Bundesgerichtshof Beschluss, 20. März 2000 - 1 StR 50/00
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen (vorsätzlicher) Körperverletzung und wegen Körperverletzung mit Todesfolge zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt. Opfer beider Taten war die Lebensgefährtin des Angeklagten, Frau M. , die, wie ihm bekannt war, seit langem alkoholabhängig war und sich in einem schlechten Gesundheitszustand befand. Mit seiner Revision rügt der Angeklagte die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Das Rechtsmittel hat teilweise Erfolg.1. Was die Verurteilung des Angeklagten wegen (vorsätzlicher) Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von drei Monaten angeht, hat die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung keinen ihn beschwerenden Rechtsfehler ergeben. 2. Gleiches gilt für den Schuldspruch wegen Körperverletzung mit Todesfolge. Das Vorbringen der Revision, die Behandlung der Geschädigten im Krankenhaus sei fehlerhaft gewesen, stellt diesen Schuldspruch nicht in Frage (BGH, Urt. vom 15. Juli 1975 - 1 StR 120/75 - bei Dallinger MDR 1976, 16 sowie Jähnke in LK 11. Aufl. § 222 Rdn. 9; vgl. BGHSt 31, 96 sowie BGH NStZ 1994, 394). Keinen Bestand hat hingegen der Ausspruch über die wegen dieses Verbrechens verhängte Einzelstrafe (von vier Jahren und fünf Monaten Freiheitsstrafe ) und die Gesamtstrafe. Die in diesem Zusammenhang erhobene Aufklärungsrüge bedarf keiner Erörterung, weil hinsichtlich der Strafbemessung wegen Körperverletzung mit Todesfolge schon die Sachrüge durchgreift. Nach den Feststellungen hatte der Angeklagte am 23. April 1999, einem Freitag, am Nachmittag oder Abend die Geschädigte schwer mißhandelt. Unter anderem führte er dabei mit einem Turnschuh, den er in der Hand hielt, gegen ihre linke Körperseite einen Schlag, der so heftig war, daß es zu einer Fraktur der 7. bis 10. Rippe und einer Ruptur des Milzparenchyms kam. Während des Wochenendes klagte die Geschädigte zunehmend über Schmerzen im Bauchbereich , ohne daß sie selbst oder der Angeklagte die konkrete Art der ihr zugefügten Verletzungen bemerkten. Die Ruptur des Milzparenchyms führte zu einer Einblutung in das Gewebe, wodurch dieses anschwoll und es schließlich am Montag, dem 26. April 1999, am frühen Morgen zu einem Einreißen der Milzkapsel mit Blutung in die Bauchhöhle kam. Der Angeklagte sorgte nun da-
für, daß die Geschädigte ins Kreiskrankenhaus gebracht wurde, was gegen 8 Uhr geschah. Dort klagte sie über heftige Schmerzen auf der linken Körperseite im Bauchbereich. Die Ursache hierfür wurde durch die aufnehmende Ä rztin nicht erkannt. Gegen 10.30 Uhr verschlechterte sich der Zustand der Patientin derart, daß sie auf die Intensivstation verlegt wurde. Dort verstarb sie um 10.55 Uhr an den Folgen der vom Angeklagten verursachten zweizeitigen Milzruptur. "Selbst wenn die Verletzung sofort nach ihrer Einlieferung im Krankenhaus bemerkt worden wäre, wäre Frau M. nicht mehr zu retten gewesen." Diese Feststellung, die sich angesichts der schwierigen Beweislage nicht von selbst versteht, vielmehr eine besondere Sachkunde voraussetzt, hat das Landgericht im angefochtenen Urteil nicht begründet. Wie die Revision zu Recht geltend macht, wäre hier aber eine nähere Erörterung der Frage erforderlich gewesen, ob bei zutreffender Diagnose und unverzüglicher Operation für die Patientin eine reelle