Verwaltungsgericht Würzburg Urteil, 23. März 2017 - W 3 K 15.1217

published on 23/03/2017 00:00
Verwaltungsgericht Würzburg Urteil, 23. März 2017 - W 3 K 15.1217
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Tenor

I. Der Straßenausbaubeitragsbescheid der Beklagten vom 19. Oktober 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 29. Oktober 2015 bzgl. des Grundstücks Fl.Nr. …2 der Gemarkung W … wird aufgehoben.

II. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

III. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu vollstreckenden Kosten abwenden, wenn nicht der Kläger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

IV. Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand

I.

Der Kläger ist Eigentümer des Grundstücks Fl.Nr. …2 der Gemarkung W … Die Beklagte erneuerte Fahrbahn und Gehwege der Straße Z … Weg und von Teilen der E …gasse. Die Parteien streiten um einen diesbezüglichen Straßenausbaubeitragsbescheid.

Im Nordwesten W … zweigt von der Staatsstraße 2 … die E … Straße nach Süden ab und verläuft durch den gesamten Ort. Der Z … Weg zweigt von der E … Straße ab und verläuft Richtung Südosten, wo er nach etwa 290 m auf die Straße A … … trifft.

In den Z … Weg mündet nach ca. 132 m ab der Einmündung E … Straße von Norden kommend die Bgasse. Nahe der Einmündung der Bgasse in den Z … Weg mündet die E …gasse ebenfalls in den Z … Weg. Die E …gasse verläuft ab der Einmündung in den Z … Weg ca. 60 m nach Nordosten, danach etwa 52 m nach Nordwesten, sodann etwa 46 m in Richtung Südwesten bis sie schließlich in die Bgasse mündet.

Ca. 95 m nach der Einmündung der Bgasse in den Z … Weg kommt von Süden die Straße K …weg und mündet ebenfalls in den Z … Weg.

Das klägerische Grundstück grenzt von Norden an den Z … Weg und liegt unterhalb der Einmündung Bgasse und der E …gasse.

Mit Bescheid vom 18. Oktober 2010 verlangte die Beklagte vom Kläger, gestützt auf die Ausbaubeitragssatzung vom 19. April 2010, einen Beitrag in Höhe von 4.055,71 EUR für die Erneuerung des Z … Wegs und der E …gasse im Gemeindeteil W … In diesem Zusammenhang wurden der Z … Weg sowie die veranlagten Teile der E …gasse als Haupterschließungsstraße qualifiziert.

Mit Schreiben vom 22. November 2010 erhob der Kläger Widerspruch gegen den Ausbaubeitragsbescheid. Er trug im Wesentlichen vor, dass er von der Beklagten im Rahmen der Beitragserhebung und des vorausgegangenen Verfahrens nicht ausreichend aufgeklärt worden sei. Des Weiteren sei die Einfahrt zu seinem Grundstück zu klein und falsch gebaut, sowie entgegen aller anderen Einfahrten in der Straße Z … Weg nicht gepflastert worden. Zudem sei dem Kläger kein besonderer Vorteil entstanden und seine Fläche fehlerhaft berücksichtigt worden.

Das Landratsamt Hassberge wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 29. Oktober 2015 zurück. Entgegen der Auffassung des Klägers habe er sehr wohl einen Vorteil durch die Arbeiten erhalten. Außerdem sei die Beklagte dem Kläger in mehreren Punkten entgegengekommen. Durch eine Erhöhung des Gemeindeanteils für Haupterschließungsstraßen sei die neue Ausbaubeitragssatzung zudem für die Anlieger günstiger als die bis dahin gültige Ausbaubeitragssatzung. Weiter seien der Z … Weg sowie die E …gasse nicht als Anliegerstraßen, sondern als Haupterschließungsstraßen klassifiziert worden, wodurch ein höherer Anteil für die Beklagte entstehe.

II.

Der Kläger ließ am 30. November 2015 im vorliegenden Verfahren Klage zum Verwaltungsgericht Würzburg erheben. Das Gericht trennte mit Beschluss vom 2. Dezember 2015 das Klagebegehren ab, soweit es die Grundstücke Fl.Nrn. 9, 0 betraf und führte es unter dem neuen Aktenzeichen W 3 K 15.1218 fort.

Er beantragte im Verfahren W 3 K 15.1217:

Der Straßenausbaubeitragsbescheid vom 18. Oktober 2010 der Gemeinde Knetzgau für die Erneuerung der Fahrbahn und der Gehwege „Z … Weg“ für das Grundstück Fl.Nr. …2 der Gemarkung W … in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. Oktober 2015 des Landratsamts H. wird aufgehoben.

Zur Begründung wurde Folgendes angeführt:

Der Z … Weg sei noch nicht derart abgenutzt gewesen, dass ein Erneuerungsbedarf bestanden hätte. Weiter habe die Pflasterung vor den klägerischen Grundstücken eine nicht gewünschte Lärmpegelerhöhung bewirkt. Weiter stelle es eine Ungleichbehandlung da, dass die Einfahrt des klägerischen Grundstücks als einzige nicht gepflastert worden sei. Vor der Dorferneuerung sei die Einfahrt geteert gewesen. Darüber hinaus sei der Widerspruchsbescheid nicht ordnungsgemäß begründet, weil er nicht auf das konkrete Vorbringen des Widerspruchs eingehe.

Zudem sei die Forderung verwirkt. Die Gemeinde habe den Ursprungsbescheid bereits am 18. Oktober 2010 erlassen. Am 12. Juli 2011 sei der Widerspruch dem Landratsamt Hassberge vorgelegt worden. Der Widerspruchsbescheid sei jedoch erst am 29. Oktober 2015 erlassen worden. Gründe für diese Dauer seien nicht ersichtlich.

Die Beklagte ließ durch ihren Bevollmächtigten beantragen,

Die Klage wird abgewiesen.

Die einschlägige Ausbaubeitragssatzung entspreche inhaltlich den Maßstäben der einschlägigen Rechtsprechung. Insbesondere liege der Eigenanteil der Beklagten für die vorliegende Haupterschließungsstraße entgegen einschlägiger Mustersatzungen nicht bei 50% sondern bei 65%, diese Regelung halte sich allerdings im Rahmen des Ermessens des Satzungsgebers, da die Satzung eine Abstufung nach Straßenkategorien und einzelnen Anlagenteilen vornehme.

Es liege eine Verbesserung, jedenfalls eine Erneuerung der Straße vor. Außerdem bestehe kein Anspruch des Klägers auf Pflasterung seiner Einfahrt. Mängel an der konkreten Ausführung hätten für die Beitragserhebung keine Bedeutung. Eine Verwirkung liege nicht vor, der Kläger hätte seinerzeit Untätigkeitsklage erheben können.

Im Übrigen wird auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 23. März 2017, auf das weitere schriftsätzliche Vorbringen der Parteien, auf den Inhalt der einschlägigen Verwaltungsakten der Beklagten und des Landratsamtes H. und der Behördenakten im Verfahren W 3 K 15.1218, welche Gegenstand des Verfahrens waren, Bezug genommen.

Gründe

Streitgegenstand des vorliegenden Verfahrens ist der Bescheid vom 18. Oktober 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids des Landratsamts H. vom 29. Oktober 2015, mit welchem die Beklagte den Kläger als Eigentümer des Grundstücks Fl.Nrn. …2 der Gemarkung W … zu einem Beitrag in Höhe von 4.055,71 EUR für die Erneuerung des Z … Weges und der E …gasse heranzieht.

Die zulässige Klage ist begründet. Der angegriffene Bescheid erweist sich als rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO), weil er sich auf keine wirksame Rechtsgrundlage in Form einer gültigen Ausbaubeitragssatzung stützen kann.

Dies ergibt sich aus Folgendem:

Gemäß Art. 5 Abs. 1 Satz 1 des Kommunalabgabengesetz (KAG) i.d.F. der Bekanntmachung vom 4. April 1993 (GVBl. S. 264), zuletzt geändert durch Gesetz vom 11. März 2014 (GVBl. S. 70), können die Gemeinden zur Deckung ihres anderweitig nicht gedeckten Aufwands für die Herstellung, Anschaffung, Verbesserung oder Erneuerung ihrer öffentlichen Einrichtungen Beiträge von den Grundstückseigentümern und den Erbbauberechtigten erheben, denen die Möglichkeit der Inanspruchnahme dieser Einrichtungen besondere Vorteile bietet. Zu diesen Einrichtungen zählen auch Gemeindestraßen im Sinne des Art. 46 BayStrWG i.d.F. der Bekanntmachung vom 5. Oktober 1981 (BayRS 91-1-I), zuletzt geändert durch Gesetz vom 22. Mai 2015 (GVBl. S. 154).

Für die Verbesserung oder Erneuerung von Ortsstraßen und beschränkt-öffentlichen Wegen sollen gemäß Art. 5 Abs. 1 Satz 3 KAG solche Beiträge erhoben werden, soweit nicht Erschließungsbeiträge nach dem Baugesetzbuch zu erheben sind.

Rechtsgrundlage für die Erhebung von Ausbaubeiträgen ist eine gültige Beitragsregelung in Gestalt einer Abgabesatzung nach Art. 2 Abs. 1 KAG. Eine solche Satzung hat die Beklagte mit ihrer Satzung über die Erhebung von Beiträgen zur Deckung des Aufwands für die Herstellung, Anschaffung, Verbesserung oder Erneuerung von Straßen, Wegen, Plätzen, Parkplätzen, Grünanlagen und Kinderspielplätzen vom 20. April 2010 (ABS 2010) geschaffen. Allerdings hält diese einer inhaltlichen Überprüfung nicht stand und erweist sich deshalb als unwirksam, so dass sie keine tragfähige Grundlage für den streitgegenständlichen Bescheid bilden kann. Dies ergibt sich daraus, dass die ABS 2010 hinsichtlich der in ihrem § 7 Abs. 2 festgelegten Gemeindeanteile fehlerhaft ist.

Für die Beteiligung der Gemeinde am Aufwand für die Herstellung, Anschaffung, Verbesserung oder Erneuerung unter anderem von Straßen schreibt Art. 5 Abs. 3 Satz 1 KAG vor, dass in der Abgabesatzung eine solche vorzusehen ist, wenn die Einrichtung neben den Beitragspflichtigen nicht nur unbedeutend auch der Allgemeinheit zugutekommt. Nach Art. 5 Abs. 3 Satz 2 KAG muss die Eigenbeteiligung die Vorteile für die Allgemeinheit angemessen berücksichtigen. Satzungen nach Abs. 1 Satz 3 - also solche für die Verbesserung oder Erneuerung von Ortsstraßen und beschränkt-öffentlichen Wegen - haben eine vorteilsgerecht abgestufte Eigenbeteiligung einheitlich für das gesamte Gemeindegebiet vorzusehen.

Dies bedeutet, dass der beitragsfähige Aufwand ausschließlich auf die Gruppe der Eigentümer und Erbbauberechtigten der an der Anlage gelegenen Grundstücke einerseits und auf die Gemeinde als „Repräsentantin“ der Allgemeinheit andererseits aufzuteilen ist. Denn es liegt auf der Hand, dass eine jede öffentliche Straße nicht nur unbedeutend im Sinn von Art. 5 Abs. 3 Satz 1 KAG der Allgemeinheit zugutekommt. (Matloch/Wiens, Das Erschließungsbeitragsrecht in Theorie und Praxis, Stand: Januar 2016, Rn. 2121). Dies bedeutet, dass Eigentümeranteil und Gemeindeanteil zusammengezählt den beitragsfähigen Aufwand ausmachen müssen.

Auf der Grundlage dieser zwingend in der Ausbaubeitragssatzung umzusetzenden Vorschrift hat der Satzungsgeber darüber zu entscheiden, wie hoch der Eigentümeranteil und wie hoch der Gemeindeanteil sein soll. Dies ist - direkt oder indirekt - als bestimmter Prozentsatz zu bezeichnen (Driehaus, Das Erschließungsbeitragsrecht in Theorie und Praxis, 9. Auflage 2012, § 34 Rn. 6). Auf der Grundlage von Art. 5 Abs. 3 Satz 2 und Satz 3 KAG ist einziges Kriterium für die Aufteilung des beitragsfähigen Aufwandes auf die Grundstückseigentümer und die Gemeinde der „Vorteil für die Allgemeinheit“; dieser muss „angemessen“ berücksichtigt werden. Der Begriff „Vorteil“ meint in diesem Zusammenhang den wirtschaftlichen Vorteil (Driehaus, a.a.O., § 34 Rn. 4 m.w.N.). Dies bedeutet, dass bei der Entscheidung des Satzungsgebers über die Eigenbeteiligung der Gemeinde und damit über die Belastung der Eigentümer der anliegenden Grundstücke „kein Raum für die Beachtung etwa von sozial- oder finanzpolitischen Erwägungen“ (vgl. Driehaus, a.a.O., § 34 Rn. 4 m.w.N.; vgl. auch BayVGH, U.v. 29.10.1984 - 6 B 82A.2893 - VGH n.F. 37, 142, 143; U.v. 9.11.2016, 6 B 15.2732 - juris Rn. 45) ist. In diesem Zusammenhang spielt auch die Vorschrift des Art. 5 Abs. 1 Satz 3 KAG eine Rolle, wonach für die Verbesserung und Erneuerung von Ortsstraßen und beschränkt-öffentlichen Wegen Beiträge erhoben werden „sollen“. Hiernach ist der Satzungsgeber in der Regel dazu verpflichtet, derartige Beiträge von den Eigentümern und Erbbauberechtigten der bevorteilten Grundstücke zu erheben. Dies gilt zunächst - wie der Bayerische Verwaltungsgerichtshof in seinem Urteil vom 9. November 2016 (6 B 15.2732 - juris) entschieden hat - für die Frage, ob überhaupt Beiträge für den Ausbau von gemeindlichen Straßen erhoben werden. Die Verpflichtung zur Erhebung von Beiträgen muss jedoch auch in gleichem Maße Auswirkungen auf die Beantwortung der Frage haben, welcher Anteil des beitragsfähigen Aufwands auf die Grundstückseigentümer und welcher Anteil auf die Gemeinde als Repräsentantin der Allgemeinheit umzulegen ist. Ist es nämlich dem Satzungsgeber verwehrt, auf der Grundlage etwa sozialpolitischer oder finanzwirtschaftlicher Überlegungen zugunsten der Eigentümer und Erbbauberechtigten der von der beitragsfähigen Straßenbaumaßnahme bevorteilten Grundstücke auf die Erhebung von Straßenausbaubeiträgen zur Gänze zu verzichten mit der Folge, dass die in Rede stehenden Mittel von anderen aufgebracht werden müssen oder zur Erfüllung anderer gemeindlicher Aufgaben fehlen (so BayVGH, U.v. 9.11.2016 - 6 B 15.2732 - juris LS 4), muss dies auch für die Bestimmung der Höhe des Anteils der Gemeinde als Repräsentantin der Allgemeinheit gelten. Eine Bestimmung dieses Anteils unter Zugrundelegung einer Motivation, die nicht allein den wirtschaftlichen Vorteil der Allgemeinheit in den Blick nimmt, sondern sich etwa zu Gunsten der Grundstückseigentümer und zu Lasten der gemeindlichen Finanzen auf sozialpolitische oder andere sachfremde Erwägungen stützt, kommt einem Teil-Verzicht der Gemeinde auf die Erhebung von Straßenausbaubeiträgen gleich und ist damit auf der Grundlage des vorgenannten Urteil des Bayer. Verwaltungsgerichtshofs unzulässig (vgl. hierzu auch Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, 9. Auflage, 2012, § 34 Rn. 9 m.w.N.).

Für die Bestimmung der Höhe des Vorteils der von der beitragsfähigen Straßenbaumaßnahme bevorteilten Grundstücke einerseits und der Allgemeinheit, repräsentiert durch die Gemeinde, andererseits unter Berücksichtigung der Vorschrift des Art. 5 Abs. 3 Satz 2 und Satz 3 KAG hat der Bayer. Verwaltungsgerichtshof in seinem Urteil vom 23. Oktober 1984 (6 B 82A.2893 - VGH n.F. 37, 142) Mindestvorgaben gemacht, die insbesondere die in Art. 5 Abs. 3 Satz 3 KAG vorgeschriebene „vorteilsgerecht abgestufte“ Eigenbeteiligung in den Blick nehmen. Hiernach hat der Satzungsgeber bei seiner Wertung zu berücksichtigen, ob und inwieweit den Anliegern durch ihre räumliche Beziehung zu der Straße und deren Inanspruchnahme ein Vorteil zuwächst und in welchem Umfang der Vorteil der Allgemeinheit sich hierdurch gegebenenfalls verringert. Entscheidendes Kriterium ist dabei das Maß der zu erwartenden Inanspruchnahme der ausgebauten Straße durch die Anlieger einerseits und durch die Allgemeinheit andererseits (vgl. auch Driehaus, a.a.O., § 34 Rn. 8). Um dem gerecht zu werden, hat der Satzungsgeber eine sachgerechte Typisierung der Gemeindestraßen vorzunehmen, um deren Verkehrsbedeutung insbesondere für die Allgemeinheit angemessen zu berücksichtigen. Denn die Verkehrsbedeutung ist bei der Abgrenzung zwischen dem individuellen Vorteil des Anliegers und dem Vorteil der Allgemeinheit und bei deren Abwägung gegeneinander das wichtigste Kriterium. In diesem Zusammenhang sieht es der Bayer. Verwaltungsgerichtshof als notwendig an, zumindest drei Straßenkategorien entsprechend der Verkehrsfunktion aufzustellen, nämlich Wohnstraßen, Straßen mit starkem innerörtlichen Verkehr und Durchgangsstraßen (BayVGH, U.v. 29.10.1984, a.a.O.). Denn die unterschiedliche Verkehrsfunktion der gemeindlichen Straßen bietet einen greifbaren Anhaltspunkt, den Vorteil der Allgemeinheit einzugrenzen. Zumindest bei den drei Grundtypen Anliegerstraße, innerörtliche Erschließungsstraße und Durchgangsstraße (vgl. Driehaus, a.a.O., § 34 Rn. 11: nunmehr in der Regel als Anliegerstraße, Haupterschließungsstraße und Hauptverkehrsstraße bezeichnet) ist, so der Bayer. Verwaltungsgerichtshof (U.v. 29.10.1984 - a.a.O.), die Beurteilung der Verkehrsbedeutung ohne offenkundige Schwierigkeiten zu vollziehen, wobei für die konkrete Einordnung die in der Satzung notwendigerweise enthaltene Beschreibung des jeweiligen Straßentyps heranzuziehen ist. In diesem vom Bayer. Verwaltungsgerichtshof vorgegebenen System ist notwendigerweise eine auf den Grundsätzen der Praktikabilität und der Typengerechtigkeit beruhende gewisse Pauschalierung mit der Tendenz zur Nichtberücksichtigung individueller Besonderheiten enthalten (Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, 9. Auflage 2012, § 34 Rn. 11).

Allerdings ist es der Gemeinde unbenommen, weitere Differenzierungen vorzunehmen. Zu beachten ist weiterhin, dass zusätzlich zwischen den einzelnen Teileinrichtungen zu differenzieren ist (Driehaus, a.a.O., § 34 Rn. 11; BayVGH, U.v. 29.10.1984 - VGH n.F. 37, 142; U.v. 16.8.2001 - 6 B 97.111 - juris).

Auf dieser Grundlage hat der Satzungsgeber die entsprechenden Straßenkategorien zu bestimmen und ihnen eine angemessene Eigenbeteiligung der Gemeinde, orientiert an der Inanspruchnahme der Einrichtung durch die Allgemeinheit, zuzuordnen. Allerdings entziehen sich die aus Straßenbaumaßnahmen erwachsenden Vorteile einer rechnerisch exakten Bemessung von vornherein, sodass nur nach einem Wahrscheinlichkeitsmaßstab vorgegangen werden kann (BayVGH, U.v. 16.8.2001 - 6 B 97.111 - juris Rn. 14), zumal die Bestimmung des Vorteils der jeweiligen Straßenkategorie gemäß Art. 5 Abs. 3 Satz 3 KAG die vorteilsgerecht abgestufte Eigenbeteiligung „einheitlich für das gesamte Gemeindegebiet vorzusehen“ hat.

Damit ist dem Satzungsgeber ein Bewertungsspielraum zuzubilligen, für den das Vorteilsprinzip allerdings Grenzen, sowohl eine Oberwie auch eine Untergrenze, vorgibt (Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, 9. Auflage 2012, § 34 Rn. 8).

Für die entsprechende Vorteilsabwägung hat der Satzungsgeber das Maß der schätzungsweise zur erwartenden Nutzung der Gesamtheit der Straßen der entsprechenden Straßenkategorie im Gemeindegebiet (vgl. Art. 5 Abs. 3 Satz 3 KAG) durch die Grundstückseigentümer einerseits und durch die Allgemeinheit andererseits gegenüber zu stellen und auf dieser Grundlage die jeweiligen Anteilssätze zu bestimmen (Driehaus, Erschließungs- und Straßenausbaubeitragsrecht in Aufsätzen, 2. Auflage 2009, Der Gemeindeanteil im Straßenausbaubeitragsrecht, S. 341 ff., 344).

In dieser Hinsicht ist zu beachten, dass der Ziel- und Quellverkehr der angrenzenden Grundstücke das kennzeichnende Moment für den Anliegerverkehr bildet. Demgegenüber dienen Hauptverkehrsstraßen ganz überwiegend dem Durchgangsverkehr, so dass dieser für die Bestimmung des diesbezüglichen gemeindlichen Anteils maßgeblich ist. Damit drängt sich auf, dass sich bei Haupterschließungsstraßen Anlieger- und Durchgangsverkehr in etwa als gleichwertig erweisen (BayVGH, U.v. 9.2.2012 - 6 B 10.865 - juris Rn. 18; U.v. 21.1.1993 - 6 B 90.510 - juris, Driehaus, a.a.O., § 34 Rn. 32). Dabei geht es nicht um rechnerisch exakte Größenordnungen, sondern, wie es dem Grundsatz der Typengerechtigkeit entspricht, um einen Schwerpunkt der Straßennutzung. Allgemein in diesem Zusammenhang ist zu beachten, dass Anliegerverkehr im Sinne der genannten Vorschriften nicht allein derjenige Verkehr ist, der von und zu den direkt an der ausgebauten Straße anliegenden Grundstücken fließt; vielmehr ist auf den kleinräumigen Ziel- und Quellverkehr aus dem betreffenden Bauquartier abzustellen. Bei diesem Verkehr aus dem kleinräumigen Umfeld handelt es sich nicht um „durchgehenden innerörtlichen Verkehr“, wie er zur Einstufung als Haupterschließungsstraße oder Hauptverkehrsstraße erforderlich wäre. Er ist vielmehr dem Anliegerverkehr zuzuordnen. Denn in der durch das Gesetz vorgeschriebenen Abstufung der Straßenkategorien ist eine an einem Grobraster orientierte, die Verkehrsunterschiede betonende und daher an die Merkmale kleinräumig, innerörtlich durchgehend und überörtlich durchführend anknüpfende Aufteilung angelegt, die durch eine starr auf die einzelne Einrichtung bezogene Beurteilung verwischt wird (vgl. BayVGH, U.v. 9.2.2012 - 6 B 10.865 - juris Rn. 20 m.w.N.; B.v. 27.7.2012 - 6 ZB 12.796 - juris Rn. 11).

Innerhalb dieses Rahmens schließt der schon oben genannte dem Satzungsgeber zustehende Beurteilungsspielraum nach der Ansicht des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz (vgl. U.v. 9.9.2015 - 6 A 10447/15 - KStZ 2016, 74, 75) eine geringe Bandbreite (+/- 5 v.H.) mehrerer vertretbarer Vorteilssätze ein, die einen Ausgleich für die insbesondere tatsächliche Unsicherheit bieten soll, welche mit der Bewertung der Anteile des Anliegersowie des Durchgangsverkehrs zwangsläufig verbunden ist.

Die Mustersatzung des Bayer. Gemeindetages (Thimet, Kommunalabgaben- und Ortsrecht in Bayern, Stand: September 2016, Teil VI Ziff. 2.16) definiert als Anliegerstraßen die Straßen, die ganz überwiegend der Erschließung der Grundstücke dienen (§ 6 Abs. 3 Nr. 1); für diese ist ein für alle Teileinrichtungen einheitlicher Gemeindeanteil in Höhe von 20 v.H. vorgesehen (§ 6 Abs. 2 Nr. 1.1). Haupterschließungsstraßen sind definiert als Straßen, die der Erschließung von Grundstücken und gleichzeitig dem durchgehenden innerörtlichen Verkehr dienen und nicht Hauptverkehrsstraßen sind (§ 6 Abs. 3 Nr. 2); für diese ist bezüglich der Fahrbahn ein Gemeindeanteil von 50 v.H., für die anderen Teileinrichtungen ein solcher in Höhe von 35 v.H. vorgesehen (§ 6 Abs. 2 Nr. 1.2). Hauptverkehrsstraßen sind definiert als Straßen, die ganz überwiegend dem durchgehenden innerörtlichen und/oder überörtlichen Durchgangsverkehr dienen (§ 6 Abs. 3 Nr. 3); für sie ist eine Gemeindeanteil in Höhe von 70 v.H. (Fahrbahn) bzw. 45 v.H. (sonstige Teileinrichtungen) bestimmt (§ 6 Abs. 2 Nr. 1.3).

Die hierzu vorhandene Rechtsprechung billigt in der Regel - unter anderem auch abhängig von der Definition der einzelnen Straßenkategorien in der konkreten Satzung - bezogen auf die Fahrbahn (anders zum Teil bei den weiteren Teileinrichtungen) bei Anliegerstraßen Gemeindeanteile in Höhe von 20 v.H. bis 40 v.H., bei Haupterschließungsstraßen von etwa 40 v.H. bis 60 v.H. und bei Hauptverkehrsstraßen von 70 v.H. bis 80 v.H. (Matloch/Wiens, Das Erschließungsbeitragsrecht in Theorie und Praxis, Stand: Januar 2016, Rn. 2121; Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, 9. Auflage 2012, § 34 Rn. 17; BayVGH, U.v. 4.2.2005 - 6 ZB 02.319 - juris Rn. 21; VG Ansbach, U.v. 14.11.2005 - AN 18 K 04.740 - BeckRS 2005.3411; VG Würzburg, U.v. 23.10.2014 - W 3 K 13.692 - juris). Allerdings wird durchgängig verlangt, dass bei Anliegerstraßen der Anliegeranteil den Gemeindeanteil deutlich übersteigt (Driehaus, a.a.O., § 34 Rn. 11 und Rn. 17).

Will der Satzungsgeber signifikant von den Durchschnittswerten abweichen, bewegt sich seine Entscheidung nur dann noch im durch das Vorteilsprinzip vorgesehenen (Bewertungs-)Rahmen, wenn er aufgrund valider Daten ermittelt hat, dass eine Abweichung gerechtfertigt ist (vgl. Driehaus, a.a.O., § 34 Rn. 17).

Die Festsetzung des Gemeindeanteils durch den Satzungsgeber ist ein Akt der gemeindlichen Rechtssetzung. Sie kann deshalb wie jeder andere Gesetzgebungsakt gerichtlich nur daraufhin überprüft werden, ob die Gemeinde den durch das Vorteilsprinzip des Art. 5 Abs. 3 Satz 1 bis 3 KAG gesteckten Rahmen überschritten hat; es handelt sich um eine „ortgesetzgeberische Ermessens- und Gestaltungsentscheidung“ (Driehaus, a.a.O., § 34 Rn. 7 m.w.N.). Dies beruht darauf, dass mangels exakter Berechenbarkeit nur von einem Wahrscheinlichkeitsmaßstab ausgegangen werden kann, aus dem heraus dem Satzungsgeber ein Bewertungsspielraum zuzubilligen ist, der nicht voll der gerichtlichen Kontrolle unterliegt. Die Ermächtigung des Satzungsgebers, einen Spielraum auszuschöpfen, findet ihre rechtliche Grenze erst in den allgemeinen abgaberechtlichen Grundsätzen des Prinzips, dass der Beitrag einen Ausgleich für den Vorteil darstellen muss, der Verhältnismäßigkeit und des Willkürverbots (BayVGH, U.v. 16.8.2001 - 6 B 97.111 - juris Rn. 14; BVerwG, U.v. 10.6.1981 - 8 C 15.81 - BVerwGE 62, 300, 302; vgl. zu Bewertungsspielräumen der Verwaltung allgemein auch Rennert in Eyermann, VwGO, Kommentar 14. Auflage 2014, § 114 Rn. 51 ff.).

Auf dieser rechtlichen Grundlage und innerhalb des dem Gericht zustehenden Überprüfungsrahmens ergibt sich, dass die Beklagte mit ihrer ABS 2010 den ihr zustehenden Gestaltungsspielraum überschritten hat.

Die Beklagte hat in § 5 Abs. 3 ABS 2010 insgesamt fünf verschiedene Straßenkategorien festgelegt und ihnen in § 7 Abs. 2 ABS 2010 bestimmte Eigenbeteiligungen der Gemeinde zugeordnet. Die Definition der Straßenkategorien entspricht insoweit dem oben zitierten Wortlaut der Mustersatzung des Bayer. Gemeindetages.

§ 7 Abs. 2 ABS 2010 enthält folgende Eigenbeteiligungen:

- Anliegerstraßen: sämtliche Teileinrichtungen 35 v.H.

- Haupterschließungsstraßen: Fahrbahn 65 v.H., sonstige Teileinrichtungen 50 v.H.

- Hauptverkehrsstraßen: Fahrbahn 85 v.H., sonstige Teileinrichtungen 65 v.H.

- Verkehrsberuhigte Bereiche und Fußgängerbereiche: Auf § 7 Abs. 2 Nr. 4 und Nr. 5 ABS 2010 wird Bezug genommen.

Unabhängig von der Frage nach der Überschreitung des dem Satzungsgeber durch das Vorteilsprinzip vorgegebenen Rahmens durch die für die Festlegung dieser Eigenbeteiligungen herangezogene Begründung erscheint es sehr fraglich, ob allein schon diese Eigenbeteiligungen an sich den gesetzgeberischen Rahmen überschreiten. Das vom Bayer. Verwaltungsgerichtshof festgelegte System definiert Anliegerstraßen als „ganz überwiegend“ der Erschließung von Grundstücken, Hauptverkehrsstraßen als „ganz überwiegend“ dem durchgehenden innerörtlichen und/oder überörtlichen Verkehr und Haupterschließungsstraßen als der Erschließung von Grundstücken und gleichzeitig dem durchgehenden innerörtlichen Verkehr dienend. Damit drängt es sich auf, den Begriff „ganz überwiegend“ hinsichtlich Anliegerstraßen und Hauptverkehrsstraßen identisch zu verstehen. Wird aber für eine „ganz überwiegend“ der Erschließung von Grundstücken dienende Anliegerstraße (jeweils bezogen auf die Teileinrichtung Fahrbahn) zu 65 v.H. von den Anliegern finanziert und zu 35 v.H. von der Gemeinde, demgegenüber eine „ganz überwiegend“ dem Durchgangsverkehr dienende Hauptverkehrsstraße aber nicht „spiegelbildlich“ zu 35 v.H. von den Anliegern und zu 65 v.H. von der Gemeinde, sondern zu 15 v.H. von den Anliegern und zu 85 v.H. von der Gemeinde, erscheint es zweifelhaft, ob hierin noch ein willkürfreies Vorgehen erkennbar ist. Gleiches gilt für Haupterschließungsstraßen; diese erweisen sich, wie oben ausgeführt, als „Zwischenkategorie“ und als für den Anlieger- und Durchgangsverkehr in etwa gleichwertig. Deren beitragsfähige Kosten sind im vorliegenden Fall jedoch zu 35 v.H. von den Anliegern und zu 65 v.H. von der Gemeinde zu tragen (jeweils bezogen auf die Teileinrichtung Fahrbahn). Hierin ist eine sehr deutliche Abweichung zu der vom Bayer. Verwaltungsgerichtshof (U.v. 9.2.2012 - 6 B 10.865 - juris Rn. 18) verwendeten Formulierung „in etwa gleichwertig“ zu sehen. Vergleichbare Überlegungen ergeben sich im Übrigen für die weiteren Teileinrichtungen.

Ob allerdings diese „Schieflage“ des gesamten Systems zu Gunsten der Grundstückseigentümer und zu Lasten der Gemeinde als Repräsentantin der Allgemeinheit für sich genommen schon dem von Art. 5 Abs. 3 KAG vorgegebenen Vorteilsprinzip widerspricht, kann offenbleiben, denn im vorliegenden Fall führt die vom Gemeinderat beim Erlass der ABS 2010 herangezogene Begründung für die Festsetzung der Eigenbeteiligungssätze in § 7 Abs. 2 ABS 2010 zu deren Fehlerhaftigkeit.

In seiner Sitzung vom 20. Dezember 2004 hat der Gemeinderat der Beklagten auf der Grundlage der Erkenntnis, dass die Vorgängersatzung vom 15. Oktober 1996 nichtig sei, den Erlass einer neuen Ausbaubeitragssatzung beschlossen, die - wie sich aus der Sitzungsniederschrift vom 21. Februar 2005 ergibt - der Mustersatzung des Bayer. Gemeindetags entsprach. Diese Satzung wurde allerdings nie veröffentlicht. In der Sitzung vom 21. Februar 2005 hat der Gemeinderat eine Ausbaubeitragssatzung beschlossen, die am 2. März 2005 ausgefertigt worden ist (ABS 2005). Hierin waren sämtliche in § 7 Abs. 2 ABS 2005 festgelegten Eigenbeteiligungssätze der Gemeinde gegenüber der am 20. Dezember 2004 beschlossenen Satzung um 10 v.H. erhöht mit der Begründung, nach der am 20. Dezember 2004 beschlossenen Satzung hätten die Grundstückseigentümer einen höheren Beitrag als nach der „bisherigen Satzung“ (gemeint war damit offensichtlich die Ausbaubeitragssatzung vom 15. Oktober 1996, die am 14. Oktober 1996 mit der Begründung, sie bedeute eine eindeutige Entlastung für die Bürger, vom Gemeinderat beschlossen wurde) bezahlen müssen.

In der Gemeinderatssitzung vom 19. April 2010 hat der Gemeinderat die ABS 2010 beschlossen. Diese unterscheidet sich von der ABS 2005 zum einen dadurch, dass die Tiefenbegrenzung in § 8 Abs. 3 Nr. 2 von 50 m auf 40 m herabgesetzt wird; zum anderen unterscheidet sie sich von der ABS 2005 dadurch, dass sämtliche in § 7 Abs. 2 festgelegten Eigenbeteiligungssätze der Gemeinde um 5 v.H. angehoben und damit die auf die Anliegergrundstücke umzulegenden Anteile um 5 v.H. gesenkt werden. In der Niederschrift über die Gemeinderatssitzung vom 19. April 2010, Top 1, heißt es wörtlich unter der Überschrift: „Neuerlass einer Straßenausbaubeitragssatzung:“ „Die Verwaltung hat die Satzung über die Erhebung von Beiträgen zur Deckung des Aufwands für die Herstellung, Anschaffung, Verbesserung oder Erneuerung von Straßen, Wegen, Plätzen, Parkplätzen, Grünanlagen und Spielplätzen überarbeitet und dem neuesten Musterentwurf des Bayer. Gemeindetages angepasst. Die neuen Regelungen sehen in erster Linie Entlastungen für die Bürger vor. So wurde u.a. der von der Gemeinde einzubringende Eigenanteil auf 15 Prozent festgesetzt. Außerdem wurde eine Tiefenbegrenzung von 40 m festgelegt.“ Abgesehen davon, dass die Bemerkung, der von der Gemeinde einzubringende Eigenanteil werde auf 15 Prozent festgesetzt, keinen Sinn ergibt (sinnhaft wäre allenfalls die Bemerkung, die Eigenbeteiligung der Gemeinde sei gegenüber der Mustersatzung einheitlich um 15 v.H. angehoben worden), stützt sich der Gemeinderat zur Begründung der Anhebung der Eigenbeteiligung der Beklagten allein auf das Argument, die neuen Regelungen sähen Entlastungen für die „Bürger“ (gemeint können hier nur die beitragspflichtigen Grundstückseigentümer und Erbbauberechtigten sein) vor. Die in diesem Satz enthaltene Einschränkung „in erster Linie“ ist nicht dazu geeignet, die Motivation des Gemeinderates, die „Bürger“ zu entlasten, zu relativieren, denn es findet sich keinerlei Argument, das „in zweiter Linie“ für die Anhebung der Eigenbeteiligung der Gemeinde zum Tragen kommen könnte.

Dies bedeutet, dass allein die Erwägung des Gemeinderats, die „Bürger“, also die Beitragspflichtigen, zu entlasten, das tragende Argument für die Aufhebung der ABS 2005 und den Erlass der ABS 2010 war. Denn die „neuen Regelungen“ (vgl. Niederschrift vom 19.4.2010), d.h. also dasjenige, was in der ABS 2010 im Vergleich zur ABS 2005 geändert wurde, führt ausschließlich zu einer Entlastung der Beitragspflichtigen. Bei der Erhöhung der Eigenbeteiligung der Gemeinde durchgängig um 5 v.H. liegt das auf der Hand. Auch die Änderung der Tiefenbegrenzung in § 8 Abs. 3 Nr. 2 ABS 2010 mit der Herabsetzung von 50 m auf 40 m Tiefe führt zu einer Entlastung derjenigen Grundstückseigentümer, auf deren Grundstücke die Tiefenbegrenzungsregelung anzuwenden ist. Damit beruht der Neuerlass der ABS 2010 mit der Anhebung der Eigenbeteiligung der Gemeinde und der Reduzierung der Tiefenbegrenzung im Vergleich zur ABS 2005 nicht einmal ansatzweise auf der Erkenntnis, dass der Durchgangsverkehr auf sämtlichen gemeindlichen Straßen im Verhältnis zum Anliegerverkehr um 5 v.H. angewachsen ist; er beruht vielmehr auf der sozialpolitischen Erwägung, die den Beitragspflichtigen durch die Erhebung von Straßenausbaubeiträgen auferlegte Last solle verringert werden. Damit hat der Satzungsgeber den vom Vorteilsprinzip gesteckten Rahmen seines Handelns verlassen; denn nicht das Vorteilsprinzip mit der Erwägung, der Durchgangsverkehr sei auf allen gemeindlichen Straßen um etwa 5 v.H. angestiegen, war Grundlage seiner Entscheidung, sondern eine falsch verstandene „Fürsorge“ für die Eigentümer und Erbbauberechtigten der von der Erhebung von Straßenausbaubeiträgen betroffenen Grundstücke. Dies führt zu einer aus dem Vorteilsprinzip nicht zu rechtfertigenden Besserstellung dieser Personen mit der zwingenden - spiegelbildlichen - Folge, dass der Sache nach sämtliche Einwohner der Gemeinde die Besserstellung der betroffenen Grundstückseigentümer ausgleichen müssen. Diese werden zwar nicht zu entsprechenden Zahlungen herangezogen; allerdings stehen die finanziellen Mittel, die die Beklagte auf der Grundlage der Erhöhung ihres Eigenanteils zusätzlich aufbringen müsste, ungerechtfertigterweise nicht mehr dazu zur Verfügung, anderweitig zu Gunsten aller Gemeindeeinwohner, in welcher Art und Weise auch immer, tätig zu werden. Damit erweist sich die vom Vorteilsprinzip nicht getragene Erwägung des Gemeinderats beim Erlass der ABS 2010 als sachfremd und somit als willkürlich. Dies unterfällt jedoch - anders als Entscheidungen des Gemeinderates innerhalb seines Bewertungsspielraums - der vollen gerichtlichen Kontrolle.

Dem kann nicht entgegengehalten werden, der Gemeinderat habe immer einen Bewertungsspielraum (mit einem Rahmen von etwa 10 v.H., vgl. Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, 9. Auflage 2012, § 34 Rn. 8 unter Hinweis auf OVG Koblenz, U.v. 7.12.2014 - 6 A 11406/04 - KStZ 05, 217), in dessen Rahmen er sich ohne weitere Erwägungen und unabhängig von der Motivation, die „Bürger“ zu entlasten, bewegen dürfe, weshalb die ABS 2010 nicht zu beanstanden sei. Zum einen hat der Gemeinderat - wie sich aus der Sitzungsniederschrift vom 19. April 2010 ergibt - von dem ihm zustehenden Bewertungsspielraum erkennbar keinerlei Gebrauch gemacht. Vielmehr hat er sich ausdrücklich allein (zur Formulierung „in erster Linie“, vergleiche oben) auf die Erwägung gestützt, die „Bürger“ zu entlasten. Zum anderen wäre aber auch eine - unausgesprochen im Raum stehende und vom Protokoll nicht erfasste - Erwägung, man habe einen Bewertungsspielraum, in dessen Rahmen man frei entscheiden könne, fehlerhaft. Grundlage für die Bemessung der Eigenbeteiligung der Gemeinde ist, wie oben ausgeführt, ausschließlich das Vorteilsprinzip; hierbei ist die vom Bayer. Verwaltungsgerichtshof vorgegebene Mindestanzahl der Straßenkategorien und ihre unterschiedliche Ausprägung zu beachten. Je eindeutiger die festgelegte Eigenbeteiligung diesem System entspricht, umso weniger ist eine explizite Erwägung des Satzungsgebers hierzu erforderlich. Dies bedeutet, dass eine Eigenbeteiligung von 20 v.H. für Straßen, die „ganz überwiegend“ der Erschließung von Grundstücken dienen, regelmäßig genauso keiner weiteren expliziten Begründung bedarf, wie eine (spiegelbildliche) Eigenbeteiligung von 80 v.H. (für die Fahrbahn; entsprechend angepasst für die weiteren Teileinrichtungen) für Straßen, die „ganz überwiegend“ dem Durchgangsverkehr dienen. Gleiches gilt für eine Eigenbeteiligung von 50 v.H. (für die Fahrbahn; entsprechend angepasst für die weiteren Teileinrichtungen) für Straßen, die der Erschließung von Grundstücken und gleichzeitig dem Durchgangsverkehr dienen. Je weiter sich der Satzungsgeber von derart eindeutigen dem Vorteilsprinzip entsprechenden Eigenbeteiligungen entfernt, umso eher ist eine explizite Begründung erforderlich, warum er eine dem Definitionswortlaut der Anliegerstraßen, Haupterschließungsstraßen und Hauptverkehrsstraßen nicht mehr eindeutig folgende Bewertung des Verhältnisses von Anliegerverkehr zu Durchgangsverkehr vornimmt.

Hat aber der Satzungsgeber einmal eine entsprechende Bewertung vorgenommen und in einer Satzung Eigenbeteiligungen festgelegt, ist eine explizite Begründung erforderlich, will er nunmehr in einer neuen Satzung (oder in einer Änderungssatzung) die Eigenbeteiligung der Gemeinde erhöhen. Je weiter er sich hierbei von den (oben genannten) eindeutig das Vorteilsprinzip wiederspiegelnden Eigenbeteiligungen entfernt, umso eher ist ein bloßer Verweis auf seinen Bewertungsspielraum unzureichend. Vielmehr werden in derartigen Fällen konkrete und tragfähige, durch „valide Daten“ (vgl. Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, 9. Auflage 2012, § 34 Rn. 17 unter Verweis auf das Satzungsmuster des Bayer. Gemeindetages, BayGT 4/2002, Erläuterungen zu § 7) unterfütterte Ausführungen erforderlich, ob abweichend von der früheren Bewertung sich das Verhältnis zwischen Anliegerverkehr und Durchgangsverkehr geändert hat.

So liegt der Fall hier. Die in der ABS 2005 enthaltenen Eigenbeteiligungen wichen bereits um 10 v.H. von den in der Mustersatzung vorgeschlagenen und eindeutig den Vorgaben des § 7 Abs. 3 ABS entsprechenden Eigenbeteiligungen ab. Sollen sie nun nochmals um 5 v.H. angehoben werden, ist eine diesbezügliche inhaltlich nachvollziehbare Begründung erforderlich, die sich auf das Vorteilsprinzip stützen kann. Es ist allerdings nicht einmal ansatzweise erkennbar, dass der Gemeinderat derartige Erwägungen angestellt hat. Damit kann die Überlegung, der Gemeinderat habe ohnehin einen Bewertungsspielraum, innerhalb dessen er sich bewegt habe, sodass die zusätzliche Motivation, die „Bürger“ zu entlasten, unbeachtlich sei, keine Beachtung finden.

Auf dieser Grundlage gelangt das Gericht zu der Erkenntnis, dass sich die Beklagte bei der Festlegung der in § 7 Abs. 2 ABS 2010 enthaltenen Eigenbeteiligungen der Gemeinde von sachfremden und damit von willkürlichen Erwägungen, die dem in Art. 5 Abs. 1, Abs. 3 KAG festgelegten Vorteilsprinzip zuwiderlaufen, hat leiten lassen. Damit erweist sich § 7 Abs. 2 ABS 2010 als fehlerhaft und als nichtig.

