Bundesgerichtshof Beschluss, 04. Aug. 2009 - 1 StR 300/09
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Gründe:
- 1
- Das Landgericht hat den Angeklagten wegen besonders schwerer Vergewaltigung in fünf Fällen, davon in drei Fällen in Tateinheit mit Körperverletzung , in einem Fall in Tateinheit mit schwerem Raub und mit gefährlicher Körperverletzung und in einem weiteren Fall in Tateinheit mit Unterschlagung, sowie wegen versuchter besonders schwerer Vergewaltigung in drei Fällen, jeweils in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung, wegen schwerer Vergewaltigung in Tateinheit mit Körperverletzung und wegen Raubes in Tateinheit mit Körperverletzung zu der Gesamtfreiheitsstrafe von zwölf Jahren verurteilt. Zudem wurden die Sicherungsverwahrung angeordnet, ein Pkw eingezogen, die Fahrerlaubnis entzogen - unter Bestimmung einer Sperrfrist von fünf Jahren für die Neuerteilung einer Fahrerlaubnis - und der Führerschein eingezogen. Gegen diese Verurteilung wendet sich die Revision des Angeklagten unter Erhebung einer Formal- und der Sachrüge. Entscheidenden Erfolg hat die Revision allein hinsichtlich der Anordnung der Sicherungsverwahrung.
I.
- 2
- Der nicht vorbestrafte Angeklagte hatte regelmäßig Kontakt zu Prostituierten auf dem Straßenstrich in der tschechischen Republik. Ab dem Jahre 2000 entschloss er sich, sexuelle Handlungen gewaltsam zu erzwingen. Mit zehn Prostituierten schloss er in der Zeit von Mai 2000 bis April 2007 zum Schein Vereinbarungen über entgeltliche Dienstleistungen, um die Prostituierten dann an geeigneter Stelle mit Gewalt und mit entsprechenden Drohungen zur Duldung oder zur Vornahme von sexuellen Handlungen zu zwingen ohne zu bezahlen, meist - ebenfalls gegen deren Willen - ohne Benutzung eines Kondoms. Um die Prostituierten gefügig zu machen, drohte er mit Messern, schlug die Prostituierten meist mit den Fäusten und würgte einmal. In manchen Fällen nahm er zudem - unter Ausnutzung der Gewalt - Gegenstände an sich, wie eine Handtasche und Kleidungsstücke. Die Geschädigten erlitten Verletzungen, ein Faustschlag führte zu einem Kieferbruch. Zur Tarnung verwendete er verschiedene entstempelte Autokennzeichen.
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- Der Angeklagte hat in der Hauptverhandlung im Wesentlichen bestritten. Kontakte zu Prostituierten in Tschechien hat er zwar bestätigt. Er habe Nähe, Wärme und Zärtlichkeit gesucht, wie etwa in dem Film „Pretty Woman“. Hinsichtlich der einzelnen Tatvorwürfe hat er in drei Fällen entsprechende Begegnungen überhaupt in Abrede gestellt („hat es nicht gegeben“). Zu vier Prostituierten gab er an, sich an ein Zusammentreffen erinnern zu können. Von seiner Seite aus sei aber nichts Strafbares geschehen. In zwei weiteren Fällen hat er das Vorzeigen eines Messers zugegeben. Nur in einem Fall hat er einen Schlag ins Gesicht, allerdings nur mit der flachen Hand (tatsächlich Würgen und mehrere Faustschläge mit Kieferbruch) und die Wegnahme - lediglich - einer Hose (tatsächlich auch die Handtasche) eingeräumt. Bei dieser Geschädigten entschuldigte er sich in der Hauptverhandlung - was diese allerdings nicht annahm - und überwies ihr 5.000,-- € als Schadensersatz. Messer und verschiedene Kennzeichen habe er nur zum Selbstschutz gegen Überfälle und unberechtigte Anzeigen bei sich geführt. Er sei mit Anzeigen bedroht worden - einmal habe er ein Bußgeld bezahlen müssen, nachdem er von einem Polizeibeamten im Auto mit einer Prostituierten erwischt worden sei. Prostituierte seien mehrfach nach Entgegennahme der Vorkasse einfach weggelaufen. Einmal sei er unter Bedrohung mit Stock und Messer zur Doppelzahlung gezwungen worden. Er habe den Straßenstrich als rechtsfreien Raum angesehen und dies entsprechend ausgenutzt.
II.
