Bundesgerichtshof Beschluss, 27. Feb. 2014 - 1 StR 50/14

published on 27/02/2014 00:00
Bundesgerichtshof Beschluss, 27. Feb. 2014 - 1 StR 50/14
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Gericht


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 S t R 5 0 / 1 4
vom
27. Februar 2014
in der Strafsache
gegen
wegen versuchten Diebstahls u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 27. Februar 2014 gemäß
§ 349 Abs. 4, § 206a StPO beschlossen:
1. Das Verfahren wird eingestellt, soweit der Angeklagte verurteilt worden ist. 2. Die Staatskasse trägt auch insoweit die Kosten des Verfahrens und die dem Angeklagten entstandenen notwendigen Auslagen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchten Diebstahls in Tateinheit mit Sachbeschädigung zu einer Freiheitsstrafe von acht Monaten verurteilt. Im Übrigen hat es ihn freigesprochen. Die Revision des Angeklagten, mit der er – gestützt auf die allgemeine Sachrüge – seine Verurteilung beanstandet , führt insoweit zur Einstellung des Verfahrens wegen eines Verfahrenshindernisses. Der nicht angefochtene Teilfreispruch ist rechtskräftig.
2
Zu den Prozessvoraussetzungen hat der Generalbundesanwalt zutreffend ausgeführt: „Durch Beschluss vom 17. Oktober 2013 im Verfahren (Akte , Band III, Bl. 442) trennte das Landgericht den die Tat des Angeklagten vom 13. April 2013 betreffenden Teil einer Anklage der Staatsanwaltschaft Ravensburg vom 8. August 2013 (Akte , Band I, Bl. 7 ff.) ab. Dieser Beschluss erging in der Besetzung der Strafkammer außerhalb der Hauptverhandlung mit drei Berufsrichtern.
Im Hauptverhandlungstermin vom selben Tag hat das Landgericht den genannten Tatkomplex durch Beschluss zum Verfahren hinzuverbunden (Protokoll S. 5). Anschließend wurde durch einen weiteren Beschluss im selben Termin hinsichtlich des hinzuverbundenen Teils der Anklage vom 8. August 2013 das Hauptverfahren eröffnet. Beide Beschlüsse fasste das Landgericht in der Besetzung der Hauptverhandlung mit zwei Berufsrichtern und zwei Schöffen (Protokoll S. 2, 4; Beschluss des Landgerichts Ravensburg vom 19. September 2013, Akte , Band I, Bl. 426 f.). Der Angeklagte, die Verteidigung und die Staatsanwaltschaft erklärten sich jeweils mit 'dieser Sachbehandlung' einverstanden. Der den hinzuverbundenen Teil der Anklage vom 8. August 2013 betreffende Anklagesatz wurde verlesen.“ (Es) „liegt in dem in der Hauptverhandlung gefassten ´Eröffnungsbeschluss´ keine wirksame Eröffnung des Hauptverfahrens im Sinne von § 207 StPO, weil das Landgericht nicht in der dafür gesetzlich vorgesehenen Besetzung entschieden hat. Sie war in der Hauptverhandlung gemäß § 76 Abs. 2 Satz 1 GVG mit zwei Berufsrichtern und zwei Schöffen besetzt. Über eine – grundsätzlich mögliche – nachträgliche Eröffnung des Hauptverfahrens in der Hauptverhandlung entscheidet aber beim Landgericht auch dann die Große Strafkammer in ihrer Besetzung außerhalb der Hauptverhandlung mit drei Berufsrichtern ohne Mitwirkung der Schöffen, wenn die Kammer die Hauptverhandlung in reduzierter Besetzung durchführt (vgl. Senat, Beschluss vom 7. September 2011 – 1 StR 388/11; BGH, Beschluss vom 2. November 2005 – 4 StR 418/05; Beschluss vom 25. Februar 2010 – 4 StR 596/09; Beschluss vom 22. Juni 2010 – 4 StR 216/10). Auch eine Einbeziehung über § 266 StPO, über die in der Besetzung der Hauptverhandlung hätte entschieden werden können, lag nicht vor.“
3
Der Umstand, dass das Landgericht bei dem mit drei Berufsrichtern gefassten Abtrennungsbeschluss vom 17. Oktober 2013 das Ziel verfolgte, den abgetrennten Verfahrensteil sogleich zum Verfahren Jug. hinzu zu verbinden, macht einen in der gesetzlich vorgeschriebenen Besetzung ergangenen Eröffnungsbeschluss (§§ 203, 207 StPO) nicht entbehr- lich. Denn der Abtrennungsbeschluss ist nicht dahin auszulegen, dass er – schlüssig (vgl. dazu BGH, Beschluss vom 17. Dezember 1999 – 2 StR 376/99, BGHR StPO § 203 Beschluss 5) – die Eröffnung des Verfahrens mit enthalten sollte. Diese blieb vielmehr einem eigenständigen Beschluss vorbehalten , der dann allerdings in der Hauptverhandlung nach Verfahrensverbindung fehlerhaft mit zwei Berufsrichtern und zwei Schöffen getroffen wurde.
4
Damit lag hinsichtlich des hinzuverbundenen Verfahrensteils, der zur Verurteilung des Angeklagten geführt hat, mangels wirksamen Eröffnungsbeschlusses ein Verfahrenshindernis vor (vgl. BGH, Beschluss vom 7. September 2011 – 1 StR 388/11, NStZ 2012, 50). Das Verfahren ist insoweit einzustellen; betroffen ist nur der Tatvorwurf, hinsichtlich dessen das Landgericht den Angeklagten verurteilt hat.
Raum Graf Jäger
Cirener Mosbacher
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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

