Bundesgerichtshof Beschluss, 22. Juli 2014 - 1 StR 53/14

published on 22/07/2014 00:00
Bundesgerichtshof Beschluss, 22. Juli 2014 - 1 StR 53/14
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Gericht


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 S t R 5 3 / 1 4
vom
22. Juli 2014
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen zu 1.: schweren Menschenhandels u.a.
zu 2.: Beihilfe zur Steuerhinterziehung u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 22. Juli 2014 gemäß § 349
Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Kleve vom 7. Mai 2013 im Rechtsfolgenausspruch
a) dahin abgeändert, dass hinsichtlich des Angeklagten D. festgestellt wird, dass wegen eines Geldbetrages in Höhe von 4.084.582,11 Euro, den dieser Angeklagte aus den Taten erlangt hat, von der Anordnung des Wertersatzverfalls nur deshalb abgesehen wird, weil Ansprüche von Verletzten entgegenstehen;
b) aufgehoben, soweit hinsichtlich der Angeklagten G. Feststellungen gemäß § 111i Abs. 2 StPO getroffen worden sind; dieser Ausspruch entfällt. 2. Die weitergehenden Revisionen werden verworfen. 3. Die Beschwerdeführer haben die Kosten ihrer Rechtsmittel zu tragen. Zudem hat der Beschwerdeführer D. die Kosten der durch seine Revision der Nebenklägerin S. im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten D. wegen schweren Menschenhandels , Förderung des Menschenhandels, Einschleusens von Auslän- dern in drei Fällen, davon in zwei Fällen in Tateinheit mit Beihilfe zur Urkundenfälschung , Steuerhinterziehung in 29 Fällen und Vorenthaltens von Arbeitsentgelt in 79 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und neun Monaten verurteilt. Die Angeklagte G. hat es wegen Einschleusens von Ausländern in drei Fällen, davon in zwei Fällen in Tateinheit mit Beihilfe zur Urkundenfälschung , Beihilfe zur Steuerhinterziehung in 29 Fällen und Beihilfe zum Vorenthalten von Arbeitsentgelt in 79 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Zudem hat das Landgericht festgestellt, dass Ansprüche Verletzter der Anordnung eines Verfalls in das Vermögen beider Angeklagter entgegenstehen und dass ersparte Aufwendungen erlangt worden sind, denen ein Geldbetrag von 4.119.028 Euro entspricht. Die Revisionen haben zu den Feststellungen gemäß § 111i Abs. 2 StPO einen Teilerfolg; im Übrigen sind sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2
1. Zum Schuldspruch und zum Strafausspruch bleiben die Revisionen der Angeklagten aus den in den Antragsschriften des Generalbundesanwalts genannten Gründen ohne Erfolg.
3
2. Auf die Revision des Angeklagten D. ist die Feststellung gemäß § 111i Abs. 2 StPO dahin abzuändern, dass wegen eines Geldbetrages in Höhe von 4.084.582,11 Euro, den der Angeklagte aus den Taten erlangt hat, von der Anordnung des Wertersatzverfalls nur deshalb abgesehen wird, weil Ansprüche von Verletzten entgegenstehen. Der vom Landgericht festgestellte Betrag von 4.119.028 Euro hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
4
Zum einen ist dem Landgericht ein Additionsfehler unterlaufen. Die Summe der vom Landgericht rechtsfehlerfrei als erlangtes „etwas“ eingestuften ersparten Aufwendungen beträgt lediglich 4.097.006,11 Euro. Zum anderen hat das Landgericht nicht berücksichtigt, dass die Vorschrift des § 111i Abs. 2 Satz 1 StPO auf Taten, die bereits vor dem 1. Januar 2007 beendet waren, im Hinblick auf § 2 Abs. 5 i.V.m. Abs. 3 StGB keine Anwendung findet (vgl. BGH, Beschlüsse vom 18. Dezember 2008 – 3 StR 460/08, wistra 2009, 241; vom 10. April 2013 – 1 StR 22/13, NStZ-RR 2013, 254 und vom 20. März 2014 – 3 StR 28/14, NStZ 2014, 397 mwN). Hier war die Hinterziehung von Umsatz- steuer für das Jahr 2005 (Fall 80 der Urteilsgründe) mit einem Hinterziehungsbetrag von 12.424 Euro bereits am 22. Dezember 2006 beendet. Das Landgericht durfte deshalb in diesem Umfang keine Feststellungen nach § 111i Abs. 2 StPO treffen.
5
3. Die Feststellungen gemäß § 111i Abs. 2 StPO betreffend die Angeklagte G. entfallen insgesamt. Ein derartiger Ausspruch kommt nur dann in Betracht, wenn das Gericht lediglich deshalb nicht auf Verfall erkennt, weil Ansprüche eines Verletzten gemäß § 73 Abs. 1 Satz 2 StGB entgegenstehen. Dies ist hier nicht der Fall. Denn die Angeklagte G. hat nichts im Sinne des § 73 Abs. 1 StGB unmittelbar aus der Tat erlangt.
6
Zwar können auch ersparte Aufwendungen erlangtes „etwas“ im Sinne von § 73 Abs. 1 Satz 1 StGB sein (vgl. Fischer, StGB, 61. Aufl., § 73 Rn. 9 mwN; zur Steuerhinterziehung vgl. auch BGH, Beschluss vom 13. Juli 2010 – 1 StR 239/10, wistra 2010, 406). Diese geldwerten Vorteile sind jedoch allein dem Vermögen des Angeklagten D. , der die Bordelle betrieben hat, zuge- flossen. Die Angeklagte G. hat den Angeklagten D. bei den Straftaten der Steuerhinterziehung und des Vorenthaltens von Arbeitsentgelt lediglich unterstützt und damit erreicht, dass dieser sich Aufwendungen erspart hat. Eine Verfallsanordnung gegen sie käme daher nur dann in Betracht, wenn sie Mitverfügungsgewalt an dem aus diesen Straftaten Erlangten gehabt hätte (vgl. Fischer, aaO, Rn. 16; BGH, Beschluss vom 13. Dezember 2006, 4 StR 421/06, NStZ-RR 2007, 121). Dies war jedoch nicht der Fall.
7
4. Der Teilerfolg der Beschwerdeführer ist nicht so erheblich, dass es geboten wäre, sie aus Billigkeitsgründen von der Kosten- und Auslagenlast auch nur teilweise freizustellen (§ 473 Abs. 1 und 4 StPO).
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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

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Annotations

(1) Ist jemandem aus der Tat ein Anspruch auf Ersatz des Wertes des Erlangten erwachsen und wird das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Arrestschuldners eröffnet, so erlischt das Sicherungsrecht nach § 111h Absatz 1 an dem Gegenstand oder an dem durch dessen Verwertung erzielten Erlös, sobald dieser vom Insolvenzbeschlag erfasst wird. Das Sicherungsrecht erlischt nicht an Gegenständen, die in einem Staat belegen sind, in dem die Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht anerkannt wird. Die Sätze 1 und 2 gelten entsprechend für das Pfandrecht an der nach § 111g Absatz 1 hinterlegten Sicherheit.

(2) Sind mehrere Anspruchsberechtigte im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 vorhanden und reicht der Wert des in Vollziehung des Vermögensarrestes gesicherten Gegenstandes oder des durch seine Verwertung erzielten Erlöses zur Befriedigung der von ihnen geltend gemachten Ansprüche nicht aus, so stellt die Staatsanwaltschaft einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Arrestschuldners. Die Staatsanwaltschaft sieht von der Stellung eines Eröffnungsantrags ab, wenn begründete Zweifel daran bestehen, dass das Insolvenzverfahren auf Grund des Antrags eröffnet wird.

(3) Verbleibt bei der Schlussverteilung ein Überschuss, so erwirbt der Staat bis zur Höhe des Vermögensarrestes ein Pfandrecht am Anspruch des Schuldners auf Herausgabe des Überschusses. In diesem Umfang hat der Insolvenzverwalter den Überschuss an die Staatsanwaltschaft herauszugeben.

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Ist jemandem aus der Tat ein Anspruch auf Ersatz des Wertes des Erlangten erwachsen und wird das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Arrestschuldners eröffnet, so erlischt das Sicherungsrecht nach § 111h Absatz 1 an dem Gegenstand oder an dem durch dessen Verwertung erzielten Erlös, sobald dieser vom Insolvenzbeschlag erfasst wird. Das Sicherungsrecht erlischt nicht an Gegenständen, die in einem Staat belegen sind, in dem die Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht anerkannt wird. Die Sätze 1 und 2 gelten entsprechend für das Pfandrecht an der nach § 111g Absatz 1 hinterlegten Sicherheit.

(2) Sind mehrere Anspruchsberechtigte im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 vorhanden und reicht der Wert des in Vollziehung des Vermögensarrestes gesicherten Gegenstandes oder des durch seine Verwertung erzielten Erlöses zur Befriedigung der von ihnen geltend gemachten Ansprüche nicht aus, so stellt die Staatsanwaltschaft einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Arrestschuldners. Die Staatsanwaltschaft sieht von der Stellung eines Eröffnungsantrags ab, wenn begründete Zweifel daran bestehen, dass das Insolvenzverfahren auf Grund des Antrags eröffnet wird.

(3) Verbleibt bei der Schlussverteilung ein Überschuss, so erwirbt der Staat bis zur Höhe des Vermögensarrestes ein Pfandrecht am Anspruch des Schuldners auf Herausgabe des Überschusses. In diesem Umfang hat der Insolvenzverwalter den Überschuss an die Staatsanwaltschaft herauszugeben.

(1) Hat der Täter oder Teilnehmer durch eine rechtswidrige Tat oder für sie etwas erlangt, so ordnet das Gericht dessen Einziehung an.

(2) Hat der Täter oder Teilnehmer Nutzungen aus dem Erlangten gezogen, so ordnet das Gericht auch deren Einziehung an.

(3) Das Gericht kann auch die Einziehung der Gegenstände anordnen, die der Täter oder Teilnehmer erworben hat

1.
durch Veräußerung des Erlangten oder als Ersatz für dessen Zerstörung, Beschädigung oder Entziehung oder
2.
auf Grund eines erlangten Rechts.

(1) Die Kosten eines zurückgenommenen oder erfolglos eingelegten Rechtsmittels treffen den, der es eingelegt hat. Hat der Beschuldigte das Rechtsmittel erfolglos eingelegt oder zurückgenommen, so sind ihm die dadurch dem Nebenkläger oder dem zum Anschluß als Nebenkläger Berechtigten in Wahrnehmung seiner Befugnisse nach § 406h erwachsenen notwendigen Auslagen aufzuerlegen. Hat im Falle des Satzes 1 allein der Nebenkläger ein Rechtsmittel eingelegt oder durchgeführt, so sind ihm die dadurch erwachsenen notwendigen Auslagen des Beschuldigten aufzuerlegen. Für die Kosten des Rechtsmittels und die notwendigen Auslagen der Beteiligten gilt § 472a Abs. 2 entsprechend, wenn eine zulässig erhobene sofortige Beschwerde nach § 406a Abs. 1 Satz 1 durch eine den Rechtszug abschließende Entscheidung unzulässig geworden ist.

(2) Hat im Falle des Absatzes 1 die Staatsanwaltschaft das Rechtsmittel zuungunsten des Beschuldigten oder eines Nebenbeteiligten (§ 424 Absatz 1, §§ 439, 444 Abs. 1 Satz 1) eingelegt, so sind die ihm erwachsenen notwendigen Auslagen der Staatskasse aufzuerlegen. Dasselbe gilt, wenn das von der Staatsanwaltschaft zugunsten des Beschuldigten oder eines Nebenbeteiligten eingelegte Rechtsmittel Erfolg hat.

(3) Hat der Beschuldigte oder ein anderer Beteiligter das Rechtsmittel auf bestimmte Beschwerdepunkte beschränkt und hat ein solches Rechtsmittel Erfolg, so sind die notwendigen Auslagen des Beteiligten der Staatskasse aufzuerlegen.

(4) Hat das Rechtsmittel teilweise Erfolg, so hat das Gericht die Gebühr zu ermäßigen und die entstandenen Auslagen teilweise oder auch ganz der Staatskasse aufzuerlegen, soweit es unbillig wäre, die Beteiligten damit zu belasten. Dies gilt entsprechend für die notwendigen Auslagen der Beteiligten.

(5) Ein Rechtsmittel gilt als erfolglos, soweit eine Anordnung nach § 69 Abs. 1 oder § 69b Abs. 1 des Strafgesetzbuches nur deshalb nicht aufrechterhalten wird, weil ihre Voraussetzungen wegen der Dauer einer vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis (§ 111a Abs. 1) oder einer Verwahrung, Sicherstellung oder Beschlagnahme des Führerscheins (§ 69a Abs. 6 des Strafgesetzbuches) nicht mehr vorliegen.

(6) Die Absätze 1 bis 4 gelten entsprechend für die Kosten und die notwendigen Auslagen, die durch einen Antrag

1.
auf Wiederaufnahme des durch ein rechtskräftiges Urteil abgeschlossenen Verfahrens oder
2.
auf ein Nachverfahren (§ 433)
verursacht worden sind.

(7) Die Kosten der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand fallen dem Antragsteller zur Last, soweit sie nicht durch einen unbegründeten Widerspruch des Gegners entstanden sind.