Überlebenschance bestanden hätte. Es ist weder vom Gericht dargelegt noch sonst ersichtlich, daß auch nach ihrer Einlieferung ins Krankenhaus die Rettung der Geschädigten von vornherein ausschied, weil sie auf Grund einer fortgeschrittenen Leberzirrhose, die mit erheblichen Blutgerinnungsstörungen einherging, sich in einem schlechten Allgemeinzustand befand. Die Prüfung dieser Frage hätte bei Bemessung der Strafe Bedeutung gewinnen können, weil eine in nicht unerheblichem Umfang gegebene Mitverursachung des tödlichen Ausgangs durch Dritte das Gewicht der dem Täter zuzurechnenden Tatfolgen vermindert und deshalb strafmildernd wirkt (BGH, Beschl. vom 23. August 1979 - 4 StR 417/79 - bei Holtz MDR 1979, 986; G. Schäfer, Praxis der Strafzumessung 2. Aufl. Rdn. 237). Soweit eine solche
Mitverursachung in Betracht kommt, gilt - wie allgemein bei Strafmilderungsgründen - der Grundsatz "Im Zweifel für den Angeklagten" (Gribbohm in LK 11. Aufl. § 46 Rdn. 56, 126; vgl. BGH VRS 19, 126, 127; 36, 362). Allerdings hält die Strafkammer dem Angeklagten zugute, daß er sich nach der akuten Verschlechterung der gesundheitlichen Situation der Geschädigten aktiv um deren Aufnahme in ein Krankenhaus bemühte. Auf der Grundlage ihrer - unzulänglich getroffenen - Feststellung, daß die Patientin ohnehin nicht mehr zu retten gewesen wäre, geht sie aber nicht auf die Frage ein, ob mit einiger Wahrscheinlichkeit der Todeseintritt vermieden worden wäre, wenn die Ursache für die von der Geschädigten beschriebenen Schmerzen erkannt und in der gebotenen Weise behandelt worden wäre. Ob und mit welchem Gewicht ein etwaiges Mitverschulden eines Dritten sich auf die Strafe auswirkt, ist eine Frage, die grundsätzlich vom Tatrichter zu beurteilen ist (vgl. BGH VRS 36, 362, 363). Der Senat kann sie nicht entscheiden , mag auch, worauf der Generalbundesanwalt hinweist, der Tat des Angeklagten - der die Geschädigte in Kenntnis ihrer besonderen Gefährdung wiederholt auf das brutalste mißhandelte - erhebliches Gewicht zukommen. Im übrigen hängt es von den Umständen des Einzelfalls ab, ob es sich um einen bestimmenden Gesichtspunkt i. S. v. § 267 Abs. 3 Satz 1 StPO handelt. Hierbei gilt: Je geringer die Rettungschance war, desto weniger wird ihre Versäumung strafmildernd ins Gewicht fallen.
Die Aufhebung der wegen Körperverletzung mit Todesfolge verhängten Einsatzstrafe (und der Gesamtstrafe) zwingt nicht zur Aufhebung der wegen der vorangegangenen Körperverletzung verhängten Einzelstrafe, da der aufgezeigte Mangel diese Verurteilung nicht berührt, vielmehr in beiden Fällen eine vorsätzliche Verletzungshandlung rechtsfehlerfrei festgestellt ist. Maul Granderath Wahl Boetticher Schluckebier
Annotations
(1) Wird der Angeklagte verurteilt, so müssen die Urteilsgründe die für erwiesen erachteten Tatsachen angeben, in denen die gesetzlichen Merkmale der Straftat gefunden werden. Soweit der Beweis aus anderen Tatsachen gefolgert wird, sollen auch diese Tatsachen angegeben werden. Auf Abbildungen, die sich bei den Akten befinden, kann hierbei wegen der Einzelheiten verwiesen werden.
(2) Waren in der Verhandlung vom Strafgesetz besonders vorgesehene Umstände behauptet worden, welche die Strafbarkeit ausschließen, vermindern oder erhöhen, so müssen die Urteilsgründe sich darüber aussprechen, ob diese Umstände für festgestellt oder für nicht festgestellt erachtet werden.
(3) Die Gründe des Strafurteils müssen ferner das zur Anwendung gebrachte Strafgesetz bezeichnen und die Umstände anführen, die für die Zumessung der Strafe bestimmend gewesen sind. Macht das Strafgesetz Milderungen von dem Vorliegen minder schwerer Fälle abhängig, so müssen die Urteilsgründe ergeben, weshalb diese Umstände angenommen oder einem in der Verhandlung gestellten Antrag entgegen verneint werden; dies gilt entsprechend für die Verhängung einer Freiheitsstrafe in den Fällen des § 47 des Strafgesetzbuches. Die Urteilsgründe müssen auch ergeben, weshalb ein besonders schwerer Fall nicht angenommen wird, wenn die Voraussetzungen erfüllt sind, unter denen nach dem Strafgesetz in der Regel ein solcher Fall vorliegt; liegen diese Voraussetzungen nicht vor, wird aber gleichwohl ein besonders schwerer Fall angenommen, so gilt Satz 2 entsprechend. Die Urteilsgründe müssen ferner ergeben, weshalb die Strafe zur Bewährung ausgesetzt oder einem in der Verhandlung gestellten Antrag entgegen nicht ausgesetzt worden ist; dies gilt entsprechend für die Verwarnung mit Strafvorbehalt und das Absehen von Strafe. Ist dem Urteil eine Verständigung (§ 257c) vorausgegangen, ist auch dies in den Urteilsgründen anzugeben.
(4) Verzichten alle zur Anfechtung Berechtigten auf Rechtsmittel oder wird innerhalb der Frist kein Rechtsmittel eingelegt, so müssen die erwiesenen Tatsachen, in denen die gesetzlichen Merkmale der Straftat gefunden werden, und das angewendete Strafgesetz angegeben werden; bei Urteilen, die nur auf Geldstrafe lauten oder neben einer Geldstrafe ein Fahrverbot oder die Entziehung der Fahrerlaubnis und damit zusammen die Einziehung des Führerscheins anordnen, oder bei Verwarnungen mit Strafvorbehalt kann hierbei auf den zugelassenen Anklagesatz, auf die Anklage gemäß § 418 Abs. 3 Satz 2 oder den Strafbefehl sowie den Strafbefehlsantrag verwiesen werden. Absatz 3 Satz 5 gilt entsprechend. Den weiteren Inhalt der Urteilsgründe bestimmt das Gericht unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls nach seinem Ermessen. Die Urteilsgründe können innerhalb der in § 275 Abs. 1 Satz 2 vorgesehenen Frist ergänzt werden, wenn gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung des Rechtsmittels Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt wird.
(5) Wird der Angeklagte freigesprochen, so müssen die Urteilsgründe ergeben, ob der Angeklagte für nicht überführt oder ob und aus welchen Gründen die für erwiesen angenommene Tat für nicht strafbar erachtet worden ist. Verzichten alle zur Anfechtung Berechtigten auf Rechtsmittel oder wird innerhalb der Frist kein Rechtsmittel eingelegt, so braucht nur angegeben zu werden, ob die dem Angeklagten zur Last gelegte Straftat aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen nicht festgestellt worden ist. Absatz 4 Satz 4 ist anzuwenden.
(6) Die Urteilsgründe müssen auch ergeben, weshalb eine Maßregel der Besserung und Sicherung angeordnet, eine Entscheidung über die Sicherungsverwahrung vorbehalten oder einem in der Verhandlung gestellten Antrag entgegen nicht angeordnet oder nicht vorbehalten worden ist. Ist die Fahrerlaubnis nicht entzogen oder eine Sperre nach § 69a Abs. 1 Satz 3 des Strafgesetzbuches nicht angeordnet worden, obwohl dies nach der Art der Straftat in Betracht kam, so müssen die Urteilsgründe stets ergeben, weshalb die Maßregel nicht angeordnet worden ist.