Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Urteil, 27. Sept. 2018 - 6 BV 17.1320

bei uns veröffentlicht am27.09.2018

Tenor

I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Würzburg vom 23. März 2017 - W 3 K 15.1217 - abgeändert.

Die Klage wird abgewiesen.

II. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.

III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden‚ sofern nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Der Kläger wendet sich gegen seine Heranziehung zu einem Straßenausbaubeitrag für das Grundstück FlNr. 442 anlässlich des Ausbaus der Ortsstraße Zeller Weg von der Einmündung Eschenauer Straße (Kreisstraße HAS 12) bis auf Höhe des Grundstücks FlNr. 442, den die beklagte Gemeinde im Rahmen der Dorferneuerung hat durchführen lassen.

Die Beklagte hat am 20. April 2010 eine neue Satzung über die Erhebung von Beiträgen zur Deckung des Aufwands für die Herstellung, Anschaffung, Verbesserung oder Erneuerung von Straßen, Wegen, Plätzen, Parkplätzen, Grünanlagen und Kinderspielplätzen (Ausbaubeitragssatzung - ABS) erlassen. Nach § 7 Abs. 2 Nr. 1 ABS beträgt die Eigenbeteiligung der Gemeinde bei Anliegerstraßen hinsichtlich der Fahrbahn und sonstiger Teileinrichtungen jeweils 35 v.H., bei Haupterschließungsstraßen hinsichtlich der Fahrbahn 65 v.H. und der sonstigen Teileinrichtungen jeweils 50 v.H. und schließlich bei Hauptverkehrsstraßen hinsichtlich der Fahrbahn 85 v.H. und der sonstigen Teileinrichtungen jeweils 60 v.H. Im Vergleich zur Vorgängersatzung vom 2. März 2005 wurde die Eigenbeteiligung der Gemeinde um jeweils 5% erhöht.

Mit Bescheid vom 18. Oktober 2010 zog die Beklagte den Kläger als Eigentümer des Grundstücks FlNr. 442 für die Erneuerung des Zeller Weges und der Eichhorngasse zu einem Straßenausbaubeitrag in Höhe von 4.055,71 € heran, wobei sie den Zeller Weg als Haupterschließungsstraße einstufte. Den vom Kläger erhobenen Widerspruch wies das Landratsamt Haßberge mit Widerspruchsbescheid vom 29. Oktober 2015 zurück.

Das Verwaltungsgericht hat mit Urteil vom 23. März 2017 die vom Kläger erhobene Klage als begründet erachtet und den Straßenausbaubeitragsbescheid der Beklagten vom 18. Oktober 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 29. Oktober 2015 aufgehoben. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, der angegriffene Bescheid sei rechtswidrig, weil er sich auf keine wirksame Rechtsgrundlage in Form einer gültigen Ausbaubeitragssatzung stützen könne. Die Straßenausbaubeitragssatzung der Beklagten vom 20. April 2010 sei hinsichtlich der in § 7 Abs. 2 ABS festgelegten Gemeindeanteile nichtig, weil die Beklagte den ihr zustehenden Gestaltungsspielraum überschritten habe. Jedenfalls führe die vom Gemeinderat gegebene sozialpolitische Erwägung für die Erhöhung der gemeindlichen Eigenbeteiligungssätze („in erster Linie Entlastung der Bürger“) zur Gesamtnichtigkeit der Satzung. Ein Rückgriff auf die ABS 2005 scheitere bereits daran, dass diese durch § 13 Abs. 2 ABS 2010 außer Kraft gesetzt worden sei. Das Verwaltungsgericht hat die Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen.

Die Beklagte hat zur Begründung ihrer Berufung u.a. ausgeführt, dass sie bei der Festlegung ihrer Eigenbeteiligungssätze einen Bewertungsspielraum habe, der nicht voll der gerichtlichen Kontrolle unterliege und hier nicht überschritten sei. Gegen das Vorteilsprinzip oder das Willkürverbot werde nicht verstoßen. Die Gemeinde sei im maßgeblichen Zeitraum quasi schuldenfrei gewesen und habe über eine allgemeine Rücklage von über 3,7 Millionen € verfügt. Eine Begründungspflicht für gemeindliches Satzungsrecht bestehe nicht.

Die Beklagte beantragt‚

unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts vom 23. März 2017 die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das angefochtene Urteil.

Die Landesanwaltschaft Bayern beteiligt sich als Vertreterin des öffentlichen Interesses am Verfahren, hält die Satzung entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts für wirksam, stellt aber keinen Antrag.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung, den Inhalt der Gerichtsakten beider Rechtszüge sowie der vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.

Gründe

Die Berufung der Beklagten ist zulässig und begründet.

Das Verwaltungsgericht hat den Straßenausbaubeitragsbescheid der Beklagten vom 18. Oktober 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 29. Oktober 2015 zu Unrecht aufgehoben.

Anwendung findet nach der Übergangsvorschrift des Art. 19 Abs. 7 Satz 1 Kommunalabgabengesetz (KAG) in der Fassung vom 26. Juni 2018 (GVBl S. 449) dieses Gesetz in der bis zum 31. Dezember 2017 geltenden Fassung (der Bek. vom 4.4.1993, GVBl. S. 264, zuletzt geändert durch Gesetz vom 13.12.2016, GVBl. S. 351). Nach dieser Rechtslage ist die der Beitragserhebung zugrunde liegende Ausbaubeitragssatzung der Beklagten vom 20. April 2010 entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts nicht nichtig (1.). Die Beklagte hat zwar die abgerechnete Einrichtung Zeller Weg und das Abrechnungsgebiet unzutreffend gebildet; das wirkt sich jedoch nicht zulasten des Klägers aus, weil nach der Vergleichsberechnung bei Berücksichtigung der tatsächlich angefallenen Kosten für Beleuchtung und Pflasterung auch bei zutreffendem Abrechnungsgebiet ein höherer Straßenausbaubeitrag auf das klägerische Grundstück entfiele als von der Beklagten festgesetzt, so dass die Klage abzuweisen war (2.). Die vom Kläger gegen die Beitragserhebung vorgebrachten Einwendungen bleiben ohne Erfolg (3.).

1. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts bildet die Ausbaubeitragssatzung der Beklagten (ABS) vom 20. April 2010 eine wirksame Rechtsgrundlage für die Heranziehung des Klägers zu einem Straßenausbaubeitrag.

a) Nach Art. 5 Abs. 1 Satz 1 KAG in der maßgeblichen bis zum 31. Dezember 2017 geltenden Fassung können die Gemeinden zur Deckung des Aufwands für die Herstellung, Anschaffung, Verbesserung oder Erneuerung ihrer öffentlichen Einrichtungen (Investitionsaufwand) Beiträge von den Grundstückseigentümern und Erbbauberechtigten erheben, denen die Möglichkeit der Inanspruchnahme dieser Einrichtungen besondere Vorteile bietet. Gemäß Art. 5 Abs. 1 Satz 3 KAG sollen für die Verbesserung oder Erneuerung von Ortsstraßen und beschränkt-öffentlichen Wegen Ausbaubeiträge erhoben werden, soweit nicht Erschließungsbeiträge nach Art. 5a KAG zu erheben sind. In den als Grundlage der Beitragserhebung gemäß Art. 2 Abs. 1 KAG zu erlassenden Abgabesatzungen treffen die Gemeinden nähere Bestimmungen. Nach Art. 5 Abs. 3 Satz 1 KAG ist in der Abgabesatzung eine Eigenbeteiligung der Gemeinde vorzusehen, wenn die Einrichtung neben den Beitragspflichtigen nicht nur unbedeutend auch der Allgemeinheit zugutekommt. Die Eigenbeteiligung muss die Vorteile für die Allgemeinheit angemessen berücksichtigen (Satz 2). Satzungen nach Art. 5 Abs. 1 Satz 3 KAG haben eine vorteilsgerecht abgestufte Eigenbeteiligung einheitlich für das gesamte Gemeindegebiet vorzusehen (Satz 3).

Da das Kommunalabgabengesetz die (Mindest-)Höhe der gemeindlichen Eigenbeteiligung nicht regelt, bleibt es grundsätzlich dem Gestaltungsspielraum des Ortsgesetzgebers überlassen, die gemeindliche Eigenbeteiligung in der Satzung zu bestimmen. Der Gemeinde als ortsrechtlicher Normgeberin steht aufgrund ihrer Satzungs- und Abgabenhoheit ein gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbarer weiter Gestaltungsspielraum zu (BVerwG, B.v. 3.9.2014 - 9 B 45.14 - juris Rn. 4). Aus der gesetzlichen Vorgabe, den öffentlichen Nutzen „angemessen“ in die Eigenbeteiligung einzustellen, sowie der Erkenntnis, dass sich aus Straßenbaumaßnahmen erwachsende Vorteile einer rechnerischen exakten Bemessung von vornherein entziehen, weshalb nur nach einem Wahrscheinlichkeitsmaßstab vorgegangen werden kann, folgt zwangsläufig, dass der Gemeinde bei der Entscheidung über die Eigenbeteiligungssätze im Einzelnen ein Bewertungsspielraum zuzubilligen ist, der nicht voll der gerichtlichen Kontrolle unterliegt. Die Ermächtigung des Satzungsgebers, einen Spielraum auszuschöpfen, findet ihre rechtliche Grenze erst in den allgemeinen abgaberechtlichen Grundsätzen des Prinzips, dass der Beitrag einen Ausgleich für einen Vorteil darstellen muss, der Verhältnismäßigkeit und des Willkürverbots. Innerhalb dieser Grenzen ist es jedoch nicht zu beanstanden, wenn die Gemeinde typische Fallgruppen in einer vereinheitlichenden Weise erfasst, die das Heranziehungsverfahren praktikabel, überschaubar und effizient gestaltet (BayVGH, U.v. 16.8.2001 - 6 B 97.111 - juris Rn. 14).

Ausgehend hiervon ist die gemeindliche Selbstbeteiligung so abzustufen, dass der Vorteil, der der Allgemeinheit im Verhältnis zu den Anliegern zuwächst, ausreichend differenziert berücksichtigt wird. Der Satzungsgeber hat daher bei seiner Wertung zu berücksichtigen, ob und inwieweit den Anliegern durch ihre räumliche Beziehung zu der Straße und deren Inanspruchnahme ein Vorteil zuwächst und in welchem Umfang der Vorteil der Allgemeinheit sich hierdurch gegebenenfalls verringert. Entscheidendes Kriterium ist dabei das Maß der zu erwartenden Inanspruchnahme der ausgebauten Straße durch die Anlieger einerseits und die Allgemeinheit andererseits (BayVGH, U.v. 29.10.1984 - 6 B 82 A.2893 - BayVBl 1985, 117 ff.; Driehaus, Kommunalabgabenrecht, § 8 Rn. 366 ff.). Bei der Abwägung zwischen dem individuellen Vorteil des Anliegers und dem Vorteil der Allgemeinheit ist die Verkehrsbedeutung der jeweiligen Straße das wichtigste Kriterium. Es ist notwendig, zumindest drei Straßenkategorien (einschließlich ihrer Teileinrichtungen) entsprechend der Verkehrsfunktion aufzustellen, nämlich Anliegerstraßen, Haupterschließungsstraßen und Hauptverkehrsstraßen, wobei für die konkrete Einordnung die in der Satzung notwendigerweise enthaltene Definition des jeweiligen Straßentyps heranzuziehen ist. Die Eigenbeteiligung der Gemeinde muss sich in Bezug auf den jeweiligen Straßentyp sachgerecht in das System der festgelegten Anteilsätze einfügen, um dem Gebot der angemessenen Vorteilsabwägung zu entsprechen (BayVGH, U.v. 29.10.1984 - 6 B 82 A.2893 - BayVBl 1985, 117 ff.). Je mehr die ausgebaute Einrichtung erfahrungsgemäß von der Allgemeinheit benutzt wird, desto höher ist der Wert des durch die Inanspruchnahmemöglichkeit der Allgemeinheit vermittelten Vorteils zu bemessen und desto höher muss dementsprechend der Gemeindeanteil sein. Umgekehrt muss der Anliegeranteil umso höher sein, je mehr die ausgebaute Einrichtung erfahrungsgemäß von den anliegenden Grundstücken aus benutzt wird. Dabei ist auch nach den einzelnen Teileinrichtungen der Ortsstraßen zu differenzieren (BayVGH, U.v. 16.8.2001 - 6 B 97.111 - juris). In einer Anliegerstraße können die Vorteile für die Anlieger im Verhältnis zur Allgemeinheit für alle Teileinrichtungen gleich bemessen werden. Bei Haupterschließungsstraßen und Hauptverkehrsstraßen hingegen unterscheiden sich die von unterschiedlichen Teileinrichtungen ausgehenden Vorteile so stark voneinander, dass ein einheitlicher Gemeindeanteil zu pauschal wäre, um dem Vorteilsprinzip noch zu genügen. Schließlich darf der gemeindliche Anteil nicht so hoch bemessen sein, dass die Gemeinde der gesetzlichen Beitragserhebungspflicht nach Art. 5 Abs. 1 Satz 3 KAG a.F. nicht mehr nachkommt (grundlegend dazu BayVGH, U.v. 9.11.2016 - 6 B 15.2732 - juris; nachfolgend: BVerwG, B.v. 16.11.2017 - 10 B 2.17 - juris). Abgesehen von den vorgenannten gesetzlichen Vorgaben sowie von den durch das Vorteilsprinzip gesetzten Grenzen ist es Sache des Satzungsgebers, den Gemeindeanteil in der Satzung zu bestimmen. Die satzungsmäßige Festlegung von Gemeindeanteil und Anliegeranteil ist nur dann rechtswidrig, wenn der jeweils gewählte Anteil unter Vorteilsgesichtspunkten schlechterdings nicht mehr vertretbar ist, d.h. die Überschreitung des höchstzulässigen oder die Unterschreitung des mindestens Gebotenen völlig eindeutig ist und außer Frage steht (OVG Berlin-Bbg, B.v. 22.5.2015 - 9 S 8.14 - juris Rn. 12; Driehaus, Kommunalabgabenrecht, § 8 Rn. 371).

b) Diesen gesetzlichen Anforderungen wird die vom Verwaltungsgericht beanstandete Ausbaubeitragssatzung der Beklagten vom 20. April 2010 noch gerecht.

Die Beklagte hat in § 7 Abs. 2 Nr. 1.1 bis 1.3 ABS u.a. die drei Straßenkategorien Anliegerstraßen, Haupterschließungsstraßen und Hauptverkehrsstraßen einschließlich deren Teileinrichtungen gebildet und diese entsprechend ihrer Verkehrsbedeutung mit verschieden hohen Eigenbeteiligungssätzen der Gemeinde gestaffelt. Diese belaufen sich auf 35 v.H. für sämtliche Teileinrichtungen einer Anliegerstraße, 65 v.H. für die Fahrbahn einer Haupterschließungsstraße und 50 v.H. für deren sonstige Teileinrichtungen sowie auf 85 v.H. für die Fahrbahn einer Hauptverkehrsstraße und 60 v.H. für deren sonstige Teileinrichtungen. Die Eigenbeteiligung der Gemeinde liegt somit durchgehend 15 Prozentpunkte über den im Muster des Bayerischen Gemeindetags (Stand 23.11.2016) in § 6 Abs. 2 Nr. 1.1 bis 1.3 vorgesehenen Mindestgemeindeanteilen, die eine die Gemeinde nicht bindende Empfehlung darstellen und vom Senat bislang nicht beanstandet wurden. Die in der Satzung der Beklagten vorgesehenen Gemeindeanteile stehen im Einklang mit den gesetzlichen Vorschriften, weil sie das System der vorteilsgerechten Abstufung im Sinn des Art. 5 Abs. 3 KAG beachten und (noch) nicht gegen das Beitragserhebungsgebot des Art. 5 Abs. 1 Satz 3 KAG a.F. verstoßen.

Greift man aus der Satzung der Beklagten beispielsweise eine Anliegerstraße heraus, ist der von der Gemeinde festgelegte Eigenanteil von 35 v.H. für sämtliche Teileinrichtungen einer Anliegerstraße rechtlich nicht zu beanstanden. Anliegerstraßen sind nach § 6 Abs. 3 Nr. 1 ABS Straßen, die ganz überwiegend der Erschließung der Grundstücke dienen. Bei solchen Straßen hat der Senat einen Gemeindeanteil von 20% als Untergrenze angesehen (BayVGH, U.v. 29.10.1984 - 6 B 82 A. 2893 - UA S. 16). Auch eine Ausbaubeitragssatzung, die u.a. bei Fahrbahnen von Anliegerstraßen einen Anteil der Beitragsschuldner von 60 v.H. und somit einen Anteil der Gemeinde von 40 v.H. vorsah, wurde vom Senat nicht beanstandet (BayVGH, U.v. 10.1.1990 - 6 B 88.2849 - UA. S. 8 ff.). Die gemeindliche Eigenbeteiligung bei einer Anliegerstraße und deren Teileinrichtungen kann somit zwischen 20 und 40 v.H. liegen. In diesem Rahmen bewegt sich die von der Beklagten für eine Anliegerstraße und deren Teileinrichtungen festgesetzte gemeindliche Eigenbeteiligung. Die Gemeindeanteile für Haupterschließungsstraßen (nach § 6 Abs. 3 Nr. 2 ABS Straßen, die der Erschließung von Grundstücken und gleichzeitig dem durchgehenden innerörtlichen Verkehr dienen und nicht Hauptverkehrsstraßen sind) wurden entsprechend der höheren Inanspruchnahme durch die Allgemeinheit höher gestaffelt. Entsprechendes gilt für Hauptverkehrsstraßen, die nach § 6 Abs. 3 Nr. 3 ABS ganz überwiegend dem durchgehenden innerörtlichen und/oder überörtlichen Durchgangsverkehr dienen und somit einen noch höheren Gemeindeanteil aufweisen.

Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts bedurfte die Ausbaubeitragssatzung der Beklagten keiner gesonderten Begründung. Eine solche ist weder im Kommunalabgabengesetz noch in der Gemeindeordnung vorgesehen. Welche Motive den Satzungsgeber zu der Erhöhung der gemeindlichen Eigenanteile bewogen haben, ist unerheblich; denn für die Gültigkeit untergesetzlicher Normen ist, soweit - wie hier - keine anderweitigen Rechtsvorschriften bestehen, allein das Ergebnis des Rechtsetzungsaktes maßgeblich (BayVGH, U.v. 15.10.2009 - 6 B 08.1431 - juris Rn. 25). Dieses muss im Einklang mit den gesetzlichen Vorschriften stehen, was hier (noch) der Fall ist. Es ist daher rechtlich nicht relevant, dass die Beklagte die Erhöhung der gemeindlichen Eigenbeteiligungssätze in erster Linie „zur Entlastung der Bürger“ beschlossen hat. Schon aus Praktikabilitätsgründen ist es auch nicht erforderlich, dass die Gemeinden jeweils bezogen auf ihr Gebiet in eine nähere, nachvollziehbare Untersuchung der Anlieger- und Allgemeinvorteile einer Straße eintreten, valide Daten ermitteln und sodann einen dem Untersuchungsergebnis entsprechenden Anliegeranteil regeln müssen (vgl. OVG Berlin-Bbg, B.v. 22.5.2015 - 9 S 8.14 - juris Rn. 12).

2. Auf dieser wirksamen satzungsrechtlichen Grundlage ist der angefochtene Straßenausbaubeitragsbescheid sowohl dem Grunde nach als auch in der Höhe berechtigt.

Zwar hat die Beklagte die abzurechnende Einrichtung Zeller Weg nicht ordnungsgemäß bestimmt und damit das Abrechnungsgebiet unzutreffend gebildet, weil sie einerseits nicht zum Zeller Weg gehörende Bestandteile der Eichhorngasse und des „Platzes Badgasse“ in die Aufwandsverteilung miteinbezogen und andererseits den Zeller Weg nicht in seiner gesamten Ausdehnung als Ortsstraße berücksichtigt hat (a). Dies wirkt sich aber nach der Vergleichsberechnung nicht zulasten des Klägers aus. Die Beklagte hatte nämlich bei der Ermittlung des umlagefähigen Aufwands die Kosten der Straßenbeleuchtung nicht angesetzt und sie hätte die Kosten der tatsächlich durchgeführten Pflasterung einstellen können, anstatt lediglich fiktive Kosten für eine Asphaltierung zu Grunde zu legen (b).

a) Gegenstand einer beitragsfähigen Erneuerung oder Verbesserung ist grundsätzlich die einzelne Ortsstraße als öffentliche Einrichtung im Sinn von Art. 5 Abs. 1 Satz 1 KAG. Wie weit diese reicht und wo eine andere Verkehrsanlage beginnt, bestimmt sich grundsätzlich nach dem Gesamteindruck, den die jeweiligen tatsächlichen Verhältnisse einem unbefangenen Beobachter im Hinblick auf Straßenführung, Straßenbreite und -länge sowie Ausstattung mit Teileinrichtungen vermitteln (ständige Rechtsprechung, u.a. BayVGH, B.v. 16.10.2012 - 6 CS 12.1594 - juris Rn. 10).

Die von der Beklagten als Bestandteil der Ortsstraße Zeller Weg angesehene Eichhorngasse (südlicher Teil) und der „Platz Badgasse“ (sog. „Abschnitte“ 3 und 4) gehören nach natürlicher Betrachtungsweise nicht zur abgerechneten Einrichtung, wie sich aus den vorgelegten Fotos und den in den Akten befindlichen Luftbildern ergibt (siehe auch Abrechnungsgebietsplan S. 92 und Lageplan S. 76). Außerdem handelt es sich dabei keinesfalls um eine Haupterschließungsstraße, wie von der Beklagten angenommen, sondern um eine Anliegerstraße, so dass auch aus Rechtsgründen keine Zusammenfassung mit dem Zeller Weg erfolgen durfte. Deshalb ist der hierfür entstandene Aufwand herauszurechnen und das Abrechnungsgebiet um die nur an der Eichhorngasse und dem „Platz Badgasse“ gelegenen Grundstücke zu verkleinern.

Andererseits führt der Zeller Weg nach natürlicher Betrachtungsweise in südöstlicher Richtung weiter als bis auf Höhe des Grundstücks FlNr. 442, wie von der Beklagten angenommen (siehe Abrechnungsgebietsplan S. 92), nämlich bis auf Höhe des sich anschließenden Grundstücks FlNr. 429/25, das daher in das Abrechnungsgebiet mit aufgenommen werden muss. Dies entspricht auch der Widmung des Zeller Weges als Ortsstraße (Art. 46 Nr. 2 BayStrWG) ab der Einmündung in die Eschenauer Straße bei dem Grundstück FlNr. 84/1 bis zum südlichen Endpunkt bei FlNr. 1285/6 auf einer Länge von 320 m. Ab der Einmündung in die Straße Im Gumperts auf der Höhe des Grundstücks FlNr. 443 endet die Ortsstraße Zeller Weg und setzt sich ein deutlich schmalerer ausgebauter öffentlicher Feldweg mit Teerdecke fort (Leitzordner Bl. 148).

b) Nach der Vergleichsberechnung wirkt sich dies allerdings nicht zulasten des Klägers aus. Denn die Beklagte hatte es bislang - rechtswidrig zugunsten der Beitragspflichtigen - unterlassen, die Kosten der Beleuchtung und der Pflasterung als beitragsfähigen Aufwand anzusetzen. Werden diese Aufwandsposten, wie rechtlich geboten, hinzugerechnet, ergibt sich - unter Zugrundelegung eines Nutzungsfaktors von 1,3 - für das klägerische Grundstück ein höherer Straßenausbaubeitrag als ihn die Beklagte verlangt hat, nämlich 4.356,82 € statt der festgesetzten 4.055,71 € (62.220,97 € : 17.466 m² = 3,5624052 €/m² x 1.223 m² <941 m² x 1,3> = 4.356,82 €).

3. Die vom Kläger in der Klagebegründung erhobenen Einwände gegen die Beitragserhebung bleiben ohne Erfolg:

a) Nicht überzeugen kann der Einwand, beim Zeller Weg habe kein Erneuerungsbedarf bestanden. Nach den unbestrittenen Angaben der Beklagten wurde der Zeller Weg Ende der 1960er/Anfang der 1970er Jahre erstmals hergestellt (betoniert) und 1980 erneuert bzw. verbessert und asphaltiert. Die Nutzungsdauer von etwa 20 bis 25 Jahren war demnach zum Zeitpunkt der nunmehr abgerechneten Ausbaumaßnahme abgelaufen. Wie sich aus den Fotos (VG-Akte 6 BV 17.1320 S. 70, Leitzordner S. 139 bis 141) ergibt, war der Zeller Weg verschlissen. Eine Oberflächenbefestigung war streckenweise kaum noch vorhanden und die seitliche Befestigung ausgefranst. Außerdem wurde der Zeller Weg auch verbessert im Sinn von Art. 5 Abs. 1 Satz 3 KAG, weil der Unterbau verstärkt und eine neue Deckschicht inklusive Frostschutzschicht aufgebracht worden ist, die Gehsteige wurden gepflastert.

b) Der besondere Vorteil, der die Auferlegung eines Straßenausbaubeitrags rechtfertigt, liegt in der qualifizierten Möglichkeit, die erneuerte Ortsstraße in Anspruch zu nehmen. Ein solcher Sondervorteil kommt ohne Zweifel auch dem Grundstück des Klägers zu, weil es unmittelbar an der Straße anliegt und bebaut ist (vgl. u.a. BayVGH, B.v. 18.7.2017 - 6 ZB 16.681 - juris Rn. 14; BVerwG, B.v. 30.7.2018 - 9 B 23.17 -). Ob der Kläger den Straßenausbau subjektiv als vorteilhaft empfindet, ist beitragsrechtlich ohne Belang.

c) Ohne Erfolg bleiben auch die Rügen des Klägers, dass die Zufahrt zu seinem Grundstück FlNr. 442 mangelhaft ausgeführt worden sei. Sie sei als einzige nicht gepflastert worden, was eine Ungleichbehandlung darstelle. Da es sich um ein landwirtschaftlich genutztes Grundstück handele, sei eine größere und insbesondere geteerte Auffahrt notwendig. Abgesehen davon, dass diese Rügen in sich widersprüchlich sind, greifen sie in der Sache nicht durch. Der Gemeinde steht nämlich hinsichtlich der Ausgestaltung einer Ortsstraße im Rahmen einer Erneuerungs- oder Verbesserungsmaßnahme ein weiter, gerichtlich nur beschränkt überprüfbarerer Gestaltungsspielraum zu (u.a. BayVGH, B.v. 20.12.2001 - 6 ZB 00.3059 - juris Rn.6). Die Grenze ist erst überschritten, wenn die von der Gemeinde im Einzelfall gewählte Lösung sachlich schlechthin unvertretbar ist (zum insoweit vergleichbaren Erschließungsbeitragsrecht: Schmitz, Erschließungsbeiträge, 2018, § 9 Rn. 4 m.N.d. Rspr.). Greifbare Anhaltspunkte hierfür ergeben sich weder aus den Angaben des Klägers noch aus den vorliegenden Unterlagen.

d) Der 5-seitige Widerspruchsbescheid vom 29. Oktober 2015 ist entgegen der Auffassung des Klägers nicht lediglich formelhaft, sondern ausreichend begründet und genügt den Anforderungen des § 73 Abs. 3 VwGO.

e) Die Voraussetzungen für eine Verwirkung des Beitragsanspruchs liegen ersichtlich nicht vor. Weder hat die Beklagte die Beitragsforderung längere Zeit nicht geltend gemacht noch hat sie gegenüber dem Kläger zum Ausdruck gebracht, er schulde den Beitrag nicht mehr oder er brauche mit seiner Heranziehung nicht mehr zu rechnen (vgl. hierzu BayVGH, B.v. 29.2.2000 - 6 B 96.360 - juris Rn. 33). Dass die Widerspruchsbehörde den Widerspruchsbescheid erst ca. 5 Jahre nach Erlass des Beitragsbescheids erlassen hat, führt nicht zur Verwirkung. Abgesehen davon hätte der Kläger auch vor Erlass des Widerspruchsbescheides Untätigkeitsklage zum Verwaltungsgericht gemäß § 75 VwGO erheben können.

4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 10‚ § 711 ZPO.

Die Revision ist nicht zuzulassen‚ weil kein Zulassungsgrund nach § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.

Urteilsbesprechung zu Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Urteil, 27. Sept. 2018 - 6 BV 17.1320

Urteilsbesprechungen zu Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Urteil, 27. Sept. 2018 - 6 BV 17.1320

Referenzen - Gesetze

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 167


(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs. (2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungskl

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 132


(1) Gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts (§ 49 Nr. 1) und gegen Beschlüsse nach § 47 Abs. 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundesverwaltungsgericht zu, wenn das Oberverwaltungsgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulas

Zivilprozessordnung - ZPO | § 711 Abwendungsbefugnis


In den Fällen des § 708 Nr. 4 bis 11 hat das Gericht auszusprechen, dass der Schuldner die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung abwenden darf, wenn nicht der Gläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit leistet. § 709 Satz 2 gilt e
Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Urteil, 27. Sept. 2018 - 6 BV 17.1320 zitiert 8 §§.

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 167


(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs. (2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungskl

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 132


(1) Gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts (§ 49 Nr. 1) und gegen Beschlüsse nach § 47 Abs. 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundesverwaltungsgericht zu, wenn das Oberverwaltungsgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulas

Zivilprozessordnung - ZPO | § 711 Abwendungsbefugnis


In den Fällen des § 708 Nr. 4 bis 11 hat das Gericht auszusprechen, dass der Schuldner die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung abwenden darf, wenn nicht der Gläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit leistet. § 709 Satz 2 gilt e

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 75


Ist über einen Widerspruch oder über einen Antrag auf Vornahme eines Verwaltungsakts ohne zureichenden Grund in angemessener Frist sachlich nicht entschieden worden, so ist die Klage abweichend von § 68 zulässig. Die Klage kann nicht vor Ablauf von d

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 73


(1) Hilft die Behörde dem Widerspruch nicht ab, so ergeht ein Widerspruchsbescheid. Diesen erläßt 1. die nächsthöhere Behörde, soweit nicht durch Gesetz eine andere höhere Behörde bestimmt wird,2. wenn die nächsthöhere Behörde eine oberste Bundes- od

Referenzen - Urteile

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Urteil, 27. Sept. 2018 - 6 BV 17.1320 zitiert oder wird zitiert von 6 Urteil(en).

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Urteil, 27. Sept. 2018 - 6 BV 17.1320 zitiert 3 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss, 18. Juli 2017 - 6 ZB 16.681

bei uns veröffentlicht am 18.07.2017

Tenor I. Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Würzburg vom 19. November 2015 – W 3 K 14.1393 – wird abgelehnt. II. Der Kläger hat die Kosten des Antragsverfahren

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Urteil, 09. Nov. 2016 - 6 B 15.2732

bei uns veröffentlicht am 09.11.2016

Tenor I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts München vom 28. Oktober 2014 - M 2 K 14.1641 -wird zurückgewiesen. II. Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen. II

Verwaltungsgericht Würzburg Urteil, 23. März 2017 - W 3 K 15.1217

bei uns veröffentlicht am 23.03.2017

Tenor I. Der Straßenausbaubeitragsbescheid der Beklagten vom 19. Oktober 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 29. Oktober 2015 bzgl. des Grundstücks Fl.Nr. …2 der Gemarkung W … wird aufgehoben. II. Die
3 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Urteil, 27. Sept. 2018 - 6 BV 17.1320.

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss, 26. Nov. 2018 - 6 CS 18.1571

bei uns veröffentlicht am 26.11.2018

Tenor I. Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts München vom 3. Juli 2018 - M 28 S 17.4493 - in den Nummern I und II geändert. II. Der Antrag des Antragstellers auf Anordnung der aufschie

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss, 26. Nov. 2018 - 6 CS 18.1567

bei uns veröffentlicht am 26.11.2018

Tenor I. Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts München vom 3. Juli 2018 - M 28 S 17.4495 - in den Nummern I und II geändert. II. Der Antrag des Antragstellers auf Anordnung der aufschie

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss, 26. Nov. 2018 - 6 CS 18.1569

bei uns veröffentlicht am 26.11.2018

Tenor I. Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts München vom 3. Juli 2018 - M 28 S 17.4494 - in den Nummern I und II geändert. II. Der Antrag des Antragstellers auf Anordnung der aufschie

Referenzen

Tenor

I. Der Straßenausbaubeitragsbescheid der Beklagten vom 19. Oktober 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 29. Oktober 2015 bzgl. des Grundstücks Fl.Nr. …2 der Gemarkung W … wird aufgehoben.

II. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

III. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu vollstreckenden Kosten abwenden, wenn nicht der Kläger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

IV. Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand

I.

Der Kläger ist Eigentümer des Grundstücks Fl.Nr. …2 der Gemarkung W … Die Beklagte erneuerte Fahrbahn und Gehwege der Straße Z … Weg und von Teilen der E …gasse. Die Parteien streiten um einen diesbezüglichen Straßenausbaubeitragsbescheid.

Im Nordwesten W … zweigt von der Staatsstraße 2 … die E … Straße nach Süden ab und verläuft durch den gesamten Ort. Der Z … Weg zweigt von der E … Straße ab und verläuft Richtung Südosten, wo er nach etwa 290 m auf die Straße A … … trifft.

In den Z … Weg mündet nach ca. 132 m ab der Einmündung E … Straße von Norden kommend die Bgasse. Nahe der Einmündung der Bgasse in den Z … Weg mündet die E …gasse ebenfalls in den Z … Weg. Die E …gasse verläuft ab der Einmündung in den Z … Weg ca. 60 m nach Nordosten, danach etwa 52 m nach Nordwesten, sodann etwa 46 m in Richtung Südwesten bis sie schließlich in die Bgasse mündet.

Ca. 95 m nach der Einmündung der Bgasse in den Z … Weg kommt von Süden die Straße K …weg und mündet ebenfalls in den Z … Weg.

Das klägerische Grundstück grenzt von Norden an den Z … Weg und liegt unterhalb der Einmündung Bgasse und der E …gasse.

Mit Bescheid vom 18. Oktober 2010 verlangte die Beklagte vom Kläger, gestützt auf die Ausbaubeitragssatzung vom 19. April 2010, einen Beitrag in Höhe von 4.055,71 EUR für die Erneuerung des Z … Wegs und der E …gasse im Gemeindeteil W … In diesem Zusammenhang wurden der Z … Weg sowie die veranlagten Teile der E …gasse als Haupterschließungsstraße qualifiziert.

Mit Schreiben vom 22. November 2010 erhob der Kläger Widerspruch gegen den Ausbaubeitragsbescheid. Er trug im Wesentlichen vor, dass er von der Beklagten im Rahmen der Beitragserhebung und des vorausgegangenen Verfahrens nicht ausreichend aufgeklärt worden sei. Des Weiteren sei die Einfahrt zu seinem Grundstück zu klein und falsch gebaut, sowie entgegen aller anderen Einfahrten in der Straße Z … Weg nicht gepflastert worden. Zudem sei dem Kläger kein besonderer Vorteil entstanden und seine Fläche fehlerhaft berücksichtigt worden.

Das Landratsamt Hassberge wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 29. Oktober 2015 zurück. Entgegen der Auffassung des Klägers habe er sehr wohl einen Vorteil durch die Arbeiten erhalten. Außerdem sei die Beklagte dem Kläger in mehreren Punkten entgegengekommen. Durch eine Erhöhung des Gemeindeanteils für Haupterschließungsstraßen sei die neue Ausbaubeitragssatzung zudem für die Anlieger günstiger als die bis dahin gültige Ausbaubeitragssatzung. Weiter seien der Z … Weg sowie die E …gasse nicht als Anliegerstraßen, sondern als Haupterschließungsstraßen klassifiziert worden, wodurch ein höherer Anteil für die Beklagte entstehe.

II.

Der Kläger ließ am 30. November 2015 im vorliegenden Verfahren Klage zum Verwaltungsgericht Würzburg erheben. Das Gericht trennte mit Beschluss vom 2. Dezember 2015 das Klagebegehren ab, soweit es die Grundstücke Fl.Nrn. 9, 0 betraf und führte es unter dem neuen Aktenzeichen W 3 K 15.1218 fort.

Er beantragte im Verfahren W 3 K 15.1217:

Der Straßenausbaubeitragsbescheid vom 18. Oktober 2010 der Gemeinde Knetzgau für die Erneuerung der Fahrbahn und der Gehwege „Z … Weg“ für das Grundstück Fl.Nr. …2 der Gemarkung W … in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. Oktober 2015 des Landratsamts H. wird aufgehoben.

Zur Begründung wurde Folgendes angeführt:

Der Z … Weg sei noch nicht derart abgenutzt gewesen, dass ein Erneuerungsbedarf bestanden hätte. Weiter habe die Pflasterung vor den klägerischen Grundstücken eine nicht gewünschte Lärmpegelerhöhung bewirkt. Weiter stelle es eine Ungleichbehandlung da, dass die Einfahrt des klägerischen Grundstücks als einzige nicht gepflastert worden sei. Vor der Dorferneuerung sei die Einfahrt geteert gewesen. Darüber hinaus sei der Widerspruchsbescheid nicht ordnungsgemäß begründet, weil er nicht auf das konkrete Vorbringen des Widerspruchs eingehe.

Zudem sei die Forderung verwirkt. Die Gemeinde habe den Ursprungsbescheid bereits am 18. Oktober 2010 erlassen. Am 12. Juli 2011 sei der Widerspruch dem Landratsamt Hassberge vorgelegt worden. Der Widerspruchsbescheid sei jedoch erst am 29. Oktober 2015 erlassen worden. Gründe für diese Dauer seien nicht ersichtlich.

Die Beklagte ließ durch ihren Bevollmächtigten beantragen,

Die Klage wird abgewiesen.

Die einschlägige Ausbaubeitragssatzung entspreche inhaltlich den Maßstäben der einschlägigen Rechtsprechung. Insbesondere liege der Eigenanteil der Beklagten für die vorliegende Haupterschließungsstraße entgegen einschlägiger Mustersatzungen nicht bei 50% sondern bei 65%, diese Regelung halte sich allerdings im Rahmen des Ermessens des Satzungsgebers, da die Satzung eine Abstufung nach Straßenkategorien und einzelnen Anlagenteilen vornehme.

Es liege eine Verbesserung, jedenfalls eine Erneuerung der Straße vor. Außerdem bestehe kein Anspruch des Klägers auf Pflasterung seiner Einfahrt. Mängel an der konkreten Ausführung hätten für die Beitragserhebung keine Bedeutung. Eine Verwirkung liege nicht vor, der Kläger hätte seinerzeit Untätigkeitsklage erheben können.

Im Übrigen wird auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 23. März 2017, auf das weitere schriftsätzliche Vorbringen der Parteien, auf den Inhalt der einschlägigen Verwaltungsakten der Beklagten und des Landratsamtes H. und der Behördenakten im Verfahren W 3 K 15.1218, welche Gegenstand des Verfahrens waren, Bezug genommen.

Gründe

Streitgegenstand des vorliegenden Verfahrens ist der Bescheid vom 18. Oktober 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids des Landratsamts H. vom 29. Oktober 2015, mit welchem die Beklagte den Kläger als Eigentümer des Grundstücks Fl.Nrn. …2 der Gemarkung W … zu einem Beitrag in Höhe von 4.055,71 EUR für die Erneuerung des Z … Weges und der E …gasse heranzieht.

Die zulässige Klage ist begründet. Der angegriffene Bescheid erweist sich als rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO), weil er sich auf keine wirksame Rechtsgrundlage in Form einer gültigen Ausbaubeitragssatzung stützen kann.

Dies ergibt sich aus Folgendem:

Gemäß Art. 5 Abs. 1 Satz 1 des Kommunalabgabengesetz (KAG) i.d.F. der Bekanntmachung vom 4. April 1993 (GVBl. S. 264), zuletzt geändert durch Gesetz vom 11. März 2014 (GVBl. S. 70), können die Gemeinden zur Deckung ihres anderweitig nicht gedeckten Aufwands für die Herstellung, Anschaffung, Verbesserung oder Erneuerung ihrer öffentlichen Einrichtungen Beiträge von den Grundstückseigentümern und den Erbbauberechtigten erheben, denen die Möglichkeit der Inanspruchnahme dieser Einrichtungen besondere Vorteile bietet. Zu diesen Einrichtungen zählen auch Gemeindestraßen im Sinne des Art. 46 BayStrWG i.d.F. der Bekanntmachung vom 5. Oktober 1981 (BayRS 91-1-I), zuletzt geändert durch Gesetz vom 22. Mai 2015 (GVBl. S. 154).

Für die Verbesserung oder Erneuerung von Ortsstraßen und beschränkt-öffentlichen Wegen sollen gemäß Art. 5 Abs. 1 Satz 3 KAG solche Beiträge erhoben werden, soweit nicht Erschließungsbeiträge nach dem Baugesetzbuch zu erheben sind.

Rechtsgrundlage für die Erhebung von Ausbaubeiträgen ist eine gültige Beitragsregelung in Gestalt einer Abgabesatzung nach Art. 2 Abs. 1 KAG. Eine solche Satzung hat die Beklagte mit ihrer Satzung über die Erhebung von Beiträgen zur Deckung des Aufwands für die Herstellung, Anschaffung, Verbesserung oder Erneuerung von Straßen, Wegen, Plätzen, Parkplätzen, Grünanlagen und Kinderspielplätzen vom 20. April 2010 (ABS 2010) geschaffen. Allerdings hält diese einer inhaltlichen Überprüfung nicht stand und erweist sich deshalb als unwirksam, so dass sie keine tragfähige Grundlage für den streitgegenständlichen Bescheid bilden kann. Dies ergibt sich daraus, dass die ABS 2010 hinsichtlich der in ihrem § 7 Abs. 2 festgelegten Gemeindeanteile fehlerhaft ist.

Für die Beteiligung der Gemeinde am Aufwand für die Herstellung, Anschaffung, Verbesserung oder Erneuerung unter anderem von Straßen schreibt Art. 5 Abs. 3 Satz 1 KAG vor, dass in der Abgabesatzung eine solche vorzusehen ist, wenn die Einrichtung neben den Beitragspflichtigen nicht nur unbedeutend auch der Allgemeinheit zugutekommt. Nach Art. 5 Abs. 3 Satz 2 KAG muss die Eigenbeteiligung die Vorteile für die Allgemeinheit angemessen berücksichtigen. Satzungen nach Abs. 1 Satz 3 - also solche für die Verbesserung oder Erneuerung von Ortsstraßen und beschränkt-öffentlichen Wegen - haben eine vorteilsgerecht abgestufte Eigenbeteiligung einheitlich für das gesamte Gemeindegebiet vorzusehen.

Dies bedeutet, dass der beitragsfähige Aufwand ausschließlich auf die Gruppe der Eigentümer und Erbbauberechtigten der an der Anlage gelegenen Grundstücke einerseits und auf die Gemeinde als „Repräsentantin“ der Allgemeinheit andererseits aufzuteilen ist. Denn es liegt auf der Hand, dass eine jede öffentliche Straße nicht nur unbedeutend im Sinn von Art. 5 Abs. 3 Satz 1 KAG der Allgemeinheit zugutekommt. (Matloch/Wiens, Das Erschließungsbeitragsrecht in Theorie und Praxis, Stand: Januar 2016, Rn. 2121). Dies bedeutet, dass Eigentümeranteil und Gemeindeanteil zusammengezählt den beitragsfähigen Aufwand ausmachen müssen.

Auf der Grundlage dieser zwingend in der Ausbaubeitragssatzung umzusetzenden Vorschrift hat der Satzungsgeber darüber zu entscheiden, wie hoch der Eigentümeranteil und wie hoch der Gemeindeanteil sein soll. Dies ist - direkt oder indirekt - als bestimmter Prozentsatz zu bezeichnen (Driehaus, Das Erschließungsbeitragsrecht in Theorie und Praxis, 9. Auflage 2012, § 34 Rn. 6). Auf der Grundlage von Art. 5 Abs. 3 Satz 2 und Satz 3 KAG ist einziges Kriterium für die Aufteilung des beitragsfähigen Aufwandes auf die Grundstückseigentümer und die Gemeinde der „Vorteil für die Allgemeinheit“; dieser muss „angemessen“ berücksichtigt werden. Der Begriff „Vorteil“ meint in diesem Zusammenhang den wirtschaftlichen Vorteil (Driehaus, a.a.O., § 34 Rn. 4 m.w.N.). Dies bedeutet, dass bei der Entscheidung des Satzungsgebers über die Eigenbeteiligung der Gemeinde und damit über die Belastung der Eigentümer der anliegenden Grundstücke „kein Raum für die Beachtung etwa von sozial- oder finanzpolitischen Erwägungen“ (vgl. Driehaus, a.a.O., § 34 Rn. 4 m.w.N.; vgl. auch BayVGH, U.v. 29.10.1984 - 6 B 82A.2893 - VGH n.F. 37, 142, 143; U.v. 9.11.2016, 6 B 15.2732 - juris Rn. 45) ist. In diesem Zusammenhang spielt auch die Vorschrift des Art. 5 Abs. 1 Satz 3 KAG eine Rolle, wonach für die Verbesserung und Erneuerung von Ortsstraßen und beschränkt-öffentlichen Wegen Beiträge erhoben werden „sollen“. Hiernach ist der Satzungsgeber in der Regel dazu verpflichtet, derartige Beiträge von den Eigentümern und Erbbauberechtigten der bevorteilten Grundstücke zu erheben. Dies gilt zunächst - wie der Bayerische Verwaltungsgerichtshof in seinem Urteil vom 9. November 2016 (6 B 15.2732 - juris) entschieden hat - für die Frage, ob überhaupt Beiträge für den Ausbau von gemeindlichen Straßen erhoben werden. Die Verpflichtung zur Erhebung von Beiträgen muss jedoch auch in gleichem Maße Auswirkungen auf die Beantwortung der Frage haben, welcher Anteil des beitragsfähigen Aufwands auf die Grundstückseigentümer und welcher Anteil auf die Gemeinde als Repräsentantin der Allgemeinheit umzulegen ist. Ist es nämlich dem Satzungsgeber verwehrt, auf der Grundlage etwa sozialpolitischer oder finanzwirtschaftlicher Überlegungen zugunsten der Eigentümer und Erbbauberechtigten der von der beitragsfähigen Straßenbaumaßnahme bevorteilten Grundstücke auf die Erhebung von Straßenausbaubeiträgen zur Gänze zu verzichten mit der Folge, dass die in Rede stehenden Mittel von anderen aufgebracht werden müssen oder zur Erfüllung anderer gemeindlicher Aufgaben fehlen (so BayVGH, U.v. 9.11.2016 - 6 B 15.2732 - juris LS 4), muss dies auch für die Bestimmung der Höhe des Anteils der Gemeinde als Repräsentantin der Allgemeinheit gelten. Eine Bestimmung dieses Anteils unter Zugrundelegung einer Motivation, die nicht allein den wirtschaftlichen Vorteil der Allgemeinheit in den Blick nimmt, sondern sich etwa zu Gunsten der Grundstückseigentümer und zu Lasten der gemeindlichen Finanzen auf sozialpolitische oder andere sachfremde Erwägungen stützt, kommt einem Teil-Verzicht der Gemeinde auf die Erhebung von Straßenausbaubeiträgen gleich und ist damit auf der Grundlage des vorgenannten Urteil des Bayer. Verwaltungsgerichtshofs unzulässig (vgl. hierzu auch Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, 9. Auflage, 2012, § 34 Rn. 9 m.w.N.).

Für die Bestimmung der Höhe des Vorteils der von der beitragsfähigen Straßenbaumaßnahme bevorteilten Grundstücke einerseits und der Allgemeinheit, repräsentiert durch die Gemeinde, andererseits unter Berücksichtigung der Vorschrift des Art. 5 Abs. 3 Satz 2 und Satz 3 KAG hat der Bayer. Verwaltungsgerichtshof in seinem Urteil vom 23. Oktober 1984 (6 B 82A.2893 - VGH n.F. 37, 142) Mindestvorgaben gemacht, die insbesondere die in Art. 5 Abs. 3 Satz 3 KAG vorgeschriebene „vorteilsgerecht abgestufte“ Eigenbeteiligung in den Blick nehmen. Hiernach hat der Satzungsgeber bei seiner Wertung zu berücksichtigen, ob und inwieweit den Anliegern durch ihre räumliche Beziehung zu der Straße und deren Inanspruchnahme ein Vorteil zuwächst und in welchem Umfang der Vorteil der Allgemeinheit sich hierdurch gegebenenfalls verringert. Entscheidendes Kriterium ist dabei das Maß der zu erwartenden Inanspruchnahme der ausgebauten Straße durch die Anlieger einerseits und durch die Allgemeinheit andererseits (vgl. auch Driehaus, a.a.O., § 34 Rn. 8). Um dem gerecht zu werden, hat der Satzungsgeber eine sachgerechte Typisierung der Gemeindestraßen vorzunehmen, um deren Verkehrsbedeutung insbesondere für die Allgemeinheit angemessen zu berücksichtigen. Denn die Verkehrsbedeutung ist bei der Abgrenzung zwischen dem individuellen Vorteil des Anliegers und dem Vorteil der Allgemeinheit und bei deren Abwägung gegeneinander das wichtigste Kriterium. In diesem Zusammenhang sieht es der Bayer. Verwaltungsgerichtshof als notwendig an, zumindest drei Straßenkategorien entsprechend der Verkehrsfunktion aufzustellen, nämlich Wohnstraßen, Straßen mit starkem innerörtlichen Verkehr und Durchgangsstraßen (BayVGH, U.v. 29.10.1984, a.a.O.). Denn die unterschiedliche Verkehrsfunktion der gemeindlichen Straßen bietet einen greifbaren Anhaltspunkt, den Vorteil der Allgemeinheit einzugrenzen. Zumindest bei den drei Grundtypen Anliegerstraße, innerörtliche Erschließungsstraße und Durchgangsstraße (vgl. Driehaus, a.a.O., § 34 Rn. 11: nunmehr in der Regel als Anliegerstraße, Haupterschließungsstraße und Hauptverkehrsstraße bezeichnet) ist, so der Bayer. Verwaltungsgerichtshof (U.v. 29.10.1984 - a.a.O.), die Beurteilung der Verkehrsbedeutung ohne offenkundige Schwierigkeiten zu vollziehen, wobei für die konkrete Einordnung die in der Satzung notwendigerweise enthaltene Beschreibung des jeweiligen Straßentyps heranzuziehen ist. In diesem vom Bayer. Verwaltungsgerichtshof vorgegebenen System ist notwendigerweise eine auf den Grundsätzen der Praktikabilität und der Typengerechtigkeit beruhende gewisse Pauschalierung mit der Tendenz zur Nichtberücksichtigung individueller Besonderheiten enthalten (Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, 9. Auflage 2012, § 34 Rn. 11).

Allerdings ist es der Gemeinde unbenommen, weitere Differenzierungen vorzunehmen. Zu beachten ist weiterhin, dass zusätzlich zwischen den einzelnen Teileinrichtungen zu differenzieren ist (Driehaus, a.a.O., § 34 Rn. 11; BayVGH, U.v. 29.10.1984 - VGH n.F. 37, 142; U.v. 16.8.2001 - 6 B 97.111 - juris).

Auf dieser Grundlage hat der Satzungsgeber die entsprechenden Straßenkategorien zu bestimmen und ihnen eine angemessene Eigenbeteiligung der Gemeinde, orientiert an der Inanspruchnahme der Einrichtung durch die Allgemeinheit, zuzuordnen. Allerdings entziehen sich die aus Straßenbaumaßnahmen erwachsenden Vorteile einer rechnerisch exakten Bemessung von vornherein, sodass nur nach einem Wahrscheinlichkeitsmaßstab vorgegangen werden kann (BayVGH, U.v. 16.8.2001 - 6 B 97.111 - juris Rn. 14), zumal die Bestimmung des Vorteils der jeweiligen Straßenkategorie gemäß Art. 5 Abs. 3 Satz 3 KAG die vorteilsgerecht abgestufte Eigenbeteiligung „einheitlich für das gesamte Gemeindegebiet vorzusehen“ hat.

Damit ist dem Satzungsgeber ein Bewertungsspielraum zuzubilligen, für den das Vorteilsprinzip allerdings Grenzen, sowohl eine Oberwie auch eine Untergrenze, vorgibt (Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, 9. Auflage 2012, § 34 Rn. 8).

Für die entsprechende Vorteilsabwägung hat der Satzungsgeber das Maß der schätzungsweise zur erwartenden Nutzung der Gesamtheit der Straßen der entsprechenden Straßenkategorie im Gemeindegebiet (vgl. Art. 5 Abs. 3 Satz 3 KAG) durch die Grundstückseigentümer einerseits und durch die Allgemeinheit andererseits gegenüber zu stellen und auf dieser Grundlage die jeweiligen Anteilssätze zu bestimmen (Driehaus, Erschließungs- und Straßenausbaubeitragsrecht in Aufsätzen, 2. Auflage 2009, Der Gemeindeanteil im Straßenausbaubeitragsrecht, S. 341 ff., 344).

In dieser Hinsicht ist zu beachten, dass der Ziel- und Quellverkehr der angrenzenden Grundstücke das kennzeichnende Moment für den Anliegerverkehr bildet. Demgegenüber dienen Hauptverkehrsstraßen ganz überwiegend dem Durchgangsverkehr, so dass dieser für die Bestimmung des diesbezüglichen gemeindlichen Anteils maßgeblich ist. Damit drängt sich auf, dass sich bei Haupterschließungsstraßen Anlieger- und Durchgangsverkehr in etwa als gleichwertig erweisen (BayVGH, U.v. 9.2.2012 - 6 B 10.865 - juris Rn. 18; U.v. 21.1.1993 - 6 B 90.510 - juris, Driehaus, a.a.O., § 34 Rn. 32). Dabei geht es nicht um rechnerisch exakte Größenordnungen, sondern, wie es dem Grundsatz der Typengerechtigkeit entspricht, um einen Schwerpunkt der Straßennutzung. Allgemein in diesem Zusammenhang ist zu beachten, dass Anliegerverkehr im Sinne der genannten Vorschriften nicht allein derjenige Verkehr ist, der von und zu den direkt an der ausgebauten Straße anliegenden Grundstücken fließt; vielmehr ist auf den kleinräumigen Ziel- und Quellverkehr aus dem betreffenden Bauquartier abzustellen. Bei diesem Verkehr aus dem kleinräumigen Umfeld handelt es sich nicht um „durchgehenden innerörtlichen Verkehr“, wie er zur Einstufung als Haupterschließungsstraße oder Hauptverkehrsstraße erforderlich wäre. Er ist vielmehr dem Anliegerverkehr zuzuordnen. Denn in der durch das Gesetz vorgeschriebenen Abstufung der Straßenkategorien ist eine an einem Grobraster orientierte, die Verkehrsunterschiede betonende und daher an die Merkmale kleinräumig, innerörtlich durchgehend und überörtlich durchführend anknüpfende Aufteilung angelegt, die durch eine starr auf die einzelne Einrichtung bezogene Beurteilung verwischt wird (vgl. BayVGH, U.v. 9.2.2012 - 6 B 10.865 - juris Rn. 20 m.w.N.; B.v. 27.7.2012 - 6 ZB 12.796 - juris Rn. 11).

Innerhalb dieses Rahmens schließt der schon oben genannte dem Satzungsgeber zustehende Beurteilungsspielraum nach der Ansicht des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz (vgl. U.v. 9.9.2015 - 6 A 10447/15 - KStZ 2016, 74, 75) eine geringe Bandbreite (+/- 5 v.H.) mehrerer vertretbarer Vorteilssätze ein, die einen Ausgleich für die insbesondere tatsächliche Unsicherheit bieten soll, welche mit der Bewertung der Anteile des Anliegersowie des Durchgangsverkehrs zwangsläufig verbunden ist.

Die Mustersatzung des Bayer. Gemeindetages (Thimet, Kommunalabgaben- und Ortsrecht in Bayern, Stand: September 2016, Teil VI Ziff. 2.16) definiert als Anliegerstraßen die Straßen, die ganz überwiegend der Erschließung der Grundstücke dienen (§ 6 Abs. 3 Nr. 1); für diese ist ein für alle Teileinrichtungen einheitlicher Gemeindeanteil in Höhe von 20 v.H. vorgesehen (§ 6 Abs. 2 Nr. 1.1). Haupterschließungsstraßen sind definiert als Straßen, die der Erschließung von Grundstücken und gleichzeitig dem durchgehenden innerörtlichen Verkehr dienen und nicht Hauptverkehrsstraßen sind (§ 6 Abs. 3 Nr. 2); für diese ist bezüglich der Fahrbahn ein Gemeindeanteil von 50 v.H., für die anderen Teileinrichtungen ein solcher in Höhe von 35 v.H. vorgesehen (§ 6 Abs. 2 Nr. 1.2). Hauptverkehrsstraßen sind definiert als Straßen, die ganz überwiegend dem durchgehenden innerörtlichen und/oder überörtlichen Durchgangsverkehr dienen (§ 6 Abs. 3 Nr. 3); für sie ist eine Gemeindeanteil in Höhe von 70 v.H. (Fahrbahn) bzw. 45 v.H. (sonstige Teileinrichtungen) bestimmt (§ 6 Abs. 2 Nr. 1.3).

Die hierzu vorhandene Rechtsprechung billigt in der Regel - unter anderem auch abhängig von der Definition der einzelnen Straßenkategorien in der konkreten Satzung - bezogen auf die Fahrbahn (anders zum Teil bei den weiteren Teileinrichtungen) bei Anliegerstraßen Gemeindeanteile in Höhe von 20 v.H. bis 40 v.H., bei Haupterschließungsstraßen von etwa 40 v.H. bis 60 v.H. und bei Hauptverkehrsstraßen von 70 v.H. bis 80 v.H. (Matloch/Wiens, Das Erschließungsbeitragsrecht in Theorie und Praxis, Stand: Januar 2016, Rn. 2121; Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, 9. Auflage 2012, § 34 Rn. 17; BayVGH, U.v. 4.2.2005 - 6 ZB 02.319 - juris Rn. 21; VG Ansbach, U.v. 14.11.2005 - AN 18 K 04.740 - BeckRS 2005.3411; VG Würzburg, U.v. 23.10.2014 - W 3 K 13.692 - juris). Allerdings wird durchgängig verlangt, dass bei Anliegerstraßen der Anliegeranteil den Gemeindeanteil deutlich übersteigt (Driehaus, a.a.O., § 34 Rn. 11 und Rn. 17).

Will der Satzungsgeber signifikant von den Durchschnittswerten abweichen, bewegt sich seine Entscheidung nur dann noch im durch das Vorteilsprinzip vorgesehenen (Bewertungs-)Rahmen, wenn er aufgrund valider Daten ermittelt hat, dass eine Abweichung gerechtfertigt ist (vgl. Driehaus, a.a.O., § 34 Rn. 17).

Die Festsetzung des Gemeindeanteils durch den Satzungsgeber ist ein Akt der gemeindlichen Rechtssetzung. Sie kann deshalb wie jeder andere Gesetzgebungsakt gerichtlich nur daraufhin überprüft werden, ob die Gemeinde den durch das Vorteilsprinzip des Art. 5 Abs. 3 Satz 1 bis 3 KAG gesteckten Rahmen überschritten hat; es handelt sich um eine „ortgesetzgeberische Ermessens- und Gestaltungsentscheidung“ (Driehaus, a.a.O., § 34 Rn. 7 m.w.N.). Dies beruht darauf, dass mangels exakter Berechenbarkeit nur von einem Wahrscheinlichkeitsmaßstab ausgegangen werden kann, aus dem heraus dem Satzungsgeber ein Bewertungsspielraum zuzubilligen ist, der nicht voll der gerichtlichen Kontrolle unterliegt. Die Ermächtigung des Satzungsgebers, einen Spielraum auszuschöpfen, findet ihre rechtliche Grenze erst in den allgemeinen abgaberechtlichen Grundsätzen des Prinzips, dass der Beitrag einen Ausgleich für den Vorteil darstellen muss, der Verhältnismäßigkeit und des Willkürverbots (BayVGH, U.v. 16.8.2001 - 6 B 97.111 - juris Rn. 14; BVerwG, U.v. 10.6.1981 - 8 C 15.81 - BVerwGE 62, 300, 302; vgl. zu Bewertungsspielräumen der Verwaltung allgemein auch Rennert in Eyermann, VwGO, Kommentar 14. Auflage 2014, § 114 Rn. 51 ff.).

Auf dieser rechtlichen Grundlage und innerhalb des dem Gericht zustehenden Überprüfungsrahmens ergibt sich, dass die Beklagte mit ihrer ABS 2010 den ihr zustehenden Gestaltungsspielraum überschritten hat.

Die Beklagte hat in § 5 Abs. 3 ABS 2010 insgesamt fünf verschiedene Straßenkategorien festgelegt und ihnen in § 7 Abs. 2 ABS 2010 bestimmte Eigenbeteiligungen der Gemeinde zugeordnet. Die Definition der Straßenkategorien entspricht insoweit dem oben zitierten Wortlaut der Mustersatzung des Bayer. Gemeindetages.

§ 7 Abs. 2 ABS 2010 enthält folgende Eigenbeteiligungen:

- Anliegerstraßen: sämtliche Teileinrichtungen 35 v.H.

- Haupterschließungsstraßen: Fahrbahn 65 v.H., sonstige Teileinrichtungen 50 v.H.

- Hauptverkehrsstraßen: Fahrbahn 85 v.H., sonstige Teileinrichtungen 65 v.H.

- Verkehrsberuhigte Bereiche und Fußgängerbereiche: Auf § 7 Abs. 2 Nr. 4 und Nr. 5 ABS 2010 wird Bezug genommen.

Unabhängig von der Frage nach der Überschreitung des dem Satzungsgeber durch das Vorteilsprinzip vorgegebenen Rahmens durch die für die Festlegung dieser Eigenbeteiligungen herangezogene Begründung erscheint es sehr fraglich, ob allein schon diese Eigenbeteiligungen an sich den gesetzgeberischen Rahmen überschreiten. Das vom Bayer. Verwaltungsgerichtshof festgelegte System definiert Anliegerstraßen als „ganz überwiegend“ der Erschließung von Grundstücken, Hauptverkehrsstraßen als „ganz überwiegend“ dem durchgehenden innerörtlichen und/oder überörtlichen Verkehr und Haupterschließungsstraßen als der Erschließung von Grundstücken und gleichzeitig dem durchgehenden innerörtlichen Verkehr dienend. Damit drängt es sich auf, den Begriff „ganz überwiegend“ hinsichtlich Anliegerstraßen und Hauptverkehrsstraßen identisch zu verstehen. Wird aber für eine „ganz überwiegend“ der Erschließung von Grundstücken dienende Anliegerstraße (jeweils bezogen auf die Teileinrichtung Fahrbahn) zu 65 v.H. von den Anliegern finanziert und zu 35 v.H. von der Gemeinde, demgegenüber eine „ganz überwiegend“ dem Durchgangsverkehr dienende Hauptverkehrsstraße aber nicht „spiegelbildlich“ zu 35 v.H. von den Anliegern und zu 65 v.H. von der Gemeinde, sondern zu 15 v.H. von den Anliegern und zu 85 v.H. von der Gemeinde, erscheint es zweifelhaft, ob hierin noch ein willkürfreies Vorgehen erkennbar ist. Gleiches gilt für Haupterschließungsstraßen; diese erweisen sich, wie oben ausgeführt, als „Zwischenkategorie“ und als für den Anlieger- und Durchgangsverkehr in etwa gleichwertig. Deren beitragsfähige Kosten sind im vorliegenden Fall jedoch zu 35 v.H. von den Anliegern und zu 65 v.H. von der Gemeinde zu tragen (jeweils bezogen auf die Teileinrichtung Fahrbahn). Hierin ist eine sehr deutliche Abweichung zu der vom Bayer. Verwaltungsgerichtshof (U.v. 9.2.2012 - 6 B 10.865 - juris Rn. 18) verwendeten Formulierung „in etwa gleichwertig“ zu sehen. Vergleichbare Überlegungen ergeben sich im Übrigen für die weiteren Teileinrichtungen.

Ob allerdings diese „Schieflage“ des gesamten Systems zu Gunsten der Grundstückseigentümer und zu Lasten der Gemeinde als Repräsentantin der Allgemeinheit für sich genommen schon dem von Art. 5 Abs. 3 KAG vorgegebenen Vorteilsprinzip widerspricht, kann offenbleiben, denn im vorliegenden Fall führt die vom Gemeinderat beim Erlass der ABS 2010 herangezogene Begründung für die Festsetzung der Eigenbeteiligungssätze in § 7 Abs. 2 ABS 2010 zu deren Fehlerhaftigkeit.

In seiner Sitzung vom 20. Dezember 2004 hat der Gemeinderat der Beklagten auf der Grundlage der Erkenntnis, dass die Vorgängersatzung vom 15. Oktober 1996 nichtig sei, den Erlass einer neuen Ausbaubeitragssatzung beschlossen, die - wie sich aus der Sitzungsniederschrift vom 21. Februar 2005 ergibt - der Mustersatzung des Bayer. Gemeindetags entsprach. Diese Satzung wurde allerdings nie veröffentlicht. In der Sitzung vom 21. Februar 2005 hat der Gemeinderat eine Ausbaubeitragssatzung beschlossen, die am 2. März 2005 ausgefertigt worden ist (ABS 2005). Hierin waren sämtliche in § 7 Abs. 2 ABS 2005 festgelegten Eigenbeteiligungssätze der Gemeinde gegenüber der am 20. Dezember 2004 beschlossenen Satzung um 10 v.H. erhöht mit der Begründung, nach der am 20. Dezember 2004 beschlossenen Satzung hätten die Grundstückseigentümer einen höheren Beitrag als nach der „bisherigen Satzung“ (gemeint war damit offensichtlich die Ausbaubeitragssatzung vom 15. Oktober 1996, die am 14. Oktober 1996 mit der Begründung, sie bedeute eine eindeutige Entlastung für die Bürger, vom Gemeinderat beschlossen wurde) bezahlen müssen.

In der Gemeinderatssitzung vom 19. April 2010 hat der Gemeinderat die ABS 2010 beschlossen. Diese unterscheidet sich von der ABS 2005 zum einen dadurch, dass die Tiefenbegrenzung in § 8 Abs. 3 Nr. 2 von 50 m auf 40 m herabgesetzt wird; zum anderen unterscheidet sie sich von der ABS 2005 dadurch, dass sämtliche in § 7 Abs. 2 festgelegten Eigenbeteiligungssätze der Gemeinde um 5 v.H. angehoben und damit die auf die Anliegergrundstücke umzulegenden Anteile um 5 v.H. gesenkt werden. In der Niederschrift über die Gemeinderatssitzung vom 19. April 2010, Top 1, heißt es wörtlich unter der Überschrift: „Neuerlass einer Straßenausbaubeitragssatzung:“ „Die Verwaltung hat die Satzung über die Erhebung von Beiträgen zur Deckung des Aufwands für die Herstellung, Anschaffung, Verbesserung oder Erneuerung von Straßen, Wegen, Plätzen, Parkplätzen, Grünanlagen und Spielplätzen überarbeitet und dem neuesten Musterentwurf des Bayer. Gemeindetages angepasst. Die neuen Regelungen sehen in erster Linie Entlastungen für die Bürger vor. So wurde u.a. der von der Gemeinde einzubringende Eigenanteil auf 15 Prozent festgesetzt. Außerdem wurde eine Tiefenbegrenzung von 40 m festgelegt.“ Abgesehen davon, dass die Bemerkung, der von der Gemeinde einzubringende Eigenanteil werde auf 15 Prozent festgesetzt, keinen Sinn ergibt (sinnhaft wäre allenfalls die Bemerkung, die Eigenbeteiligung der Gemeinde sei gegenüber der Mustersatzung einheitlich um 15 v.H. angehoben worden), stützt sich der Gemeinderat zur Begründung der Anhebung der Eigenbeteiligung der Beklagten allein auf das Argument, die neuen Regelungen sähen Entlastungen für die „Bürger“ (gemeint können hier nur die beitragspflichtigen Grundstückseigentümer und Erbbauberechtigten sein) vor. Die in diesem Satz enthaltene Einschränkung „in erster Linie“ ist nicht dazu geeignet, die Motivation des Gemeinderates, die „Bürger“ zu entlasten, zu relativieren, denn es findet sich keinerlei Argument, das „in zweiter Linie“ für die Anhebung der Eigenbeteiligung der Gemeinde zum Tragen kommen könnte.

Dies bedeutet, dass allein die Erwägung des Gemeinderats, die „Bürger“, also die Beitragspflichtigen, zu entlasten, das tragende Argument für die Aufhebung der ABS 2005 und den Erlass der ABS 2010 war. Denn die „neuen Regelungen“ (vgl. Niederschrift vom 19.4.2010), d.h. also dasjenige, was in der ABS 2010 im Vergleich zur ABS 2005 geändert wurde, führt ausschließlich zu einer Entlastung der Beitragspflichtigen. Bei der Erhöhung der Eigenbeteiligung der Gemeinde durchgängig um 5 v.H. liegt das auf der Hand. Auch die Änderung der Tiefenbegrenzung in § 8 Abs. 3 Nr. 2 ABS 2010 mit der Herabsetzung von 50 m auf 40 m Tiefe führt zu einer Entlastung derjenigen Grundstückseigentümer, auf deren Grundstücke die Tiefenbegrenzungsregelung anzuwenden ist. Damit beruht der Neuerlass der ABS 2010 mit der Anhebung der Eigenbeteiligung der Gemeinde und der Reduzierung der Tiefenbegrenzung im Vergleich zur ABS 2005 nicht einmal ansatzweise auf der Erkenntnis, dass der Durchgangsverkehr auf sämtlichen gemeindlichen Straßen im Verhältnis zum Anliegerverkehr um 5 v.H. angewachsen ist; er beruht vielmehr auf der sozialpolitischen Erwägung, die den Beitragspflichtigen durch die Erhebung von Straßenausbaubeiträgen auferlegte Last solle verringert werden. Damit hat der Satzungsgeber den vom Vorteilsprinzip gesteckten Rahmen seines Handelns verlassen; denn nicht das Vorteilsprinzip mit der Erwägung, der Durchgangsverkehr sei auf allen gemeindlichen Straßen um etwa 5 v.H. angestiegen, war Grundlage seiner Entscheidung, sondern eine falsch verstandene „Fürsorge“ für die Eigentümer und Erbbauberechtigten der von der Erhebung von Straßenausbaubeiträgen betroffenen Grundstücke. Dies führt zu einer aus dem Vorteilsprinzip nicht zu rechtfertigenden Besserstellung dieser Personen mit der zwingenden - spiegelbildlichen - Folge, dass der Sache nach sämtliche Einwohner der Gemeinde die Besserstellung der betroffenen Grundstückseigentümer ausgleichen müssen. Diese werden zwar nicht zu entsprechenden Zahlungen herangezogen; allerdings stehen die finanziellen Mittel, die die Beklagte auf der Grundlage der Erhöhung ihres Eigenanteils zusätzlich aufbringen müsste, ungerechtfertigterweise nicht mehr dazu zur Verfügung, anderweitig zu Gunsten aller Gemeindeeinwohner, in welcher Art und Weise auch immer, tätig zu werden. Damit erweist sich die vom Vorteilsprinzip nicht getragene Erwägung des Gemeinderats beim Erlass der ABS 2010 als sachfremd und somit als willkürlich. Dies unterfällt jedoch - anders als Entscheidungen des Gemeinderates innerhalb seines Bewertungsspielraums - der vollen gerichtlichen Kontrolle.

Dem kann nicht entgegengehalten werden, der Gemeinderat habe immer einen Bewertungsspielraum (mit einem Rahmen von etwa 10 v.H., vgl. Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, 9. Auflage 2012, § 34 Rn. 8 unter Hinweis auf OVG Koblenz, U.v. 7.12.2014 - 6 A 11406/04 - KStZ 05, 217), in dessen Rahmen er sich ohne weitere Erwägungen und unabhängig von der Motivation, die „Bürger“ zu entlasten, bewegen dürfe, weshalb die ABS 2010 nicht zu beanstanden sei. Zum einen hat der Gemeinderat - wie sich aus der Sitzungsniederschrift vom 19. April 2010 ergibt - von dem ihm zustehenden Bewertungsspielraum erkennbar keinerlei Gebrauch gemacht. Vielmehr hat er sich ausdrücklich allein (zur Formulierung „in erster Linie“, vergleiche oben) auf die Erwägung gestützt, die „Bürger“ zu entlasten. Zum anderen wäre aber auch eine - unausgesprochen im Raum stehende und vom Protokoll nicht erfasste - Erwägung, man habe einen Bewertungsspielraum, in dessen Rahmen man frei entscheiden könne, fehlerhaft. Grundlage für die Bemessung der Eigenbeteiligung der Gemeinde ist, wie oben ausgeführt, ausschließlich das Vorteilsprinzip; hierbei ist die vom Bayer. Verwaltungsgerichtshof vorgegebene Mindestanzahl der Straßenkategorien und ihre unterschiedliche Ausprägung zu beachten. Je eindeutiger die festgelegte Eigenbeteiligung diesem System entspricht, umso weniger ist eine explizite Erwägung des Satzungsgebers hierzu erforderlich. Dies bedeutet, dass eine Eigenbeteiligung von 20 v.H. für Straßen, die „ganz überwiegend“ der Erschließung von Grundstücken dienen, regelmäßig genauso keiner weiteren expliziten Begründung bedarf, wie eine (spiegelbildliche) Eigenbeteiligung von 80 v.H. (für die Fahrbahn; entsprechend angepasst für die weiteren Teileinrichtungen) für Straßen, die „ganz überwiegend“ dem Durchgangsverkehr dienen. Gleiches gilt für eine Eigenbeteiligung von 50 v.H. (für die Fahrbahn; entsprechend angepasst für die weiteren Teileinrichtungen) für Straßen, die der Erschließung von Grundstücken und gleichzeitig dem Durchgangsverkehr dienen. Je weiter sich der Satzungsgeber von derart eindeutigen dem Vorteilsprinzip entsprechenden Eigenbeteiligungen entfernt, umso eher ist eine explizite Begründung erforderlich, warum er eine dem Definitionswortlaut der Anliegerstraßen, Haupterschließungsstraßen und Hauptverkehrsstraßen nicht mehr eindeutig folgende Bewertung des Verhältnisses von Anliegerverkehr zu Durchgangsverkehr vornimmt.

Hat aber der Satzungsgeber einmal eine entsprechende Bewertung vorgenommen und in einer Satzung Eigenbeteiligungen festgelegt, ist eine explizite Begründung erforderlich, will er nunmehr in einer neuen Satzung (oder in einer Änderungssatzung) die Eigenbeteiligung der Gemeinde erhöhen. Je weiter er sich hierbei von den (oben genannten) eindeutig das Vorteilsprinzip wiederspiegelnden Eigenbeteiligungen entfernt, umso eher ist ein bloßer Verweis auf seinen Bewertungsspielraum unzureichend. Vielmehr werden in derartigen Fällen konkrete und tragfähige, durch „valide Daten“ (vgl. Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, 9. Auflage 2012, § 34 Rn. 17 unter Verweis auf das Satzungsmuster des Bayer. Gemeindetages, BayGT 4/2002, Erläuterungen zu § 7) unterfütterte Ausführungen erforderlich, ob abweichend von der früheren Bewertung sich das Verhältnis zwischen Anliegerverkehr und Durchgangsverkehr geändert hat.

So liegt der Fall hier. Die in der ABS 2005 enthaltenen Eigenbeteiligungen wichen bereits um 10 v.H. von den in der Mustersatzung vorgeschlagenen und eindeutig den Vorgaben des § 7 Abs. 3 ABS entsprechenden Eigenbeteiligungen ab. Sollen sie nun nochmals um 5 v.H. angehoben werden, ist eine diesbezügliche inhaltlich nachvollziehbare Begründung erforderlich, die sich auf das Vorteilsprinzip stützen kann. Es ist allerdings nicht einmal ansatzweise erkennbar, dass der Gemeinderat derartige Erwägungen angestellt hat. Damit kann die Überlegung, der Gemeinderat habe ohnehin einen Bewertungsspielraum, innerhalb dessen er sich bewegt habe, sodass die zusätzliche Motivation, die „Bürger“ zu entlasten, unbeachtlich sei, keine Beachtung finden.

Auf dieser Grundlage gelangt das Gericht zu der Erkenntnis, dass sich die Beklagte bei der Festlegung der in § 7 Abs. 2 ABS 2010 enthaltenen Eigenbeteiligungen der Gemeinde von sachfremden und damit von willkürlichen Erwägungen, die dem in Art. 5 Abs. 1, Abs. 3 KAG festgelegten Vorteilsprinzip zuwiderlaufen, hat leiten lassen. Damit erweist sich § 7 Abs. 2 ABS 2010 als fehlerhaft und als nichtig.

Dies führt zur Gesamtnichtigkeit der ABS 2010. Die Abgrenzung, ob ein materieller Satzungsmangel zur Teilnichtigkeit oder Gesamtnichtigkeit einer Abgabesatzung führt, orientiert sich an dem auch im öffentlichen Recht, speziell im Satzungsrecht geltenden Grundsatz der „Teilnichtigkeit“ zivilrechtlicher Willenserklärungen nach § 139 BGB. Eine Abgabesatzung ist dann insgesamt nichtig, wenn die nichtige Regelung mit den übrigen Bestimmungen so verflochten ist, dass sie eine untrennbare Einheit bilden, die nicht in einzelne Bestandteile zerlegt werden kann, wenn es wegen der Teilnichtigkeit einer Regelung an einem für die ganze Satzung unerlässlichen Bestandteil fehlt oder wenn anzunehmen ist, dass bei objektiver, am Sinn und Zweck der Norm orientierter Betrachtungsweise die gesamte Regelung ohne die nichtige Teilregelung so nicht getroffen worden wäre (BayVGH, U.v. 11.3.2010 - 20 B 09.1890 - juris Rn. 35 m.w.N.). So liegt der Fall hier. Denn mit dem Wegfall der Regelungen in § 7 Abs. 2 ABS 2010 über die Eigenbeteiligungen der Gemeinde ist keine Bestimmung dieses Anteils mehr möglich und damit auch keine Bestimmung des Anteils der betreffenden Grundstückseigentümer und Erbbauberechtigten und demzufolge die Höhe der sie betreffenden Beitragspflicht. Damit führt die Teilnichtigkeit von § 7 Abs. 2 ABS 2010 zur Gesamtnichtigkeit dieser Satzung.

Eine Rückgriff auf die ABS 2005 scheitert - unabhängig von der Frage, ob die in deren § 7 Abs. 2 enthaltenen Eigenbeteiligungen der Gemeinde wirksam festgelegt wurden - bereits daran, dass die Beklagte durch § 13 Abs. 2 ABS 2010 klargestellt hat, dass die Vorgängersatzung außer Kraft treten soll. Es gibt keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass der Gemeinderat dies vom wirksamen Neuerlass der ABS 2010 abhängig machen wollte. Die Beklagte hat durch den Neuerlass ihrer Satzung vielmehr klargestellt, dass sie kein Interesse mehr an der Gültigkeit der ABS 2005 hat (vgl. BayVGH, U.v. 16.8.2001 - 6 B 97.111 - BayVBl 2002, 734/736).

Liegt aber dem angegriffenen Bescheid vom 18. Oktober 2010 keine wirksame Rechtsgrundlage in Gestalt einer gültigen Abgabesatzung zugrunde, erweist sich dieser Bescheid schon deshalb als rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO), ohne dass es auf die sonstigen Einwendungen des Klägers ankäme. Der Bescheid vom 18. Oktober 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids des Landratsamts H. vom 29. Oktober 2015 ist daher mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO aufzuheben. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, § 711 ZPO.

Die Kammer hat gemäß § 124a Abs. 1 Satz 1, § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO die Berufung zugelassen, da die Rechtssache, hier also die Frage, ob eine Ausbaubeitragssatzung, in welcher die Eigenbeteiligung der Gemeinde auf der Grundlage der Motivation, die betroffenen Grundstückseigentümer und Erbbauberechtigten zu entlasten, festgesetzt wurde, nichtig ist, grundsätzliche Bedeutung hat und - soweit ersichtlich - noch nicht obergerichtlich entschieden worden ist.

Tenor

I.

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts München vom 28. Oktober 2014 - M 2 K 14.1641 -wird zurückgewiesen.

II.

Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

III.

Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, sofern nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

IV.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Klägerin, eine im Umland von München gelegene kreisangehörige Gemeinde mit etwa 9.000 Einwohnern, wendet sich gegen eine rechtsaufsichtliche Maßnahme, mit der die von ihrem Gemeinderat beschlossene Aufhebung der Straßenausbaubeitragssatzung beanstandet wurde.

1. Nachdem das Landratsamt München als zuständige Rechtsaufsichtsbehörde wiederholt auf die Soll-Vorschrift des Art. 5 Abs. 1 Satz 3 KAG zur Erhebung von Beiträgen für die Erneuerung und Verbesserung von Ortsstraßen und beschränkt-öffentlichen Wegen hingewiesen hatte, beschloss der Gemeinderat der Klägerin am 23. April 2009 erstmals eine Satzung für die Erhebung eines Straßenausbaubeitrags. An deren Stelle trat die am 1. Januar 2011 in Kraft gesetzte Satzung über die Erhebung von Beiträgen zur Deckung des Aufwands für die Herstellung, Anschaffung, Verbesserung oder Erneuerung von Straßen, Wegen, Plätzen, Parkplätzen, Grünanlagen und Kinderspielplätzen (Ausbaubeitragssatzung - ABS) vom 1. Dezember 2010.

Am 21. November 2013 beschloss der Gemeinderat mit 11 zu 7 Stimmen „eine Satzung zur Aufhebung der Straßenausbaubeitragssatzung vom 01.01.2011“ ohne weitere textliche Festlegung. In dem zugrunde liegenden Antrag einer Gemeinderatsfraktion heißt es, dass aufgrund der Reduzierung des Schuldenstands (von 7.967.740 € am 31.12.2006 auf 3.375.278 € am 31.12.2013) und der Erhöhung der Rücklagen (von 2.363.278 € am 31.12.2006 auf 8.731.505 € am 31.12.2013) „die Notwendigkeit einer Straßenausbaubeitragssatzung nicht gegeben“ sei; einen Satzungsentwurf enthielt der Antrag nicht. Der erste Bürgermeister fertigte am 21. Januar 2014 folgende Aufhebungssatzung aus:

§ 1 Aufhebung

Die Satzung über die Erhebung von Beiträgen zur Deckung des Aufwands für die Herstellung, Anschaffung, Verbesserung oder Erneuerung von Straßen, Wegen, Plätzen, Grünanlagen und Kinderspielplätzen (Ausbaubeitragssatzung - ABS -) wird aufgehoben.

§ 2 In-Kraft-Treten

Diese Aufhebungssatzung tritt am Tag nach ihrer ortsüblichen Bekanntmachung in Kraft.

Die Aufhebungsatzung wurde am 22. Januar 2014 in der Gemeindeverwaltung zur Einsichtnahme niedergelegt. Die Niederlegung wurde in der Zeit vom 22. Januar bis 25. Februar 2014 durch Anschlag an den Gemeindetafeln bekanntgegeben.

Das Landratsamt beanstandete mit Bescheid vom 8. April 2014 die Aufhebung der Ausbaubeitragssatzung als rechtswidrig. Es forderte die Klägerin auf, den in der Sitzung des Gemeinderats am 21. November 2013 gefassten Beschluss zur Aufhebung der Ausbaubeitragssatzung aufzuheben und eine neue Ausbaubeitragssatzung zu erlassen. Für den Fall, dass die Klägerin bis zum Ablauf von drei Monaten nach Bestandskraft des Bescheids dieser Aufforderung nicht nachkommt, drohte es ferner die Ersatzvornahme durch die Rechtsaufsichtsbehörde an. Zur Begründung dieser Maßnahmen führte das Landratsamt aus: Die Voraussetzungen für ein rechtsaufsichtliches Einschreiten lägen vor. Die Aufhebung der Ausbaubeitragssatzung sei rechtswidrig. Sie verstoße gegen Art. 5 Abs. 1 Satz 3 KAG. Danach seien Gemeinden grundsätzlich zur Erhebung von Ausbaubeiträgen und dementsprechend auch zum Erlass entsprechender Satzungen verpflichtet. Nur in Ausnahmefällen dürften sie Ausbaumaßnahmen vollständig aus allgemeinen Deckungsmitteln finanzieren. Die hierzu erforderlichen besonderen Umstände habe die Klägerin nicht überzeugend darlegen können. Die rechtsaufsichtliche Beanstandung, das Aufhebungsverlangen und die Verpflichtung zum Neuerlass einer Straßenausbaubeitragssatzung entsprächen pflichtgemäßer Ermessensausübung.

2. Die daraufhin erhobene Klage blieb überwiegend ohne Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat mit Urteil vom 28. Oktober 2014 den Bescheid des Landratsamtes vom 8. April 2014 nur insoweit aufgehoben, als von der Klägerin der Erlass einer neuen Straßenausbaubeitragssatzung gefordert und für den Fall des Nichterlasses die Ersatzvornahme angedroht wird; im Übrigen hat es die Klage abgewiesen.

Zur Begründung seines Urteils hat das Verwaltungsgericht ausgeführt: Die rechtsaufsichtliche Beanstandung des Gemeinderatsbeschlusses vom 21. November 2013 sei auf der Grundlage von Art. 112 Satz 1 Alt. 1 GO rechtmäßig. Denn der Gemeinderatsbeschluss verstoße gegen Art. 5 Abs. 1 Satz 3 KAG. Die Gemeinden seien nach dieser Vorschrift in der Regel verpflichtet, für die Erneuerung oder Verbesserung von Ortsstraßen und beschränkt-öffentlichen Wegen Beiträge von den bevorteilten Grundstückseigentümern zu erheben, und dürften Ausbaumaßnahmen nur in Ausnahmefällen vollständig aus allgemeinen Deckungsmitteln finanzieren. Dadurch werde der Gestaltungsspielraum, der den Gemeinden durch Art. 62 Abs. 2 GO über den Vorrang der Einnahmebeschaffung aus besonderen Entgelten allenfalls verbleibe, weiter eingeschränkt. Ein atypischer Sachverhalt, der die Aufhebung der Ausbaubeitragssatzung ausnahmsweise rechtfertigen könne, liege nicht vor. Er ergebe sich nicht aus der Haushaltslage der Klägerin. Da diese selbst im Rahmen der Anhörung angegeben habe, sie wolle nach Abschluss der bereits in Angriff genommenen Baumaßnahmen an zwei Straßen im Gemeindegebiet ab dem Haushaltsjahr 2015 wieder eine Ausbaubeitragssatzung erlassen, gehe sie selbst nicht davon aus, aufgrund einer besonders günstigen Haushaltslage jedenfalls mittelfristig auf die Erhebung von Straßenausbaubeiträgen verzichten zu können. Im Übrigen ergebe sich aus den Haushaltsdaten, dass sich die finanzielle Situation der Klägerin zwar als solide, aber keineswegs als in atypischer Weise herausragend darstelle. So seien im Finanzplanungszeitraum bis 2017 Nettokreditaufnahmen geplant, es stünden erhebliche Investitionen an und es sei von einem deutlichen Rückgang der allgemeinen Rücklage auszugehen. Auch sei zu berücksichtigen, dass das Gewerbesteueraufkommen, das erheblich zu den Einnahmen der Klägerin beitrage, konjunkturellen Einflüssen unterliege.

Die Aufhebung der Straßenausbaubeitragssatzung könne die Klägerin auch nicht mit den Gesichtspunkten des Vertrauensschutzes und der Beitragsgerechtigkeit rechtfertigen. Ein schutzwürdiges Vertrauen von Bürgern darauf, von der Erhebung von Straßenausbaubeiträgen verschont zu bleiben, könne im Regelfall selbst dann nicht entstehen, wenn eine Gemeinde keine Ausbaubeitragssatzung erlassen habe. Erst recht gelte das, wenn eine Gemeinde, wie die Klägerin, über eine Ausbaubeitragssatzung verfüge, aber auf ihrer Grundlage keine Beiträge erhebe. Deshalb könne es nicht überzeugen, wenn die Klägerin im Sinn einer „Schlussstrichregelung“ für die beiden im Jahr 2014 noch zu sanierenden Straßen keine Ausbaubeiträge erheben wolle mit der Begründung, dass in der Vergangenheit bei der Sanierung der Ortsstraßen keine Beiträge erhoben worden seien und die Anlieger der beiden noch sanierungsbedürftigen Straßen auf einen früheren Ausbau „ihrer“ Straßen verzichtet hätten. Ob sich die Rechtswidrigkeit des Gemeinderatsbeschlusses zusätzlich daraus ergebe, dass kein konkreter Satzungstext beschlossen worden sei, bedürfe keiner Erörterung.

Die Aufforderung der Rechtsaufsichtsbehörde, den Gemeinderatsbeschluss vom 21. November 2013 aufzuheben, und die hierauf bezogene Androhung der Ersatzvornahme seien ebenfalls rechtmäßig. Rechtswidrig seien indes die Anordnung, eine neue Ausbaubeitragssatzung zu erlassen, und die hierauf bezogene Androhung der Ersatzvornahme. Denn die Aufhebungssatzung sei ebenso wie der zugrunde liegende Gemeinderatsbeschluss vom 21. November 2013 materiell rechtswidrig und damit insgesamt nichtig. Die Straßenausbaubeitragssatzung vom 1. Dezember 2010 gelte fort. Deshalb sei die Aufforderung zum Neuerlass eine Ausbaubeitragssatzung nicht erforderlich und mithin unverhältnismäßig.

3. Die Klägerin macht mit ihrer vom Verwaltungsgerichtshof wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassenen Berufung unter ausführlicher Darlegung ihrer Haushaltslage im Wesentlichen geltend:

Die rechtsaufsichtliche Anordnung sei entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts in vollem Umfang rechtswidrig. Art. 5 Abs. 1 Satz 3 KAG belasse den Gemeinden bei der Entscheidung, ob sie Straßenausbaubeiträge erheben wolle, ein verfassungsrechtlich durch das kommunale Selbstverwaltungsrecht geschütztes Ermessen. Der Vorschrift des Art. 62 Abs. 2 GO über die Grundsätze der Einnahmebeschaffung komme demgegenüber schon deshalb keine weitere Bedeutung zu, weil es sich bei Art. 5 Abs. 1 Satz 3 KAG um das sowohl speziellere als auch spätere Gesetz handele. Die den Gemeinden gesetzlich überlassene Entscheidung, ob Straßenausbaubeiträge erhoben werden sollen, betreffe den verfassungsrechtlich geschützten Kernbereich der kommunalen Finanzhoheit, in dem der Staat nur eine Recht-mäßigkeits-, nicht aber eine Zweckmäßigkeitskontrolle ausüben dürfe.

Bei dem verfassungsrechtlich gebotenen Verständnis der Gesetzeslage sei die rechtsaufsichtliche Beanstandung aus mehreren Gründen rechtswidrig. Das Landratsamt habe zunächst in das der Gemeinde eingeräumte Ermessen und damit in den Kernbereich der kommunalen Finanzhoheit eingegriffen. Es habe sein eigenes Ermessen an die Stelle der Erwägungen der Klägerin gesetzt, was der staatlichen Aufsicht von vornherein verboten sei. Jedenfalls aber sei die rechtsaufsichtliche Maßnahme unverhältnismäßig. Sie sei bereits ungeeignet, weil sie nicht einem nach der Verfassung zulässigen Zweck diene. Den vom Landratsamt behaupteten Vorrang der Deckung von Ausbaukosten durch Beiträge vor der Deckung durch andere Einnahmen gebe es nicht. Die aufsichtliche Maßnahme sei darüber hinaus unverhältnismäßig im engeren Sinn, weil die verfassungsrechtlich geschützte Entscheidungshoheit der Gemeinde über ihre Einnahmen etwaige Gründe für die rechtsaufsichtliche Maßnahme eindeutig überwiege. In diesem Zusammenhang dürfe als Maßstab nicht auf eine „herausragende“ Finanzlage abgestellt werden. Es komme allenfalls darauf an, ob die finanzielle Situation der Gemeinde so günstig sei, dass ohne empfindliche Einbußen an ihrer dauernden Leistungsfähigkeit auf die Einnahmebeschaffung aus Straßenausbaubeiträgen verzichtet werden könne. Das aber sei bei der Klägerin ohne weiteres der Fall. Sie verfüge über eine überdurchschnittliche Finanzkraft nach allen dafür maßgeblichen Parametern. So habe sie keine neuen Kredite aufgenommen, (über-)erfülle ihre Rücklagenverpflichtung, verfüge seit Jahren über eine gute Liquidität ohne die Notwendigkeit der Aufnahme von Kassenkrediten und sei ohne jegliche Einschränkung in der Lage, alle Pflichtaufgaben zu erfüllen und mehrere freiwillige Aufgaben, darunter auch Großprojekte, ohne neue Kreditaufnahmen wahrzunehmen. Seit dem Jahr 2000 erhalte sie keine staatlichen Schlüsselzuweisungen im Rahmen des kommunalen Finanzausgleichs. Dass es in den Schlussbemerkungen des Vorberichts zum Haushaltsplan für das Haushaltsjahr 2014 heiße, die Klägerin stehe in den nächsten Jahren vor großen finanziellen Herausforderungen, solle nicht bedeuten, die dauernde Leistungsfähigkeit sei nicht gesichert. Dass ein wesentlicher Teil der gemeindlichen Einnahmen aus dem Gewerbesteueraufkommen stamme, rechtfertige es nicht, die dauernde Leistungsfähigkeit wegen möglicher konjunktureller Schwankungen infrage zu stellen. Ansonsten kämen die durch Art. 5 Abs. 1 Satz 3 KAG zugelassenen Ausnahmen praktisch nicht in Betracht.

Hinzu komme, dass bei Vorhandensein einer Ausbaubeitragssatzung den möglichen Einnahmen gemeindliche Kosten in etwa gleicher Höhe gegenüber stünden. Mit einer vergleichbaren Begründung habe die Landeshauptstadt München ihre Straßenausbaubeitragssatzung aufgehoben, ohne dass dies von der zuständigen Rechtsaufsichtsbehörde beanstandet worden sei. Der Klägerin seien im Zeitraum von 1999 bis 2014 etwa 3,3 Mio. € Straßenausbaukosten entstanden, wofür sie bei Vorliegen einer Ausbaubeitragssatzung maximal Beiträge in Höhe von etwa 2,6 Mio. € hätte erzielen können, im jährlichen Durchschnitt etwa 175.000 €. Der jährliche Anteil der möglichen Beitragseinnahmen am Haushaltsvolumen liege im Durchschnitt bei weniger als 0,5% des jährlichen Haushaltsvolumens. Sämtliche Mitarbeiter in der Gemeindeverwaltung der Klägerin seien vollständig ausgelastet. Für eine rechtssichere Abrechnung von Straßenausbaubeiträgen müsse mindestens ein weiterer Mitarbeiter eingestellt werden, wodurch jährliche Kosten in Höhe von ca. 93.000 € entstünden. Schon unter Berücksichtigung dieser Personalkosten ergäbe sich bei Erlass einer Ausbaubeitragssatzung ein durchschnittlicher jährlicher Überschuss von nur ca. 46.000 €. Im Vergleich dazu erziele die Klägerin wesentlich höhere Einnahmen durch Ablösevereinbarungen im Rahmen von städtebaulichen Verträgen, was ohne zusätzliche Personalkosten zu bewältigen sei.

Die rechtsaufsichtliche Maßnahme verstoße schließlich gegen das Willkürverbot. Im Freistaat Bayern hätten 27% der Gemeinden keine Straßenausbaubeitragssatzung, im Landkreis München seien es neben der Klägerin 17 weitere von insgesamt 29 Gemeinden, die sich jedenfalls nicht in einer besseren wirtschaftlichen Situation befänden. Nur gegenüber der Klägerin einen strengeren Maßstab anzulegen, sei willkürlich. Die Beanstandung dürfe auch nicht mit der vom Verwaltungsgericht angesprochenen Erwägung aufrechterhalten werden, der Gemeinderatsbeschluss sei wegen Fehlens eines konkreten beschlossenen Satzungstextes bereits aus formalen Gründen unwirksam. Denn diese Erwägungen seien im angefochtenen Bescheid vom Landratsamt nicht angestellt worden und dürften im gerichtlichen Verfahren nicht nachgeschoben werden. Eine vollständige Auswechslung der die Ermessensentscheidung tragenden Gründe sei unzulässig.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

das Urteil des Verwaltungsgerichts abzuändern und den Bescheid des Landratsamtes München vom 8. April 2014 in vollem Umfang aufzuheben.

Der beklagte Freistaat verteidigt die Klageabweisung im erstinstanzlichen Urteil und beantragt,

die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.

Er trägt vor, die Rechtsaufsichtsbehörde habe nicht in das Ermessen der Klägerin eingegriffen. Diese sei vielmehr von einem nicht vorhandenen Spielraum ausgegangen, weil ihre Haushaltslage nicht zulasse, entgegen der Soll-Vorschrift des Art. 5 Abs. 1 Satz 3 KAG auf die Erhebung von Straßenausbaubeiträgen zu verzichten. Verfassungsrecht sei dadurch nicht verletzt. Die verfassungsrechtlich verbürgte kommunale Finanzhoheit gewährleiste den Gemeinden die Befugnis zu einer eigenverantwortlichen Regelung ihrer Finanzen im Rahmen eines gesetzlich geordneten Haushaltswesens. Als konkretisierende gesetzliche Regelung seien Art. 62 Abs. 2 und 3 GO zu berücksichtigen, die eine klare Rangfolge der den Gemeinden zugewiesenen Einnahmen festlegten. Danach stehe die Finanzierung über spezielle Entgelte, wozu auch der Straßenausbaubeitrag zähle, nach den „sonstigen Einnahmen“ an zweiter Stelle, während die Einnahmen aus gemeindlichen Steuern und Kreditaufnahmen nachrangig seien. Die gesetzlich vorgegebene Reihenfolge würde sich nur dann verschieben, wenn eine andere Finanzierung wirtschaftlich und zweckmäßig wäre. Der Gesetzgeber habe sich sowohl haushaltsrechtlich als auch abgabenrechtlich zugunsten der Allgemeinheit für eine vorrangige Einnahmebeschaffung über spezielle Entgelte als Gegenleistung für besondere Vorteile entschieden.

Ein vollständiger Beitragsverzicht komme wegen Art. 62 Abs. 2 Nr. 1 GO nur in Betracht, wenn eine Beitragserhebung entweder nicht vertretbar oder nicht geboten sei. Oberste Richtschnur müsse sein, dass die stete Aufgabenerfüllung der Gemeinde - darunter auch die Verbesserung und Erneuerung von Ortsstraßen -sichergestellt sei, wovon nur ausgegangen werden könne, wenn die dauernde Leistungsfähigkeit gewährleistet sei. Unter Berücksichtigung der Einnahmebeschaffungsgrundsätze des Art. 62 Abs. 2 GO sei die dauernde Leistungsfähigkeit allein mittels der „sonstigen Einnahmen“, also aus allgemeinen Haushaltsmitteln, oder der auf andere Einrichtungen entfallenden speziellen Entgelte sicherzustellen. Ausnahmsweise könne auch eine Kreditfinanzierung einbezogen werden, wenn die Finanzierung einer Maßnahme aus den „sonstigen Einnahmen“ wirtschaftlich unzweckmäßig wäre. Als Maßstab könne außerdem auf die Grundsätze und Kriterien zurückgegriffen werden, die für Kreditgenehmigungen nach Art. 71 GO gelten würden. Ausgehend von den Begriffen „vertretbar und geboten“ in Art. 62 Abs. 2 Nr. 1 GO sei es schließlich möglich, bei einem absoluten Missverhältnis zwischen den zu erwartenden Einnahmen aus den Straßenausbaubeiträgen und dem für die Beitragserhebung anfallenden Verwaltungsaufwand auf die Beitragserhebung zu verzichten.

Nach diesen Grundsätzen hätte die Klägerin ihre Straßenausbaubeitragssatzung nicht aufheben dürfen. Die Klägerin trage selbst vor, dass sie ihre Einnahmen seit mehreren Haushaltsjahren zu einem nicht unerheblichen Teil aus Erhebung kommunaler Steuern, insbesondere Gewerbesteuern, erziele. Ohne die Erhebung von Ausbaubeiträgen verlagere die Klägerin die Finanzierung der durchzuführenden Straßenbaumaßnahmen von den dadurch Begünstigten entgegen Art. 62 Abs. 2 Nr. 2 GO auf die Allgemeinheit, vor allem die Gewerbesteuerpflichtigen. Außerdem habe die Klägerin einen voraussichtlichen Schuldenstand zum 1. Januar 2016 von 4,348 Mio. € gehabt. Es liege keine atypische Haushaltslage vor, die es rechtfertigen könne, von einer Beitragserhebung abzusehen. Der behauptete unzumutbare Verwaltungsaufwand sei nicht substantiiert dargelegt. In dem von der Klägerin angesprochenen Fall der Landeshauptstadt München sei ein Absehen von der Beitragserhebung deshalb nicht ausgeschlossen, weil die zu erwartenden Einnahmen aus den Straßenausbaubeiträgen zur Aufgabenerfüllung der Gemeinde praktisch keinen relevanten Beitrag habe leisten können. Da die Landeshauptstadt mit 1,5 Millionen Einwohnern und einem entsprechend großen Haushaltsvolumen eine Sonderstellung einnehme, werde diese Fallgestaltung kaum in einer zweiten bayerischen Gemeinde anzutreffen sein. Die Aufhebung der Straßenausbaubeitragssatzung könne auch nicht mit Gründen des Vertrauensschutzes gerechtfertigt werden.

Im Übrigen bestünden auch deshalb Zweifel an der Wirksamkeit des Gemeinderatsbeschlusses und der vom ersten Bürgermeister ausgefertigten Aufhebungssatzung, weil der bekannt gemachte Satzungstext nicht vollständig mit dem beschlossenen übereinstimme. In § 2 der ausgefertigten Aufhebungssatzung sei geregelt, dass die Aufhebung am Tag nach ihrer ortsüblichen Bekanntmachung in Kraft trete. Damit sei von der Möglichkeit des Art. 26 Abs. 1 Satz 2 GO Gebrauch gemacht worden, einen anderen als den in Satz 1 dieser Vorschrift genannten Tag zu bestimmen, ohne dass hierzu eine Beschlussfassung vorgelegen habe. Diese Erwägungen könnten entgegen der Auffassung der Klägerin nach § 114 Satz 2 VwGO nachgeschoben werden.

Der Vorwurf des willkürlichen Einschreitens sei nicht gerechtfertigt. Die Klägerin habe ihre Ausbaubeitragssatzung aufgehoben, obwohl Kredite sowohl im Haushaltsjahr als auch in den Finanzplanungsjahren veranschlagt und Straßenausbaumaßnahmen in diesen Jahren vorgesehen gewesen seien. Einen gleich gelagerten Fall habe es im Landkreis München nicht gegeben. Falls einzelne Gemeinden nicht über eine Ausbaubeitragssatzung verfügten, werde das Landratsamt nur dann nicht rechtsaufsichtlich tätig, wenn in den betreffenden Haushaltsjahren keine Kreditaufnahmen veranschlagt oder keine (grundsätzlich beitragsfähigen) Ausbaumaßnahmen vorgesehen sein. Selbst wenn im bayernweiten Vollzug durch die Rechtsaufsichtsbehörden Beanstandungen des Nichterlasses von Beitragssatzungen zu Unrecht unterblieben sein sollten, könne sich die Klägerin darauf nicht berufen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz, auf die vom Landratsamt München vorgelegte Aktenheftung sowie auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung am 3. November 2016 Bezug genommen.

Gründe

Die Berufung der Klägerin ist zulässig, aber in der Sache nicht begründet.

Die im Berufungsverfahren noch in Streit stehenden rechtsaufsichtlichen Maßnahmen des Landratsamtes München, nämlich die Beanstandung der vom Gemeinderat der Klägerin am 21. November 2013 beschlossenen Satzung zur Aufhebung der Straßenausbaubeitragssatzung und die mit der Androhung der Ersatzvornahme verbundene Aufforderung, diesen Beschluss aufzuheben, sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten. Das Verwaltungsgericht hat die Klage insoweit zu Recht abgewiesen (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

1. Die Voraussetzungen für ein rechtsaufsichtliches Einschreiten nach Art. 112 Satz 1 GO lagen (und liegen) vor.

Das Landratsamt München durfte als zuständige Rechtsaufsichtsbehörde (Art. 110 Satz 1 GO) den Beschluss des Gemeinderats der Klägerin vom 21. November 2013 beanstanden und dessen Aufhebung verlangen, weil er rechtswidrig war. Die Klägerin war im maßgeblichen Zeitpunkt der Beschlussfassung im Gemeinderat (und ist weiterhin) gemäß Art. 5 Abs. 1 Satz 3 KAG in Verbindung mit Art. 62 Abs. 2 GO zur Erhebung von Beiträgen für die Verbesserung oder Erneuerung ihrer Ortsstraßen und beschränkt-öffentlichen Wege verpflichtet und deshalb rechtlich daran gehindert, ihre Ausbaubeitragssatzung vom 1. Dezember 2010 als zwingend erforderliche Voraussetzung für die Beitragserhebung (Art. 2 Abs. 1 Satz 1 KAG) aufzuheben.

a) Die Befugnis der Gemeinden zur Beitragserhebung und die damit verbundene Ermächtigung zum Erlass einer entsprechenden Beitragssatzung hat der Gesetzgeber im Kommunalabgabengesetz (i. d. F. der Bek. vom 4.4.1993, GVBl S. 264, BayRS 2024I, zuletzt geändert durch Gesetz vom 8.3.2016, GVBl S. 36) unterschiedlich ausgestaltet. Während die Gemeinden zur Deckung ihres anderweitig nicht gedeckten Aufwands für Erschließungsanlagen Erschließungsbeiträge erheben müssen (Art. 5a Abs. 1 KAG, bis 1.4.2016: i. V. m. § 127 Abs. 1 BauGB: „Die Gemeinden erheben...“), steht die Erhebung von Beiträgen zur Deckung des Aufwands für die Herstellung, Anschaffung, Verbesserung oder Erneuerung ihrer öffentlichen Einrichtungen grundsätzlich im pflichtgemäßen Ermessen der Gemeinden (Art. 5 Abs. 1 Satz 1 KAG: „Die Gemeinden... können“). Für die hier in Streit stehende Verbesserung oder Erneuerung von Ortsstraßen und beschränkt-öffentlichen Wegen bestimmt Art. 5 Abs. 1 Satz 3 KAG, dass solche Beiträge erhoben werden „sollen“, soweit nicht Erschließungsbeiträge nach Art. 5a KAG zu erheben sind.

aa) Der Begriff „sollen“ in Art. 5 Abs. 1 Satz 3 KAG hat nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs grundsätzlich verbindlichen Charakter. Die Gemeinden sind - wie bei Soll-Vorschriften in anderen Gesetzen grundsätzlich auch (vgl. BVerwG, B. v. 3.12.2009 - 9 B 79.09 - juris Rn. 2; U. v. 17.12.2015 - 1 C 31.14 - NVwZ 2016, 458 Rn. 21 m. w. N.) - im Regelfall verpflichtet, so zu verfahren, wie es im Gesetz bestimmt ist. Nur bei Vorliegen von Umständen, die den Fall als atypisch erscheinen lassen, dürfen sie anders verfahren als im Gesetz vorgesehen und den atypischen Fall nach pflichtgemäßem Ermessen entscheiden. Das heißt, die Gemeinden sind mit Blick auf die Verbesserung oder Erneuerung von Ortsstraßen und beschränkt-öffentlichen Wegen grundsätzlich zur Beitragserhebung verpflichtet. Diese grundsätzliche Verpflichtung umfasst sämtliche für eine Beitragserhebung erforderlichen Verfahrensschritte, zuvörderst die Pflicht zum Erlass (und zur Aufrechterhaltung) einer besonderen Abgabesatzung (Straßenausbaubeitragssatzung) als zwingender Voraussetzung für die Beitragserhebung im engeren Sinn (vgl. Art. 2 Abs. 1 Satz 1 KAG). Nur in Ausnahmefällen dürfen sie die genannten Straßenbaumaßnahmen vollständig aus allgemeinen Deckungsmitteln finanzieren. Es müssen also besondere Umstände vorliegen, die es - ausnahmsweise - rechtfertigen, von der Beitragserhebung abzusehen und auf eine entsprechende Beitragssatzung zu verzichten (vgl. BayVGH, U. v. 26.10.1987 - 6 B 85 A 842 und 1075; U. v. 10.3.1999 -4 B 98.1349 - BayVBl 1999, 408; U. v. 15.10.2009 - 6 B 08.1431 - BayVBl 2010, 278 Rn. 24). Die Beantwortung der Frage, ob ein atypischer Fall vorliegt, ist nicht Teil der Ermessensentscheidung, sondern deren gesetzliche Voraussetzung. Den Gemeinden ist insoweit kein Beurteilungsspielraum eingeräumt. Ihre Einschätzung unterliegt vielmehr im Streitfall in vollem Umfang der Nachprüfung durch die Rechtsaufsichtsbehörden und Gerichte. Es handelt sich insoweit um eine rechtlich gebundene Entscheidung, an die sich bei Vorliegen eines atypischen Ausnahmefalls auf der zweiten Stufe eine nur eingeschränkt überprüfbare Ermessensentscheidung der Gemeinde anschließt.

Dieses Verständnis des Art. 5 Abs. 1 Satz 3 KAG ergibt sich nicht nur aus dem Gesetzeswortlaut und der Unterscheidung von Kann-, Soll- und Muss-Regelungen zur Beitragserhebung, sondern wird auch durch die Gesetzesmaterialien belegt. Denn der Gesetzgeber wollte mit der Ausgestaltung als Soll-Vorschrift im Fall der Erneuerung oder Verbesserung von Ortsstraßen und beschränkt-öffentlichen Wegen bewusst dem Umstand begegnen, dass in der Vergangenheit „die Gemeinden in viel zu geringem Ausmaß von ihrem Recht, Beiträge für solche Maßnahmen festzusetzen, Gebrauch gemacht haben“ (LTDrs. 7/5192 S. 16). Dem steht nicht entgegen, dass die Gemeinden nach dem zum 1. April 2016 in Kraft getretenen Art. 5b KAG anstelle einmaliger Beiträge nach Art. 5 Abs. 1 KAG wiederkehrende Beiträge für Verkehrsanlagen erheben „können“. Damit wird lediglich ein Wahlrecht hinsichtlich der Art der Beitragserhebung eröffnet, nicht aber der Soll-Befehl des Art. 5 Abs. 1 Satz 3 KAG abgeschwächt. Der Gesetzgeber geht vielmehr davon aus, dass die „neue Option“ der wiederkehrenden Beiträge den Gemeinden entgegen kommt, „die vormals noch nicht über eine Straßenausbaubeitragssatzung verfügten, jedoch ... zu einer Beitragserhebung ... verpflichtet gewesen wären und nach wie vor sind“ (LTDrs. 17/8225 S. 18). In dem Soll-Befehl kommt zugleich das Anliegen des Gesetzgebers zum Ausdruck, alle Grundstückseigentümer (und Erbbauberechtigte), denen die Möglichkeit der Inanspruchnahme einer verbesserten oder erneuerten Straße besondere Vorteile bietet, in allen bayerischen Gemeinden im Interesse der Beitragsgerechtigkeit möglichst gleich zu behandeln.

bb) Wann ein atypischer Ausnahmefall vorliegt, der den Erlass und die Vorhaltung einer Straßenausbaubeitragssatzung entgegen der gesetzlichen Regel des Art. 5 Abs. 1 Satz 3 KAG in das Ermessen der Gemeinde stellt, lässt sich nur aufgrund einer wertenden Betrachtung aller Umstände des Einzelfalles beurteilen. Diese Wertung wird maßgebend geprägt durch das gemeindliche Finanzverfassungsrecht im Allgemeinen und die in Art. 62 Abs. 2 und 3 GO geregelten Grundsätze der Einnahmebeschaffung im Besonderen.

Art. 22 Abs. 2 GO räumt den Gemeinden das Recht ein, ihr Finanzwesen im Rahmen der Gesetze selbst zu regeln, und verpflichtet den Gesetzgeber, den Gemeinden im Rahmen ihrer Finanzhoheit als Teil des verfassungsrechtlich garantierten Selbstverwaltungsrechts die zur Erfüllung ihrer Aufgaben notwendigen Finanzmittel in ausreichendem Maße zur Verfügung zu stellen. In Erfüllung dieses Regelungsauftrags hat der Gesetzgeber durch die speziellen Ermächtigungen im Kommunalabgaben-gesetz den Gemeinden das Recht eingeräumt, zur Erfüllung ihrer Aufgaben auch eigene Abgaben, darunter Straßenausbaubeiträge, zu erheben. Art. 62 GO enthält umgekehrt für die Gemeinden die haushaltsrechtliche Verpflichtung, die ihnen gesetzlich eingeräumten Einnahmemöglichkeiten im Rahmen ihrer Haushaltswirtschaft auch tatsächlich vollständig auszuschöpfen, soweit dies zur Aufgabenerfüllung notwendig ist. Diese Verpflichtung steht insbesondere im unmittelbaren Zusammenhang mit dem Grundsatz des Haushaltsausgleichs (Art. 64 Abs. 3 Satz 1 GO), der Sicherung der Aufgabenerfüllung (Art. 61 Abs. 1 Satz 1 GO) und der Sicherstellung der dauernden Leistungsfähigkeit (Art. 61 Abs. 1 Satz 2 GO).

Vor diesem Hintergrund legt Art. 62 Abs. 2 und 3 GO die Reihenfolge fest, nach der sich die Gemeinde die zur Erfüllung ihrer Aufgaben erforderlichen Einnahmen zu beschaffen hat. Primäre Deckungsmittel sind die „sonstigen Einnahmen“, zu denen insbesondere die Gemeindeanteile an der Einkommen- und Umsatzsteuer, die allgemeinen Finanzzuweisungen sowie staatliche Zuwendungen für bestimmte Maßnahmen und die Erträge aus dem Gemeindevermögen zählen. Soweit diese sonstigen Einnahmen nicht ausreichen, hat die Gemeinde die zur Erfüllung ihrer Aufgaben erforderlichen Einnahmen soweit vertretbar und geboten aus besonderen Entgelten für die von ihr erbrachten Leistungen (Abs. 2 Nr. 1) und „im Übrigen“ - also nach-rangig - aus Steuern (Abs. 2 Nr. 2) zu beschaffen. Kredite darf die Gemeinde nur aufnehmen, wenn eine andere Finanzierung nicht möglich ist oder wirtschaftlich unzweckmäßig wäre (Abs. 3). Die in Art. 62 Abs. 2 und 3 GO gesetzlich festgelegte Rangfolge der Deckungsmittel geht von dem Grundsatz aus, dass derjenige, der eine kommunale Leistung in Anspruch nimmt oder durch eine kommunale Einrichtung einen Sondervorteil erhält, die entstehenden Kosten in vertretbarem Umfang tragen soll. Die Vorschrift soll zugleich der Entwicklung entgegenwirken, auf angemessene Gegenleistung zu verzichten und den Aufwand für die einem Einzelnen besonders zugutekommenden Leistungen aus allgemeinen Deckungsmitteln zu bestreiten (vgl. LTDrs. 7/3103 S. 32). Dabei handelt es sich nicht bloß um einen Programmsatz, sondern schon mit Blick auf den Gesetzeswortlaut um zwingendes Recht, das dem einzelnen Bürger zwar kein individuelles, einklagbares Recht verleiht, dessen Einhaltung aber von den Rechtsaufsichtsbehörden nach Art. 109 Abs. 1 GO zu überwachen ist. Allerdings bleibt es jeder einzelnen Gemeinde im Rahmen ihrer Finanzautonomie überlassen, inwieweit sie in dem ihr durch die Haushaltsgrundsätze gesteckten äußersten rechtlichen Rahmen von den Einnahmequellen Gebrauch macht (vgl. BayVGH, B. v. 1.2.2007 - 4 ZB 06.2567 - BayVBl 2007, 374 f.; B . v. 20.10.2011 - 4 ZB 11.1187 - juris Rn. 12 ff. m. w. N.).

Die Straßenausbaubeiträge gehören zu den an zweiter Rangstelle der Einnahmequellen stehenden „besonderen Entgelten“. Sie werden von den Eigentümern und Erbbauberechtigten derjenigen Grundstücke erhoben, denen durch die Möglichkeit der Inanspruchnahme einer verbesserten oder erneuerten Ortsstraße oder eines beschränkt-öffentlichen Weges besondere Vorteile entstehen, die sie aus dem Kreis der Allgemeinheit herausheben (vgl. BayVGH, U. v. 14.4.2011 - 6 BV 08.3182 -BayVBl 2012, 24 Rn. 18; U. v. 30.6.2016 - 6 B 16.515 - juris Rn. 17). Aufgrund der Wechselwirkung zwischen den haushaltswirtschaftlichen Grundsätzen und der SollVorschrift des Art. 5 Abs. 1 Satz 3 KAG verbleibt nur ein sehr eng begrenzter Bereich, innerhalb dessen eine Gemeinde auf den Erlass einer Straßenausbaubeitragssatzung als unabdingbare Voraussetzung für die Erhebung von Straßenausbaubeiträgen verzichten kann (entsprechend etwa für das thüringische Landesrecht ThürOVG, U. v. 31.5.2005 - 4 KO 1499/04 - ThürVBl 2006, 63 ff.). Als Rechtfertigung für einen solch umfassenden „Komplettverzicht“ auf diese Einnahmequelle genügt es nicht, dass eine Gemeinde „haushaltsmäßig“ mehr oder weniger gut dasteht und sich den Beitragsausfall „finanziell leisten“ kann. Eine atypische Situation, welche den Verzicht auf die Beitragserhebung entgegen der Intention des Gesetzgebers („Soll“) zu rechtfertigen vermag, kann vielmehr nur dann in Betracht kommen, wenn die Gemeinde die in Art. 62 Abs. 2 GO festgelegte Rangfolge der Deckungsmittel einhält und trotz des Beitragsverzichts sowohl die stetige Aufgabenerfüllung gesichert (Art. 61 Abs. 1 Satz 1 GO) als auch die dauernde Leistungsfähigkeit sichergestellt ist (Art. 61 Abs. 1 Satz 2 GO). Sie mag ferner wegen des gesetzlichen Gebots zur sparsamen und wirtschaftlichen Haushaltsführung (Art. 61 Abs. 2 Satz 1 GO) in Betracht zu ziehen sein, wenn der Verwaltungsaufwand für die Beitragserhebung die möglichen Beitragseinnahmen so wesentlich übersteigt, dass durch den Erhebungsverzicht die tatsächliche Einsparung von Kosten möglich ist („defizitäre“ Beitragserhebung). Das dürfte allerdings nur im Einzelfall den Verzicht der Abrechnung einer wenig kostenintensiven Baumaßnahme bei besonders hohem Verwaltungsaufwand rechtfertigen, nicht aber das vollständige Verschließen dieser Einnahmequelle durch das Absehen von einer Beitragssatzung.

cc) Dieses Verständnis des Soll-Befehls in Art. 5 Abs. 1 Satz 3 KAG trägt der verfassungsrechtlich verbürgten Garantie der kommunalen Selbstverwaltung hinreichend Rechnung. Sowohl Art. 28 Abs. 2 GG als auch Art. 11 Abs. 2 Satz 2 BV gewährleisten das Selbstverwaltungsrecht und die davon umfasste Finanzhoheit der Gemeinden „im Rahmen der Gesetze“. Durch diesen Gesetzesvorbehalt ist nicht nur die in Art. 5a Abs. 1 KAG für Erschließungsbeiträge angeordnete Erhebungspflicht gerechtfertigt (vgl. BVerwG, B. v. 3.12.1996 - 8 B 205.96 - juris), sondern auch die grundsätzliche Verpflichtung zur Erhebung von Straßenausbaubeiträgen nach Maßgabe von Art. 5 Abs. 1 Satz 3 KAG und die in Art. 62 Abs. 2 GO festgelegte Rangfolge der Deckungsmittel. Zwar schränkt der Gesetzgeber die Möglichkeit der Gemeinde ein, auf finanzielle Gegenleistungen für erbrachte Leistungen zu verzichten, sichert und verbreitert dadurch aber zugleich die finanzielle Ausstattung mit eigenen Mitteln für die Aufgaben der örtlichen Gemeinschaft. Dadurch wird weder in den Kernbereich der Selbstverwaltungsgarantie eingegriffen noch die gemeindliche Finanzhoheit unverhältnismäßig eingeschränkt. Das gilt umso mehr, als das verfassungsrechtliche Übermaßverbot gerade für den Vorrang der Finanzierung kommunaler Aufgaben aus „besonderen Entgelten“ für die von der Gemeinde erbrachten Leistungen vor der Steuererhebung streitet.

b) Gemessen an diesem Maßstab kann sich die Klägerin, wie das Verwaltungsgericht zutreffend entschieden hat, nicht auf besondere Umstände berufen, die eine Ausnahme von der grundsätzlichen Pflicht zum Erlass und zur Vorhaltung einer Straßenausbaubeitragssatzung rechtfertigen.

aa) Die Haushaltssituation der Klägerin ist unter Berücksichtigung der gesetzlich vorgegebenen Einnahmebeschaffungsgrundsätze nicht atypisch.

Zum einen ist der Haushalt auch mittelfristig - nicht unerheblich - kreditfinanziert. Im Haushaltsplan für das Haushaltsjahr 2014 (mit einem Gesamthaushaltsansatz von 29,82 Mio. €) ist der Schuldenstand zum 31. Dezember 2012 mit ca. 3,59 Mio. € beziffert, für 2014 der Gesamtkreditbetrag für Investitionen und Investitionsfördermaßnahmen auf 1,50 Mio € festgesetzt und zum 31. Dezember 2017 eine Erhöhung des Schuldenstands auf 7,30 Mio. € prognostiziert. Schon mit Blick darauf, dass Kredite gemäß Art. 62 Abs. 3 GO an der letzten Rangstelle der gemeindlichen Einnahmequellen stehen, scheidet bei einem defizitären Haushalt der Verzicht auf eine Straßenausbaubeitragssatzung von vornherein aus. Etwas anderes ergibt sich weder aus dem überobligatorisch hohen Rücklagenbestand noch daraus, dass die Rückführung der Kredite mit Blick auf das gegenwärtige Zinsniveau wirtschaftlich unzweckmäßig wäre.

Zum anderen erzielt die Klägerin ihrem eigenen Vorbringen nach einen wesentlichen Teil ihrer Einnahmen aus gemeindlichen Steuern, insbesondere aus Gewerbesteuern. Der Haushaltsplan enthält für 2014 einen Ansatz von 5,5 Mio. € Gewerbesteuereinnahmen und 0,911 Mio. € Einnahmen aus der Grundsteuer A und B. Zugleich sieht er Ausgaben für den Straßenbau in Höhe von 1,62 Mio. € vor. Durch den Verzicht auf die Erhebung von Straßenausbaubeiträgen verlagert die Klägerin die Finanzierung beitragsfähiger Straßenbaumaßnahmen von den Begünstigten auf die Allgemeinheit, insbesondere auf die Steuerpflichtigen. Das widerspricht dem gesetzlichen Vorrang der „besonderen Entgelte“ vor den Steuern und kann deshalb ebenfalls keinen atypischen Sonderfall begründen, der in Ausnahme von der SollVorschrift des Art. 5 Abs. 1 Satz 3 KAG den Verzicht auf eine Beitragssatzung rechtfertigen kann. Weder hat die Klägerin die Steuersätze (Hebesätze) für die Gewerbe-und Grundsteuer besonders niedrig festgesetzt, noch verfügt sie aufgrund besonderer struktureller Gegebenheiten über außergewöhnlich hohe Einnahmen vor allem aus der Gewerbesteuer. Die Hebesätze sind in § 4 der Haushaltssatzung für 2014 auf 260 v. H. für die Grundsteuer A und B und auf 300 v. H. für die Gewerbesteuer festgesetzt, während sie im bayerischen Landesdurchschnitt bei kreisangehörigen Gemeinden mit einer vergleichbaren Einwohnerzahl im Jahr 2014 im gewogenen Durchschnitt bei 333 v. H. für die Grundsteuer A, bei 327 v. H. bei der Grundsteuer B und bei 325 v. H. für die Gewerbesteuer liegen (vgl. Statistisches Bundesamt, Fachserie 14 Reihe 10.1 - Finanzen und Steuern 2014, S. 39). Die Gewerbesteuereinnahmen je Einwohner lagen bei der Klägerin 2014 mit ca. 611 € (5,5 Mio. € /9.000 Einwohner) auch nicht außergewöhnlich hoch über dem bayernweiten Durchschnitt, der sich auf 350,82 € je Einwohner für Gemeinden mit 5.000 bis unter 10.000 Einwohnern und auf 633,17 € je Einwohner bei Gemeinden mit 10.000 bis unter 20.000 Einwohnern bezifferte (vgl. Gemeindekasse Bayern 2015 Rn. 230). Der Umstand, dass die Klägerin seit Jahren keine Schlüsselzuweisungen im Rahmen des kommunalen Finanzausgleichs erhält, kann den Verzicht auf den Erlass einer Straßenausbaubeitragssatzung ebenfalls nicht rechtfertigen. Denn ob und in welcher Höhe sich für die einzelne Gemeinde eine Schlüsselzuweisung errechnet, hängt von deren Steuerkraft ab, in deren Berechnung unter anderem die - nivellierten - Einnahmen aus der Grund- und der Gewerbesteuer einfließen (vgl. Art. 2, 4 FAG). Letztere haben aber gerade Nachrang gegenüber den „besonderen Entgelten“.

Das Rangverhältnis der Einnahmequellen lässt sich nicht dadurch infrage stellen, dass Art. 62 Abs. 2 Nr. 2 GO den Vorrang der „besonderen Entgelte“ unter den Vorbehalt des Vertretbaren und Gebotenen stellt. Zunächst ist der den Gemeinden damit eingeräumte Beurteilungsspielraum durch die Soll-Vorschrift des Art. 5 Abs. 1 Satz 3 KAG weitgehend eingeschränkt. Zudem führen die regelmäßig nicht unerheblichen Aufwendungen der Gemeinde für die Verbesserung oder Erneuerung ihrer Straßen zu einem beachtlichen Sondervorteil in Gestalt einer qualifizierten Inanspruchnahmemöglichkeit bei den Eigentümern und Erbbauberechtigten der bevorteilten Grundstücke. Die Klägerin beziffert auf der Grundlage der in den letzten 15 Jahren durchgeführten Straßenbaumaßnahmen das mögliche Beitragsaufkommen auf 165.000 € im jährlichen Durchschnitt. Es ist kein tragfähiger sozialer oder finanzwirtschaftlicher Grund ersichtlich, zugunsten des bevorteilten Personenkreises auf die Erhebung besonderer Entgelte zum Vorteilsausgleich mit der Folge zu verzichten, dass die in Rede stehenden Mittel von anderen aufgebracht werden müssen oder zur Erfüllung anderer gemeindlicher Aufgaben fehlen. Einer übermäßigen Belastung der Beitragspflichtigen kann die Gemeinde durch die Zulassung einer Verrentung oder Ratenzahlung begegnen (Art. 5 Abs. 10 KAG), einer unbilligen Härte im Einzelfall aufgrund sorgfältiger Prüfung durch einen Beitrags(teil)erlass Rechnung tragen. Dass den Gemeinden gerade wegen des Nachrangs der Steuereinnahmen in aller Regel der Verzicht auf den Erlass einer Straßenausbaubeitragssatzung verwehrt sein dürfte, entspricht dem Zweck des Gesetzes.

bb) Eine atypische Situation ergibt sich auch nicht aus dem Vorbringen der Klägerin, das mögliche jährliche Beitragsaufkommen von durchschnittlich 165.000 € sei im Vergleich zum Haushaltsvolumen marginal und werde durch den Erhebungsaufwand nahezu aufgezehrt, weil alle Gemeindemitarbeiter völlig ausgelastet seien und zur Beitragserhebung ein weiterer Mitarbeiter zu jährlichen Kosten von 93.000 € eingestellt werden müsste.

Die „Gegenrechnung“ ist schon nicht nachvollziehbar. Nach dem Vorbringen der Klägerin werden beitragsfähige Maßnahmen nicht etwa jährlich durchgeführt, weshalb das mögliche Beitragsaufkommen zwischen 0 € und 430.000 € im Jahr schwankt. Mithin würde für die Beitragsabrechnung kein kontinuierlicher, sondern nur fallweiser Arbeitsaufwand entstehen, der in einer Gemeinde mit der Größenordnung der Klägerin offenkundig auch keinen Mehrbedarf von einer ganzen Stelle in der genannten Höhe auslösen würde. Das gilt umso mehr, als die Klägerin ihre Straßenbaumaßnahmen bereits jetzt und unabhängig vom Vorhandensein einer Beitragssatzung kostenmäßig prüfen und abwickeln (lassen) muss; damit wird aber der Sache nach der erste und durchaus arbeitsaufwändige Teil einer Beitragsabrechnung, nämlich die Zusammenstellung des beitragsfähigen Aufwands, ohnehin durchgeführt. Jedenfalls aber ist nichts dafür ersichtlich, dass die Klägerin die Erhebung von Straßenausbaubeiträgen generell nur defizitär vollziehen kann und deshalb ausnahmsweise (schon) vom Erlass einer entsprechenden Abgabesatzung absehen dürfte. Dass die möglichen Beitragseinnahmen im Verhältnis zum Gesamtvolumen des Haushalts mehr oder weniger gering sind, kann die Klägerin nicht vom SollBefehl des Art. 5 Abs. 1 Satz 3 KAG entbinden. Das ist nicht etwa atypisch, sondern liegt in der Natur des Beitrags als teilweise Aufwandserstattung für bestimmte Infrastrukturmaßnahmen.

cc) Besondere Umstände, welche die Aufhebung der Ausbaubeitragssatzung rechtfertigen, ergeben sich schließlich auch nicht unter dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes zugunsten bestimmter Beitragsschuldner.

Die Klägerin macht geltend, sie sei deshalb zur Aufhebung der Straßenausbaubeitragssatzung berechtigt, weil bestimmte Grundstückseigentümer sich bereits vor dem Erlass dieser Beitragssatzung im Vertrauen auf die fortdauernde Beitragsfreiheit damit einverstanden erklärt hätten, dass „ihre“ Straße erst später ausgebaut werde. Dieses Argument greift, wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat, nicht durch. Das Vertrauen der Betroffenen darauf, entgegen der vom Gesetzgeber angeordneten grundsätzlichen Erhebungspflicht nicht zu Beiträgen herangezogen zu werden, ist - vor Ablauf der Ausschlussfrist des Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 b) bb) Spiegelstrich 1 KAG - nicht schutzwürdig. Art. 5 Abs. 8 KAG lässt es ausdrücklich und in verfassungsrechtlich unbedenklicher Weise zu, Beiträge sogar für solche beitragsfähigen Ausbaumaßnahmen zu erheben, die bereits vor dem Inkrafttreten einer (wirksamen) Ausbaubeitragssatzung endgültig abgeschlossen worden sind. Zwar hat der Senat entschieden, dass eine Gemeinde rechtlich nicht gehindert ist, den zeitlichen Geltungsbereich ihrer Beitragssatzung im Interesse des Rechtsfriedens und der Rechtssicherheit zu beschränken und bereits seit längerem - in satzungsloser Zeit - endgültig abgeschlossene Ausbaumaßnahmen von der Beitragserhebung auszunehmen (BayVGH, U. v. 15.10.2009 - 6 B 08.1431 - BayVBl 2010, 278 Rn. 25). Das gilt indes nicht für den Fall künftiger Baumaßnahmen, auch wenn sie früher hätten durchgeführt werden sollen, dann aber mit „Zustimmung“ der Anlieger zurückgestellt wurden.

dd) Fehlt es demnach an einer atypischen Situation, bleibt es bei der gesetzlichen Verpflichtung der Klägerin aus Art. 5 Abs. 1 Satz 3 KAG, für die Verbesserung oder Erneuerung ihrer Ortsstraßen und beschränkt-öffentlichen Wege Beiträge zu erheben und eine entsprechende Beitragssatzung vorzuhalten. Der Beschluss des Gemeinderats vom 21. November 2013 einer „Satzung zur Aufhebung der Straßenausbaubeitragssatzung vom 01.01.2011“ war demnach rechtswidrig. Das gilt auch insoweit, als die aufgehobene Satzung die Beitragserhebung nicht nur für die in Art. 5 Abs. 1 Satz 3 KAG genannten Maßnahmen regelt, sondern darüber hinaus auf der Grundlage der Kann-Bestimmung des Art. 5 Abs. 1 Satz 1 KAG etwa auf Grünanlagen und Kinderspielplätze erstreckt (vgl. § 5 Abs. 1 Nrn. 5 und 6 ABS). Von einer bloßen, auf den Bereich des Art. 5 Abs. 1 Satz 3 KAG beschränkten Teilrechtswidrigkeit des Aufhebungsbeschlusses kann schon deshalb nicht ausgegangen werden, weil nicht angenommen werden kann, dass der Beschluss vom Gemeinderat auch ohne den zur Rechtswidrigkeit führenden Teil getroffen worden wäre.

2. Das Landratsamt hat mit seiner Entscheidung, den rechtswidrigen Gemeinderatsbeschluss vom 21. November 2013 wegen „des nicht unerheblichen Verstoßes gegen Art. 5 Abs. 1 Satz 3 KAG“ zu beanstanden und dessen Aufhebung zu verlangen, das ihr durch Art. 112 Satz 1 GO eröffnete rechtsaufsichtliche Ermessen fehlerfrei ausgeübt.

a) Für eine gleichheitswidrige Handhabung des Beanstandungsrechts ist nichts ersichtlich.

Der Einwand der Klägerin, sie sei trotz ihrer überdurchschnittlich guten Finanzlage willkürlich aus dem Kreis von insgesamt 18 Gemeinden allein im Zuständigkeitsbereich des Landratsamtes München und 27% der Gemeinden im Freistaat Bayern ohne Straßenausbaubeitragssatzung herausgegriffen worden, geht fehl. Dabei kann dahinstehen, ob sich eine Gemeinde uneingeschränkt auf den durch Art. 3 Abs. 1 GG und Art. 118 Abs. 1 BV grundrechtlich verbürgten allgemeinen Gleichheitssatz oder „nur“ auf das objektive Willkürverbot berufen kann. Ebenso kann offen bleiben, ob der Gleichheitssatz beim Vollzug der rechtsaufsichtlichen Vorschriften nur die jeweilige Behörde für ihren konkreten Zuständigkeitsbereich (so etwa Jarass in Jarass/Pieroth, GG, 14. Aufl. 2016, Art. 3 Rn. 9 m. w. N.) oder aber den Freistaat Bayern als den Träger der öffentlichen Gewalt für seinen Zuständigkeitsbereich aufgrund der Möglichkeit zur Vollzugsvereinheitlichung durch Verwaltungsvorschriften verpflichtet (in diese Richtung Osterloh/Nußberger, in Sachs, GG, 7. Aufl. 2014, Art. 3 Rn. 81 und Fn. 164; P. Kirchhof in Maunz/Dürig, GG, 2015, Art. 3 Abs. 1 Rn. 162 m. w. N.). Selbst bei Zugrundelegung des für die Klägerin günstigeren Prüfungsmaßstabs kann eine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung nicht festgestellt werden. Die einzelne Rechtsaufsichtsbehörde und erst recht der Freistaat Bayern muss rechtswidrige Zustände, die bei einer Vielzahl von Gemeinde vorliegen, nicht stets „flächendeckend“ beanstanden, sondern darf sich auf die Regelung von Einzelfällen beschränken, sofern sie hierfür sachliche Gründe anzuführen vermag (vgl. BVerwG, B. v. 19.2.1992 - 7 B 106.91 - NVwZ-RR 1992, 360; B. v. 24.7.2014 -4 B 34.14 - juris Rn. 4). Das ist hier der Fall. Der Beklagte hat insoweit vorgetragen, dass es im Zuständigkeitsbereich des Landratsamtes München keinen gleichgelagerten Fall gebe, in dem eine Gemeinde, die über eine Straßenausbaubeitrags-satzung verfüge, diese wieder aufhebe, obwohl sie im aktuellen Haushaltsjahr und in den Finanzplanungsjahren Kredite veranschlage; das Landratsamt bleibe nur dann untätig, wenn eine Gemeinde keine Kreditaufnahme veranschlage oder keine grundsätzlich beitragsfähigen Baumaßnahmen vorsehe. Es ist mit dem Gleichheitssatz ohne weiteres vereinbar, wenn die einzelne Rechtsaufsichtsbehörde die Aufhebung einer bestehenden - hier im Übrigen wiederholt angemahnten - Straßenausbaubeitragssatzung im Einzelfall zum Anlass nimmt, auf die Einhaltung der gesetzlichen Pflicht aus Art. 5 Abs. 1 Satz 3 KAG und des Grundsatzes der Subsidiarität von Krediten (Art. 62 Abs. 3 GO) hinzuwirken. Selbst wenn der Gleichheitssatz im Vollzug der staatlichen Kommunalaufsicht behördenübergreifende Geltung beanspruchen sollte, ist nichts dafür vorgetragen oder ersichtlich, dass eine andere bayerische Gemeinde trotz einer gerade auch in den besonderen Umständen vergleichbaren Fallgestaltung unbeanstandet geblieben wäre. Damit ist eine sachwidrige Ungleichbehandlung der Klägerin durch das Landratsamt München ausgeschlossen, zumal weder die einzelne Rechtsaufsichtsbehörde im Zeitpunkt der Beanstandung noch nachträglich das überprüfende Gericht verpflichtet waren oder sind, von Amts wegen mögliche Bezugsfälle zu ermitteln. Im Übrigen wäre es auch als rechtmäßig anzuerkennen, wenn das Landratsamt den Fall der Klägerin als „Musterfall“ ausgewählt hätte, um erst nach einer Bestätigung seiner Rechtsauffassung gleichartige Fälle aufzugreifen (vgl. BVerwG, B. v. 19.2.1992 - 7 B 106.91 - NVwZ-RR 1992, 360).

b) Das Landratsamt war ferner nicht daran gehindert, die Klägerin nur zur Aufhebung des Gemeinderatsbeschlusses, nicht aber auch zur Aufhebung der vom ersten Bürgermeister in Vollzug dieses Beschlusses ausgefertigten und amtlich bekannt gemachten Aufhebungssatzung aufzufordern.

Die (ausgefertigte und bekannt gemachte) Aufhebungssatzung kann schon deshalb kein beachtliches Hindernis bilden, weil sie, worauf bereits das Verwaltungsgericht hingewiesen hat, aus denselben Gründen wie der zugrunde liegende Gemeinderatsbeschluss (oben Nr. 1) inhaltlich gegen Art. 5 Abs. 1 Satz 3 KAG verstößt und deshalb nichtig ist. Im Übrigen ist sie bereits nicht ordnungsgemäß zustande gekommen. Denn die vom ersten Bürgermeister am 21. Januar 2014 nach Art. 26 Abs. 2 Satz 1 GO ausgefertigte Originalurkunde der Satzung (vgl. Anlage K10 zur Klagebegründung vom 4.6.2014) stimmt nicht mit dem vom Gemeinderat am 21. November 2013 beschlossenen Satzungstext (Anlage K9) überein. Der Gemeinderat hatte ohne weitere inhaltliche Festlegungen lediglich „eine Satzung zur Aufhebung der Straßenausbaubeitragssatzung vom 01.01.2011“ beschlossen. Die Ausfertigung umfasst hingegen einen Satzungstext mit zwei Paragraphen. Das mag hinsichtlich § 1 noch hingenommen werden, weil dessen ausgefertigter Text mit dem Beschluss des Satzungsgebers trotz der Wortlautunterschiede jedenfalls inhaltlich übereinstimmt. § 2 der ausgefertigten Satzung verändert indes den Satzungsbeschluss des Gemeinderats inhaltlich und überschreitet die Grenzen zulässiger Berichtigungen (vgl. BVerfG, B. v. 15.2.1978 - 2 BvL 8/74 - BVerfGE 48, 1/18 f.). Während nämlich der Gemeinderat keine Regelung zum Inkrafttreten der Aufhebungssatzung beschlossen und es mithin bei der gesetzlichen Festlegung in Art. 26 Abs. 1 Satz 1 GO belassen hatte (Satzungen treten eine Woche nach ihrer Bekanntmachung in Kraft), ergänzte der erste Bürgermeister den ausgefertigten Satzungstext um die davon abweichende Bestimmung, dass die Aufhebungssatzung am Tag nach ihrer ortsüblichen Bekanntmachung in Kraft tritt.

3. Ebenfalls rechtmäßig ist schließlich die Androhung der Ersatzvornahme durch die Rechtsaufsichtsbehörde für den Fall, dass die Klägerin der Aufforderung zur Aufhebung des Gemeinderatsbeschlusses vom 21. November 2013 bis zum Ablauf von drei Monaten nach Bestandskraft des Bescheids nicht nachkommt. Die Befugnis der Rechtsaufsichtbehörde zu dieser Androhung ergibt sich mittelbar aus Art. 113 Satz 1 GO. Die der Klägerin gesetzte Frist ist angemessen.

4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Der Ausspruch über ihre vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO, § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keiner der in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Gründe vorliegt.

Rechtsmittelbelehrung

Nach § 133 VwGO kann die Nichtzulassung der Revision durch Beschwerde zum Bundesverwaltungsgericht in Leipzig angefochten werden. Die Beschwerde ist beim Bayerischen Verwaltungs-gerichtshof (in München Hausanschrift: Ludwigstraße 23, 80539 München; Postfachanschrift: Postfach 34 01 48, 80098 München; in Ansbach: Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach) innerhalb eines Monats nach Zustellung dieser Entscheidung einzulegen und innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieser Entscheidung zu begründen. Die Beschwerde muss die angefochtene Entscheidung bezeichnen. In der Beschwerdebegründung muss die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt oder die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts, von der die Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs abweicht, oder der Verfahrensmangel bezeichnet werden.

Vor dem Bundesverwaltungsgericht müssen sich die Beteiligten, außer in Prozesskostenhilfeverfahren, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht eingeleitet wird. Als Prozessbevollmächtigte zugelassen sind neben Rechtsanwälten und Rechtslehrern an den in § 67 Abs. 2 Satz 1 VwGO genannten Hochschulen mit Befähigung zum Richteramt nur die in § 67 Abs. 4 Satz 4 VwGO und in §§ 3, 5 RDGEG bezeichneten Personen. Für die in § 67 Abs. 4 Satz 5 VwGO genannten Angelegenheiten (u. a. Verfahren mit Bezügen zu Dienst- und Arbeitsverhältnissen) sind auch die dort bezeichneten Organisationen und juristischen Personen als Bevollmächtigte zugelassen. Sie müssen in Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht durch Personen mit der Befähigung zum Richteramt handeln.

Beschluss:

Der Streitwert wird auf 15.000 € festgesetzt (§ 47, § 52 Abs. 1 GKG).

Tenor

I. Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Würzburg vom 19. November 2015 – W 3 K 14.1393 – wird abgelehnt.

II. Der Kläger hat die Kosten des Antragsverfahrens zu tragen

III. Der Streitwert wird für das Antragsverfahren auf 7.402,22 € festgesetzt.

Gründe

Der Antrag des Klägers‚ die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts (in seinem klageabweisenden Teil) zuzulassen‚ ist unbegründet.

Die Zulassungsgründe nach § 124 Abs. 2 Nrn. 1 bis 5 VwGO, die der Kläger innerhalb der Zwei-Monats-Frist des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO gegen den klageabweisenden Teil des erstinstanzlichen Urteils geltend gemacht hat und auf deren Prüfung der Senat beschränkt ist (§ 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO), liegen nicht vor oder sind nicht ausreichend dargelegt.

Der Kläger wurde vom beklagten Markt auf der Grundlage der Ausbaubeitragssatzung (ABS) vom 30. Juli 2013 mit Bescheid vom 12. August 2013 für sein Grundstück FlNr. 1080 zu einer Vorauszahlung auf den Straßenausbaubeitrag für die Verbesserung der Gehwege an der Ortsdurchfahrt der „Kreisstraße WÜ 59 ‚Grombühl‘ – Abschnitt II/Richtung Holzkirchhausen“ (im Folgenden: Ortsdurchfahrt) in Höhe von 7.672,08 € herangezogen. Sein Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des hiergegen eingelegten Widerspruchs blieb ohne Erfolg (VG Würzburg, B.v. 4.6.2014 – W 3 S. 14.331 – und BayVGH, B.v. 4.11.2014 – 6 CS 14.1470 –). Seiner (Untätigkeits-)Klage hat das Verwaltungsgericht mit dem angegriffenen Urteil vom 19. November 2015 nur zu einem geringen Teil stattgegeben. Es hat den Bescheid insoweit aufgehoben, als eine Vorauszahlung von mehr als 7.402,22 € verlangt wird, und die Klage im Übrigen abgewiesen. Das Verwaltungsgericht ist zu dem Ergebnis gelangt, dass das Vorauszahlungsverlangen dem Grunde nach gerechtfertigt sei. Der Höhe nach müsse es aber reduziert werden, weil der Beklagte bei der Aufwandsverteilung das Außenbereichsgrundstück FlNr. 842 als bevorteilt hätte berücksichtigen und das Grundstück FlNr. 1082 mit einem höheren Faktor hätte ansetzen müssen. Demgegenüber habe der Beklagte das klägerische Grundstück zu Recht wegen gewerblicher Nutzung mit einem Artzuschlag nach § 8 Abs. 11 Satz 1 ABS veranschlagt.

Die Einwände, die der Kläger gegen das erstinstanzliche Urteil in seinem klageabweisenden Teil vorbringt, führen nicht zur Zulassung der Berufung.

1. An der Richtigkeit des angefochtenen Urteils bestehen keine ernstlichen Zweifel im Sinn von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO.

Dieser Zulassungsgrund läge vor, wenn vom Rechtsmittelführer ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung des Verwaltungsgerichts mit schlüssigen Argumenten in Frage gestellt würde (vgl. BVerfG, B.v. 23.6.2000 – 1 BvR 830/00 – NVwZ 2000, 1163/1164; B.v. 23.3.2007 – 1 BvR 2228/02 – BayVBl 2007, 624). Das ist nicht der Fall. Mit dem Verwaltungsgericht ist das Vorauszahlungsverlangen weder dem Grunde nach noch in der Höhe zu beanstanden.

a) Das Verwaltungsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass die von dem Beklagten bereits durchgeführten Baumaßnahmen an den Gehwegen der Ortsdurchfahrt eine beitragsfähige Verbesserung oder Erneuerung im Sinn von Art. 5 Abs. 1 Satz 1 und 3 KAG darstellen und dieser mithin nach Art. 5 Abs. 5 Satz 1 KAG eine Vorauszahlung auf den Straßenausbaubeitrag verlangen darf (und muss).

aa) Beitragsfähige Einrichtung ist entgegen der Sichtweise des Klägers die Ortsdurchfahrt insgesamt, nicht die fahrbahnbegleitenden Gehwege, bei denen es sich nur um eine unselbstständige Teileinrichtung dieser Straße handelt.

Wie der Senat bereits im Eilverfahren unter Hinweis auf seine ständige Rechtsprechung hervorgehoben hat, gehören zu den beitragsfähigen Einrichtungen im straßenausbaubeitragsrechtlichen Sinn grundsätzlich auch die auf dem Gebiet einer Gemeinde verlaufenden Ortsdurchfahrten klassifizierter (Bundes-, Staats-, oder Kreis-) Straßen, wie hier der Kreisstraße WÜ 59, und zwar unabhängig davon, dass sie straßenrechtlich Teile der entsprechenden klassifizierten Straßen sind (BayVGH, B.v. 4.11.2014 – 6 CS 14.1466 – juris Rn. 10 m.w.N.). Auch wenn eine Gemeinde die in Art. 42 Abs. 1 Satz 1 BayStrWG bestimmte Einwohnerzahl nicht erreicht und deshalb ihre Straßenbaulast auf Gehwege und Parkplätze an der Ortsdurchfahrt der Kreisstraße beschränkt ist (Art. 48 Abs. 1, Art. 42 Abs. 3 BayStrWG), bildet die Ortsdurchfahrt insgesamt die Einrichtung i.S. von Art. 5 Abs. 1 Satz 1 und 3 KAG, die freilich nur im Rahmen der gemeindlichen Straßenbaulast beitragsfähig erneuert oder verbessert werden kann. Einrichtung ist mit anderen Worten auch bei geteilter Straßenbaulast die einzelne Ortsdurchfahrt insgesamt und nicht der an ihr angelegte Gehweg. Maßgebend kommt es demnach für die Beitragsabrechnung – vorbehaltlich einer wirksamen Abschnittsbildung oder Zusammenfassungsentscheidung (vgl. Art. 5 Abs. 1 Satz 5 KAG) – auf die Ausdehnung der jeweiligen Ortsdurchfahrt an.

Bezieht sich eine beitragsfähige Erneuerung oder Verbesserung demnach auf die jeweilige Einrichtung (hier: Ortsdurchfahrt) insgesamt, ist der umlagefähige Aufwand gemäß Art. 5 Abs. 1 Satz 1 KAG – vorbehaltlich einer wirksamen Abschnittsbildung – auf sämtliche Grundstücke zu verteilen, die eine beitragsrelevante Inanspruchnahmemöglichkeit „dieser Einrichtung“ haben. Wird etwa lediglich der Gehweg auf der einen Seite einer Straße (Ortsdurchfahrt) erneuert, umfasst das Abrechnungsgebiet deshalb sämtliche Anliegergrundstücke unabhängig davon, ob diese unmittelbar an die ausgebauten Teile angrenzen oder davon mehr oder weniger weit entfernt liegen (vgl. BayVGH, U.v. 28.1.2010 – 6 BV 08.3043 – juris Rn. 12; U.v. 18.5.2017 – 6 BV 16.2345 – juris Rn. 16 m.w.N.).

bb) Der Ausbau der Gehwege entlang der Ortsdurchfahrt stellt eine beitragsfähige Erneuerung oder Verbesserung im Sinn von Art. 5 Abs. 1 Satz 3 KAG dar, die in die Straßenbaulast des Beklagten fällt und für die dieser kraft Gesetzes einen Beitrag von den bevorteilten Grundstückseigentümern erheben soll (zur Beitragserhebungspflicht vgl. BayVGH, U.v. 9.11.2016 – 6 B 15.2732 – BayVBl 2017, 200 ff.).

Die alten Gehwege waren ausweislich der Zustandsdokumentation in den Behördenakten teils verschlissen, teils nicht durchgehend angelegt. Ihr Ausbau führt zu einer Erneuerung und Verbesserung der Ortsdurchfahrt. Daran ändert der Einwand des Klägers nichts, der Gehweg auf der südlichen Straßenseite, an der sein Grundstück liegt, sei nach dem Ausbau mit einer einzigen punktuellen Ausnahme durchgehend unter 1 m breit und damit unzumutbar schmal. Die Beitragsfähigkeit für den südlichen Gehweg entfiele nur dann, wenn dieser funktionsunfähig wäre, also seine ihm nach dem Ausbauprogramm zugedachte verkehrstechnische Funktion nicht erfüllen könnte. Davon kann keine Rede sein, auch wenn wegen der beengten Verhältnisse die in den „Empfehlungen für die Anlage von Erschließungsanlagen“ genannte (idealtypische) Mindestbreite von 1,50 m deutlich unterschritten wird. Diese Empfehlungen haben indes keine verbindliche Wirkung wie ein Gesetz. Der genannte Wert zielt darauf ab, eine störungsfreie Begegnung zweier Fußgänger zu ermöglichen. Ein Gehweg kann jedoch schon dann – wenn auch eingeschränkt, so doch noch ausreichend – funktionsfähig sein, wenn er den erforderlichen Mindestgehraum für einen Fußgänger bietet (vgl. BayVGH, U.v. 11.6.2002 – 6 B 97.2354 – DVBl 2002, 1417 f.). Legt man mit den genannten Empfehlungen für einen Fußgänger eine Grundbreite von 55 cm zu Grunde und veranschlagt zusätzlich beidseitig einen Bewegungsspielraum von jeweils 10 cm, so ergibt sich für den notwendigen Verkehrsraum eines Fußgängers eine Mindestgehwegbreite von 75 cm. Das ist bei dem südlichen Gehweg uneingeschränkt der Fall; denn er ist nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichts durchgehend mindestens 0,75 m breit. Selbst wenn die Breite an vereinzelten Engstellen unter diesem Wert bliebe, würde das die Beitragsfähigkeit nicht entfallen lassen (vgl. BayVGH, U.v. 24.2.2017 – 6 BV 15.1000 – juris Rn. 38 m.w.N.). Das gilt umso mehr, als die Straße im fraglichen Bereich aus dem Ort herausführt, nur einige wenige bebaute Grundstücke wegemäßig erschließt, mithin nicht viele Fußgänger aufnehmen muss und zudem auf der nördlichen Seite über einen zweiten, nach dem Ausbauprogramm mit 1,50 bis 1,87 m deutlich breiteren Gehweg verfügt. Dass durch die Baumaßnahme trotz der beengten Verhältnisse auf der südlichen Straßenseite – anstelle des früheren, mit der Fahrbahn höhengleichen Seitenstreifens – ein dem Mindeststandard genügender, durch Bordsteine von der Fahrbahn getrennter zweiter Gehweg zur Verfügung gestellt wird, stellt in verkehrstechnischer Hinsicht eine Verbesserung dar. Dies bewirkt nicht nur eine sicherere Trennung von Fahrzeug- und Fußgängerverkehr, sondern vermindert auch das Überqueren der Fahrbahn, um auf den nördlichen Gehweg zu gelangen.

Die von dem Kläger angeführten Entscheidungen des Oberverwaltungsgerichts Münster führen zu keiner anderen Beurteilung. Dieses hatte zwar mit Urteilen vom 29. November 1989 – 2 A 1419/87 (NWVBl 1990, 311 ff.) und vom 21. Februar 1990 – 2 A 2787/86 – (NVwZ-RR 1990, 643 ff.) für das nordrhein-westfälische Kommunalabgabenrecht die Auffassung vertreten, dass ein Gehweg seine Funktion nicht erfüllen kann, wenn er einen ungehinderten Begegnungsverkehr nicht zulässt, also eine Breite von 1,50 m nicht erreicht. Diese Rechtsprechung hat das Oberverwaltungsgericht jedoch ausdrücklich aufgegeben und als Mindestbreite den für einen – einzelnen – Fußgänger erforderlichen Raum, also 75 cm, als ausreichend angesehen (OVG Münster, U.v. 20.7. 1992 – 2 A 399/91 – NVwZ-RR 1993, 102 ff.; U.v. 1.9.2009 – 15 A 1102/09 – NVwZ-RR 2009, 939 f.; weitergehend OVG Koblenz, U.v. 21.1.2009 – 6 A 10697/08 – juris, das einen nur 60 cm breiten, höhengleich mit der Fahrbahn angelegten Gehweg genügen lässt).

cc) Der Sondervorteil, der die Auferlegung eines Beitrags rechtfertigt, liegt in der qualifizierten Möglichkeit, die Ortsdurchfahrt mit den teils erneuerten, teils verbesserten Gehwegen in Anspruch zu nehmen (zu den maßgeblichen Kriterien etwa BayVGH, U.v. 6.4.2017 – 6 B 16.1043 – juris Rn. 13 f. m.w.N.). Ein solcher Sondervorteil kommt ohne Zweifel auch dem Grundstück des Klägers zu, weil es unmittelbar an der Straße liegt und bebaut ist.

b) Ebenfalls keinen Bedenken begegnet die Annahme des Verwaltungsgerichts, dass der Beklagte das klägerische Grundstück FlNr. 1080 zu Recht wegen gewerblicher Nutzung mit einem Artzuschlag nach § 8 Abs. 11 Satz 1 ABS veranschlagt hat.

aa) Nach § 8 Abs. 11 Satz 1 ABS sind dann, wenn in einem Abrechnungsgebiet von einer Orts Straße (oder Ortsdurchfahrt) auch, d.h. neben anders genutzten Grundstücken, solche Grundstücke erschlossen werden, die zu mehr als einem Drittel gewerblich genutzt werden oder genutzt werden dürfen, für diese Grundstücke die nach § 8 Abs. 2 ABS entsprechend der Anzahl der Vollgeschosse zu ermittelnden Nutzungsfaktoren um je 50 v.H. zu erhöhen. Die Belastung mit einem solchen grundstücksbezogenen Artzuschlag (Gewerbezuschlag) setzt demnach nicht erst bei einer überwiegenden gewerblichen Nutzung ein, sondern bereits dann, wenn die gewerbliche Nutzung mehr als ein Drittel ausmacht. Das ist nach ständiger Rechtsprechung nicht zu beanstanden (BayVGH, B.v. 8.2.2010 – 6 ZB 08.2719 – juris Rn. 6 m.w.N.). Da der Nutzungsfaktor für bebaute Grundstücke in unbeplanten Gebieten, wie dasjenige des Klägers, nach der Höchstzahl der tatsächlich vorhandenen – nicht der zulässigen – Vollgeschosse zu bestimmen ist (§ 8 Abs. 9 Nr. 1 ABS), kommt es auf einen Vergleich der tatsächlich vorhandenen, gewerblich oder gewerbeähnlich genutzten Flächen mit den tatsächlich vorhandenen (nicht den zulässigen), anderweitig genutzten Flächen an.

Für diesen Flächenvergleich ist, wie der Kläger im Ausgangspunkt zutreffend ausführt, bei einem mit einem Gebäude bebauten, gemischt genutzten Grundstück maßgebend allein auf die Geschossflächen abzustellen, also auf die Flächen, die den in dem Gebäude ausgeübten Nutzungen zuzurechnen sind; die Freiflächen bleiben grundsätzlich außer Betracht (BayVGH, B.v. 8.2.2010 – 6 ZB 08.2719 – juris Rn. 7 m.w.N.). Die Maßgeblichkeit des Geschossflächenvergleichs bezeichnet jedoch, wie der Senat bereits im Eilverfahren hervorgehoben hat, nur den Grundsatz, der im Einzelfall Ausnahmen zulässt und zum Zweck einer vorteilsgerechten Aufwandsverteilung auch zulassen muss (BayVGH, B.v. 4.11.2014 – 6 CS 14.1470 – juris Rn. 14). Der Artzuschlag resultiert ebenso wie der aus der Anzahl der Vollgeschosse gebildete Nutzungsfaktor aus dem Differenzierungsgebot des Art. 5 Abs. 2 KAG. Während letzterer ein unterschiedliches Maß der baulichen Nutzung berücksichtigt, trägt der Artzuschlag den Verschiedenheiten in der Art der baulichen oder sonst beitragserheblichen Nutzung Rechnung. Gewerbliche und dem Gewerbe vergleichbare Nutzungen schöpfen regelmäßig aufgrund des durch sie verursachten verstärkten Ziel- und Quellverkehrs aus einer Straße einen größeren Vorteil als Wohnnutzung. Aus der Sicht dieser Überlegung ist dann aber auch der nach der Satzung anzustellende Flächenvergleich zu interpretieren. Den Umfang des Ziel- und Quellverkehrs bestimmt regelmäßig – aber eben nicht ausnahmslos – die Gebäude-, nicht die Freiflächennutzung (BayVGH, U.v. 8.3.2001 – 6 B 98.2837 – BayVBl 2002, 469).

Aus diesem Grund sind etwa private Grünflächen auf einem gemischt genutzten Grundstück hinsichtlich ihrer Zuordnung zu bestimmten Hauptnutzungen indifferent und können, wenn etwa das Gebäude zu mehr als einem Drittel gewerblich genutzt wird, die Auferlegung eines Artzuschlags nicht in Frage stellen. Etwas anderes gilt aber dann, wenn die Freiflächennutzung nicht in dieser Weise indifferent, sondern eindeutig gewerblich ausgerichtet ist und typischerweise Ziel- und Quellverkehr auslöst. Solche spezifische gewerbliche Freiflächennutzung ist ausnahmsweise beim Flächenvergleich zu berücksichtigen und kann damit auch dann zu einem Artzuschlag führen, wenn innerhalb des Gebäudes der gewerblich genutzte Teil für sich betrachtet unter der satzungsmäßigen Grenze liegt (vgl. BayVGH, U.v. 8.6.2000 – 6 B 97.112 – juris Rn. 29; Driehaus in ders. Kommunalabgabenrecht, § 8 Rn. 471a).

Für den Flächenvergleich sind die tatsächlichen Verhältnisse im Zeitpunkt des Entstehens der sachlichen Beitragspflichten zugrunde zu legen. Dass dies im Einzelfall auch zu zufälligen Ergebnissen führen kann, wenn etwa eine gewerbliche Nutzung kurz vor dem Stichtag aufgegeben oder kurz danach aufgenommen wird, lässt sich mit Blick auf das Stichtagsprinzip nicht vermeiden (BayVGH, U.v. 18.5.2016 – 6 ZB 15.2785 – juris Rn. 23). Bei der – hier in Streit stehenden – Erhebung von Vorauszahlungen nach Art. 5 Abs. 5 Satz 1 KAG, die begrifflich immer vor dem Entstehen der endgültigen sachlichen Beitragspflichten erfolgt, ist nach der Erkenntnislage im Zeitpunkt der (letzten) Behördenentscheidung prognostisch zu bewerten, ob bei Entstehen der Beitragspflichten ein Artzuschlag anzusetzen sein wird.

bb) Gemessen an diesem Maßstab ist das klägerische Grundstück FlNr. 1080 mit einem Artzuschlag zu belasten, weil es zum maßgeblichen Zeitpunkt bei Erlass des Vorauszahlungsbescheids am 12. August 2013 zu mehr als einem Drittel gewerblich genutzt worden ist.

Zwar hat der Kläger substantiiert und plausibel dargelegt, dass bei einem reinen Vergleich der Geschossflächen in dem Hauptgebäude und der Garage der Anteil der gewerblich genutzten im Verhältnis zu den wohngenutzten Flächen mehr oder weniger deutlich unter einem Drittel liegt. Dabei kann dahin stehen, ob der gewerblich genutzte Teil entsprechend der im erstinstanzlichen Verfahren vorgelegten Zusammenstellung der Betriebsprüfungsstelle von August 2012 55,18 qm beträgt oder entsprechend dem Klagevorbringen nur 35,44 qm. Ebenso kann es offen bleiben ob die zu Wohnzecken genutzten Flächen entsprechend der Zusammenstellung der Betriebsprüfungsstelle 296,52 qm (212,52 qm im Hauptgebäude + 84 qm in der Garage) betragen oder ob das leer stehende Obergeschoss (106,98 qm) hiervon abzuziehen (vgl. BayVGH, U.v. 8.3.2001 – 6 B 98.2837 – BayVBl 2002, 469 f.) bzw. der Abstellraum im Keller (16,25 qm) oder gar das als private Lagerfläche genutzte Dachgeschoss hinzuzurechnen sind.

Die Einzelheiten der Geschossflächenberechnung für das Hauptgebäude und die Garage sind deshalb nicht entscheidungserheblich, weil der Senat die Auffassung des Verwaltungsgerichts teilt, dass beim Flächenvergleich neben dem Hauptgebäude mit Garage auch die gewerblich genutzten Nebengebäude und die – erhebliche – spezifische gewerbliche Freiflächennutzung zu berücksichtigen sind und danach der gewerbliche Anteil in jedem Fall über einem Drittel liegt. Nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichts befanden sich zum maßgeblichen Zeitpunkt auf dem insgesamt 1.655,00 qm großen Grundstück neben dem Hauptgebäude noch eine gewerblich genutzte Lagerhalle von 4 x 13 m (52 qm), ferner drei überdachte Holzlagerregale mit den Maßen 20 x 2,5 m (50 qm), 8 x 1,5 m (12 qm) und 10 x x1,5 m (15 qm) und schließlich eine nicht genau bemessene Lagerfläche für Zimmereimaterialien und Betriebsmittel. Das Grundstück grenzt unmittelbar an das westlich gelegene, ebenfalls im Eigentum des Klägers stehende Grundstück FlNr. 1075, auf dem der Kläger eine Zimmerei betreibt (Gegenstand des Parallelverfahrens 6 ZB 16.677). Die weitaus überwiegende Grundstücksfläche (etwa 1.100 qm zwischen dem zur abgerechneten Orts Straße ausgerichteten Hauptgebäude im Norden und der Ortsdurchfahrt der Kreisstraße WÜ 60 im Süden) werden ausweislich der in das erstinstanzliche Verfahren eingeführten Lichtbilder und der weiteren Unterlagen gemeinsam mit dem Grundstück FlNr. 1075 gewerblich genutzt. Die Lichtbilder zeigen von der Ortsdurchfahrt aus eine Zufahrt auf das einheitliche Betriebsgelände, welche die gesamte Fläche zwischen dem Hauptgebäude auf dem Grundstück FlNr. 1080 und der Betriebshalle auf dem Nachbargrundstück FlNr. 1075 einnimmt. An die Zufahrt schließt sich ein einheitlicher, befestigter Betriebshof mit Stell- und Lagerflächen an, wobei sich der weit überwiegende Teil der befestigten Freiflächen zusammen mit den Holzlagerregalen auf dem Grundstück FlNr. 1080 befindet. Selbst wenn man zugunsten des Klägers nur ein Fünftel dieser Freifläche (ca. 200 qm) als spezifisch gewerblich genutzt ansieht, errechnet sich zusammen mit der gewerblich genutzten Fläche im Hauptgebäude (mindestens 35,44 qm) und in der Lagerhalle (52 qm) sowie den drei Holzlagerregalen (insgesamt 77 qm), eine gewerblich genutzte Fläche von 364,44 qm. Das ist im Vergleich zu den wohngenutzten Flächen in jedem Fall weit mehr als ein Drittel, das § 8 Abs. 11 Satz 1 ABS als Grenze für die Auferlegung eines Artzuschlags festlegt.

Dass der Kläger seinen Angaben zufolge inzwischen den Betrieb verkleinert und die gewerblich genutzte Fläche auf dem Grundstück FlNr. 1080 reduziert hat, ist für die Beurteilung des streitigen Vorauszahlungsbescheids unbeachtlich. Ob sich die Änderungen auf die Höhe des endgültigen Beitrags auswirken können, hängt davon ab, wann die sachlichen Beitragspflichten entstanden sind oder noch entstehen.

2. Die weiteren vom Kläger geltend gemachten Berufungszulassungsgründe greifen ebenfalls nicht durch.

a) Die Rechtssache weist keine besonderen tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten auf (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO). Die angesprochenen Fragen zur Beitragsfähigkeit der Baumaßnahme an den Gehwegen und zur Veranschlagung des klägerischen Grundstücks mit einem Artzuschlag lassen sich aus den oben genannten Gründen aufgrund des Gesetzes sowie der Senatsrechtsprechung ohne weiteres im Sinn des Verwaltungsgerichts beantworten, ohne dass es der Durchführung eines Berufungsverfahrens bedarf.

b) Die Rechtssache hat auch nicht die ihr vom Kläger beigemessene grundsätzliche Bedeutung im Sinn des § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO. Die mit dem Zulassungsantrag aufgeworfenen Fragen, ob der Ausbau der Gehwege an einer Ortsdurchfahrt nach Art. 5 Abs. 1 Sätze 1 und 3 KAG beitragsfähig sein kann und unter welchen Voraussetzungen er funktions(un) fähig ist, sind, soweit sie überhaupt verallgemeinernd beantwortet werden können, geklärt. Entsprechendes gilt mit Blick auf den erforderlichen Flächenvergleich bei gemischt genutzten Grundstücken zur Auferlegung eines satzungsrechtlichen Artzuschlags.

c) Der geltend gemachte Zulassungsgrund der (Rechtssatz-)Divergenz (§ 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO) ist schon nicht in einer den Anforderungen des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO genügenden Weise dargelegt. Eine solche Divergenz liegt vor, wenn das Verwaltungsgericht in Anwendung derselben Rechtsvorschrift mit einem seine Entscheidung tragenden (abstrakten) Rechtssatz von einem in der benannten Rechtsprechung des Divergenzgerichts aufgestellten ebensolchen Rechtssatz abweicht; diese Voraussetzung muss der Rechtsmittelführer durch eine Gegenüberstellung der divergierenden (abstrakten) Rechtssätze darlegen (BayVGH, B.v. 26.8.2016 – 6 ZB 15.2238 – juris Rn. 5 m.w.N.). Daran fehlt es.

d) Schließlich muss auch die Rüge ohne Erfolg bleiben, das Verwaltungsgericht hätte dem in der mündlichen Verhandlung gestellten Beweisantrag zur Nutzung der Flächen im Hauptgebäude und der Garage nachkommen müssen. Auf der Grundlage seiner – zutreffenden – Rechtsauffassung durfte das Verwaltungsgericht den Beweisantrag mit der Begründung ablehnen, es komme auf die unter Beweis gestellten Tatsachen nicht entscheidungserheblich an (§ 244 Abs. 3 Satz 2 StPO entsprechend).

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47, 52 Abs. 3 Satz 1 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit ihm wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).

(1) Hilft die Behörde dem Widerspruch nicht ab, so ergeht ein Widerspruchsbescheid. Diesen erläßt

1.
die nächsthöhere Behörde, soweit nicht durch Gesetz eine andere höhere Behörde bestimmt wird,
2.
wenn die nächsthöhere Behörde eine oberste Bundes- oder oberste Landesbehörde ist, die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen hat,
3.
in Selbstverwaltungsangelegenheiten die Selbstverwaltungsbehörde, soweit nicht durch Gesetz anderes bestimmt wird.
Abweichend von Satz 2 Nr. 1 kann durch Gesetz bestimmt werden, dass die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen hat, auch für die Entscheidung über den Widerspruch zuständig ist.

(2) Vorschriften, nach denen im Vorverfahren des Absatzes 1 Ausschüsse oder Beiräte an die Stelle einer Behörde treten, bleiben unberührt. Die Ausschüsse oder Beiräte können abweichend von Absatz 1 Nr. 1 auch bei der Behörde gebildet werden, die den Verwaltungsakt erlassen hat.

(3) Der Widerspruchsbescheid ist zu begründen, mit einer Rechtsmittelbelehrung zu versehen und zuzustellen. Zugestellt wird von Amts wegen nach den Vorschriften des Verwaltungszustellungsgesetzes. Der Widerspruchsbescheid bestimmt auch, wer die Kosten trägt.

Ist über einen Widerspruch oder über einen Antrag auf Vornahme eines Verwaltungsakts ohne zureichenden Grund in angemessener Frist sachlich nicht entschieden worden, so ist die Klage abweichend von § 68 zulässig. Die Klage kann nicht vor Ablauf von drei Monaten seit der Einlegung des Widerspruchs oder seit dem Antrag auf Vornahme des Verwaltungsakts erhoben werden, außer wenn wegen besonderer Umstände des Falles eine kürzere Frist geboten ist. Liegt ein zureichender Grund dafür vor, daß über den Widerspruch noch nicht entschieden oder der beantragte Verwaltungsakt noch nicht erlassen ist, so setzt das Gericht das Verfahren bis zum Ablauf einer von ihm bestimmten Frist, die verlängert werden kann, aus. Wird dem Widerspruch innerhalb der vom Gericht gesetzten Frist stattgegeben oder der Verwaltungsakt innerhalb dieser Frist erlassen, so ist die Hauptsache für erledigt zu erklären.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.

In den Fällen des § 708 Nr. 4 bis 11 hat das Gericht auszusprechen, dass der Schuldner die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung abwenden darf, wenn nicht der Gläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit leistet. § 709 Satz 2 gilt entsprechend, für den Schuldner jedoch mit der Maßgabe, dass Sicherheit in einem bestimmten Verhältnis zur Höhe des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages zu leisten ist. Für den Gläubiger gilt § 710 entsprechend.

(1) Gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts (§ 49 Nr. 1) und gegen Beschlüsse nach § 47 Abs. 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundesverwaltungsgericht zu, wenn das Oberverwaltungsgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung das Bundesverwaltungsgericht sie zugelassen hat.

(2) Die Revision ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(3) Das Bundesverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden.