008 – 2 StR 386/08 und vom 27. Januar 2010 – 5 StR 432/09, NJW 2010, 2677 [2678]; Urteil vom 22. August 2012 – 2 StR 235/12).
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Annotations
(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
(1) Die Schuld des Täters ist Grundlage für die Zumessung der Strafe. Die Wirkungen, die von der Strafe für das künftige Leben des Täters in der Gesellschaft zu erwarten sind, sind zu berücksichtigen.
(2) Bei der Zumessung wägt das Gericht die Umstände, die für und gegen den Täter sprechen, gegeneinander ab. Dabei kommen namentlich in Betracht:
die Beweggründe und die Ziele des Täters, besonders auch rassistische, fremdenfeindliche, antisemitische oder sonstige menschenverachtende, die Gesinnung, die aus der Tat spricht, und der bei der Tat aufgewendete Wille, das Maß der Pflichtwidrigkeit, die Art der Ausführung und die verschuldeten Auswirkungen der Tat, das Vorleben des Täters, seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse sowie sein Verhalten nach der Tat, besonders sein Bemühen, den Schaden wiedergutzumachen, sowie das Bemühen des Täters, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen.
(3) Umstände, die schon Merkmale des gesetzlichen Tatbestandes sind, dürfen nicht berücksichtigt werden.