- 4
- 1. a) Wegen Verjährung entfallen in den Fällen III. 1. und III. 2. die jeweiligen tateinheitlichen Verurteilungen wegen Körperverletzung.
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- b) Bei den Taten zum Nachteil von C. (III. 7.) hat sich der Angeklagte nach den rechtsfehlerfreien Feststellungen und der zutreffenden rechtlichen Würdigung in den Urteilsgründen der besonders schweren Vergewaltigung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und (tatmehrheitlich) des besonders schweren Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung schuldig gemacht. Die Strafkammer hat hierfür Einzelstrafen in Höhe von vier Jahren acht Monaten und von sechs Jahren (Einsatzstrafe) festgesetzt. Im Schuldspruch der Urteilsformel hat sich dies jedoch als „besonders schwere Vergewaltigung mit schwerem Raub und gefährlicher Körperverletzung“, also als tateinheitlicher Vorgang, niedergeschlagen. Der Senat hat dieses Versehen korrigiert.
- 6
- c) Im Fall III. 8. entfällt nach den Feststellungen und der rechtlichen Würdigung des Landgerichts die tateinheitliche Verurteilung wegen Körperverletzung. Damit wird lediglich ein Fassungsversehen bei der Formulierung des Urteilstenors korrigiert. Die Einzelstrafe bleibt hiervon unberührt. Die Strafkammer hat bei der Strafzumessung ausdrücklich gewürdigt, dass die Geschädigte dieser schweren Vergewaltigung durch den Angeklagten weder gewürgt worden sei noch hierdurch Verletzungen oder Beeinträchtigungen erlitten habe.
- 7
- d) Im Übrigen sind der Schuld- und der Strafausspruch, die Einziehung des Pkw Citroen und die Entziehung der Fahrerlaubnis mit ihren Begleitent- scheidungen frei von Rechtsfehlern. Insoweit verweist der Senat zur Begründung auf die Antragsschrift des Generalbundesanwalts vom 18. Juni 2009.
- 8
- e) Im Hinblick auf die Gegenerklärung des Beschwerdeführers vom 13. Juli 2009 bemerkt der Senat ergänzend:
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- Die Informationen über die vergeblichen Bemühungen des Strafkammervorsitzenden außerhalb der Hauptverhandlung, im Ausland lebende Zeuginnen zu laden, beziehungsweise, deren Wohn- oder Aufenthaltsort zu ermitteln, stellen keine für die Hauptverhandlung vorgeschriebenen Förmlichkeiten im Sinne der §§ 273, 274 StPO dar. Dies bedarf daher nicht der Aufnahme in die Sitzungsniederschrift. Dass die Darstellung des Sachverhalts seitens des Strafkammervorsitzenden in seiner dienstlichen Erklärung zutrifft, wird auch vom Beschwerdeführer nicht in Frage gestellt.
- 10
- 2. Die Anordnung der Sicherungsverwahrung ist dagegen nicht rechtsfehlerfrei.
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- Als Grundlage für die Anordnung der Sicherungsverwahrung kam nach der zutreffenden Auffassung des Landgerichts nur § 66 Abs. 2 StGB in Betracht. Gegen den Angeklagten wurden im angefochtenen Urteil neun Mal Freiheitsstrafen über drei Jahre (vier Jahre bis sechs Jahre) ausgesprochen, so dass die formellen Voraussetzungen des § 66 Abs. 2 StGB zweifelsfrei gegeben sind. Des Weiteren bedarf es der Feststellung eines Hanges (mit der Gefährlichkeitsprognose ) im Sinne von § 66 Abs. 1 Nr. 3 StGB und tragfähiger Ausführungen zur Ausübung des in § 66 Abs.2 StGB eingeräumten Ermessens zur Anordnung der Sicherungsverwahrung. Während die Darlegungen zum ersten der beiden genannten Punkte in den Gründen des angefochtenen Urteils tragen (a), werden die knappen Ausführungen, in denen die Ermessensausübung gesehen werden kann, im Hinblick auf den Ausnahmecharakter der Anordnung der Sicherungsverwahrung nach § 66 Abs. 2 StGB im Vergleich zur Anordnung nach § 66 Abs. 1 StGB den hieran zu stellenden Anforderungen nicht hinreichend gerecht (b).
- 12
- a) Zur Feststellung des Hangs:
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- aa) Bei der Feststellung eines Hanges zur Begehung erheblicher Straftaten im Sinne von § 66 Abs. 1 Nr. 3 StGB referiert die Strafkammer zunächst die Darlegungen der Sachverständigen.
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- Diplom-Psychologin L. prognostiziert im Ergebnis ein „mittelgradiges Rückfallrisiko für weitere Sexualstraftaten“ beziehungsweise eine „mäßige bis mittelgradige Rückfallgeschwindigkeit für einschlägige Delikte“. Die Sachverständige verweist auch auf „Bagatellisierung und Leugnen“ seitens des Angeklagten.
- 15
- Nach den Ausführungen des Leitenden Medizinaldirektors Dr. H. „sei aus psychiatrischer Sicht ein Hang im Sinne von § 66 StGB möglich, könne aber nicht mit hoher Beurteilungswahrscheinlichkeit bestätigt werden“. Eine Entlassung zum derzeitigen Zeitpunkt sei nicht zu verantworten; „die begonnene psychiatrische Behandlung weise auch den falschen Ansatz auf, da sie in den Mittelpunkt die ich-zentrierte Haltung des Angeklagten setze und eine Auseinandersetzung mit den dem Angeklagten vorgeworfenen Taten vermissen lasse. Auch seien in der Hauptverhandlung weiter Rechtfertigungsstrategien des Angeklagten vorgebracht worden, wie etwa das eigene Ausgenutztwerden von Prostituierten, selbst nach Zahlung von Vorkasse betrogen worden zu sein und die aufrechterhaltene Behauptung, Messer und Kennzeichen nur zum Selbstschutz mitgeführt zu haben, sowie die Bagatellisierung seiner Körperverletzungshandlungen dahingehend, er habe gar nicht so fest beziehungsweise auch nicht mit der Faust zugeschlagen.“
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- bb) Aufgrund eigener Bewertung kommt die Strafkammer dann zu einem eindeutigen Ergebnis: „Die Kammer ist aus rechtlicher Sicht unter Berücksichtigung der Hauptverhandlung und der Ausführungen der Sachverständigen davon überzeugt, dass ein Hang i.S.d. § 66 Abs. 1 Nr. 3 StGB beim Angeklagten vorliegt.“
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- cc) Teile der Ausführungen der Sachverständigen begegnen - für sich betrachtet - erheblichen Bedenken.
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- Wenn der Angeklagte die Taten „leugnet oder bagatellisiert“ ist dies zulässiges Verteidigungsverhalten. Wobei unter Bagatellisierung hier ersichtlich nicht die Verharmlosung oder Geringschätzung gestandener Maßen zugefügten Leides, insbesondere eingeräumter schwerer Verletzungen, oder gar die Verhöhnung der Opfer zu verstehen ist - dies dürfte dem Angeklagten angelastet werden -, sondern allein der Versuch des Angeklagten, das ihm vorgeworfene Verhalten anders darzustellen oder in einem milderen Licht erscheinen zu lassen , wie das Bestreiten von Fausthieben und der Behauptung, er habe stattdessen nur mit der flachen Hand zugeschlagen. Auch mögen seine „Rechtfertigungsstrategien“ , wie die Behauptung, er sei selbst zuvor Betrugsopfer von Prostituierten in Tschechien gewesen und er habe in diesem Bereich einen „rechtsfreien Raum“ gesehen, nicht allzu überzeugend sein. Eine verbotene oder auch nur die Belange der Geschädigten grob missachtende Verteidigungsstrategie stellt dies aber nicht dar. Zulässiges Verteidigungsverhalten darf jedoch nicht zum Nachteil des Angeklagten berücksichtigt werden (vgl. BGH, Urt. vom 20. November 2007 - 1 StR 442/07 m.w.N.).
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- Zu Lasten eines Angeklagten darf auch nicht herangezogen werden, dass die Therapie vor dem rechtskräftigen Abschluss des Strafverfahrens gegen den weitgehend bestreitenden Angeklagten eine Auseinandersetzung mit den ihm vorgeworfenen Taten vermissen lasse. Die berührt das Schweigerecht des Angeklagten (vgl. BGH, Beschl. vom 15. Januar 2008 - 4 StR 452/07 Rdn. 9) und - bei entsprechender Ausrichtung der Therapie - den Grundsatz nemo tenetur se ipsum accusare.
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- dd) Die Strafkammer hat zwar allgemein auf die Ausführungen der Sachverständigen Bezug genommen, deren Darlegungen zur Therapie und zur Bagatellisierung aber nicht ihrer eigenständigen Feststellung eines Hangs des Angeklagten im Sinne von § 66 Abs. 1 Nr. 3 StGB und seiner aktuellen Gefährlichkeit zugrunde gelegt. Das Landgericht hat die entsprechenden sachverständigen Äußerungen ersichtlich nur als Hinweis darauf verstanden, dass dem - unabhängig davon festgestellten Hang und der Gefährlichkeit des Angeklagten - derzeit in seiner Person liegenden Gründen nicht ausreichend begegnet werden kann, und die Sachverständigen insoweit auch nur deshalb zitiert.
- 21
- b) Zur Ermessensausübung:
- 22
- Die Anordnung der Sicherungsverwahrung gemäß § 66 Abs. 2 StGB liegt im pflichtgemäßen Ermessen des Tatrichters. Dies unterliegt zwar nur eingeschränkter revisionsrechtlicher Überprüfung. Die Urteilsgründe müssen erkennen lassen, dass sich der Tatrichter seiner Entscheidungsbefugnis bewusst war; sie müssen auch nachvollziehbar darlegen, aus welchen Gründen er von ihr in einer bestimmten Weise Gebrauch gemacht hat (BGH, Beschl. vom 11. September 2003 - 3 StR 481/02 m.w.N.). Die revisionsrechtliche Überprüfung erstreckt sich dann vor allem darauf, ob der Tatrichter bei der Ermessensausübung von einem zutreffenden rechtlichen und tatsächlichen Ansatz ausgegangen ist.
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- Den Urteilsgründen ist zu entnehmen, dass die Anordnung der Sicherungsverwahrung nach § 66 Abs. 2 StGB beim Vorliegen der dort genannten Voraussetzungen nicht als zwingend angesehen wurde, wenn auch von einer Ermessensausübung nicht ausdrücklich gesprochen wird. Bei seiner Entscheidung hat das Landgericht - ausweislich der schriftlichen Urteilsgründe - allerdings einen verkürzten rechtlichen Maßstab zugrunde gelegt, indem es entscheidend auf die aktuelle Gefährlichkeit des Angeklagten abgestellt hat und gemeint hat, es könne offen bleiben, „ob und in wieweit durch die Inhaftierung und des nach Haftverbüßung fortgeschrittenen Lebensalters und des nach Angaben des Sachverständigen damit regelmäßig verbundenen abnehmenden Sexualtriebs eine Verhaltensänderung herbeigeführt werden kann, aufgrund derer die Gefährlichkeit des Angeklagten künftig zu verneinen sein wird, zumal das Tatbild nicht primär von einem übersteigerten Sexualtrieb geprägt ist, den der Angeklagte angesichts seiner finanziellen Mittel auch in sonstiger Weise hätte befriedigen können, sondern von dem Ansporn, Macht über die sich in einem ‚rechtsfreien Raum’ betätigenden Prostituierten auszuüben. Zum jetzigen Zeitpunkt ist eine solche Entwicklung beim Angeklagten alleine aufgrund des anstehenden Strafvollzugs nicht absehbar. Die weiteren Entscheidungen werden dem Strafvollzug vorbehalten bleiben müssen“, so die Strafkammer.
- 24
- Dies wird den Wert- und Zweckvorstellungen des Gesetzes (§ 66 Abs. 2 StGB) nicht gerecht. Nach der Vorstellung des Gesetzgebers soll das Tatgericht die Möglichkeit haben, sich ungeachtet der festgestellten Gefährlichkeit des Täters zum Zeitpunkt der Urteilsfällung auf die Verhängung einer Freiheitsstrafe zu beschränken, sofern erwartet werden kann, dass sich dieser die Strafe hinreichend zur Warnung dienen lässt. Damit wird dem Ausnahmecharakter der Vorschrift Rechnung getragen, der sich daraus ergibt, dass Absatz 2 - im Gegensatz zu Absatz 1 - eine frühere Verurteilung und eine frühere Strafverbüßung des Täters nicht voraussetzt (vgl. BGH, Urt. vom 20. November 2007 - 1 StR 442/07 Rdn. 8 und Beschl. vom 11. September 2003 - 3 StR 481/02; Rissing-van Saan in LK 12. Aufl. § 66 Rdn. 232 unter Hinweis auf die Berichte des Sonderausschusses für die Strafrechtsreform BTDrucks. V/40941 S. 21). Die Wirkungen eines langjährigen Strafvollzugs sowie die mit dem Fortschreiten des Lebensalters erfahrungsgemäß eintretenden Haltungsänderungen sind deshalb wichtige Kriterien, die nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs im Rahmen dieser Ermessensentscheidung grundsätzlich zu berücksichtigen sind. Es besteht zwar keine Vermutung dahingehend, dass langjährige, erstmalige Strafverbüßung stets zu einer Verhaltensänderung führen wird. Je länger die verhängte Freiheitsstrafe und je geringer die bisherige Erfahrung des Täters mit Verurteilung und Strafvollzug ist, desto mehr muss sich der Tatrichter aber mit diesen Umständen auseinandersetzen (BGH aaO). Von vorneherein offen lassen kann er dies jedenfalls nicht. Der Hinweis auf das Motiv der Taten des Angeklagten besagt zur voraussichtlichen Wirkung des Strafvollzugs nichts. Der verbleibende lapidare Satz, wonach eine solche (positive) Entwicklung derzeit nicht absehbar sei, und der bloße Verweis auf die weiteren Entscheidungen während der Strafvollstreckung werden dem Ausnahmecharakter der Regelung des § 66 Abs. 2 StGB nicht gerecht.
- 25
- Der Senat vermag nicht auszuschließen, dass die Strafkammer bei vertiefter Auseinandersetzung mit der Kriminalprognose des Angeklagten zu einem für diesen positiveren Ergebnis gekommen wäre und dann von der Anordnung der Sicherungsverwahrung abgesehen hätte. Dies bedarf daher neuer Verhandlung und Entscheidung. Nack Wahl Kolz RiBGH Prof. Dr. Sander befindet sich in Urlaub und ist deshalb an der Unterschrift verhindert. Hebenstreit Nack
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Annotations
(1) Das Protokoll muß den Gang und die Ergebnisse der Hauptverhandlung im wesentlichen wiedergeben und die Beachtung aller wesentlichen Förmlichkeiten ersichtlich machen, auch die Bezeichnung der verlesenen Urkunden oder derjenigen, von deren Verlesung nach § 249 Abs. 2 abgesehen worden ist, sowie die im Laufe der Verhandlung gestellten Anträge, die ergangenen Entscheidungen und die Urteilsformel enthalten. In das Protokoll muss auch der wesentliche Ablauf und Inhalt einer Erörterung nach § 257b aufgenommen werden.
(1a) Das Protokoll muss auch den wesentlichen Ablauf und Inhalt sowie das Ergebnis einer Verständigung nach § 257c wiedergeben. Gleiches gilt für die Beachtung der in § 243 Absatz 4, § 257c Absatz 4 Satz 4 und Absatz 5 vorgeschriebenen Mitteilungen und Belehrungen. Hat eine Verständigung nicht stattgefunden, ist auch dies im Protokoll zu vermerken.
(2) Aus der Hauptverhandlung vor dem Strafrichter und dem Schöffengericht sind außerdem die wesentlichen Ergebnisse der Vernehmungen in das Protokoll aufzunehmen; dies gilt nicht, wenn alle zur Anfechtung Berechtigten auf Rechtsmittel verzichten oder innerhalb der Frist kein Rechtsmittel eingelegt wird. Der Vorsitzende kann anordnen, dass anstelle der Aufnahme der wesentlichen Vernehmungsergebnisse in das Protokoll einzelne Vernehmungen im Zusammenhang als Tonaufzeichnung zur Akte genommen werden. § 58a Abs. 2 Satz 1 und 3 bis 6 gilt entsprechend.
(3) Kommt es auf die Feststellung eines Vorgangs in der Hauptverhandlung oder des Wortlauts einer Aussage oder einer Äußerung an, so hat der Vorsitzende von Amts wegen oder auf Antrag einer an der Verhandlung beteiligten Person die vollständige Protokollierung und Verlesung anzuordnen. Lehnt der Vorsitzende die Anordnung ab, so entscheidet auf Antrag einer an der Verhandlung beteiligten Person das Gericht. In dem Protokoll ist zu vermerken, daß die Verlesung geschehen und die Genehmigung erfolgt ist oder welche Einwendungen erhoben worden sind.
(4) Bevor das Protokoll fertiggestellt ist, darf das Urteil nicht zugestellt werden.
Die Beobachtung der für die Hauptverhandlung vorgeschriebenen Förmlichkeiten kann nur durch das Protokoll bewiesen werden. Gegen den diese Förmlichkeiten betreffenden Inhalt des Protokolls ist nur der Nachweis der Fälschung zulässig.
(1) Das Gericht ordnet neben der Strafe die Sicherungsverwahrung an, wenn
- 1.
jemand zu Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren wegen einer vorsätzlichen Straftat verurteilt wird, die - a)
sich gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die persönliche Freiheit oder die sexuelle Selbstbestimmung richtet, - b)
unter den Ersten, Siebenten, Zwanzigsten oder Achtundzwanzigsten Abschnitt des Besonderen Teils oder unter das Völkerstrafgesetzbuch oder das Betäubungsmittelgesetz fällt und im Höchstmaß mit Freiheitsstrafe von mindestens zehn Jahren bedroht ist oder - c)
den Tatbestand des § 145a erfüllt, soweit die Führungsaufsicht auf Grund einer Straftat der in den Buchstaben a oder b genannten Art eingetreten ist, oder den Tatbestand des § 323a, soweit die im Rausch begangene rechtswidrige Tat eine solche der in den Buchstaben a oder b genannten Art ist,
- 2.
der Täter wegen Straftaten der in Nummer 1 genannten Art, die er vor der neuen Tat begangen hat, schon zweimal jeweils zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, - 3.
er wegen einer oder mehrerer dieser Taten vor der neuen Tat für die Zeit von mindestens zwei Jahren Freiheitsstrafe verbüßt oder sich im Vollzug einer freiheitsentziehenden Maßregel der Besserung und Sicherung befunden hat und - 4.
die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Taten ergibt, dass er infolge eines Hanges zu erheblichen Straftaten, namentlich zu solchen, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden, zum Zeitpunkt der Verurteilung für die Allgemeinheit gefährlich ist.
(2) Hat jemand drei Straftaten der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 genannten Art begangen, durch die er jeweils Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verwirkt hat, und wird er wegen einer oder mehrerer dieser Taten zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt, so kann das Gericht unter der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 bezeichneten Voraussetzung neben der Strafe die Sicherungsverwahrung auch ohne frühere Verurteilung oder Freiheitsentziehung (Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 und 3) anordnen.
(3) Wird jemand wegen eines die Voraussetzungen nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 Buchstabe a oder b erfüllenden Verbrechens oder wegen einer Straftat nach § 89a Absatz 1 bis 3, § 89c Absatz 1 bis 3, § 129a Absatz 5 Satz 1 erste Alternative, auch in Verbindung mit § 129b Absatz 1, den §§ 174 bis 174c, 176a, 176b, 177 Absatz 2 Nummer 1, Absatz 3 und 6, §§ 180, 182, 224, 225 Abs. 1 oder 2 oder wegen einer vorsätzlichen Straftat nach § 323a, soweit die im Rausch begangene Tat eine der vorgenannten rechtswidrigen Taten ist, zu Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren verurteilt, so kann das Gericht neben der Strafe die Sicherungsverwahrung anordnen, wenn der Täter wegen einer oder mehrerer solcher Straftaten, die er vor der neuen Tat begangen hat, schon einmal zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist und die in Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 und 4 genannten Voraussetzungen erfüllt sind. Hat jemand zwei Straftaten der in Satz 1 bezeichneten Art begangen, durch die er jeweils Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren verwirkt hat und wird er wegen einer oder mehrerer dieser Taten zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt, so kann das Gericht unter den in Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 bezeichneten Voraussetzungen neben der Strafe die Sicherungsverwahrung auch ohne frühere Verurteilung oder Freiheitsentziehung (Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 und 3) anordnen. Die Absätze 1 und 2 bleiben unberührt.
(4) Im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 2 gilt eine Verurteilung zu Gesamtstrafe als eine einzige Verurteilung. Ist Untersuchungshaft oder eine andere Freiheitsentziehung auf Freiheitsstrafe angerechnet, so gilt sie als verbüßte Strafe im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 3. Eine frühere Tat bleibt außer Betracht, wenn zwischen ihr und der folgenden Tat mehr als fünf Jahre verstrichen sind; bei Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung beträgt die Frist fünfzehn Jahre. In die Frist wird die Zeit nicht eingerechnet, in welcher der Täter auf behördliche Anordnung in einer Anstalt verwahrt worden ist. Eine Tat, die außerhalb des räumlichen Geltungsbereichs dieses Gesetzes abgeurteilt worden ist, steht einer innerhalb dieses Bereichs abgeurteilten Tat gleich, wenn sie nach deutschem Strafrecht eine Straftat der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 1, in den Fällen des Absatzes 3 der in Absatz 3 Satz 1 bezeichneten Art wäre.