Bundesgerichtshof Beschluss, 27. Juni 2019 - 1 StR 203/19
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung der Beschwerdeführerin und des Generalbundesanwalts – zu 2. auf dessen Antrag – am 27. Juni 2019 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
Gründe:
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- Das Landgericht hatte die Angeklagte in einem ersten Rechtsgang wegen Steuerhinterziehung in 26 Fällen sowie Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt in 33 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und vier Monaten verurteilt. Dieses Urteil hat der Senat auf Revision der Angeklagten im Gesamtstrafenausspruch aufgehoben und die Sache insoweit zu neuer Verhandlung und Entscheidung an eine andere Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. Im zweiten Rechtsgang hat das Landgericht nunmehr gegen die Angeklagte eine Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und zehn Monaten verhängt, deren Vollstreckung es nicht zur Bewährung ausgesetzt hat.
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- Die Angeklagte beanstandet den Strafausspruch mit ihrer auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat hinsichtlich der Versagung der Strafaussetzung zur Bewährung Erfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
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- Zwar kommt dem Tatrichter bei der Entscheidung über die Strafaussetzung zur Bewährung ein weiter Beurteilungsspielraum zu, in dessen Rahmen das Revisionsgericht jede rechtsfehlerfrei begründete Entscheidung hinzunehmen hat (vgl. BGH, Urteile vom 14. März 2012 – 2 StR 547/11 Rn. 20 und vom 13. Februar 2001 – 1 StR 519/00 Rn. 10; Claus in Satzger/Schluckebier/ Widmaier, StGB, 4. Aufl., § 56 Rn. 49 ff. mwN). Die Prognoseentscheidung des Landgerichts, aufgrund derer es für die Angeklagte keine günstige Sozialprognose im Sinne des § 56 Abs. 1 StGB festzustellen vermochte, ist jedoch nicht frei von Rechtsfehlern.
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- Dabei ist zunächst zu besorgen, dass das Landgericht mit der Formulierung , die Angeklagte habe auch nach der Entlassung aus der Untersuchungs- haft in Frankreich im Jahr 2012 „die bisherigen Betätigungen im Großen und Ganzen fortgesetzt“ (UA S. 11), in die Prognoseentscheidung eingestellt haben könnte, die Angeklagte habe noch weitere nicht abgeurteilte Straftaten begangen. Die Berücksichtigung weiterer Straftaten bei der Entscheidung über die Strafaussetzung zur Bewährung zum Nachteil eines Angeklagten ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zwar zulässig; dies gilt allerdings nur, wenn diese Taten prozessordnungsgemäß und so bestimmt festgestellt sind, dass sie in ihrem wesentlichen Unrechtsgehalt abzuschätzen sind und eine unzulässige Berücksichtigung des bloßen Verdachts der Begehung weiterer Straftaten ausgeschlossen werden kann (vgl. etwa BGH, Beschlüsse vom 10. Mai 2017 – 2 StR 117/17 Rn. 5; vom 19. Juni 2012 – 4 StR 139/12 Rn. 8 und vom 24. Februar 1987 – 4 StR 56/87 Rn. 5). An entsprechend konkreten Feststellungen zu etwaigen Steuerhinterziehungen oder Straftaten nach § 266a StGB fehlt es hier jedoch.
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- Als durchgreifend rechtsfehlerhaft erweist es sich, dass das Landgericht bei der Prognoseentscheidung nicht ausreichend berücksichtigt hat, dass die Vermietung sogenannter Terminwohnungen durch die Angeklagte und ihren Ehemann im Februar 2018 beendet wurde. Das Landgericht hat – im Hinblick auf die weitere Lebensführung nach der (letzten) Tatbegehung – einen für die Angeklagte ungünstigen Umstand darin gesehen, dass diese gemeinsam mit ihrem Ehemann nach Februar 2018 ein Objekt in P. an eine Person vermietete, die dieses über Untermietverhältnisse Prostituierten überließ. Letztlich hebt das Landgericht damit auf einen weiter bestehenden Kontakt der Angeklagten zum Prostituiertenmilieu ab. Diesem Umstand kommt für sich genommen aber kein prognoserelevanter Aussagegehalt zu.
