Bundesfinanzhof Beschluss, 23. Sept. 2010 - III R 64/09

bei uns veröffentlicht am23.09.2010

Gründe

1

Die Revision ist unzulässig und durch Beschluss zu verwerfen (§ 124 Abs. 1, § 126 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).

2

1. Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) hat die Frist für die Einlegung der Revision versäumt.

3

Nach § 120 Abs. 1 FGO ist die Revision innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils einzulegen. Das Urteil des Finanzgerichts (FG) wurde dem Prozessbevollmächtigten des Klägers am 25. März 2008 zugestellt, so dass die Frist zur Einlegung der Revision mit Ablauf des 25. April 2008 endete. Allerdings war der Kläger zu diesem Zeitpunkt wegen Mittellosigkeit an der Einlegung der Revision gehindert. Das Hindernis entfiel jedoch mit Zustellung des Beschlusses über die Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH), d.h. am Donnerstag, dem 17. September 2009 (vgl. z.B. Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 13. März 2003 VII B 196/02, BFHE 201, 425, BStBl II 2003, 609, unter II.1.a; Beschluss des Bundesgerichtshofs --BGH-- vom 29. Mai 2008 IX ZB 197/07, BGHZ 176, 379).

4

Ist wie im Fall des Klägers das für die Einhaltung einer gesetzlichen Frist verantwortliche Hindernis weggefallen, so ist nach § 56 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 1 FGO binnen zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses die versäumte Rechtshandlung nachzuholen (z.B. BFH-Beschluss in BFHE 201, 425, BStBl II 2003, 609, unter II.1.b; Senatsbeschluss vom 12. Juli 2005 III S 1/05 (PKH), nicht amtlich veröffentlicht; vgl. auch BGH-Beschluss in BGHZ 176, 379, zu § 234 Abs. 1 Satz 1 der Zivilprozessordnung --ZPO--). Daher hätte die Revision als die versäumte Rechtshandlung spätestens am Donnerstag, dem 1. Oktober 2009 beim BFH eingehen müssen (§ 56 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 1, Abs. 2 Satz 3, § 54 Abs. 2 FGO i.V.m. § 222 Abs. 1 ZPO, § 187 Abs. 1, § 188 Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches). Die Revision war danach verspätet, denn sie ging beim BFH erst am 2. Oktober 2009 ein.

5

2. Dem Kläger kann hinsichtlich der danach versäumten Frist für die Wiedereinsetzung in die versäumte Revisionseinlegungsfrist keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt werden.

6

a) Wiedereinsetzung ist zu gewähren, wenn jemand ohne Verschulden an der Einhaltung einer gesetzlichen Frist verhindert war (§ 56 Abs. 1 FGO). Dies setzt voraus, dass innerhalb der in § 56 Abs. 2 FGO festgelegten Frist die Tatsachen, die eine Wiedereinsetzung rechtfertigen können, vollständig, substantiiert und in sich schlüssig dargelegt werden. Beruft sich ein Prozessbevollmächtigter auf ein von ihm nicht zu vertretendes Büroversehen, so muss er darlegen, dass kein Organisationsfehler vorliegt. Hierzu hat er u.a. darzulegen, dass er alle Vorkehrungen dafür getroffen hat, die nach vernünftigem Ermessen die Nichtbeachtung von Fristen auszuschließen geeignet sind (z.B. BFH-Beschluss vom 5. November 2008 VII B 15/08, BFH/NV 2009, 589). Ein Prozessbevollmächtigter ist verpflichtet, seinen Bürobetrieb so zu organisieren, dass Fristversäumnisse ausgeschlossen sind. Dazu ist unerlässlich, dass ein Fristenkontrollbuch (Fristenkalender) oder eine vergleichbare Einrichtung zur Wahrung von Fristen geführt wird. In diesem Buch muss der Fristablauf für jede einzelne Sache vermerkt sein. Die Einhaltung der laufenden Fristen muss durch tägliche Einsichtnahme in den Fristenkalender gesichert werden. Die notierte Frist darf frühestens gelöscht werden, wenn das zur Fristwahrung bestimmte Schriftstück abgesandt oder zumindest postfertig gemacht worden ist (z.B. BFH-Beschluss vom 8. November 2006 VII R 20/06, BFH/NV 2007, 469).

7

b) Aus der Begründung des Wiedereinsetzungsantrags und der vorgelegten eidesstattlichen Versicherung geht nicht hervor, dass in der Kanzlei des Prozessbevollmächtigten durch organisatorische Maßnahmen eine wirksame Posteingangs- und Fristenkontrolle generell sichergestellt war. Weder wurde behauptet, dass ein Fristenkontrollbuch geführt wurde, noch wurde dargelegt, dass im vorliegenden Fall überhaupt vorgesehen war, zu wahrende Fristen in eine vergleichbare Einrichtung einzutragen. Ungeachtet der Frage, was tatsächlich Gegenstand der behaupteten Einzelweisung des Bevollmächtigten an den Referendar gewesen ist (lediglich Einarbeitung in die Materien der PKH und der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand? Oder "durcharbeiten" der Akte - und mit welchem Ziel? Oder selbständige Einlegung der Revision? Wiedervorlage unmittelbar nach Durchsicht der Akte, nach Bearbeitung "und umgehend vor Ablauf der dem Referendar bekannten Einlegungsfrist" oder sogar erst nach selbständiger Revisionseinlegung?), war auch der Referendar jedenfalls nicht zur Eintragung der einzuhaltenden Fristen angewiesen. Wären entsprechende Eintragungen in ein Fristenkontrollbuch erfolgt, so wäre das behauptete Versehen des Referendars noch rechtzeitig aufgefallen und eine Fristversäumung verhindert worden. Ein generelles Organisationsverschulden des Bevollmächtigten als Ursache der Fristversäumnis ist daher nicht auszuschließen.

8

c) Ohne Erfolg beruft sich der Kläger unter Bezugnahme auf Entscheidungen des BGH darauf, dass es aufgrund einer Einzelanweisung seines Bevollmächtigten gegenüber dem Referendar auf allgemeine organisatorische Vorkehrungen bzw. Anweisungen für die Fristwahrung in der Kanzlei nicht mehr angekommen sei. Denn auch der BGH geht in den zitierten Entscheidungen von der Verpflichtung eines Rechtsanwalts aus, durch entsprechende Organisation seines Büros dafür zu sorgen, dass Fristen ordnungsgemäß eingetragen und beachtet werden (vgl. BGH-Beschlüsse vom 9. Dezember 2009 XII ZB 154/09, Monatsschrift für deutsches Recht 2010, 400; vom 15. April 2008 VI ZB 29/07, Das juristische Büro 2009, 54; vom 15. November 2007 IX ZB 219/06, Neue Juristische Wochenschrift 2008, 526). Es ging in den zitierten Entscheidungen allein darum, ob ein Rechtsanwalt darauf vertrauen darf, dass eine gerade mit Fristensachen betraute und darin geschulte, bislang zuverlässige Mitarbeiterin eine konkrete Einzelweisung im Zusammenhang mit der Eintragung einer Frist korrekt ausführt. Darum geht es hier jedoch nicht. Denn der Referendar war jedenfalls nicht damit beauftragt, im vorliegenden Fall einzuhaltende, konkret bezeichnete Fristen in ein dafür vorgesehenes Fristenkontrollbuch einzutragen.

