Bundesgerichtshof Beschluss, 29. Aug. 2006 - 1 StR 285/06

published on 29/08/2006 00:00
Bundesgerichtshof Beschluss, 29. Aug. 2006 - 1 StR 285/06
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Gericht


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 285/06
vom
29. August 2006
in der Strafsache
gegen
wegen Strafvereitelung
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 29. August 2006 beschlossen
:
1. Dem Angeklagten wird auf seinen Antrag nach Versäumung
der Frist zur Begründung der Revision gegen das Urteil des
Landgerichts München II vom 19. Dezember 2005 Wiedereinsetzung
in den vorigen Stand gewährt.
Die Kosten der Wiedereinsetzung trägt der Angeklagte.
2. Die Beschlüsse des Landgerichts München II vom 13. April
und 2. Mai 2006, mit denen die Revision des Angeklagten gegen
das vorbezeichnete Urteil als unzulässig verworfen worden
ist, werden aufgehoben.
3. Die Revision des Angeklagten gegen das vorbezeichnete Urteil
wird verworfen.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu
tragen.
G r ü n d e :
I .
1 Hinsichtlich der Wiedereinsetzung und der Aufhebung der Verwerfungsbeschlüsse
verweist der Senat auf die Ausführungen der Generalbundesanwältin
in ihrem Antrag vom 12. Juni 2006.
II.
2 Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Strafvereitelung zur Freiheitsstrafe
von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Die auf eine Verfahrensrüge
und die Sachbeschwerde gestützte Revision des Angeklagten ist unbegründet
im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO. Insbesondere auch die von der
Kammer vorgenommene Strafzumessung ist frei von Rechtsfehlern.
3 1. Nach den Urteilsfeststellungen hatte der Mitangeklagte F. in der
Nacht vom 28. auf den 29. Juni 2004 H. mit mehreren Hammerschlägen
auf den Kopf getötet und dessen Geldbörse an sich genommen. Der
Angeklagte sowie die Mitangeklagten B. und M. kamen noch in der
Tatnacht überein, zu Gunsten des F. einen alkoholbedingten Treppensturz
vorzutäuschen. Als dem Angeklagten Bedenken kamen, drohte M.
ihm, wenn er „etwas“ sage, werde er „einen Kopf kürzer“ gemacht. In der
Folgezeit berichteten der Angeklagte und B. gegenüber der Polizei dementsprechend
von einem Treppensturz, während M. wahrheitswidrig angab
, nichts mitbekommen zu haben. Das Tötungsdelikt blieb deshalb zunächst
unentdeckt. In der Nacht vom 30. auf den 31. August 2004 töteten die Mitangeklagten
F. und Br. sodann gemeinschaftlich E. , indem sie
ihm die Kehle durchschnitten; anschließend nahmen sie auch dessen Geldbörse
an sich.
4 Die Kammer hat bei der Strafzumessung strafschärfend berücksichtigt,
dass es zu einem zweiten Raubmord kam. Denn das weitere Tötungsdelikt hat
sie auch als Folge der Strafvereitelungstaten - kollusiv begangen durch Vortäuschen
eines Unfalls - gewertet. Das Urteil führt hierzu aus (bezüglich M.
): Wäre „der Mord an H. nicht vertuscht worden, wäre E. mit
an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit noch am Leben“; und (bezüglich
des Angeklagten und Batov): „Der durch die Strafvereitelung verursachte ‚Schaden
’, dass es zu einem zweiten Mord unter Beteiligung desselben Täters gekommen
war, konnte durch das spätere Abrücken von der Darstellung als Unfall
nicht wieder gut gemacht werden“ (UA S. 67).
5 2. Gegen die Wertung der Kammer bestehen keine Bedenken. Nach
§ 46 Abs. 2 Satz 2 StGB können verschuldete Auswirkungen der Tat bei der
Strafzumessung berücksichtigt werden. Insoweit kommt es darauf an, ob die
Tatfolgen voraussehbar waren (vgl. BGH NStZ 2005, 156, 157; Tröndle/Fischer,
StGB 53. Aufl. § 46 Rdn. 34). Nicht erforderlich ist, dass der Angeklagte sie in
allen Einzelheiten voraussehen konnte; es genügt, dass sie in ihrer Art und ihrem
Gewicht im Wesentlichen erkennbar waren (vgl. BGHR StGB § 46 Abs. 2
Tatauswirkungen 3, 4; BGH, Beschluss vom 6. Mai 1998 - 2 StR 638/97 - Umdr.
S. 4).
6 Aus den Urteilsfeststellungen ergibt sich, dass für den Angeklagten die
Gefahr einer weiteren schweren Gewalttat nicht außerhalb des Vorhersehbaren
lag. Schon das Tatbild des ersten Mordes an H. ließ es hier ohne weiteres
für möglich erscheinen, dass sich eine solche oder ähnliche Tat wiederholen
könnte. F. hatte H. in Anwesenheit von Br. getötet, ohne
dass es, wie der Angeklagte selbst wahrgenommen hatte, zuvor zu einem Streit
oder einer ernsthaften Auseinandersetzung gekommen war (UA S. 29 f.). Der
Angeklagte konnte ersichtlich nicht davon ausgehen, dass die Ursache für die
Tat - etwa im Sinne einer Beziehungstat - gerade in der Person des H.
begründet war. Vielmehr war ihm bewusst, dass F. ein finanzielles Motiv
hatte. Vor dem Hintergrund, dass F. und Br. am Monatsende üblicherweise
in Geldnot waren (UA S. 48), antwortete der Angeklagte bei einer polizeilichen
Vernehmung auf die Frage, was er über die Todesfälle denke: „Die
haben damals mitgekriegt, dass der (H. ) eine Riesennachzah-
lung bekommen hat und dann war´s Ende des Monats“ (UA S. 33). Darüber
hinaus ist den Urteilsfeststellungen zu entnehmen, dass der Angeklagte F.
und Br. auch tatsächlich für gefährlich hielt. Dies folgt aus den Angaben
des Angeklagten zu den Gründen, weswegen er F. anfänglich entlastet
habe. Nach den Urteilsfeststellungen äußerte er sich im Ermittlungsverfahren
und in der Hauptverhandlung insbesondere wie folgt: Er sei doch nicht „lebensmüde“
; er habe keine Lust, ein Messer in den Rücken zu bekommen; „die
Russen“ würden zusammen halten (UA S. 24). Daher ergab sich die Möglichkeit
einer weiteren schweren Gewalttat für den Angeklagten zum einen aus der
Gefährlichkeit des F. , zum anderen daraus, dass Anlässe für weitere Taten
abzusehen waren; denn der Beweggrund für die erste Tat, die Geldnot,
pflegte am Monatsende regelmäßig wiederzukehren.
7 Das Prinzip der Selbstverantwortung schließt die Würdigung der Tatfolge
hier nicht aus (in vergleichbarem Sinne mit Blick auf die Schutzrichtung der verletzten
Strafvorschrift G. Schäfer, Praxis der Strafzumessung 3. Aufl. Rdn. 325
m.w.N.), sodass es darauf, dass der zweite Raubmord auf einem autonomen
Willensentschluss von F. und Br. beruhte, für die Strafzumessung
nicht ankommt.
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Lastenausgleichsgesetz - LAG

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

(1) Die Schuld des Täters ist Grundlage für die Zumessung der Strafe. Die Wirkungen, die von der Strafe für das künftige Leben des Täters in der Gesellschaft zu erwarten sind, sind zu berücksichtigen. (2) Bei der Zumessung wägt das Gericht die Um
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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Die Schuld des Täters ist Grundlage für die Zumessung der Strafe. Die Wirkungen, die von der Strafe für das künftige Leben des Täters in der Gesellschaft zu erwarten sind, sind zu berücksichtigen.

(2) Bei der Zumessung wägt das Gericht die Umstände, die für und gegen den Täter sprechen, gegeneinander ab. Dabei kommen namentlich in Betracht:

die Beweggründe und die Ziele des Täters, besonders auch rassistische, fremdenfeindliche, antisemitische oder sonstige menschenverachtende,die Gesinnung, die aus der Tat spricht, und der bei der Tat aufgewendete Wille,das Maß der Pflichtwidrigkeit,die Art der Ausführung und die verschuldeten Auswirkungen der Tat,das Vorleben des Täters, seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse sowiesein Verhalten nach der Tat, besonders sein Bemühen, den Schaden wiedergutzumachen, sowie das Bemühen des Täters, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen.

(3) Umstände, die schon Merkmale des gesetzlichen Tatbestandes sind, dürfen nicht berücksichtigt werden.