Bundesgerichtshof Beschluss, 10. Mai 2016 - 1 StR 119/16

ECLI: ECLI:DE:BGH:2016:100516B1STR119.16.0
published on 10/05/2016 00:00
Bundesgerichtshof Beschluss, 10. Mai 2016 - 1 StR 119/16
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Gericht


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 119/16
vom
10. Mai 2016
in der Strafsache
gegen
wegen Totschlags
ECLI:DE:BGH:2016:100516B1STR119.16.0

Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung der Beschwerdeführerin am 10. Mai 2016 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Weiden i.d. OPf. vom 7. Dezember 2015 im Strafausspruch aufgehoben. 2. Die weitergehende Revision der Angeklagten wird verworfen. 3. Die Sache wird im Umfang der Aufhebung zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Schwurgerichtskammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat die Angeklagte wegen Totschlags zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt. Die auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützte und wirksam auf den Strafausspruch beschränkte Revision der Angeklagten hat in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang entsprechend dem Antrag des Generalbundesanwalts Erfolg; im Übrigen ist sie unbegründet.
2
1. Der Strafausspruch des angefochtenen Urteils hält sachlich-rechtlicher Prüfung nicht stand.
3
Nach den Feststellungen des Landgerichts hat die Angeklagte kurz nach der Entbindung eines ausgereiften, lebenden und lebensfähigen Kindes auf einer Toilette dieses dadurch getötet, dass sie Einwegpapierhandtücher in dessen Mund- und Rachenraum fest hineindrückte und dadurch die Atemwege verschloss, so dass das neugeborene Kind innerhalb weniger Minuten erstickte.
4
a) Das Landgericht hat bei seinen Strafzumessungserörterungen ausgehend vom Regelstrafrahmen des § 212 StGB im Rahmen einer Gesamtbetrachtung eine Strafrahmenverschiebung wegen eines minder schweren Falles nach § 213 2. Alt. StGB geprüft und dabei zehn zu Gunsten der Angeklagten sprechende, schuldmindernde Gesichtspunkte berücksichtigt und abschließend ausgeführt (UA S. 42): „Dem Gegenüber vermochte die Kammer Umstände, die zu Lasten der Angeklagten sprechen, nicht zu erkennen, so dass aufgrund des Bestehens allein entlastender Umstände vom Vorliegen eines minder schweren Falles auszugehen war.“
5
Im Rahmen der konkreten Strafzumessung innerhalb des damit geminderten Strafrahmens von einem Jahr bis zu zehn Jahren kommt das Landgericht zu folgendem Ergebnis (UA S. 43): „Unter Abwägung aller für und gegen die Angeklagte sprechenden Umstände, insbesondere unter Berücksichtigung der im Rahmen der Strafrahmenwahl angesprochenen Erwägungen (s.o.) und unter besonderer Würdigung des unter II. 2. festgestellten Tatbilds, hält die Kammer eine Freiheitsstrafe von 6 Jahren für tat- und schuldangemessen. Dabei hat die Kammer besonders die Tatsituation und das Alter der Angeklagten zu ihren Gunsten in den Blick genommen.“
6
b) Diese Erwägungen des Landgerichts sind rechtsfehlerhaft.
7
aa) Zwar ist die Strafzumessung grundsätzlich Sache des Tatgerichts. Es ist seine Aufgabe, auf der Grundlage des umfassenden Eindrucks, den es in der Hauptverhandlung von der Tat und der Persönlichkeit des Täters gewonnen hat, die wesentlichen entlastenden und belastenden Umstände festzustellen, sie zu bewerten und hierbei gegeneinander abzuwägen. Ein Eingriff des Revisionsgerichts in diese Einzelakte der Strafzumessung ist in der Regel nur möglich , wenn die Zumessungserwägungen in sich fehlerhaft sind, wenn das Tatgericht gegen rechtlich anerkannte Strafzwecke verstößt oder wenn sich die verhängte Strafe nach oben oder unten von ihrer Bestimmung löst, gerechter Schuldausgleich zu sein (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteile vom 17. September 1980 – 2 StR 355/80, BGHSt 29, 319, 320, vom 7. Februar 2012 – 1 StR 525/11, juris Rn. 17, BGHSt 57, 123, 127 und vom 12. Januar 2016 – 1 StR 414/15, juris Rn. 12, BFH/NV 2016, 719, jeweils mwN). Nur in diesem Rahmen kann eine „Verletzung des Gesetzes“ (§ 337 Abs. 1 StPO) vorliegen.Dagegen ist eine ins Einzelne gehende Richtigkeitskontrolle ausgeschlossen (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschluss vom 10. April 1987 – GSSt 1/86, BGHSt 34, 345, 349; BGH, Urteile vom 12. Januar 2005 – 5 StR 301/04, wistra 2005, 144, vom 7. Februar 2012 – 1 StR 525/11, juris Rn. 17, BGHSt 57, 123, 127 und vom 12. Januar 2016 – 1 StR 414/15, juris Rn. 12, BFH/NV 2016, 719).
8
bb) Ein solcher Rechtsfehler bei der konkreten Strafzumessung liegt hier jedoch vor.
9
Im Hinblick auf die Vielzahl der festgestellten Schuldminderungsgründe und den ausdrücklichen Hinweis darauf, dass Schulderhöhungsgründe nicht festgestellt werden konnten, ergibt sich aus den Urteilsgründen nicht, weshalb das Landgericht bei dem nach § 213 StGB gemilderten Strafrahmen eine deutlich über der Mindeststrafe liegende Strafe festgesetzt hat (vgl. BGH, Beschluss vom 14. November 2007 – 2 StR 417/07, NStZ-RR 2008, 106). Dies gilt umso mehr, als das Landgericht im Rahmen der konkreten Strafzumessung im engeren Sinn ausdrücklich nochmals die besondere Tatsituation und das Alter der Angeklagten zu ihren Gunsten berücksichtigt hat. Aus den Ausführungen des Landgerichts erschließt sich damit nicht, welche gegen die Angeklagte sprechenden Umstände das Gericht bei der Strafzumessung berücksichtigt haben will.
10
2. Soweit die Angeklagte in der Revisionsbegründung auch die Feststellungen des Landgerichts zum Strafausspruch beanstandet, ist die Revision unbegründet. Insoweit handelt es sich um urteilsfremdes Vorbringen, das der Revision im Rahmen der Sachrüge nicht zum Erfolg verhelfen kann. Da die Feststellungen im Übrigen von dem vorgenannten Zumessungsfehler unberührt bleiben, können sie bestehen bleiben. Der neue Tatrichter ist aber nicht gehindert , ergänzende, den bisher getroffenen nicht widersprechende Feststellungen zu treffen. Raum Jäger Cirener Mosbacher Bär
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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