(1) Stellt sich nach Eröffnung des Hauptverfahrens ein Verfahrenshindernis heraus, so kann das Gericht außerhalb der Hauptverhandlung das Verfahren durch Beschluß einstellen. (2) Der Beschluß ist mit sofortiger Beschwerde anfechtbar.
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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

(1) Stellt sich nach Eröffnung des Hauptverfahrens ein Verfahrenshindernis heraus, so kann das Gericht außerhalb der Hauptverhandlung das Verfahren durch Beschluß einstellen. (2) Der Beschluß ist mit sofortiger Beschwerde anfechtbar.
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Annotations

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Stellt sich nach Eröffnung des Hauptverfahrens ein Verfahrenshindernis heraus, so kann das Gericht außerhalb der Hauptverhandlung das Verfahren durch Beschluß einstellen.

(2) Der Beschluß ist mit sofortiger Beschwerde anfechtbar.

(1) In dem Beschluß, durch den das Hauptverfahren eröffnet wird, läßt das Gericht die Anklage zur Hauptverhandlung zu und bezeichnet das Gericht, vor dem die Hauptverhandlung stattfinden soll.

(2) Das Gericht legt in dem Beschluß dar, mit welchen Änderungen es die Anklage zur Hauptverhandlung zuläßt, wenn

1.
wegen mehrerer Taten Anklage erhoben ist und wegen einzelner von ihnen die Eröffnung des Hauptverfahrens abgelehnt wird,
2.
die Verfolgung nach § 154a auf einzelne abtrennbare Teile einer Tat beschränkt wird oder solche Teile in das Verfahren wieder einbezogen werden,
3.
die Tat rechtlich abweichend von der Anklageschrift gewürdigt wird oder
4.
die Verfolgung nach § 154a auf einzelne von mehreren Gesetzesverletzungen, die durch dieselbe Straftat begangen worden sind, beschränkt wird oder solche Gesetzesverletzungen in das Verfahren wieder einbezogen werden.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 Nr. 1 und 2 reicht die Staatsanwaltschaft eine dem Beschluß entsprechende neue Anklageschrift ein. Von der Darstellung des wesentlichen Ergebnisses der Ermittlungen kann abgesehen werden.

(4) Das Gericht beschließt zugleich von Amts wegen über die Anordnung oder Fortdauer der Untersuchungshaft oder der einstweiligen Unterbringung.

(1) Die Strafkammern sind mit drei Richtern einschließlich des Vorsitzenden und zwei Schöffen (große Strafkammer), in Verfahren über Berufungen gegen ein Urteil des Strafrichters oder des Schöffengerichts mit dem Vorsitzenden und zwei Schöffen (kleine Strafkammer) besetzt. Bei Entscheidungen außerhalb der Hauptverhandlung wirken die Schöffen nicht mit.

(2) Bei der Eröffnung des Hauptverfahrens beschließt die große Strafkammer über ihre Besetzung in der Hauptverhandlung. Ist das Hauptverfahren bereits eröffnet, beschließt sie hierüber bei der Anberaumung des Termins zur Hauptverhandlung. Sie beschließt eine Besetzung mit drei Richtern einschließlich des Vorsitzenden und zwei Schöffen, wenn

1.
sie als Schwurgericht zuständig ist,
2.
die Anordnung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung, deren Vorbehalt oder die Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus zu erwarten ist oder
3.
nach dem Umfang oder der Schwierigkeit der Sache die Mitwirkung eines dritten Richters notwendig erscheint.
Im Übrigen beschließt die große Strafkammer eine Besetzung mit zwei Richtern einschließlich des Vorsitzenden und zwei Schöffen.

(3) Die Mitwirkung eines dritten Richters nach Absatz 2 Satz 3 Nummer 3 ist in der Regel notwendig, wenn die Hauptverhandlung voraussichtlich länger als zehn Tage dauern wird oder die große Strafkammer als Wirtschaftsstrafkammer zuständig ist.

(4) Hat die Strafkammer eine Besetzung mit zwei Richtern einschließlich des Vorsitzenden und zwei Schöffen beschlossen und ergeben sich vor Beginn der Hauptverhandlung neue Umstände, die nach Maßgabe der Absätze 2 und 3 eine Besetzung mit drei Richtern einschließlich des Vorsitzenden und zwei Schöffen erforderlich machen, beschließt sie eine solche Besetzung.

(5) Ist eine Sache vom Revisionsgericht zurückverwiesen oder ist die Hauptverhandlung ausgesetzt worden, kann die jeweils zuständige Strafkammer erneut nach Maßgabe der Absätze 2 und 3 über ihre Besetzung beschließen.

(6) In Verfahren über Berufungen gegen ein Urteil des erweiterten Schöffengerichts (§ 29 Abs. 2) ist ein zweiter Richter hinzuzuziehen. Außerhalb der Hauptverhandlung entscheidet der Vorsitzende allein.

(1) Erstreckt der Staatsanwalt in der Hauptverhandlung die Anklage auf weitere Straftaten des Angeklagten, so kann das Gericht sie durch Beschluß in das Verfahren einbeziehen, wenn es für sie zuständig ist und der Angeklagte zustimmt.

(2) Die Nachtragsanklage kann mündlich erhoben werden. Ihr Inhalt entspricht dem § 200 Abs. 1. Sie wird in das Sitzungsprotokoll aufgenommen. Der Vorsitzende gibt dem Angeklagten Gelegenheit, sich zu verteidigen.

(3) Die Verhandlung wird unterbrochen, wenn es der Vorsitzende für erforderlich hält oder wenn der Angeklagte es beantragt und sein Antrag nicht offenbar mutwillig oder nur zur Verzögerung des Verfahrens gestellt ist. Auf das Recht, die Unterbrechung zu beantragen, wird der Angeklagte hingewiesen.

Das Gericht beschließt die Eröffnung des Hauptverfahrens, wenn nach den Ergebnissen des vorbereitenden Verfahrens der Angeschuldigte einer Straftat hinreichend verdächtig erscheint.

(1) In dem Beschluß, durch den das Hauptverfahren eröffnet wird, läßt das Gericht die Anklage zur Hauptverhandlung zu und bezeichnet das Gericht, vor dem die Hauptverhandlung stattfinden soll.

(2) Das Gericht legt in dem Beschluß dar, mit welchen Änderungen es die Anklage zur Hauptverhandlung zuläßt, wenn

1.
wegen mehrerer Taten Anklage erhoben ist und wegen einzelner von ihnen die Eröffnung des Hauptverfahrens abgelehnt wird,
2.
die Verfolgung nach § 154a auf einzelne abtrennbare Teile einer Tat beschränkt wird oder solche Teile in das Verfahren wieder einbezogen werden,
3.
die Tat rechtlich abweichend von der Anklageschrift gewürdigt wird oder
4.
die Verfolgung nach § 154a auf einzelne von mehreren Gesetzesverletzungen, die durch dieselbe Straftat begangen worden sind, beschränkt wird oder solche Gesetzesverletzungen in das Verfahren wieder einbezogen werden.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 Nr. 1 und 2 reicht die Staatsanwaltschaft eine dem Beschluß entsprechende neue Anklageschrift ein. Von der Darstellung des wesentlichen Ergebnisses der Ermittlungen kann abgesehen werden.

(4) Das Gericht beschließt zugleich von Amts wegen über die Anordnung oder Fortdauer der Untersuchungshaft oder der einstweiligen Unterbringung.

Das Gericht beschließt die Eröffnung des Hauptverfahrens, wenn nach den Ergebnissen des vorbereitenden Verfahrens der Angeschuldigte einer Straftat hinreichend verdächtig erscheint.