Urteilsbesprechung zu Bundesfinanzhof Beschluss, 23. Sept. 2010 - III R 64/09

Urteilsbesprechungen zu Bundesfinanzhof Beschluss, 23. Sept. 2010 - III R 64/09

Referenzen - Gesetze

Finanzgerichtsordnung - FGO | § 126


(1) Ist die Revision unzulässig, so verwirft der Bundesfinanzhof sie durch Beschluss. (2) Ist die Revision unbegründet, so weist der Bundesfinanzhof sie zurück. (3) Ist die Revision begründet, so kann der Bundesfinanzhof 1. in der Sache selbs

Zivilprozessordnung - ZPO | § 234 Wiedereinsetzungsfrist


(1) Die Wiedereinsetzung muss innerhalb einer zweiwöchigen Frist beantragt werden. Die Frist beträgt einen Monat, wenn die Partei verhindert ist, die Frist zur Begründung der Berufung, der Revision, der Nichtzulassungsbeschwerde oder der Rechtsbeschw

Zivilprozessordnung - ZPO | § 222 Fristberechnung


(1) Für die Berechnung der Fristen gelten die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs. (2) Fällt das Ende einer Frist auf einen Sonntag, einen allgemeinen Feiertag oder einen Sonnabend, so endet die Frist mit Ablauf des nächsten Werktages.
Bundesfinanzhof Beschluss, 23. Sept. 2010 - III R 64/09 zitiert 9 §§.

Finanzgerichtsordnung - FGO | § 126


(1) Ist die Revision unzulässig, so verwirft der Bundesfinanzhof sie durch Beschluss. (2) Ist die Revision unbegründet, so weist der Bundesfinanzhof sie zurück. (3) Ist die Revision begründet, so kann der Bundesfinanzhof 1. in der Sache selbs

Zivilprozessordnung - ZPO | § 234 Wiedereinsetzungsfrist


(1) Die Wiedereinsetzung muss innerhalb einer zweiwöchigen Frist beantragt werden. Die Frist beträgt einen Monat, wenn die Partei verhindert ist, die Frist zur Begründung der Berufung, der Revision, der Nichtzulassungsbeschwerde oder der Rechtsbeschw

Zivilprozessordnung - ZPO | § 222 Fristberechnung


(1) Für die Berechnung der Fristen gelten die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs. (2) Fällt das Ende einer Frist auf einen Sonntag, einen allgemeinen Feiertag oder einen Sonnabend, so endet die Frist mit Ablauf des nächsten Werktages.

Finanzgerichtsordnung - FGO | § 56


(1) Wenn jemand ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Frist einzuhalten, so ist ihm auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. (2) Der Antrag ist binnen zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses zu stellen; bei Vers

Finanzgerichtsordnung - FGO | § 120


(1) Die Revision ist bei dem Bundesfinanzhof innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils schriftlich einzulegen. Die Revision muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Eine Ausfertigung oder Abschrift des Urteils soll beigefügt we

Finanzgerichtsordnung - FGO | § 54


(1) Der Lauf einer Frist beginnt, soweit nichts anderes bestimmt ist, mit der Bekanntgabe des Verwaltungsakts oder der Entscheidung oder mit dem Zeitpunkt, an dem die Bekanntgabe als bewirkt gilt. (2) Für die Fristen gelten die Vorschriften der §

Finanzgerichtsordnung - FGO | § 124


(1) Der Bundesfinanzhof prüft, ob die Revision statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet worden ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Revision unzulässig. (2) Der Beurteilung der Revision

Referenzen - Urteile

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BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS VI ZB 29/07 vom 15. April 2008 in dem Rechtsstreit Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 15. April 2008 durch die Richter Dr. Greiner, Wellner, Pauge, Stöhr und Zoll beschlossen: Auf die Rechtsbeschwerde des

Bundesgerichtshof Beschluss, 29. Mai 2008 - IX ZB 197/07

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BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS IX ZB 197/07 vom 29. Mai 2008 in dem Insolvenzverfahren Nachschlagewerk: ja BGHZ: ja BGHR: ja ZPO § 234 Abs. 2 B, § 575 Beantragt eine unbemittelte Partei Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die
1 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Bundesfinanzhof Beschluss, 23. Sept. 2010 - III R 64/09.

Bundesfinanzhof Beschluss, 15. Dez. 2011 - II R 16/11

bei uns veröffentlicht am 15.12.2011

Tatbestand 1 I. Das klageabweisende Urteil des Finanzgerichts (FG) wurde der Prozessbevollmächtigten der Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), einer Steuerberatungs

Referenzen

(1) Der Bundesfinanzhof prüft, ob die Revision statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet worden ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Revision unzulässig.

(2) Der Beurteilung der Revision unterliegen auch diejenigen Entscheidungen, die dem Endurteil vorausgegangen sind, sofern sie nicht nach den Vorschriften dieses Gesetzes unanfechtbar sind.

(1) Ist die Revision unzulässig, so verwirft der Bundesfinanzhof sie durch Beschluss.

(2) Ist die Revision unbegründet, so weist der Bundesfinanzhof sie zurück.

(3) Ist die Revision begründet, so kann der Bundesfinanzhof

1.
in der Sache selbst entscheiden oder
2.
das angefochtene Urteil aufheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverweisen.
Der Bundesfinanzhof verweist den Rechtsstreit zurück, wenn der in dem Revisionsverfahren nach § 123 Abs. 1 Satz 2 Beigeladene ein berechtigtes Interesse daran hat.

(4) Ergeben die Entscheidungsgründe zwar eine Verletzung des bestehenden Rechts, stellt sich die Entscheidung selbst aber aus anderen Gründen als richtig dar, so ist die Revision zurückzuweisen.

(5) Das Gericht, an das die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen ist, hat seiner Entscheidung die rechtliche Beurteilung des Bundesfinanzhofs zugrunde zu legen.

(6) Die Entscheidung über die Revision bedarf keiner Begründung, soweit der Bundesfinanzhof Rügen von Verfahrensmängeln nicht für durchgreifend erachtet. Das gilt nicht für Rügen nach § 119 und, wenn mit der Revision ausschließlich Verfahrensmängel geltend gemacht werden, für Rügen, auf denen die Zulassung der Revision beruht.

(1) Die Revision ist bei dem Bundesfinanzhof innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils schriftlich einzulegen. Die Revision muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Eine Ausfertigung oder Abschrift des Urteils soll beigefügt werden, sofern dies nicht schon nach § 116 Abs. 2 Satz 3 geschehen ist. Satz 3 gilt nicht im Falle der elektronischen Revisionseinlegung.

(2) Die Revision ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen; im Fall des § 116 Abs. 7 beträgt die Begründungsfrist für den Beschwerdeführer einen Monat nach Zustellung des Beschlusses über die Zulassung der Revision. Die Begründung ist bei dem Bundesfinanzhof einzureichen. Die Frist kann auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag von dem Vorsitzenden verlängert werden.

(3) Die Begründung muss enthalten:

1.
die Erklärung, inwieweit das Urteil angefochten und dessen Aufhebung beantragt wird (Revisionsanträge);
2.
die Angabe der Revisionsgründe, und zwar
a)
die bestimmte Bezeichnung der Umstände, aus denen sich die Rechtsverletzung ergibt;
b)
soweit die Revision darauf gestützt wird, dass das Gesetz in Bezug auf das Verfahren verletzt sei, die Bezeichnung der Tatsachen, die den Mangel ergeben.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
IX ZB 197/07
vom
29. Mai 2008
in dem Insolvenzverfahren
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja
Beantragt eine unbemittelte Partei Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die
Versäumung der Einlegungs- und Begründungsfrist für eine Rechtsbeschwerde, läuft
die Frist für deren Begründung ab der Bekanntgabe der Gewährung von Prozesskostenhilfe
und nicht erst ab Bekanntgabe der Bewilligung von Wiedereinsetzung gegen
die Versäumung der Einlegungsfrist (Abgrenzung zu BGH, Beschl. v. 19. Juni 2007
- XI ZB 40/06, NJW 2007, 3354, für BGHZ 173, 14).
BGH, Beschluss vom 29. Mai 2008 - IX ZB 197/07 - LG Bochum
AG Bochum
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter
Dr. Ganter und die Richter Prof. Dr. Gehrlein, Vill, die Richterin Lohmann und
den Richter Dr. Fischer
am 29. Mai 2008

beschlossen:
Dem Schuldner wird gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung und Begründung der Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 10. Zivilkammer des Landgerichts Bochum vom 3. April 2007 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt.

Gründe:


I.


1
Schuldner Dem wurde die von dem Amtsgericht angekündigte Restschuldbefreiung auf die sofortige Beschwerde eines Gläubigers durch Beschluss des Landgerichts vom 3. April 2007 - ihm zugegangen am 10. Mai 2007 - versagt. Der Senat hat dem Schuldner auf seinen am 9. Juni 2007 eingegangenen Antrag durch Beschluss vom 11. Oktober 2007 Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung für die Einlegung einer Rechtsbeschwerde gegen diesen Beschluss gewährt und Rechtsanwältin Dr. Genius-Devime beigeordnet. Im Anschluss an die am 17. Oktober 2007 erfolgte Zustellung des Senatsbeschlusses an den Schuldner hat seine Verfahrensbevollmächtigte durch Schriftsatz vom 25. Oktober 2007 Rechtsbeschwerde eingelegt und ohne weitere Begründung Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt. Auf am 28. Januar 2008 zugegangenen Hinweis des Berichterstatters, dass eine Begründung der Rechtsbeschwerde nicht vorliege und darum eine Verwerfung des Rechtsmittels beabsichtigt sei, hat der Schuldner am 11. Februar 2008 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Begründungsfrist beantragt und das Rechtsmittel gleichzeitig begründet.

II.


2
Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist für die Einlegung und Begründung der Rechtsbeschwerde hat Erfolg, weil der Schuldner beide Fristen ohne Verschulden nicht gewahrt hat (§§ 233, 234 Abs. 1 Satz 1 und 2, § 236 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 1, § 575 Abs. 1 Satz 1, 2 Satz 1 ZPO).
3
1. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Einlegungsfrist ist begründet.
4
Mit der am 17. Oktober 2007 bewirkten Zustellung des Senatsbeschlusses über die Bewilligung von Prozesskostenhilfe und die Beiordnung von Rechtsanwältin Dr. Genius-Devime ist das Hindernis für die Einhaltung der Rechtsbeschwerdefrist entfallen (§ 234 Abs. 2 ZPO). Die Wiedereinsetzungsfrist für die Einlegung eines Rechtsmittels beträgt zwei Wochen (§ 234 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Der Schuldner hat mit dem Schriftsatz vom 25. Oktober 2007 fristgerecht Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt und Rechtsbeschwerde eingelegt. Im Blick auf die wegen seiner Vermögenslosigkeit ver- säumte Einlegungsfrist ist dem Schuldner folglich Wiedereinsetzung zu gewähren.
5
2. Dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist auch gegen die Versäumung der Frist zur Begründung der Rechtsbeschwerde stattzugeben. Eine Begründung der Rechtsbeschwerde ist zwar erst durch den Schriftsatz vom 11. Februar 2008 und damit nach Ende der am 17. Oktober 2007 in Lauf gesetzten Monatsfrist (§ 234 Abs. 1 Satz 2 ZPO) erfolgt. Die Frist für die Begründung der Rechtsbeschwerde wurde entgegen der Auffassung des Schuldners mit der Zustellung des Beschlusses über die Bewilligung von Prozesskostenhilfe und nicht erst mit der (durch die vorliegende Entscheidung bewirkten ) Gewährung von Wiedereinsetzung gegen die Versäumung der Einlegungsfrist ausgelöst. Die Versäumung der einmonatigen Wiedereinsetzungsfrist beruht aber nicht auf einem Verschulden der Verfahrensbevollmächtigten, weil der Senat in einem anderen Verfahren (IX ZB 142/07) noch die Ansicht vertreten hatte, dass die Begründungsfrist auch für eine Rechtsbeschwerde erst mit der Gewährung von Wiedereinsetzung gegen die Versäumung der Einlegungsfrist beginnt.
6
a) Im Falle der Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird die einmonatige Frist zur Begründung der Berufung (§ 234 Abs. 1 Satz 2 ZPO) nicht bereits ab dem Zeitpunkt der Bekanntgabe dieser Entscheidung, sondern ab der Gewährung von Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Einlegungsfrist in Gang gesetzt. Bei einem früheren Fristbeginn würde die unbemittelte im Vergleich zu einer bemittelten Partei benachteiligt, weil deren Anwalt ab Zustellung der angefochtenen Entscheidung unter Einschluss der Einlegungsfrist faktisch einen Zeitraum von zwei Monaten für die Fertigung der Begründung (§ 520 Abs. 2 Satz 1 ZPO) ausschöpfen kann. Da erst nach Einle- gung einer Berufung Veranlassung für ihre Begründung besteht, ist § 234 Abs. 2 ZPO zwecks Angleichung der Situation von bemittelten und unbemittelten Berufungsklägern bei der Verwirklichung des Rechtsschutzes dahin auszulegen , dass die Ursache der Verhinderung für die Einreichung der Berufungsbegründung nicht die Mittellosigkeit der Partei ist, sondern die fehlende Entscheidung über die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist (BGH, Beschl. v. 19. Juni 2007 - XI ZB 40/06, NJW 2007, 3354 ff, zur Veröffentlichung in BGHZ 173, 14).
7
b) Diese Grundsätze sind auf die Bestimmung der Rechtsbeschwerdebegründungsfrist im Rahmen von Wiedereinsetzungsanträgen nach Bewilligung von Prozesskostenhilfe nicht übertragbar. Vielmehr läuft die Begründungsfrist mit Bekanntgabe der Entscheidung über die Gewährung von Prozesskostenhilfe.
8
aa) Im Unterschied zur Berufung (und Revision) ist bei der Rechtsbeschwerde nicht zwischen zeitlich voneinander abweichenden Einlegungs- und Begründungsfristen zu differenzieren. Vielmehr ist die Rechtsbeschwerde innerhalb eines Monats sowohl einzulegen (§ 575 Abs. 1 Satz 1 ZPO) als auch zu begründen (§ 575 Abs. 2 Satz 1 und 2 ZPO). Mit der Gewährung von Prozesskostenhilfe entfällt folglich das Hindernis für die Einhaltung der beiden gleich laufenden Fristen. Die Einlegung muss innerhalb der zweiwöchigen Frist des § 234 Abs. 1 Satz 1 ZPO und die Begründung innerhalb der Monatsfrist des § 234 Abs. 1 Satz 2 nachgeholt werden. Damit wird - was Ziel der Einführung des § 234 Abs. 1 Satz 2 ZPO in seiner jetzigen Fassung war (BT-Drucks. 15/1508 S. 17) - eine unbemittelte Partei im Blick auf die Länge der Begründungsfrist einer bemittelten Partei exakt gleichgestellt.
9
bb) Würde die Begründungsfrist erst mit der Gewährung der Wiedereinsetzung gegen die Versäumung der Einlegungsfrist ihren Anfang nehmen (vgl. BGH, Beschl. v. 25. September 2003 - III ZB 84/02, NJW 2003, 2782 f), wäre eine unbemittelte erheblich günstiger als eine bemittelte Partei gestellt, weil die Begründungsfrist nicht der Einlegungsfrist entspräche, sondern deutlich später anliefe (vgl. BGH, Beschl. v. 19. Juni 2007 aaO S. 3356 Tz. 19). Abweichend von den Rechtsmitteln der Berufung und Revision besteht bei einer Rechtsbeschwerde für eine bemittelte ebenso wie eine unbemittelte Partei bereits während der gesamten Dauer der Einlegungsfrist Anlass zur Fertigung der Beschwerdebegründung. Erleidet die unbemittelte Partei durch den an die Gewährung von Prozesskostenhilfe anknüpfenden Fristbeginn im Vergleich zu einer bemittelten Partei keinen Nachteil, ist kein Grund ersichtlich, den Beginn von Einlegungs- und Begründungsfrist zeitlich abweichend festzulegen (vgl. BGH aaO Rn. 22 f).
10
3. Dem Schuldner ist trotz Nichtbeachtung der Begründungsfrist Wiedereinsetzung zu bewilligen. Denn in einem anderen Verfahren des Senats (IX ZB 142/07) wurde angenommen, dass die Frist für die Begründung der Rechtsbeschwerde ab dem Zeitpunkt der Bewilligung von Wiedereinsetzung gegen die Versäumung der Einlegungsfrist läuft. Da der Schuldner und seine Verfahrensbevollmächtigte auf eine solche Handhabung auch in vorliegender Sache vertrauen durften, lag bis zur Mitteilung des Berichterstatters kein Verschulden vor.
Anschließend wurde das Rechtsmittel binnen der zweiwöchigen Frist des § 234 Abs. 1 Satz 1 ZPO begründet, so dass auch Wiedereinsetzung gegen die schuldlose Versäumung der Wiedereinsetzungsfrist zu gewähren ist.
Ganter Gehrlein Vill
Lohmann Fischer

Vorinstanzen:
AG Bochum, Entscheidung vom 29.06.2006 - 80 IN 691/03 -
LG Bochum, Entscheidung vom 03.04.2007 - 10 T 54/06 -

(1) Die Wiedereinsetzung muss innerhalb einer zweiwöchigen Frist beantragt werden. Die Frist beträgt einen Monat, wenn die Partei verhindert ist, die Frist zur Begründung der Berufung, der Revision, der Nichtzulassungsbeschwerde oder der Rechtsbeschwerde einzuhalten.

(2) Die Frist beginnt mit dem Tag, an dem das Hindernis behoben ist.

(3) Nach Ablauf eines Jahres, von dem Ende der versäumten Frist an gerechnet, kann die Wiedereinsetzung nicht mehr beantragt werden.

(1) Der Lauf einer Frist beginnt, soweit nichts anderes bestimmt ist, mit der Bekanntgabe des Verwaltungsakts oder der Entscheidung oder mit dem Zeitpunkt, an dem die Bekanntgabe als bewirkt gilt.

(2) Für die Fristen gelten die Vorschriften der §§ 222, 224 Abs. 2 und 3, §§ 225 und 226 der Zivilprozessordnung.

(1) Für die Berechnung der Fristen gelten die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs.

(2) Fällt das Ende einer Frist auf einen Sonntag, einen allgemeinen Feiertag oder einen Sonnabend, so endet die Frist mit Ablauf des nächsten Werktages.

(3) Bei der Berechnung einer Frist, die nach Stunden bestimmt ist, werden Sonntage, allgemeine Feiertage und Sonnabende nicht mitgerechnet.

(1) Wenn jemand ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Frist einzuhalten, so ist ihm auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren.

(2) Der Antrag ist binnen zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses zu stellen; bei Versäumung der Frist zur Begründung der Revision oder der Nichtzulassungsbeschwerde beträgt die Frist einen Monat. Die Tatsachen zur Begründung des Antrags sind bei der Antragstellung oder im Verfahren über den Antrag glaubhaft zu machen. Innerhalb der Antragsfrist ist die versäumte Rechtshandlung nachzuholen. Ist dies geschehen, so kann Wiedereinsetzung auch ohne Antrag gewährt werden.

(3) Nach einem Jahr seit dem Ende der versäumten Frist kann Wiedereinsetzung nicht mehr beantragt oder ohne Antrag bewilligt werden, außer wenn der Antrag vor Ablauf der Jahresfrist infolge höherer Gewalt unmöglich war.

(4) Über den Antrag auf Wiedereinsetzung entscheidet das Gericht, das über die versäumte Rechtshandlung zu befinden hat.

(5) Die Wiedereinsetzung ist unanfechtbar.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XII ZB 154/09
vom
9. Dezember 2009
in der Familiensache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Ein Rechtsanwalt darf grundsätzlich darauf vertrauen, dass seine Büroangestellte
, die sich bisher als zuverlässig erwiesen hat, eine konkrete schriftliche
Einzelanweisung befolgt. Deshalb ist er im Allgemeinen nicht verpflichtet, sich
anschließend über die Ausführung seiner Weisung zu vergewissern. Auf allgemeine
organisatorische Vorkehrungen bzw. Anweisungen für die Fristwahrung
in einer Anwaltskanzlei kommt es in solchen Fällen nicht mehr an.
BGH, Beschluss vom 9. Dezember 2009 - XII ZB 154/09 - KG Berlin
AG Berlin-Pankow/Weißensee
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 9. Dezember 2009 durch die
Vorsitzende Richterin Dr. Hahne, die Richterin Weber-Monecke sowie die Richter
Prof. Dr. Wagenitz, Dr. Klinkhammer und Schilling

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des 13. Zivilsenats des Kammergerichts in Berlin vom 26. Mai 2009 aufgehoben. Dem Antragsteller wird Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen der Versäumung der Beschwerdebegründungsfrist gewährt. Die Sache wird zur neuen Behandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Kammergericht zurückverwiesen. Der Beschwerdewert wird auf 3.000 € festgesetzt.

Gründe:


I.

1
Der Antragsteller wendet sich mit der Rechtsbeschwerde gegen die Verwerfung seiner befristeten Beschwerde wegen Versäumung der Begründungsfrist.
2
Der Antragsteller begehrt Umgang mit seiner im Jahre 2004 geborenen Tochter. Mit Beschluss vom 22. Dezember 2008 hat das Familiengericht den Umgang für die Dauer eines Jahres im Wesentlichen ausgeschlossen. Gegen diesen Beschluss, der ihm am 5. Januar 2009 zugestellt worden ist, hat der Antragsteller befristete Beschwerde eingelegt, die am 12. Januar 2009 beim Beschwerdegericht eingegangen ist. Am 12. März 2009 (nicht: 10. März 2009) hat der Antragsteller schließlich beantragt, ihm wegen der versäumten Beschwerdebegründungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Zugleich hat er die Beschwerde begründet.
3
Zur Begründung des Wiedereinsetzungsantrages hat der Antragsteller u.a. vorgetragen, die Büroangestellte seiner Verfahrensbevollmächtigten habe zunächst versehentlich eine Beschwerdefrist von lediglich 14 Tagen (Ablauf 19. Januar 2009) sowie eine Beschwerdebegründungsfrist von weiteren 14 Tagen (Ablauf 5. Februar 2009) eingetragen. Seine Verfahrensbevollmächtigte habe sie darauf hingewiesen, dass für die Beschwerde und Beschwerdebegründung hinsichtlich der Versagung der Prozesskostenhilfe eine Monatsfrist (Ablauf 5. Februar 2009), für die übrige Beschwerdebegründung eine weitere Monatsfrist (Ablauf 5. März 2009) notiert werden müsse. Dies sei von seiner Verfahrensbevollmächtigten auch auf dem entsprechenden Verfügungszettel, der jedem Posteingang beigefügt sei, schriftlich für ihre Mitarbeiterin notiert worden. Zwar sei die vollständige Eintragung der Frist in der Akte erfolgt, was nach der Kanzleianweisung erst nach Eintragung im Fristenkalender geschehen solle, jedoch sei die Eintragung in den Fristenkalender hinsichtlich der weiteren Beschwerdebegründungsfrist und der, gemäß der allgemeinen Kanzleianweisung einzutragenden, üblichen Vorfrist von einer Woche unterblieben.
4
Mit dem angefochtenen Beschluss hat das Beschwerdegericht dem Antragsteller Wiedereinsetzung versagt und seine Beschwerde als unzulässig http://www.juris.de/jportal/portal/t/nk5/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=2&fromdoctodoc=yes&doc.id=BJNR005330950BJNE028002301&doc.part=S&doc.price=0.0#focuspoint [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/nk5/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=2&fromdoctodoc=yes&doc.id=BJNR005330950BJNE061502301&doc.part=S&doc.price=0.0#focuspoint [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/nk5/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=2&fromdoctodoc=yes&doc.id=BJNR005330950BJNE067803301&doc.part=S&doc.price=0.0#focuspoint [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/nk5/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=2&fromdoctodoc=yes&doc.id=BJNR005330950BJNE067803301&doc.part=S&doc.price=0.0#focuspoint [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/nk5/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=2&fromdoctodoc=yes&doc.id=BJNR005330950BJNE067803301&doc.part=S&doc.price=0.0#focuspoint [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/nk5/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=2&fromdoctodoc=yes&doc.id=BJNR000010949BJNE001800314&doc.part=S&doc.price=0.0#focuspoint - 4 - verworfen. Hiergegen wendet sich der Antragsteller mit seiner Rechtsbeschwerde.

II.

5
Die Rechtsbeschwerde hat Erfolg.
6
1. Die gemäß §§ 238 Abs. 2 Satz 1, 522 Abs. 1 Satz 4, 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 621 e Abs. 3 Satz 2 ZPO i.V.m. Art. 111 Abs. 1 Satz 1 FGG-RG statthafte Rechtsbeschwerde ist zulässig, weil zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erforderlich ist (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO). Indem das Beschwerdegericht die befristete Beschwerde des Antragstellers verworfen und ihm zu Unrecht Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen der Versäumung der Beschwerdebegründungsfrist verweigert hat, hat es das Verfahrensgrundrecht des Antragstellers auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes (Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip ) verletzt. Es hat dem Antragsteller den Zugang zur Beschwerdeinstanz ungerechtfertigt versagt.
7
2. Die Rechtsbeschwerde ist auch begründet.
8
Das Beschwerdegericht hat ausgeführt, eine fristgerechte Begründung sei weder in der Begründung der sofortigen Beschwerde gegen die Zurückweisung des Prozesskostenhilfeantrages noch in der Begründung des Antrages auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zu sehen. Der Antragsteller sei schließlich nicht ohne sein Verschulden gehindert gewesen, die Frist zur Begründung der Beschwerde einzuhalten. Seine Verfahrensbevollmächtigte habe die Fristenkontrolle in ihrem Büro nicht so organisiert, dass ein Versäumen der Frist aufgrund einer fehlenden Fristnotierung im Fristenkalender verhindert werde. Zu- gunsten des Antragstellers sei zwar zu unterstellen, dass es sich bei der Mitarbeiterin seiner Verfahrensbevollmächtigten um eine zuverlässig erprobte und sorgfältig überwachte und gut ausgebildete Angestellte handele. Der Rechtsanwalt habe jedoch durch geeignete organisatorische Maßnahmen sicherzustellen , dass die Fristen zuverlässig festgehalten und kontrolliert werden. Dabei werde verlangt, dass die Eintragung der Frist im Fristenkalender auch feststellbar notiert werden müsse, was zweckmäßigerweise durch einen Vermerk in der Handakte mit Handzeichen und Datumsangabe zu erfolgen habe. Nach dem Vortrag des Antragstellers werde üblicherweise erst die Frist im Fristenkalender notiert und dann die Frist in der Handakte. Bereits dieser Vortrag lasse keine zuverlässige Fristenkontrolle feststellen. Denn es fehle an der klaren Anweisung , stets zunächst die Frist im Fristenkalender zu notieren und erst nach dieser Notierung einen Fristenvermerk in der Handakte aufzunehmen. Mithin könne der Fristnotierung im Handaktenblatt nicht entnommen werden, dass die Notierung der Frist im Fristenkalender von der Angestellten überprüft worden sei.
9
Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Überprüfung nicht in jeder Hinsicht Stand.
10
a) Allerdings ist dem Beschwerdegericht dahin zu folgen, dass weder die Begründung der Beschwerde gegen die Ablehnung der Prozesskostenhilfe seitens des Familiengerichts noch die Begründung des Antrages auf Erlass einer einstweiligen Anordnung den Anforderungen genügen, die an die Begründung einer befristeten Beschwerde gestellt werden (vgl. § 621 e Abs. 3 Satz 2 i.V.m. § 520 Abs. 3 Satz 1 ZPO i.V.m. Art. 111 FGG-RG). Zwar sind danach an den Inhalt der Beschwerdebegründung nicht die gleichen Anforderungen zu stellen wie an eine Berufungsbegründung. Der Beschwerdeführer muss aber vortragen , was er an der angefochtenen Entscheidung missbilligt (Zöller/Philippi, ZPO, 27. Aufl., § 621 e Rdn. 49). Vorliegend beziehen sich die jeweiligen Be- http://www.juris.de/jportal/portal/t/nk5/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=2&fromdoctodoc=yes&doc.id=BJNR005330950BJNE061502301&doc.part=S&doc.price=0.0#focuspoint [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/nk5/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=2&fromdoctodoc=yes&doc.id=BJNR005330950BJNE027604160&doc.part=S&doc.price=0.0#focuspoint [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/nk5/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=2&fromdoctodoc=yes&doc.id=BJNR005330950BJNE027802301&doc.part=S&doc.price=0.0#focuspoint [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/nk5/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=2&fromdoctodoc=yes&doc.id=BJNR005330950BJNE027802301&doc.part=S&doc.price=0.0#focuspoint - 6 - gründungen des Antragstellers jedoch ausschließlich auf die Prozesskostenhilfebeschwerde und den Erlass einer einstweiligen Anordnung.
11
b) Gleichwohl hätte das Beschwerdegericht die befristete Beschwerde nicht gemäß §§ 522 Abs. 1 Satz 2, § 621 a Abs. 3 Satz 2 ZPO i.V.m. Art. 111 Abs. 1 Satz 1 FGG-RG verwerfen dürfen, weil dem Antragsteller hinsichtlich der Beschwerdebegründungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren ist.
12
Der Wiedereinsetzungsantrag ist rechtzeitig beim Beschwerdegericht eingegangen. Das Hindernis zur Einhaltung der Frist entfiel den unbestrittenen Angaben des Antragstellers zufolge am 6. März 2009. Von diesem Tag an lief die Frist von einem Monat, um Wiedereinsetzung zu beantragen und die Beschwerdebegründung nachzuholen, §§ 234 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2, 236 Abs. 2 Satz 2 ZPO. Diese Frist hat der Antragsteller gewahrt; Wiedereinsetzungsantrag und nachgeholte Beschwerdebegründung gingen am 12. März 2009 und damit rechtzeitig beim Beschwerdegericht ein.
13
c) Der Antragsteller hat die Beschwerdebegründungsfrist weder aus eigenem noch aus einem ihm gemäß § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnenden Verschulden seiner Verfahrensbevollmächtigten versäumt.
14
Es ist bereits zweifelhaft, ob trotz der vom Antragsteller geschilderten Büroorganisation in der Kanzlei seiner Verfahrensbevollmächtigten ein gesonderter Vermerk über die Erledigung der Eintragung im Fristenkalender erforderlich ist. Die Frage kann indes unbeantwortet bleiben. Denn nach dem glaubhaft gemachten Vorbringen des Antragstellers, mit dem sich das Beschwerdegericht allerdings nicht befasst hat, lagen hinsichtlich der Eintragung der Fristen sowohl eine mündliche als auch schriftliche Einzelanweisung vor, die eine spätere Kontrolle entbehrlich machten.
15
aa) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist die Eintragung der Frist im Fristenkalender grundsätzlich durch einen Erledigungsvermerk kenntlich zu machen (vgl. dazu insbesondere Beschlüsse vom 5. Februar 2003 - VIII ZB 115/02 - NJW 2003, 1815, 1816; vom 22. Januar 2008 - VI ZB 46/07 - NJW 2008, 1670, 1671 und vom 14. Juni 2006 - IV ZB 18/05 - NJW 2006, 2778, 2779). Allerdings ist ein bestimmtes Verfahren hinsichtlich der Fristwahrung weder vorgeschrieben noch allgemein üblich. Vielmehr steht es dem Rechtsanwalt grundsätzlich frei, auf welche Weise er sicherstellt, dass die Eintragung im Fristenkalender und die Wiedervorlage der Handakten rechtzeitig erfolgen (BGH Beschluss vom 15. April 2008 - VI ZB 29/07 - juris Tz. 10). Unter Berücksichtigung dieser Maßstäbe spricht vieles dafür, dass ein Rechtsanwalt seiner Organisationspflicht auch dann hinreichend Rechnung trägt, wenn er - wie hier - zwar nicht die Erstellung eines Erledigungsvermerkes verfügt, gleichwohl aber anordnet, die Frist erst in der Handakte zu notieren, nachdem sie im Fristenkalender eingetragen worden ist. Die Frage kann hier indes unbeantwortet bleiben.
16
bb) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs darf der Rechtsanwalt jedenfalls grundsätzlich darauf vertrauen, dass eine Büroangestellte, die sich bisher als zuverlässig erwiesen hat, eine konkrete schriftliche Einzelanweisung befolgt, weshalb er im Allgemeinen nicht verpflichtet ist, sich anschließend über die Ausführung seiner Weisung zu vergewissern (BGH Beschlüsse vom 15. April 2008 - VI ZB 29/07 - juris Tz. 7 f.; vom 23. November 2000 - IX ZB 83/00 - NJW 2001, 1578, 1579). In diesem Fall kommt es auf allgemeine organisatorische Vorkehrungen bzw. Anweisungen für die Fristwahrung in einer Anwaltskanzlei nicht mehr an (BGH Beschluss vom 15. April 2008 - VI ZB 29/07 - juris Tz. 7).
17
So liegt der Fall hier. Denn dem Vortrag des Antragstellers zufolge hat seine Verfahrensbevollmächtigte die Büroangestellte mündlich zum Eintrag der von ihr (der Verfahrensbevollmächtigten) mitgeteilten Fristen angewiesen und dies nochmals auf dem beiliegenden Verfügungszettel schriftlich vermerkt. Zwar ist es richtig, dass die Büroangestellte hinsichtlich der Ermittlung der Fristen ersichtlich unsicher war. Dem hat sie allerdings dadurch Rechnung getragen, dass sie die von ihr unzutreffend, nämlich zu kurz, ermittelte Frist vorläufig zur Sicherheit vermerkt hatte. Zudem handelt es sich nach den Feststellungen des Beschwerdegerichts bei der Mitarbeiterin der Verfahrensbevollmächtigten des Antragstellers um eine zuverlässig erprobte, sorgfältig überwachte und gut ausgebildete Angestellte. Demgemäß musste die Verfahrensbevollmächtigte des Antragstellers auch nicht befürchten, dass ihre Mitarbeiterin die entsprechende Anweisung zur Eintragung der Fristen nicht ordnungsgemäß befolgen würde, zumal diese - wie dargetan - schriftlich auf dem Verfügungszettel vermerkt waren.
18
3. Dem Antragsteller war somit unter Aufhebung des Beschlusses des Beschwerdegerichts vom 26. Mai 2009 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Begründung der Beschwerde zu gewähren.
Damit ist der auf die Verwerfung der befristeten Beschwerde beruhende Zurückweisung des Prozesskostenhilfeantrags des Antragstellers ebenfalls die Grundlage entzogen.
Hahne Weber-Monecke Wagenitz Klinkhammer Schilling

Vorinstanzen:
AG Berlin-Pankow/Weißensee, Entscheidung vom 22.12.2008 - 17 F 6231/08 -
KG Berlin, Entscheidung vom 26.05.2009 - 13 UF 9/09 -

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
VI ZB 29/07
vom
15. April 2008
in dem Rechtsstreit
Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 15. April 2008 durch die Richter
Dr. Greiner, Wellner, Pauge, Stöhr und Zoll

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde des Klägers wird der Beschluss der 1. Zivilkammer des Landgerichts Rostock vom 26. Februar 2007 aufgehoben. Dem Kläger wird Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist gewährt. Beschwerdewert: 1.940,00 €

Gründe:

I.

1
Der Kläger nimmt die Beklagten wegen eines Verkehrsunfalls auf Schadensersatz in Anspruch. Das Amtsgericht hat die auf Zahlung von 1.940 € nebst Zinsen gerichtete Klage mit Urteil vom 17. November 2006 abgewiesen. Gegen das den Prozessbevollmächtigten des Klägers am 23. November 2006 zugestellte Urteil hat dieser am 15. Dezember 2006 Berufung eingelegt. Nach gerichtlichem Hinweis vom 25. Januar 2007, dass die Berufung nicht rechtzeitig begründet worden sei, hat der Kläger mit einem am 1. Februar 2007 beim Landgericht eingegangenen anwaltlichen Schriftsatz Wiedereinsetzung in den vori- gen Stand gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist beantragt und die Berufung begründet. Zur Begründung des Wiedereinsetzungsantrags hat er vorgetragen, Rechtsanwalt H. habe seine Büroangestellte G. nach Eingang des Urteils angewiesen, die Frist zur Einlegung der Berufung mit der dazugehörenden Vorfrist zu notieren. Nach Vorlage der Akte zur notierten Vorfrist sei am selben Tag Berufung eingelegt worden. Sodann habe Rechtsanwalt H. seine Büroangestellte G. per Aktennotiz angewiesen, die Frist zur Begründung der Berufung mit der dazugehörenden Vorfrist im Fristenkalender zu notieren. Durch Unachtsamkeit und aus ihr unerklärlichen Gründen habe Frau G. weder die Vorfrist noch die eigentliche Ablauffrist notiert. Der Fehler sei erst aufgrund des gerichtlichen Hinweises bemerkt worden.
2
Mit dem angefochtenen Beschluss hat das Landgericht die begehrte Wiedereinsetzung versagt und die Berufung des Klägers als unzulässig verworfen. Hiergegen wendet sich der Kläger mit der Rechtsbeschwerde, die er wegen grundsätzlicher Bedeutung und zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung für zulässig hält (§ 574 Abs. 2 Nr. 1 und 2 ZPO).

II.

