Bundesgerichtshof Beschluss, 19. Okt. 2004 - 1 StR 427/04

published on 19/10/2004 00:00
Bundesgerichtshof Beschluss, 19. Okt. 2004 - 1 StR 427/04
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Gericht


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 427/04
vom
19. Oktober 2004
in der Strafsache
gegen
wegen Vergewaltigung
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 19. Oktober 2004 beschlossen
:
1. Dem Angeklagten wird auf seinen Antrag gegen die Versäumung
der Frist zur Begründung der Revision gegen das Urteil
des Landgerichts Schweinfurt vom 15. April 2004 Wiedereinsetzung
in den vorigen Stand gewährt.
Die Kosten der Wiedereinsetzung trägt der Angeklagte.
Damit ist der Beschluß des Landgerichts Schweinfurt vom
9. Juli 2004, durch den die Revision des Angeklagten als unzulässig
verworfen wurde, gegenstandslos.
2. Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts
Schweinfurt vom 15. April 2004 wird als unbegründet
verworfen, da die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung
keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten
ergeben hat (§ 349 Abs. 2 StPO).
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels und
die der Nebenklägerin im Revisionsverfahren entstandenen
notwendigen Auslagen zu tragen.
Gründe (zu 2):
1. Der Angeklagte ist Fernfahrer. Er spiegelte einer 16jährigen Anhalterin
vor, sie mit dem Lkw zu ihrem Ziel zu bringen, tatsächlich fuhr er auf einen
einsamen Parkplatz. Dort versuchte er sie gewaltsam an Handschellen zu fesseln
, die schon an der Karosserie des Führerhauses angebracht waren. Dies
scheiterte zwar an ihrem heftigen Widerstand, sie konnte jedoch nicht verhindern
, daß ihre Hose bei seinen Angriffen zerriß, er ihr den Slip herunterzog
und einen Finger in ihre Scheide steckte. Erst als sie eine Geschlechtskrankheit
behauptete, ließ er von ihr ab und sie konnte fliehen. Der Angeklagte fuhr
davon.
2. Auf der Grundlage dieser Feststellungen wurde der Angeklagte wegen
Vergewaltigung zu Freiheitsstrafe verurteilt. Zugleich wurde ihm die Fahrerlaubnis
entzogen und die Verwaltungsbehörde angewiesen, ihm vor Ablauf
einer bestimmten Frist keine neue Fahrerlaubnis zu erteilen. Die fehlende charakterliche
Eignung des Angeklagten zum Fahren eines Kraftfahrzeugs wird in
der im einzelnen dargelegten bewußten intensiven Förderung der Tat durch die
Benutzung eines Fahrzeugs (Aufnahme der Geschädigten in den - mit Handschellen
präparierten - Lkw, ihre Verbringung zu dem einsamen Tatort, Ausnutzung
ihrer verminderten Verteidigungsmöglichkeiten) gesehen.
3. Die Revision des Angeklagten ist aus den vom Generalbundesanwalt
in seinem Antrag vom 22. September 2004 im einzelnen dargelegten Gründen
unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).
Der näheren Ausführung bedarf nur folgendes:
Die Entziehung der Fahrerlaubnis entspricht uneingeschränkt der bisherigen
Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs. Danach bedarf es bei schwerwiegenden
Straftaten, die unter (hier besonders intensiver) Nutzung des Kraftfahrzeugs
begangen werden, keines verkehrsspezifischen Gefahrzusammenhangs
zwischen Tat und Verkehrssicherheit, der hier nicht vorliegt (vgl. zusammenfassend
zur bisherigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs Senatsbeschluß
vom 14. Mai 2003 - 1 StR 113/03 = NStZ 2003, 658 ff. m.w.N.).
Die Revision weist allerdings mit Recht darauf hin, daß der 2. Strafsenat des
Bundesgerichtshofs in seinem Urteil vom 26. September 2003 (2 StR 161/03 =
NStZ 2004, 144 ff.) - in dort allerdings nicht tragenden Erwägungen (aaO,
147) - den Standpunkt vertreten hat, eine Entziehung der Fahrerlaubnis käme
(damit auch in Fällen wie dem vorliegenden) nicht in Betracht, wenn der Angeklagte
im Zusammenhang mit der Tatbegehung die Sicherheit des Straßenverkehrs
nicht gefährdet habe, und auch keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich seien
, daß dies künftig der Fall sein werde. Diese Auffassung vertritt auch der
4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs; er hat die Frage dem Großen Senat für
Strafsachen vorgelegt (Beschluß vom 26. August 2004 - 4 StR 85/03, 155/03,
175/03), nachdem der erkennende Senat auf Anfrage des 4. Strafsenats in dieser
Sache vom 16. September 2003 (NStZ 2004, 86) mitgeteilt hat, daß er an
der bisherigen Rechtsprechung festhält, die nach seiner Auffassung dem Willen
des Gesetzgebers entspricht (Senatsbeschluß vom 13. Mai 2004 - 1 ARs
31/03 m.w.N.). Eine Entscheidung des Großen Senats für Strafsachen ist bisher
nicht ergangen.
4. Unter diesen Umständen ist der Senat nicht gehalten, mit der Entscheidung
zuzuwarten. Der Anfragebeschluß hindert den Senat, der an der
bisherigen Rechtsprechung festhalten will, nicht, auf dieser Grundlage weiter
zu entscheiden (st. Rspr., vgl. BGHR GVG § 132 Anfrageverfahren 1; Urteil
vom 21. April 2004 - 1 StR 522/03; Beschluß vom 22. Januar 2004 - 1 StR
561/03). Für eine Zurückstellung (nur) der Entscheidung über die Maßregel,
wie sie bei einer beabsichtigten, vor der Entscheidung des Großen Senats aber
nicht möglichen Abweichung von der bisherigen Rechtsprechung in Betracht
kommen kann (vgl. hierzu grundlegend das Teilurteil in der Sache 4 StR 85/03
vom 6. Juli 2004 = NJW 2004, 2686 ff.), sieht der Senat keine Veranlassung.
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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

