Bundesgerichtshof Beschluss, 09. Okt. 2018 - 1 StR 418/18
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 9. Oktober 2018 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
Gründe:
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- Das Landgericht hat den Angeklagten wegen besonders schweren sexuellen Übergriffs in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch unter Ausnutzung eines Beratungs-, Behandlungs- und Betreuungsverhältnisses zu einer Freiheitsstrafe von sieben Jahren verurteilt. Daneben hat es dem Angeklagten für die Dauer von fünf Jahren die Ausübung eines Heilberufs und der damit verbundenen Hilfstätigkeiten verboten. Die Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung materiellen Rechts rügt, hat zum Rechtsfolgenausspruch Erfolg; im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
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- 1. Nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen befand sich die Geschädigte am 29. Dezember 2016 wegen starker Kopfschmerzen zur Krankenbehandlung auf einer neurologischen Station des Krankenhauses in M. . In der Nacht vom 29. auf den 30. Dezember 2016 war sie dort dem Angeklagten als Pfleger anvertraut. In der Absicht, die Geschädigte in einen Zustand der Bewusstlosigkeit zu versetzen und an ihr sodann sexuelle Handlungen vorzunehmen, legte der Angeklagte der in einem Mehrbettzimmer liegenden Geschädigten eine Infusion mit dem Medikament Midazolam, einem Arzneistoff aus der Gruppe der kurzwirksamen Benzodiazepine, der insbesondere in der Intensivmedizin und zur Narkosevorbereitung bei Operationen verwendet wird. Er tat dies in dem Wissen, dass die Verabreichung dieses Medikaments bei der Geschädigten weder ärztlich angeordnet noch sonst medizinisch indiziert war. Um mit der Geschädigten dann möglichst ungestört zu sein, drückte er ihr die Midazolam-Infusion in die Hand und führte sie sogleich auf eine Toilette auf dem Gang der Station. Dort verlor die Geschädigte das Bewusstsein, was der Angeklagte, seinem Tatplan folgend ausnutzte, um sich an ihr sexuell zu vergehen. Dabei ejakulierte er in ihren unbekleideten Scheidenbereich. Sodann legte er sie in ihr Bett zurück, wo sie erst am nächsten Morgen aus ihrem komatösen Schlaf erwachte und sich ab dem Toilettengang an nichts mehr erinnern konnte.
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- 2. Der Schuldspruch wird von den Feststellungen getragen. Auch die Wertung des Landgerichts, der Angeklagte habe beim sexuellen Übergriff ein gefährliches Werkzeug im Sinne des § 177 Abs. 8 Nr. 1 StGB verwendet, hält rechtlicher Nachprüfung stand.
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- Anders als die Verteidigung meint, kommt es nicht darauf an, ob ein narkotisierendes Mittel schon für sich allein ein gefährliches Werkzeug sein kann (vgl. dazu BGH, Beschlüsse vom 27. Januar 2009 – 4 StR 473/08, NStZ 2009, 505; vom 20. April 2017 – 2 StR 79/17, Rn. 19, NStZ-RR 2017, 251 und vom 7. März 2018 – 5 StR 652/17, Rn. 4 mwN). Denn hier wurde das Medikament Midazolam dem Opfer nicht lediglich in ein Getränk gemischt, sondern mittels Infusion verabreicht, bei der das Medikament durch einen Katheter direkt in die Blutbahn des Opfers verbracht wird. Diese Form der Verabreichung des Arzneistoffs, der zu Bewusstlosigkeit mit Erbrechen und infolge Aspiration des Erbrochenen sogar zum Erstickungstod führen kann (UA S. 6), in einer Dosis „im höhertherapeutischen Bereich“ (UA S. 74) war auch gefährlich (vgl. dazu auch BGH, Beschluss vom 27. Januar 2009 – 4 StR 473/08, NStZ 2009, 505). Nach den Feststellungen des Landgerichts wurde die Geschädigte aufgrund der Infusion auf der Toilette bewusstlos und befand sich – nachdem sie nach der Tat vom Angeklagten in dieser Verfassung erst ins Bett gebracht werden musste – noch bis zum nächsten Morgen in einem komatösen Zustand (UA S. 7) und war über einen Zeitraum von über zwölf Stunden kaum ansprechbar (UA S. 74).
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- 3. Demgegenüber hat der Rechtsfolgenausspruch keinen Bestand.
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- a) Zutreffend hat der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift ausgeführt, dass die Strafzumessung rechtsfehlerhaft ist, weil das Landgericht das Vorliegen eines minder schweren Falls gemäß § 177 Abs. 9 StGB inhaltlich nicht erörtert hat. Auch der Senat kann nicht ausschließen, dass das Landgericht einen minder schweren Fall angenommen hätte, wenn es die gebotene Gesamtwürdigung der für die Strafzumessung bedeutsamen Umstände vorgenommen und dabei insbesondere das Vorleben und das Alter des nicht vorbestraften Angeklagten in den Blick genommen hätte.
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- b) Auch das vom Landgericht gegen den Angeklagten nach § 70 Abs. 1 StGB für die Dauer von fünf Jahren verhängte Berufsverbot betreffend die Ausübung eines Heilberufs und der damit zusammenhängenden Hilfstätigkeiten hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
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- Das Berufsverbot ist ein schwerwiegender Eingriff, mit dem die Allgemeinheit, sei es auch nur ein bestimmter Personenkreis, vor weiterer Gefährdung geschützt werden soll. Es darf nur dann verhängt werden, wenn die Gefahr besteht, dass der Täter auch in Zukunft den Beruf, dessen Ausübung ihm verboten werden soll, zur Verübung erheblicher Straftaten missbrauchen wird. Voraussetzung hierfür ist, dass eine – auf den Zeitpunkt der Urteilsverkündung abgestellte – Gesamtwürdigung des Täters und seiner Taten den Richter zu der Überzeugung führt, dass die Gefahr, das heißt die Wahrscheinlichkeit künftiger ähnlicher erheblicher Rechtsverletzungen durch den Täter besteht (vgl. BGH, Beschluss vom 25. Januar 2017 – 1 StR 570/16, Rn. 8, StV 2018, 219 und Urteil vom 25. April 2013 – 4StR 296/12, Rn. 6, StV 2013, 699, jeweils mwN). Die vom Landgericht vorgenommene Gefahrenprognose genügt diesen Anforderungen nicht, zumal da das Landgericht insoweit die Frage nicht in den Blick genommen hat, wie der Angeklagte, der bereits seit April 2008 als Krankenpfleger im Klinikum in M. beschäftigt war (UA S. 4), im Übrigen seinen Beruf ausgeübt hat.
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- 4. Die Feststellungen sind von den Wertungsfehlern, die zur Aufhebung des Rechtsfolgenausspruchs führen, nicht betroffen und haben daher Bestand. Der neue Tatrichter kann weitere Feststellungen treffen, die mit den bisherigen nicht in Widerspruch stehen.
Bär Pernice
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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
(1) Wer gegen den erkennbaren Willen einer anderen Person sexuelle Handlungen an dieser Person vornimmt oder von ihr vornehmen lässt oder diese Person zur Vornahme oder Duldung sexueller Handlungen an oder von einem Dritten bestimmt, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.
(2) Ebenso wird bestraft, wer sexuelle Handlungen an einer anderen Person vornimmt oder von ihr vornehmen lässt oder diese Person zur Vornahme oder Duldung sexueller Handlungen an oder von einem Dritten bestimmt, wenn
- 1.
der Täter ausnutzt, dass die Person nicht in der Lage ist, einen entgegenstehenden Willen zu bilden oder zu äußern, - 2.
der Täter ausnutzt, dass die Person auf Grund ihres körperlichen oder psychischen Zustands in der Bildung oder Äußerung des Willens erheblich eingeschränkt ist, es sei denn, er hat sich der Zustimmung dieser Person versichert, - 3.
der Täter ein Überraschungsmoment ausnutzt, - 4.
der Täter eine Lage ausnutzt, in der dem Opfer bei Widerstand ein empfindliches Übel droht, oder - 5.
der Täter die Person zur Vornahme oder Duldung der sexuellen Handlung durch Drohung mit einem empfindlichen Übel genötigt hat.