3
1. Die Rechtsbeschwerde ist gemäß §§ 574 Abs. 1 Nr. 1, 238 Abs. 2 Satz 1, 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO statthaft. Sie ist auch im Übrigen zulässig, denn eine Entscheidung des Senats ist jedenfalls zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich (§ 574 Abs. 2 Nr. 1 und 2 ZPO).
4
2. Die Rechtsbeschwerde ist begründet. Zwar hat der Kläger die Berufungsbegründungsfrist versäumt. Auf seinen rechtzeitigen Antrag ist ihm jedoch gemäß §§ 233, 234 ZPO Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen.
5
a) Der angefochtene Beschluss verletzt den Kläger in seinem verfassungsrechtlich gewährleisteten Anspruch auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes (vgl. Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip ). Dieser verbietet es, einer Partei die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand aufgrund von Anforderungen an die Sorgfaltspflichten ihres Prozessbevollmächtigten zu versagen, die nach höchstrichterlicher Rechtsprechung nicht verlangt werden und mit denen sie auch unter Berücksichtigung der Entscheidungspraxis des angerufenen Gerichts nicht rechnen musste (vgl. BVerfGE 79, 372, 376 f.; BVerfG, NJW-RR 2002, 1004).
6
b) Das Berufungsgericht hat die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand im Wesentlichen mit der Begründung abgelehnt, der Kläger sei nicht ohne Verschulden gehindert gewesen, die Berufungsbegründungsfrist einzuhalten. Die Fristversäumung beruhe auf einem Sorgfaltsverstoß seines Prozessbevollmächtigten , dessen Verschulden der Kläger sich gemäß § 85 Abs. 2 ZPO zurechnen lassen müsse. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs könne ein Rechtsanwalt zwar die Berechnung und Notierung einfacher und in seinem Büro geläufiger Fristen einer gut ausgebildeten, als zuverlässig erprobten und sorgfältig überwachten Angestellten überlassen, doch habe er durch geeignete organisatorische Maßnahmen sicherzustellen, dass die Fristen zuverlässig festgehalten und kontrolliert würden. Insbesondere müsse sichergestellt sein, dass die zur wirksamen Fristenkontrolle erforderlichen Handlungen zum frühestmöglichen Zeitpunkt vorgenommen würden. Hierzu zähle insbesondere das unverzügliche Notieren der Berufungs- als auch der Berufungsbegründungsfrist im Fristenkalender noch vor der Vorlage der Akte an den Rechtsanwalt. Der Kläger habe nicht vorgetragen, dass die Büroangestellte G. selbstständig mit dem Notieren der Berufungs- und Berufungsbegründungsfrist bei Eingang des Urteils beauftragt gewesen sei. Vielmehr habe Rechtsanwalt H. ihr nach Vorlage der Akte die Einzelanweisung erteilt, die Berufungsfrist zu notieren, und Frau G. nach erneuter Vorlage der Akte angewiesen, die Berufungsbegründungsfrist mit einer Vorfrist zu notieren. Um Fehlerquellen zu vermeiden , seien jedoch beide Fristen so früh wie möglich zu vermerken, damit der Rechtsanwalt nach Vorlage der Akte seiner Nachberechnungs- und Kontrollpflicht nachkommen könne. Erteile er zur Eintragung Einzelanweisungen, sei er grundsätzlich verpflichtet, die Eintragung der Fristen zu kontrollieren. Dieser Pflicht sowie der Pflicht, spätestens bei der ersten Vorlage der Akte auch das Notieren der Berufungsbegründungsfrist mit einer Vorfrist zu veranlassen, sei Rechtsanwalt H. nicht nachgekommen.
7
c) Dagegen wendet sich die Rechtsbeschwerde mit Erfolg. Das Berufungsgericht übersieht, dass es nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs für den Ausschluss des einer Partei zuzurechnenden Verschuldens ihres Anwalts (§§ 85 Abs. 2, 233 ZPO) an der Fristversäumung auf allgemeine organisatorische Vorkehrungen bzw. Anweisungen für die Fristwahrung in einer Anwaltskanzlei dann nicht mehr ankommt, wenn der Rechtsanwalt einer Kanzleiangestellten, die sich bisher als zuverlässig erwiesen hat, eine konkrete Einzelanweisung erteilt, die bei Befolgung die Fristwahrung gewährleistet hätte (vgl. BGH, Beschlüsse vom 26. September 1995 - XI ZB 13/95 - VersR 1996, 348; vom 18. März 1998 - XII ZB 180/96 - NJW-RR 1998, 1360 f.; vom 6. Juli 2000 - VII ZB 4/00 - NJW 2000, 2823; vom 2. Juli 2001 - II ZB 28/00 - NJW-RR 2002, 60 und vom 1. Juli 2002 - II ZB 11/01 - NJW-RR 2002, 1289 f.). Ein Rechtsanwalt darf grundsätzlich darauf vertrauen, dass eine Büroangestellte , die sich bisher als zuverlässig erwiesen hat, eine konkrete Einzelanweisung befolgt (BGH, Beschluss vom 13. April 1997 - XII ZB 56/97 - NJW 1997, 1930). Er ist deshalb im Allgemeinen nicht verpflichtet, sich anschließend über die Ausführung seiner Weisung zu vergewissern (st. Rspr., vgl. Senatsurteil vom 6. Oktober 1987 - VI ZR 43/87 - VersR 1988, 185 f.; Senatsbeschlüsse vom 11. Februar 2003 - VI ZB 38/02 - VersR 2003, 1462 und vom 9. Dezember 2003 - VI ZB 26/03 - VersR 2005, 138; BGH, Beschluss vom 13. April 1997 - XII ZB 56/97 - aaO).
8
So liegt der Fall hier, denn nach dem durch eidesstattliche Versicherung der Büroangestellten G. glaubhaft gemachten Vortrag des Klägers hat sein Prozessbevollmächtigter Frau G. konkret mittels einer Aktennotiz aufgetragen, die Frist zur Begründung der Berufung mit der dazugehörenden Vorfrist im Fristenkalender zu notieren. Hätte Frau G. diese Einzelanweisung befolgt, wäre ihm die Akte rechtzeitig vorgelegt und die Berufungsbegründungsfrist gewahrt worden. Bei dieser Sachlage ist nicht ersichtlich, dass sich Mängel bei der allgemeinen Organisation des Anwaltsbüros in einer die Wiedereinsetzung ausschließenden Weise ausgewirkt haben könnten (vgl. hierzu Senatsbeschluss vom 5. November 2002 - VI ZR 399/01 - NJW 2003, 435 f. und BGH, Beschluss vom 9. Januar 2001 - VIII ZB 26/00 - NJW-RR 2001, 782 f.). Zwar gilt der Grundsatz, dass ein Rechtsanwalt nicht verpflichtet ist, die Ausführung einer Einzelanweisung zu kontrollieren, nicht ausnahmslos. Betrifft die Anweisung z. B. einen so wichtigen Vorgang wie die Eintragung einer Rechtsmittelfrist und wird sie nur mündlich erteilt, müssen in der Kanzlei ausreichende organisatorische Vorkehrungen dagegen getroffen sein, dass die Anweisung in Vergessenheit gerät und die Fristeintragung unterbleibt (Senatsbeschlüsse vom 5. November 2002 - VI ZR 399/01 - aaO; vom 4. November 2003 - VI ZB 50/03 - NJW 2004, 688 f.; vom 22. Juni 2004 - VI ZB 10/04 - VersR 2005, 383 und vom 12. Juni 2007 - VI ZB 76/06 - Tz. 8, juris; v. Pentz, NJW 2003, 858, 863 f.). Vorliegend hat Rechtsanwalt H. die Anweisung jedoch nicht mündlich, sondern in schriftlicher Form, nämlich mittels einer Aktennotiz erteilt. Da in einem solchen Fall die Gefahr, dass die Anweisung in Vergessenheit gerät und die Eintragung der Frist deshalb unterbleibt, wesentlich niedriger ist als bei einer nur mündlich erteilten Anweisung, ist eine Kontrolle hinsichtlich der Ausführung einer auf diese Weise erteilten Einzelanweisung im Regelfall nicht erforderlich.
9
d) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ist ein Rechtsanwalt, der seiner Büroangestellten das Notieren der Fristen nicht zur selbstständigen Erledigung überträgt, sondern jeweils Einzelanweisungen zum Notieren der Fristen erteilt, auch nicht verpflichtet, spätestens bei der Vorlage einer Akte mit Rechtsmittelfristen auch das Notieren der Rechtsmittelbegründungsfrist mit einer Vorfrist zu veranlassen.
10
aa) Nach gefestigter Rechtsprechung verlangt die Sorgfaltspflicht des Rechtsanwalts in Fristensachen zuverlässige Vorkehrungen, um den rechtzeitigen Ausgang fristwahrender Schriftsätze sicherzustellen. Zu den Aufgaben des Rechtsanwalts gehört es deshalb, durch entsprechende Organisation seines Büros dafür zu sorgen, dass die Fristen ordnungsgemäß eingetragen und beachtet werden. Der Anwalt hat sein Möglichstes zu tun, um Fehlerquellen bei der Eintragung und Behandlung von Fristen auszuschließen (BGH, Beschluss vom 10. Oktober 1991 - VII ZB 4/91 - BGHR ZPO § 233 Fristenkontrolle 22 m.w.N.). Ein bestimmtes Verfahren ist insoweit aber weder vorgeschrieben noch allgemein üblich (BGH, Urteil vom 21. Dezember 1988 - VIII ZR 84/88 - BGHR ZPO § 233 Fristenkontrolle 11; vom 5. Mai 1993 - XII ZR 44/92 - NJW-RR 1993, 1213, 1214). Auf welche Weise er sicherstellt, dass die Eintragung im Fristenkalender und die Wiedervorlage der Handakten rechtzeitig erfolgen , steht ihm grundsätzlich frei (vgl. BGH, Beschluss vom 25. März 1992 - XII ZR 268/91 - FamRZ 1992, 1058). Ein Prozessbevollmächtigter kann Fristwahrungen auch durch genaue Einzelanweisungen an zuverlässige Angestellte gewährleisten (BGH, Beschluss vom 27. Oktober 1998 - X ZB 20/98 - VersR 1999, 1386; BAG, Urteil vom 9. Januar 1990 - 3 AZR 528/89 - NJW 1990, 2707).
11
bb) Hat ein Rechtsanwalt das Fristenwesen in seiner Kanzlei dergestalt organisiert, dass er seiner Büroangestellten jeweils Einzelanweisungen zur Ein- tragung von Fristen erteilt, ist er grundsätzlich nicht verpflichtet, dafür zu sorgen , dass mit der Eintragung der Frist zur Rechtsmitteleinlegung gleichzeitig auch schon die Frist zur Rechtsmittelbegründung nebst Vorfrist im Fristenkalender eingetragen wird. Zwar würde eine solche Fristbehandlung die Zahl der erforderlichen Einzelanweisungen verringern, doch wäre damit allein keine größere Gewähr für eine Fristwahrung gegeben. Wie die Rechtsbeschwerde mit Recht geltend macht, kommt es für die Einhaltung der anwaltlichen Sorgfaltspflicht entscheidend darauf an, dass Anweisungen an das Büropersonal klar und präzise erfolgen (vgl. Senatsurteil vom 6. Oktober 1987 - VI ZR 43/87 - aaO; Senatsbeschlüsse vom 22. Juni 2004 - VI ZB 10/04 - aaO und vom 19. Februar 1991 - VI ZB 2/91 - VersR 1991, 1269; BGH, Beschluss vom 31. Mai 2000 - V ZB 57/99 - NJW-RR 2001, 209). Die letztlich nicht zu beseitigende Gefahr, dass auch einem ansonsten zuverlässigen Mitarbeiter im Umgang mit Fristen ein Fehler unterläuft (vgl. BGH, Beschluss vom 27. Oktober 1998 - X ZB 20/98 - VersR 1999, 1386), wird bei mehreren einzutragenden Fristen nicht allein dadurch beseitigt, dass die Anzahl der dazu erteilten Anweisungen verringert wird. Das Notieren der Berufungsbegründungsfrist nebst Vorfrist kann auch dann aufgrund eines Versehens unterbleiben, wenn diese Fristen gleichzeitig mit der Frist zur Rechtsmitteleinlegung eingetragen werden sollen. Greiner Wellner Pauge Stöhr Zoll
Vorinstanzen:
AG Rostock, Entscheidung vom 17.11.2006 - 11 C 36/06 -
LG Rostock, Entscheidung vom 26.02.2007 - 1 S 289/06 -