Dies führt zur Gesamtnichtigkeit der ABS 2010. Die Abgrenzung, ob ein materieller Satzungsmangel zur Teilnichtigkeit oder Gesamtnichtigkeit einer Abgabesatzung führt, orientiert sich an dem auch im öffentlichen Recht, speziell im Satzungsrecht geltenden Grundsatz der „Teilnichtigkeit“ zivilrechtlicher Willenserklärungen nach § 139 BGB. Eine Abgabesatzung ist dann insgesamt nichtig, wenn die nichtige Regelung mit den übrigen Bestimmungen so verflochten ist, dass sie eine untrennbare Einheit bilden, die nicht in einzelne Bestandteile zerlegt werden kann, wenn es wegen der Teilnichtigkeit einer Regelung an einem für die ganze Satzung unerlässlichen Bestandteil fehlt oder wenn anzunehmen ist, dass bei objektiver, am Sinn und Zweck der Norm orientierter Betrachtungsweise die gesamte Regelung ohne die nichtige Teilregelung so nicht getroffen worden wäre (BayVGH, U.v. 11.3.2010 - 20 B 09.1890 - juris Rn. 35 m.w.N.). So liegt der Fall hier. Denn mit dem Wegfall der Regelungen in § 7 Abs. 2 ABS 2010 über die Eigenbeteiligungen der Gemeinde ist keine Bestimmung dieses Anteils mehr möglich und damit auch keine Bestimmung des Anteils der betreffenden Grundstückseigentümer und Erbbauberechtigten und demzufolge die Höhe der sie betreffenden Beitragspflicht. Damit führt die Teilnichtigkeit von § 7 Abs. 2 ABS 2010 zur Gesamtnichtigkeit dieser Satzung.

Eine Rückgriff auf die ABS 2005 scheitert - unabhängig von der Frage, ob die in deren § 7 Abs. 2 enthaltenen Eigenbeteiligungen der Gemeinde wirksam festgelegt wurden - bereits daran, dass die Beklagte durch § 13 Abs. 2 ABS 2010 klargestellt hat, dass die Vorgängersatzung außer Kraft treten soll. Es gibt keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass der Gemeinderat dies vom wirksamen Neuerlass der ABS 2010 abhängig machen wollte. Die Beklagte hat durch den Neuerlass ihrer Satzung vielmehr klargestellt, dass sie kein Interesse mehr an der Gültigkeit der ABS 2005 hat (vgl. BayVGH, U.v. 16.8.2001 - 6 B 97.111 - BayVBl 2002, 734/736).

Liegt aber dem angegriffenen Bescheid vom 18. Oktober 2010 keine wirksame Rechtsgrundlage in Gestalt einer gültigen Abgabesatzung zugrunde, erweist sich dieser Bescheid schon deshalb als rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO), ohne dass es auf die sonstigen Einwendungen des Klägers ankäme. Der Bescheid vom 18. Oktober 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids des Landratsamts H. vom 29. Oktober 2015 ist daher mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO aufzuheben. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, § 711 ZPO.

Die Kammer hat gemäß § 124a Abs. 1 Satz 1, § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO die Berufung zugelassen, da die Rechtssache, hier also die Frage, ob eine Ausbaubeitragssatzung, in welcher die Eigenbeteiligung der Gemeinde auf der Grundlage der Motivation, die betroffenen Grundstückseigentümer und Erbbauberechtigten zu entlasten, festgesetzt wurde, nichtig ist, grundsätzliche Bedeutung hat und - soweit ersichtlich - noch nicht obergerichtlich entschieden worden ist.

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(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag au

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:1.Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;2.Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;3.Urteile, dur
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(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag au

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:1.Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;2.Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;3.Urteile, dur
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(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

Ist ein Teil eines Rechtsgeschäfts nichtig, so ist das ganze Rechtsgeschäft nichtig, wenn nicht anzunehmen ist, dass es auch ohne den nichtigen Teil vorgenommen sein würde.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist;
11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.

In den Fällen des § 708 Nr. 4 bis 11 hat das Gericht auszusprechen, dass der Schuldner die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung abwenden darf, wenn nicht der Gläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit leistet. § 709 Satz 2 gilt entsprechend, für den Schuldner jedoch mit der Maßgabe, dass Sicherheit in einem bestimmten Verhältnis zur Höhe des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages zu leisten ist. Für den Gläubiger gilt § 710 entsprechend.

(1) Das Verwaltungsgericht lässt die Berufung in dem Urteil zu, wenn die Gründe des § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 4 vorliegen. Das Oberverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden. Zu einer Nichtzulassung der Berufung ist das Verwaltungsgericht nicht befugt.

(2) Die Berufung ist, wenn sie von dem Verwaltungsgericht zugelassen worden ist, innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils bei dem Verwaltungsgericht einzulegen. Die Berufung muss das angefochtene Urteil bezeichnen.

(3) Die Berufung ist in den Fällen des Absatzes 2 innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht zugleich mit der Einlegung der Berufung erfolgt, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Die Begründungsfrist kann auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag von dem Vorsitzenden des Senats verlängert werden. Die Begründung muss einen bestimmten Antrag enthalten sowie die im Einzelnen anzuführenden Gründe der Anfechtung (Berufungsgründe). Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung unzulässig.

(4) Wird die Berufung nicht in dem Urteil des Verwaltungsgerichts zugelassen, so ist die Zulassung innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils zu beantragen. Der Antrag ist bei dem Verwaltungsgericht zu stellen. Er muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Die Stellung des Antrags hemmt die Rechtskraft des Urteils.

(5) Über den Antrag entscheidet das Oberverwaltungsgericht durch Beschluss. Die Berufung ist zuzulassen, wenn einer der Gründe des § 124 Abs. 2 dargelegt ist und vorliegt. Der Beschluss soll kurz begründet werden. Mit der Ablehnung des Antrags wird das Urteil rechtskräftig. Lässt das Oberverwaltungsgericht die Berufung zu, wird das Antragsverfahren als Berufungsverfahren fortgesetzt; der Einlegung einer Berufung bedarf es nicht.

(6) Die Berufung ist in den Fällen des Absatzes 5 innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses über die Zulassung der Berufung zu begründen. Die Begründung ist bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Absatz 3 Satz 3 bis 5 gilt entsprechend.

(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird.

(2) Die Berufung ist nur zuzulassen,

1.
wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
2.
wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
3.
wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
4.
wenn das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
5.
wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.