(3) Der Versuch ist strafbar.
(4) Auf Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr ist zu erkennen, wenn die Unfähigkeit, einen Willen zu bilden oder zu äußern, auf einer Krankheit oder Behinderung des Opfers beruht.
(5) Auf Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr ist zu erkennen, wenn der Täter
- 1.
gegenüber dem Opfer Gewalt anwendet, - 2.
dem Opfer mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben droht oder - 3.
eine Lage ausnutzt, in der das Opfer der Einwirkung des Täters schutzlos ausgeliefert ist.
(6) In besonders schweren Fällen ist auf Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren zu erkennen. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn
- 1.
der Täter mit dem Opfer den Beischlaf vollzieht oder vollziehen lässt oder ähnliche sexuelle Handlungen an dem Opfer vornimmt oder von ihm vornehmen lässt, die dieses besonders erniedrigen, insbesondere wenn sie mit einem Eindringen in den Körper verbunden sind (Vergewaltigung), oder - 2.
die Tat von mehreren gemeinschaftlich begangen wird.
(7) Auf Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter
- 1.
eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug bei sich führt, - 2.
sonst ein Werkzeug oder Mittel bei sich führt, um den Widerstand einer anderen Person durch Gewalt oder Drohung mit Gewalt zu verhindern oder zu überwinden, oder - 3.
das Opfer in die Gefahr einer schweren Gesundheitsschädigung bringt.
(8) Auf Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter
- 1.
bei der Tat eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug verwendet oder - 2.
das Opfer - a)
bei der Tat körperlich schwer misshandelt oder - b)
durch die Tat in die Gefahr des Todes bringt.
(9) In minder schweren Fällen der Absätze 1 und 2 ist auf Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu drei Jahren, in minder schweren Fällen der Absätze 4 und 5 ist auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen der Absätze 7 und 8 ist auf Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren zu erkennen.
(1) Wird jemand wegen einer rechtswidrigen Tat, die er unter Mißbrauch seines Berufs oder Gewerbes oder unter grober Verletzung der mit ihnen verbundenen Pflichten begangen hat, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil seine Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so kann ihm das Gericht die Ausübung des Berufs, Berufszweiges, Gewerbes oder Gewerbezweiges für die Dauer von einem Jahr bis zu fünf Jahren verbieten, wenn die Gesamtwürdigung des Täters und der Tat die Gefahr erkennen läßt, daß er bei weiterer Ausübung des Berufs, Berufszweiges, Gewerbes oder Gewerbezweiges erhebliche rechtswidrige Taten der bezeichneten Art begehen wird. Das Berufsverbot kann für immer angeordnet werden, wenn zu erwarten ist, daß die gesetzliche Höchstfrist zur Abwehr der von dem Täter drohenden Gefahr nicht ausreicht.
(2) War dem Täter die Ausübung des Berufs, Berufszweiges, Gewerbes oder Gewerbezweiges vorläufig verboten (§ 132a der Strafprozeßordnung), so verkürzt sich das Mindestmaß der Verbotsfrist um die Zeit, in der das vorläufige Berufsverbot wirksam war. Es darf jedoch drei Monate nicht unterschreiten.
(3) Solange das Verbot wirksam ist, darf der Täter den Beruf, den Berufszweig, das Gewerbe oder den Gewerbezweig auch nicht für einen anderen ausüben oder durch eine von seinen Weisungen abhängige Person für sich ausüben lassen.
(4) Das Berufsverbot wird mit der Rechtskraft des Urteils wirksam. In die Verbotsfrist wird die Zeit eines wegen der Tat angeordneten vorläufigen Berufsverbots eingerechnet, soweit sie nach Verkündung des Urteils verstrichen ist, in dem die der Maßregel zugrunde liegenden tatsächlichen Feststellungen letztmals geprüft werden konnten. Die Zeit, in welcher der Täter auf behördliche Anordnung in einer Anstalt verwahrt worden ist, wird nicht eingerechnet.