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- Auch die ergänzenden Erwägungen im Rahmen der Prüfung, ob § 56 Abs. 2 StGB einer Strafaussetzung zur Bewährung entgegensteht, tragen die Entscheidung nicht, da die Strafkammer auch insoweit maßgeblich auf die Verneinung der günstigen Sozialprognose abgehoben hat.
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- 2. Einer Aufhebung von Feststellungen bedarf es nicht (§ 353 Abs. 2 StPO). Das Landgericht kann weitere Feststellungen treffen, die mit den bisherigen nicht in Widerspruch stehen.
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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
(1) Ist eine der Einzelstrafen eine lebenslange Freiheitsstrafe, so wird als Gesamtstrafe auf lebenslange Freiheitsstrafe erkannt. In allen übrigen Fällen wird die Gesamtstrafe durch Erhöhung der verwirkten höchsten Strafe, bei Strafen verschiedener Art durch Erhöhung der ihrer Art nach schwersten Strafe gebildet. Dabei werden die Person des Täters und die einzelnen Straftaten zusammenfassend gewürdigt.
(2) Die Gesamtstrafe darf die Summe der Einzelstrafen nicht erreichen. Sie darf bei zeitigen Freiheitsstrafen fünfzehn Jahre und bei Geldstrafe siebenhundertzwanzig Tagessätze nicht übersteigen.
(3) Ist eine Gesamtstrafe aus Freiheits- und Geldstrafe zu bilden, so entspricht bei der Bestimmung der Summe der Einzelstrafen ein Tagessatz einem Tag Freiheitsstrafe.
(1) Bei der Verurteilung zu Freiheitsstrafe von nicht mehr als einem Jahr setzt das Gericht die Vollstreckung der Strafe zur Bewährung aus, wenn zu erwarten ist, daß der Verurteilte sich schon die Verurteilung zur Warnung dienen lassen und künftig auch ohne die Einwirkung des Strafvollzugs keine Straftaten mehr begehen wird. Dabei sind namentlich die Persönlichkeit des Verurteilten, sein Vorleben, die Umstände seiner Tat, sein Verhalten nach der Tat, seine Lebensverhältnisse und die Wirkungen zu berücksichtigen, die von der Aussetzung für ihn zu erwarten sind.
(2) Das Gericht kann unter den Voraussetzungen des Absatzes 1 auch die Vollstreckung einer höheren Freiheitsstrafe, die zwei Jahre nicht übersteigt, zur Bewährung aussetzen, wenn nach der Gesamtwürdigung von Tat und Persönlichkeit des Verurteilten besondere Umstände vorliegen. Bei der Entscheidung ist namentlich auch das Bemühen des Verurteilten, den durch die Tat verursachten Schaden wiedergutzumachen, zu berücksichtigen.
(3) Bei der Verurteilung zu Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten wird die Vollstreckung nicht ausgesetzt, wenn die Verteidigung der Rechtsordnung sie gebietet.
(4) Die Strafaussetzung kann nicht auf einen Teil der Strafe beschränkt werden. Sie wird durch eine Anrechnung von Untersuchungshaft oder einer anderen Freiheitsentziehung nicht ausgeschlossen.
(1) Wer als Arbeitgeber der Einzugsstelle Beiträge des Arbeitnehmers zur Sozialversicherung einschließlich der Arbeitsförderung, unabhängig davon, ob Arbeitsentgelt gezahlt wird, vorenthält, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
(2) Ebenso wird bestraft, wer als Arbeitgeber
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der für den Einzug der Beiträge zuständigen Stelle über sozialversicherungsrechtlich erhebliche Tatsachen unrichtige oder unvollständige Angaben macht oder - 2.
die für den Einzug der Beiträge zuständige Stelle pflichtwidrig über sozialversicherungsrechtlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis lässt
(3) Wer als Arbeitgeber sonst Teile des Arbeitsentgelts, die er für den Arbeitnehmer an einen anderen zu zahlen hat, dem Arbeitnehmer einbehält, sie jedoch an den anderen nicht zahlt und es unterlässt, den Arbeitnehmer spätestens im Zeitpunkt der Fälligkeit oder unverzüglich danach über das Unterlassen der Zahlung an den anderen zu unterrichten, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. Satz 1 gilt nicht für Teile des Arbeitsentgelts, die als Lohnsteuer einbehalten werden.
(4) In besonders schweren Fällen der Absätze 1 und 2 ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter
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aus grobem Eigennutz in großem Ausmaß Beiträge vorenthält, - 2.
unter Verwendung nachgemachter oder verfälschter Belege fortgesetzt Beiträge vorenthält, - 3.
fortgesetzt Beiträge vorenthält und sich zur Verschleierung der tatsächlichen Beschäftigungsverhältnisse unrichtige, nachgemachte oder verfälschte Belege von einem Dritten verschafft, der diese gewerbsmäßig anbietet, - 4.
als Mitglied einer Bande handelt, die sich zum fortgesetzten Vorenthalten von Beiträgen zusammengeschlossen hat und die zur Verschleierung der tatsächlichen Beschäftigungsverhältnisse unrichtige, nachgemachte oder verfälschte Belege vorhält, oder - 5.
die Mithilfe eines Amtsträgers ausnutzt, der seine Befugnisse oder seine Stellung missbraucht.
(5) Dem Arbeitgeber stehen der Auftraggeber eines Heimarbeiters, Hausgewerbetreibenden oder einer Person, die im Sinne des Heimarbeitsgesetzes diesen gleichgestellt ist, sowie der Zwischenmeister gleich.
(6) In den Fällen der Absätze 1 und 2 kann das Gericht von einer Bestrafung nach dieser Vorschrift absehen, wenn der Arbeitgeber spätestens im Zeitpunkt der Fälligkeit oder unverzüglich danach der Einzugsstelle schriftlich
Liegen die Voraussetzungen des Satzes 1 vor und werden die Beiträge dann nachträglich innerhalb der von der Einzugsstelle bestimmten angemessenen Frist entrichtet, wird der Täter insoweit nicht bestraft. In den Fällen des Absatzes 3 gelten die Sätze 1 und 2 entsprechend.(1) Bei der Verurteilung zu Freiheitsstrafe von nicht mehr als einem Jahr setzt das Gericht die Vollstreckung der Strafe zur Bewährung aus, wenn zu erwarten ist, daß der Verurteilte sich schon die Verurteilung zur Warnung dienen lassen und künftig auch ohne die Einwirkung des Strafvollzugs keine Straftaten mehr begehen wird. Dabei sind namentlich die Persönlichkeit des Verurteilten, sein Vorleben, die Umstände seiner Tat, sein Verhalten nach der Tat, seine Lebensverhältnisse und die Wirkungen zu berücksichtigen, die von der Aussetzung für ihn zu erwarten sind.
(2) Das Gericht kann unter den Voraussetzungen des Absatzes 1 auch die Vollstreckung einer höheren Freiheitsstrafe, die zwei Jahre nicht übersteigt, zur Bewährung aussetzen, wenn nach der Gesamtwürdigung von Tat und Persönlichkeit des Verurteilten besondere Umstände vorliegen. Bei der Entscheidung ist namentlich auch das Bemühen des Verurteilten, den durch die Tat verursachten Schaden wiedergutzumachen, zu berücksichtigen.
(3) Bei der Verurteilung zu Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten wird die Vollstreckung nicht ausgesetzt, wenn die Verteidigung der Rechtsordnung sie gebietet.
(4) Die Strafaussetzung kann nicht auf einen Teil der Strafe beschränkt werden. Sie wird durch eine Anrechnung von Untersuchungshaft oder einer anderen Freiheitsentziehung nicht ausgeschlossen.