(1) Beim Bundesgerichtshof werden ein Großer Senat für Zivilsachen und ein Großer Senat für Strafsachen gebildet. Die Großen Senate bilden die Vereinigten Großen Senate. (2) Will ein Senat in einer Rechtsfrage von der Entscheidung eines anderen Sena
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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

(1) Beim Bundesgerichtshof werden ein Großer Senat für Zivilsachen und ein Großer Senat für Strafsachen gebildet. Die Großen Senate bilden die Vereinigten Großen Senate. (2) Will ein Senat in einer Rechtsfrage von der Entscheidung eines anderen Sena
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Annotations

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Beim Bundesgerichtshof werden ein Großer Senat für Zivilsachen und ein Großer Senat für Strafsachen gebildet. Die Großen Senate bilden die Vereinigten Großen Senate.

(2) Will ein Senat in einer Rechtsfrage von der Entscheidung eines anderen Senats abweichen, so entscheiden der Große Senat für Zivilsachen, wenn ein Zivilsenat von einem anderen Zivilsenat oder von dem Großen Zivilsenat, der Große Senat für Strafsachen, wenn ein Strafsenat von einem anderen Strafsenat oder von dem Großen Senat für Strafsachen, die Vereinigten Großen Senate, wenn ein Zivilsenat von einem Strafsenat oder von dem Großen Senat für Strafsachen oder ein Strafsenat von einem Zivilsenat oder von dem Großen Senat für Zivilsachen oder ein Senat von den Vereinigten Großen Senaten abweichen will.

(3) Eine Vorlage an den Großen Senat oder die Vereinigten Großen Senate ist nur zulässig, wenn der Senat, von dessen Entscheidung abgewichen werden soll, auf Anfrage des erkennenden Senats erklärt hat, daß er an seiner Rechtsauffassung festhält. Kann der Senat, von dessen Entscheidung abgewichen werden soll, wegen einer Änderung des Geschäftsverteilungsplanes mit der Rechtsfrage nicht mehr befaßt werden, tritt der Senat an seine Stelle, der nach dem Geschäftsverteilungsplan für den Fall, in dem abweichend entschieden wurde, zuständig wäre. Über die Anfrage und die Antwort entscheidet der jeweilige Senat durch Beschluß in der für Urteile erforderlichen Besetzung; § 97 Abs. 2 Satz 1 des Steuerberatungsgesetzes und § 74 Abs. 2 Satz 1 der Wirtschaftsprüferordnung bleiben unberührt.

(4) Der erkennende Senat kann eine Frage von grundsätzlicher Bedeutung dem Großen Senat zur Entscheidung vorlegen, wenn das nach seiner Auffassung zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich ist.

(5) Der Große Senat für Zivilsachen besteht aus dem Präsidenten und je einem Mitglied der Zivilsenate, der Große Senate für Strafsachen aus dem Präsidenten und je zwei Mitgliedern der Strafsenate. Legt ein anderer Senat vor oder soll von dessen Entscheidung abgewichen werden, ist auch ein Mitglied dieses Senats im Großen Senat vertreten. Die Vereinigten Großen Senate bestehen aus dem Präsidenten und den Mitgliedern der Großen Senate.

(6) Die Mitglieder und die Vertreter werden durch das Präsidium für ein Geschäftsjahr bestellt. Dies gilt auch für das Mitglied eines anderen Senats nach Absatz 5 Satz 2 und für seinen Vertreter. Den Vorsitz in den Großen Senaten und den Vereinigten Großen Senaten führt der Präsident, bei Verhinderung das dienstälteste Mitglied. Bei Stimmengleichheit gibt die Stimme des Vorsitzenden den Ausschlag.