Bundesgerichtshof Beschluss, 27. Juli 2016 - 1 StR 336/16


Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers und des Generalbundesanwalts - zu 2. auf dessen Antrag - am 27. Juli 2016 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
Gründe:
- 1
- Das Landgericht hat den Angeklagten wegen bewaffneter unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt und seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet. Das Rechtsmittel hat in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO); im Übrigen ist es unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
- 2
- 1. Die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen tragen die Verurteilung des Angeklagten wegen bewaffneter unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge gemäß § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG (vgl. BGH, Beschluss vom 5. April 2016 – 1 StR 38/16 Rn. 4 ff. mwN).
- 3
- 2. Der Strafausspruch erweist sich allerdings als rechtsfehlerhaft. Auch unter Berücksichtigung des eingeschränkten revisionsgerichtlichen Prüfungsmaßstabs hält die Begründung der Ablehnung eines minder schweren Falles gemäß § 30a Abs. 3 BtMG sachlich-rechtlicher Überprüfung nicht stand.
- 4
- a) Nach den Feststellungen des Landgerichts fuhr der Angeklagte über den ehemaligen Grenzübergang S. nach Deutschland, wobei er 13,99 Gramm Methamphetamin in seinem Darm inkorporiert einführte. Auf der Rücksitzbank des Fahrzeugs befand sich griffbereit in einem Rucksack ein in der Tschechischen Republik erworbenes Pfefferspray, das nicht über das erforderliche PTB-Prüfzeichen verfügte. Dabei war ihm bewusst, dass dieses Pfefferspray in Deutschland verboten und zur Verletzung von Personen geeignet und bestimmt war.
- 5
- b) Die Versagung eines minder schweren Falls hält rechtlicher Überprüfung nicht stand (vgl. zum Prüfungsmaßstab BGH, Urteil vom 11. März 2015 - 2 StR 423/14, NStZ-RR 2016, 110 mwN).
- 6
- So stellt das Landgericht eine Vielzahl gravierender, zu Gunsten des Angeklagten sprechender, schuldmindernder Gesichtspunkte fest, u.a. dass er vollumfänglich geständig ist, sich reuig und schuldeinsichtig gezeigt hat, die erworbenen Betäubungsmittel lediglich zum Eigenkonsum dienen sollten und er als Konsument unter erheblichem Suchtdruck stand, der Grenzwert der nicht geringen Menge nur um das 1,9-fache überschritten wurde, die Betäubungsmit- tel sichergestellt werden konnten und nicht in den Verkehr gelangten sowie vor allem auch, dass dem Pfefferspray im Vergleich zu anderen Waffen eine weitaus mindere Gefährlichkeit innewohnt.
- 7
- Zu Lasten des Angeklagten hat das Landgericht neben einigen Vorstrafen nur das hier gerade wenig belastende „gesamte Tatbild“ berücksichtigt (UA S. 29). Angesichts des Umfangs und Gewichts der vom Landgericht zugunsten des Angeklagten angeführten gravierenden Milderungsgründe, denen hier nur wenig bedeutsame Strafschärfungsgründe gegenübergestellt wurden, ist es für das Revisionsgericht nicht nachvollziehbar, weshalb dem Angeklagten die Annahme eines minder schweren Falles versagt worden ist.
- 8
- c) Da es sich bei dem aufgezeigten Rechtsfehler lediglich um einen Wertungsmangel handelt, bleiben die Feststellungen zum Strafausspruch aufrechterhalten (vgl. § 353 Abs. 2 StPO). Das neue Tatgericht kann aber ergänzende Feststellungen treffen, soweit diese mit den bisherigen nicht in Widerspruch stehen.
- 9
- 3. Auch die Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt (§ 64 StGB) bleibt bestehen, da sie vom aufgezeigten Rechtsfehler nicht betroffen ist. Die Aufhebung des Strafausspruchs entzieht dem vom Landgericht an sich rechtsfehlerfrei angeordneten Vorwegvollzug der Freiheitsstrafe von einem Jahr und neun Monaten aber die Grundlage. Raum Radtke Mosbacher Fischer Bär

moreResultsText

Annotations
(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
(1) Mit Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren wird bestraft, wer Betäubungsmittel in nicht geringer Menge unerlaubt anbaut, herstellt, mit ihnen Handel treibt, sie ein- oder ausführt (§ 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1) und dabei als Mitglied einer Bande handelt, die sich zur fortgesetzten Begehung solcher Taten verbunden hat.
(2) Ebenso wird bestraft, wer
- 1.
als Person über 21 Jahre eine Person unter 18 Jahren bestimmt, mit Betäubungsmitteln unerlaubt Handel zu treiben, sie, ohne Handel zu treiben, einzuführen, auszuführen, zu veräußern, abzugeben oder sonst in den Verkehr zu bringen oder eine dieser Handlungen zu fördern, oder - 2.
mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge unerlaubt Handel treibt oder sie, ohne Handel zu treiben, einführt, ausführt oder sich verschafft und dabei eine Schußwaffe oder sonstige Gegenstände mit sich führt, die ihrer Art nach zur Verletzung von Personen geeignet und bestimmt sind.
(3) In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren.
Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.