Bundesgerichtshof Beschluss, 26. Nov. 2015 - 1 StR 538/15
BUNDESGERICHTSHOF
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 26. November 2015 beschlossen :
Die Revision des Beschuldigten gegen das Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 19. Juni 2015 wird als unbegründet verworfen, da die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Beschuldigten ergeben hat (§ 349 Abs. 2 StPO). Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.
Ergänzend ist lediglich zu bemerken:
Die Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 63 StGB hat Bestand, obwohl die Bewertung der Anlasstat insoweit rechtlicher Überprüfung nicht Stand hält, als sie auch als versuchter Mord unter Verwirklichung des Merkmals der Heimtücke (in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung) gewertet worden ist.
Das Landgericht hat die Feststellung, der Beschuldigte habe trotz der bei der Tat sicher erheblich verminderten und nicht ausschließbar vollständig aufgehobenen Steuerungsfähigkeit mit dem erforderlichen Ausnutzungsbewusstsein gehandelt, beweiswürdigend nicht ausreichend belegt. Der Generalbundesanwalt hat zwar im rechtlichen Ausgangspunkt zutreffend darauf hingewiesen , dass nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs bei - wie hier - erhalten gebliebener Einsichtsfähigkeit die Fähigkeit des Täters, die Tatsituation in ihrem Bedeutungsgehalt für das Opfer realistisch wahrzunehmen und ein-
zuschätzen, im Regelfall nicht beeinträchtigt ist (BGH, Urteile vom 27. Februar 2008 - 2 StR 603/07, NStZ 2008, 510, 511 f. Rn. 4 mwN und vom 10. Februar 2010 - 2 StR 391/09, NStZ-RR 2010, 175, 176). Im Hinblick auf die konkreten Auswirkungen der bei dem Beschuldigten festgestellten, als krankhafte seelische Störung eingeordneten, wahnhaften Störung bedurfte es hier jedoch näherer Darlegungen, warum er trotz dieser Störung mit Ausnutzungsbewusstsein gehandelt hatte. Daran fehlt es.
Da das Landgericht aber die Voraussetzungen eines versuchten Totschlags in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung rechtsfehlerfrei festgestellt hat, verbleibt es bei der Anordnung der Maßregel. Denn damit liegt eine Anlasstat vor, die angesichts ihrer konkreten Ausgestaltung ohne Weiteres Grundlage der Unterbringung gemäß § 63 StGB sein kann (vgl. BGH, Beschlüsse vom 27. August 2003 - 1 StR 327/03, NStZ-RR 2004, 10, 11, vom 10. September 2002 - 1 StR 337/02, NStZ-RR 2003, 11, 12 sowie vom 5. März 1999 - 2 StR 518/98).
Raum Graf Jäger Radtke Bär
Annotations
(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
Hat jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20) oder der verminderten Schuldfähigkeit (§ 21) begangen, so ordnet das Gericht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an, wenn die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Tat ergibt, daß von ihm infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich erheblich geschädigt oder erheblich gefährdet werden oder schwerer wirtschaftlicher Schaden angerichtet wird, zu erwarten sind und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist. Handelt es sich bei der begangenen rechtswidrigen Tat nicht um eine im Sinne von Satz 1 erhebliche Tat, so trifft das Gericht eine solche Anordnung nur, wenn besondere Umstände die Erwartung rechtfertigen, dass der Täter infolge seines Zustandes derartige erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird.