Bundesfinanzhof Beschluss, 13. Mai 2013 - VIII B 162/11
Gericht
Tatbestand
- 1
-
I. Die Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) werden als Eheleute zur Einkommensteuer zusammen veranlagt. Der Kläger erzielt Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit in beträchtlicher Höhe, außerdem ist er als Rechtsanwalt tätig.
- 2
-
Für die Jahre 1983 bis 1994 ergaben sich aus der Rechtsanwaltstätigkeit des Klägers Verluste von insgesamt 24.168 €. In einem vorangegangenen Klageverfahren wegen Einkommensteuer 1991 bis 1994 beurteilte das Finanzgericht (FG) die Tätigkeit des Klägers insoweit als Liebhaberei und ließ die Verluste unberücksichtigt. Das Urteil ist rechtskräftig, nachdem der Bundesfinanzhof (BFH) die Nichtzulassungsbeschwerde der Kläger als unbegründet zurückgewiesen hat und die dagegen erhobene Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen worden ist.
- 3
-
In den Streitjahren des vorliegenden Verfahrens ergaben sich für 1995 bis 2001 weiterhin Verluste aus der Rechtsanwaltstätigkeit von insgesamt 19.654 €. Für die Streitjahre 2002 und 2003 ergaben sich ebenfalls negative Einkünfte, im Streitjahr 2004 erzielte der Kläger erstmals einen Gewinn von 18.386 €.
- 4
-
Im Klageverfahren wies der Kläger unter Vorlage der entsprechenden Einkommensteuerbescheide erfolglos darauf hin, dass er in den Folgejahren 2005 bis 2008 so hohe Gewinne aus der Rechtsanwaltstätigkeit erzielt habe, dass sich insgesamt ein positives Ergebnis aus dieser Tätigkeit ergeben habe.
- 5
-
Das FG ließ die für die Streitjahre per Saldo aufgelaufenen Verluste aus der Rechtsanwaltstätigkeit unter dem Gesichtspunkt der Liebhaberei unberücksichtigt und wies die Klage ab. Es hielt auch die vom Beklagten und Beschwerdegegner (Finanzamt --FA--) erlassenen Gewerbesteuermessbescheide für rechtmäßig, mit denen das FA einen Teil der als freiberuflich erklärten Einkünfte des Klägers als Einkünfte aus Gewerbebetrieb beurteilt hatte.
- 6
-
Mit der Nichtzulassungsbeschwerde rügen die Kläger Verfahrensfehler i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO).
Entscheidungsgründe
- 7
-
II. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist hinsichtlich der Einkommensteuer 1995 bis 2004 begründet und führt insoweit zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG (§ 116 Abs. 6 FGO). Hinsichtlich der Gewerbesteuermessbeträge 2003 und 2004 ist die Nichtzulassungsbeschwerde hingegen unbegründet.
- 8
-
1. Hinsichtlich der Einkommensteuer 1995 bis 2004 verstößt die Vorentscheidung gegen § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO. Das FG hat seine Überzeugung nicht auf das Gesamtergebnis des Verfahrens gestützt.
- 9
-
Wie das FG zutreffend anhand der in der Vorentscheidung nachgewiesenen Rechtsprechung des BFH ausgeführt hat, erfordert die Prüfung der Einkünfteerzielungsabsicht eine in die Zukunft gerichtete und langfristige Beurteilung. Verluste können nur dann steuerrechtlich nicht anerkannt werden, wenn aufgrund der bekannten Entwicklung des Betriebs eindeutig feststeht, dass der Betrieb von vornherein nicht in der Lage war, nachhaltig Gewinne zu erzielen.
- 10
-
Die Ausschöpfung des Gesamtergebnisses des Verfahrens (§ 96 Abs. 1 Satz 1 FGO) hätte es erfordert, auch die dem FG zur Kenntnis gebrachten Gewinne des Klägers in den Folgejahren in die Betrachtung einzubeziehen. Es ist kein sachlicher Gesichtspunkt erkennbar, der es rechtfertigt, die gebotene Totalprognose am Ende des Prüfungszeitraums enden zu lassen, der von der Finanzverwaltung nach Zweckmäßigkeit bestimmt wird und im vorliegenden Zusammenhang eher zufälligen Charakter hat.
- 11
-
Die Vorentscheidung ist danach hinsichtlich der Einkommensteuer 1995 bis 2004 aufzuheben. Das Verfahren ist insoweit an das FG zurückzuverweisen (§ 116 Abs. 6 FGO), damit es die Einkünfteerzielungsabsicht des Klägers in vollem Umfang neu überprüfen kann.
- 12
-
2. Hinsichtlich der Gewerbesteuermessbeträge 2003 und 2004 ist die Nichtzulassungsbeschwerde unbegründet. Ein Verfahrensfehler des FG ist insoweit nicht erkennbar.
- 13
-
Das FG hat nicht das rechtliche Gehör der Kläger verletzt. Schon in der Einspruchsentscheidung war im Einzelnen dargelegt, weshalb das FA die von der … GmbH gezahlten Provisionen als Einkünfte aus Gewerbebetrieb und nicht als Honorare für rechtsanwaltliche Beratung beurteilt hat. Dieser Streitpunkt hatte daher für die Kläger keinen überraschenden Charakter. Der als Rechtsanwalt sachkundige Kläger konnte damit rechnen, dass das FG insoweit der Auffassung des FA folgen würde. Das FG war nicht verpflichtet, vorab auf seine Rechtsauffassung hinzuweisen.
- 14
-
Im Übrigen lässt das Vorbringen auch nicht erkennen, was genau die Kläger zu diesem Punkt noch hätten vortragen wollen und inwieweit dies entscheidungserheblich gewesen wäre. Das Vorbringen, es "hätte klägerseitig die Einschlägigkeit der Urteile hinsichtlich des Vorliegens von Einkünften aus selbständiger Tätigkeit auch hinsichtlich der Zahlungen der … nachgewiesen werden können, d.h. die Nichtgewerblichkeit der gesamten Leistung oder ggf. auch von Teilbeträgen hätte festgestellt werden können", ist unsubstantiiert.
moreResultsText
Annotations
(1) Gegen das Urteil des Finanzgerichts (§ 36 Nr. 1) steht den Beteiligten die Revision an den Bundesfinanzhof zu, wenn das Finanzgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Bundesfinanzhof sie zugelassen hat.
(2) Die Revision ist nur zuzulassen, wenn
- 1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, - 2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs erfordert oder - 3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
(3) Der Bundesfinanzhof ist an die Zulassung gebunden.
(1) Die Nichtzulassung der Revision kann durch Beschwerde angefochten werden.
(2) Die Beschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils bei dem Bundesfinanzhof einzulegen. Sie muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Der Beschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder Abschrift des Urteils, gegen das Revision eingelegt werden soll, beigefügt werden. Satz 3 gilt nicht im Falle der elektronischen Beschwerdeeinlegung.
(3) Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach der Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen. Die Begründung ist bei dem Bundesfinanzhof einzureichen. In der Begründung müssen die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 dargelegt werden. Die Begründungsfrist kann von dem Vorsitzenden auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag um einen weiteren Monat verlängert werden.
(4) Die Einlegung der Beschwerde hemmt die Rechtskraft des Urteils.
(5) Der Bundesfinanzhof entscheidet über die Beschwerde durch Beschluss. Der Beschluss soll kurz begründet werden; von einer Begründung kann abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen beizutragen, unter denen eine Revision zuzulassen ist, oder wenn der Beschwerde stattgegeben wird. Mit der Ablehnung der Beschwerde durch den Bundesfinanzhof wird das Urteil rechtskräftig.
(6) Liegen die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 Nr. 3 vor, kann der Bundesfinanzhof in dem Beschluss das angefochtene Urteil aufheben und den Rechtsstreit zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverweisen.
(7) Wird der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision stattgegeben, so wird das Beschwerdeverfahren als Revisionsverfahren fortgesetzt, wenn nicht der Bundesfinanzhof das angefochtene Urteil nach Absatz 6 aufhebt; der Einlegung einer Revision durch den Beschwerdeführer bedarf es nicht. Mit der Zustellung der Entscheidung beginnt für den Beschwerdeführer die Revisionsbegründungsfrist, für die übrigen Beteiligten die Revisions- und die Revisionsbegründungsfrist. Auf Satz 1 und 2 ist in dem Beschluss hinzuweisen.
(1) Das Gericht entscheidet nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung; die §§ 158, 160, 162 der Abgabenordnung gelten sinngemäß. Das Gericht darf über das Klagebegehren nicht hinausgehen, ist aber an die Fassung der Anträge nicht gebunden. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind.
(2) Das Urteil darf nur auf Tatsachen und Beweisergebnisse gestützt werden, zu denen die Beteiligten sich äußern konnten.
(1) Die Nichtzulassung der Revision kann durch Beschwerde angefochten werden.
(2) Die Beschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils bei dem Bundesfinanzhof einzulegen. Sie muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Der Beschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder Abschrift des Urteils, gegen das Revision eingelegt werden soll, beigefügt werden. Satz 3 gilt nicht im Falle der elektronischen Beschwerdeeinlegung.
(3) Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach der Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen. Die Begründung ist bei dem Bundesfinanzhof einzureichen. In der Begründung müssen die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 dargelegt werden. Die Begründungsfrist kann von dem Vorsitzenden auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag um einen weiteren Monat verlängert werden.
(4) Die Einlegung der Beschwerde hemmt die Rechtskraft des Urteils.
(5) Der Bundesfinanzhof entscheidet über die Beschwerde durch Beschluss. Der Beschluss soll kurz begründet werden; von einer Begründung kann abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen beizutragen, unter denen eine Revision zuzulassen ist, oder wenn der Beschwerde stattgegeben wird. Mit der Ablehnung der Beschwerde durch den Bundesfinanzhof wird das Urteil rechtskräftig.
(6) Liegen die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 Nr. 3 vor, kann der Bundesfinanzhof in dem Beschluss das angefochtene Urteil aufheben und den Rechtsstreit zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverweisen.
(7) Wird der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision stattgegeben, so wird das Beschwerdeverfahren als Revisionsverfahren fortgesetzt, wenn nicht der Bundesfinanzhof das angefochtene Urteil nach Absatz 6 aufhebt; der Einlegung einer Revision durch den Beschwerdeführer bedarf es nicht. Mit der Zustellung der Entscheidung beginnt für den Beschwerdeführer die Revisionsbegründungsfrist, für die übrigen Beteiligten die Revisions- und die Revisionsbegründungsfrist. Auf Satz 1 und 2 ist in dem Beschluss hinzuweisen.