Bundesgerichtshof Beschluss, 28. Dez. 2006 - 1 StR 534/06
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Gründe:
- 1
- Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gewerbsmäßiger Hehlerei in drei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt. Die Revision des Angeklagten, mit der er insbesondere das Verfahrenshindernis des Strafklageverbrauchs geltend macht, hat Erfolg.
- 2
- Nach den Feststellungen der angefochtenen Entscheidung übernahm der Angeklagte im Juli/August 2004 jeweils zuvor in Deutschland entwendete Gegenstände, um diese Gewinn bringend weiter zu veräußern. Es handelte sich um zwei Motorräder der Marken BMW und Suzuki sowie um verschiedene Elektronikartikel der Marke Panasonic. Die Gegenstände wurden dem Angeklagten in den Niederlanden übergeben; allein das Motorrad BMW wurde auf Wunsch des Angeklagten nach Belgien verbracht und dann dort von ihm abgeholt und ebenfalls in die Niederlande gebracht. In der Folgezeit konnten die beiden Motorräder von der Polizei sichergestellt werden. Von den Elektronikartikeln der Marke Panasonic mit einem Gesamtwert von circa 150.000 Euro konnte ein Teil der Geräte in einem Gesamtwert von circa 30.000 Euro von der niederländischen Polizei später sichergestellt werden; im Übrigen waren sie vom Angeklagten zwischenzeitlich weiterveräußert worden.
- 3
- Bei seiner Entscheidung ist das Landgericht davon ausgegangen, dass wegen der von ihm abgeurteilten Taten zwar gegen den Angeklagten auch durch die Staatsanwaltschaft Maastricht ein Verfahren eingeleitet, dann aber eingestellt worden sei. Nach Auffassung der Strafkammer war ein Strafklageverbrauch dadurch nicht eingetreten, da es sich um keine gerichtliche Entscheidung gehandelt habe.
- 4
- Tatsächlich wurde der Angeklagte jedoch durch das dem Senat vorliegende Urteil eines Polizeirichters des Landgerichts Maastricht/Niederlande am 21. April 2006 freigesprochen. In dem Urteil wird auf die Nr. der Staatsanwaltschaft Bezug genommen. Unter dieser Nummer hatte die Bezirksstaatsanwaltschaft Maastricht am 22. März 2005 den Angeklagten zur Gerichtsverhandlung des Polizeigerichts des Gerichtsbezirks Maastricht auf den 10. Juni 2005 geladen. In der Ladung wurde der Angeklagte beschuldigt, am oder um den 15. August 2004 in der Gemeinde Vaals ein Motorrad (Marke BMW, Farbe schwarz) und/oder ein Motorrad (Marke Suzuki, Farbe schwarz) und/oder eine Anzahl Ton- und/oder Bildgeräte (Marke Panasonic, unter anderem DVD-Player, Radio/CD-Player, Videokameras, Lautsprecher) und/oder eine Anzahl Rasierapparate (Marke Panasonic) gelagert gehabt zu haben, wobei er zum Zeitpunkt des Erhalts zur Lagerung der genannten Gegenstände gewusst habe, dass diese aus Straftaten stammten. Das Urteil ist seit dem 9. Mai 2006 rechtskräftig.
- 5
- Durch die freisprechende Entscheidung vom 21. April 2006 ist bezüglich der dem Gericht vorliegenden Taten gemäß Artikel 54 des Schengener Durchführungsübereinkommens (SDÜ) Strafklageverbrauch eingetreten. Nach dieser Vorschrift darf derjenige, der durch eine Vertragspartei rechtskräftig abgeurteilt worden ist, durch eine andere Vertragspartei wegen derselben Tat nicht verfolgt werden, vorausgesetzt, dass im Fall der Verurteilung die Sanktion bereits vollstreckt ist, gerade vollstreckt wird oder nach dem Recht des Urteilsstaates nicht mehr vollstreckt werden kann.
- 6
- Das Übereinkommen ist seit dem 26. März 1995 für Deutschland und die Niederlande in Kraft gesetzt. Der von Deutschland gemäß Artikel 55 Abs. 1 a) 1. Halbsatz SDÜ erklärte Vorbehalt steht der Anwendung von Artikel 54 SDÜ im vorliegenden Fall nicht entgegen. Denn nach dem 2. Halbsatz der Regelung greift der Vorbehalt dann nicht ein, wenn die Tat - wie hier - auch in dem Hoheitsgebiet der Vertragspartei begangen wurde, in dem das Urteil ergangen ist (vgl. BGHSt 46, 307, 308 m.w.N.).
- 7
- Auch ein rechtskräftiger Freispruch bewirkt Strafklageverbrauch nach Artikel 54 SDÜ (vgl. BGHSt 46, 307, 309; BGH NStZ 1999, 579, 580; Schomburg in Schomburg/Lagodny/Gleß/Hackner, Internationale Rechtshilfe in Strafsachen , 4. Aufl., Art. 54 SDÜ Rdn. 11; Schomburg NJW 2000, 1833, 1834).
- 8
- Bei den vom Landgericht abgeurteilten und den der Entscheidung des Polizeirichters in Maastricht zugrunde liegenden Sachverhalten handelt es sich um jeweils dieselben Taten im verfahrensrechtlichen Sinne. Das Verfahren ist somit wegen eines vor der Entscheidung des Landgerichts eingetretenen Prozesshindernisses unter Aufhebung des angefochtenen Urteils gemäß § 206a Abs. 1 StPO durch Beschluss einzustellen (vgl. BGHR StPO § 264 Abs. 1 Tatidentität 8; BGHSt 13, 128, 129).
- 9
- Mit der Einstellung des Verfahrens war der gegen den Angeklagten bestehende Haftbefehl aufzuheben (§§ 126 Abs. 3, 120 Abs. 1 Satz 2 StPO) und seine Freilassung in dieser Sache anzuordnen.
- 10
- Da hinsichtlich der Entscheidung über eine dem Angeklagten zu gewährende Entschädigung für Strafverfolgungsmaßnahmen (§ 2 Abs. 1 StrEG) weitere Feststellungen zu treffen sind, war die Entscheidung hierüber dem Landgericht vorzubehalten.
Rothfuß Graf
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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
(1) Vor Erhebung der öffentlichen Klage ist für die weiteren gerichtlichen Entscheidungen und Maßnahmen, die sich auf die Untersuchungshaft, die Aussetzung ihres Vollzugs (§ 116), ihre Vollstreckung (§ 116b) sowie auf Anträge nach § 119a beziehen, das Gericht zuständig, das den Haftbefehl erlassen hat. Hat das Beschwerdegericht den Haftbefehl erlassen, so ist das Gericht zuständig, das die vorangegangene Entscheidung getroffen hat. Wird das vorbereitende Verfahren an einem anderen Ort geführt oder die Untersuchungshaft an einem anderen Ort vollzogen, so kann das Gericht seine Zuständigkeit auf Antrag der Staatsanwaltschaft auf das für diesen Ort zuständige Amtsgericht übertragen. Ist der Ort in mehrere Gerichtsbezirke geteilt, so bestimmt die Landesregierung durch Rechtsverordnung das zuständige Amtsgericht. Die Landesregierung kann diese Ermächtigung auf die Landesjustizverwaltung übertragen.
(2) Nach Erhebung der öffentlichen Klage ist das Gericht zuständig, das mit der Sache befaßt ist. Während des Revisionsverfahrens ist das Gericht zuständig, dessen Urteil angefochten ist. Einzelne Maßnahmen, insbesondere nach § 119, ordnet der Vorsitzende an. In dringenden Fällen kann er auch den Haftbefehl aufheben oder den Vollzug aussetzen (§ 116), wenn die Staatsanwaltschaft zustimmt; andernfalls ist unverzüglich die Entscheidung des Gerichts herbeizuführen.
(3) Das Revisionsgericht kann den Haftbefehl aufheben, wenn es das angefochtene Urteil aufhebt und sich bei dieser Entscheidung ohne weiteres ergibt, daß die Voraussetzungen des § 120 Abs. 1 vorliegen.
(4) Die §§ 121 und 122 bleiben unberührt.
(5) Soweit nach den Gesetzen der Länder über den Vollzug der Untersuchungshaft eine Maßnahme der vorherigen gerichtlichen Anordnung oder der gerichtlichen Genehmigung bedarf, ist das Amtsgericht zuständig, in dessen Bezirk die Maßnahme durchgeführt wird. Unterhält ein Land für den Vollzug der Untersuchungshaft eine Einrichtung auf dem Gebiet eines anderen Landes, können die beteiligten Länder vereinbaren, dass das Amtsgericht zuständig ist, in dessen Bezirk die für die Einrichtung zuständige Aufsichtsbehörde ihren Sitz hat. Für das Verfahren gilt § 121b des Strafvollzugsgesetzes entsprechend.
(1) Vor Erhebung der öffentlichen Klage ist für die weiteren gerichtlichen Entscheidungen und Maßnahmen, die sich auf die Untersuchungshaft, die Aussetzung ihres Vollzugs (§ 116), ihre Vollstreckung (§ 116b) sowie auf Anträge nach § 119a beziehen, das Gericht zuständig, das den Haftbefehl erlassen hat. Hat das Beschwerdegericht den Haftbefehl erlassen, so ist das Gericht zuständig, das die vorangegangene Entscheidung getroffen hat. Wird das vorbereitende Verfahren an einem anderen Ort geführt oder die Untersuchungshaft an einem anderen Ort vollzogen, so kann das Gericht seine Zuständigkeit auf Antrag der Staatsanwaltschaft auf das für diesen Ort zuständige Amtsgericht übertragen. Ist der Ort in mehrere Gerichtsbezirke geteilt, so bestimmt die Landesregierung durch Rechtsverordnung das zuständige Amtsgericht. Die Landesregierung kann diese Ermächtigung auf die Landesjustizverwaltung übertragen.
(2) Nach Erhebung der öffentlichen Klage ist das Gericht zuständig, das mit der Sache befaßt ist. Während des Revisionsverfahrens ist das Gericht zuständig, dessen Urteil angefochten ist. Einzelne Maßnahmen, insbesondere nach § 119, ordnet der Vorsitzende an. In dringenden Fällen kann er auch den Haftbefehl aufheben oder den Vollzug aussetzen (§ 116), wenn die Staatsanwaltschaft zustimmt; andernfalls ist unverzüglich die Entscheidung des Gerichts herbeizuführen.
(3) Das Revisionsgericht kann den Haftbefehl aufheben, wenn es das angefochtene Urteil aufhebt und sich bei dieser Entscheidung ohne weiteres ergibt, daß die Voraussetzungen des § 120 Abs. 1 vorliegen.
(4) Die §§ 121 und 122 bleiben unberührt.
(5) Soweit nach den Gesetzen der Länder über den Vollzug der Untersuchungshaft eine Maßnahme der vorherigen gerichtlichen Anordnung oder der gerichtlichen Genehmigung bedarf, ist das Amtsgericht zuständig, in dessen Bezirk die Maßnahme durchgeführt wird. Unterhält ein Land für den Vollzug der Untersuchungshaft eine Einrichtung auf dem Gebiet eines anderen Landes, können die beteiligten Länder vereinbaren, dass das Amtsgericht zuständig ist, in dessen Bezirk die für die Einrichtung zuständige Aufsichtsbehörde ihren Sitz hat. Für das Verfahren gilt § 121b des Strafvollzugsgesetzes entsprechend.
(1) Wer durch den Vollzug der Untersuchungshaft oder einer anderen Strafverfolgungsmaßnahme einen Schaden erlitten hat, wird aus der Staatskasse entschädigt, soweit er freigesprochen oder das Verfahren gegen ihn eingestellt wird oder soweit das Gericht die Eröffnung des Hauptverfahrens gegen ihn ablehnt.
(2) Andere Strafverfolgungsmaßnahmen sind
- 1.
die einstweilige Unterbringung und die Unterbringung zur Beobachtung nach den Vorschriften der Strafprozeßordnung und des Jugendgerichtsgesetzes, - 2.
die vorläufige Festnahme nach § 127 Abs. 2 der Strafprozeßordnung, - 3.
Maßnahmen des Richters, der den Vollzug des Haftbefehls aussetzt (§ 116 der Strafprozeßordnung), - 4.
die Sicherstellung, die Beschlagnahme, der Vermögensarrest nach § 111e der Strafprozeßordnung und die Durchsuchung, soweit die Entschädigung nicht in anderen Gesetzen geregelt ist, - 5.
die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis, - 6.
das vorläufige Berufsverbot.
(3) Als Strafverfolgungsmaßnahmen im Sinne dieser Vorschrift gelten die Auslieferungshaft, die vorläufige Auslieferungshaft, die Sicherstellung, die Beschlagnahme und die Durchsuchung, die im Ausland auf Ersuchen einer deutschen Behörde angeordnet worden sind.