(1) Wer einen Menschen tötet, ohne Mörder zu sein, wird als Totschläger mit Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren bestraft. (2) In besonders schweren Fällen ist auf lebenslange Freiheitsstrafe zu erkennen.

(1) Die Revision kann nur darauf gestützt werden, daß das Urteil auf einer Verletzung des Gesetzes beruhe. (2) Das Gesetz ist verletzt, wenn eine Rechtsnorm nicht oder nicht richtig angewendet worden ist.
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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

(1) Wer einen Menschen tötet, ohne Mörder zu sein, wird als Totschläger mit Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren bestraft. (2) In besonders schweren Fällen ist auf lebenslange Freiheitsstrafe zu erkennen.

(1) Die Revision kann nur darauf gestützt werden, daß das Urteil auf einer Verletzung des Gesetzes beruhe. (2) Das Gesetz ist verletzt, wenn eine Rechtsnorm nicht oder nicht richtig angewendet worden ist.
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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Wer einen Menschen tötet, ohne Mörder zu sein, wird als Totschläger mit Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren bestraft.

(2) In besonders schweren Fällen ist auf lebenslange Freiheitsstrafe zu erkennen.

(1) Die Revision kann nur darauf gestützt werden, daß das Urteil auf einer Verletzung des Gesetzes beruhe.

(2) Das Gesetz ist verletzt, wenn eine Rechtsnorm nicht oder nicht richtig angewendet worden ist.

War der Totschläger ohne eigene Schuld durch eine ihm oder einem Angehörigen zugefügte Mißhandlung oder schwere Beleidigung von dem getöteten Menschen zum Zorn gereizt und hierdurch auf der Stelle zur Tat hingerissen worden oder liegt sonst ein minder schwerer Fall vor, so ist die Strafe Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren.