Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss, 05. Apr. 2017 - 12 BV 17.185

published on 05/04/2017 00:00
Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss, 05. Apr. 2017 - 12 BV 17.185
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Previous court decisions
Verwaltungsgericht München, M 18 K 16.4361, 13/12/2016
Subsequent court decisions
Bundesverwaltungsgericht, 5 C 11.17, 26/04/2018
Bundesverwaltungsgericht, 5 B 15.17, 20/09/2017

Gericht

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Tenor

I. Die Berufung wird zurückgewiesen.

II. Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens. Das Verfahren ist gerichtskostenfrei.

III. Die Entscheidung ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten um die Verpflichtung der Beklagten, den Kläger, der seinen eigenen Angaben zufolge afghanischer Staatsangehöriger ist und am 21. März 2001 geboren wurde, als unbegleiteten minderjährigen Flüchtling (umF) nach § 42 a Abs. 1 Satz 1 Achtes Buch Sozialgesetzbuch - SGB VIII vorläufig in Obhut zu nehmen.

1. Der Kläger wurde am 2. September 2016 von der Polizeiinspektion 16 am Hauptbahnhof München erkennungsdienstlich behandelt und aufgrund seiner Angabe, am 21. März 2001 geboren zu sein, in die Aufnahmeeinrichtung Young Refugee Center in München verbracht. Am 5. September 2016 fand ein Alterseinschätzungsgespräch beim Jugendamt der Beklagten statt. Als Ergebnis wurde festgehalten, der Kläger sei volljährig. Mit Bescheid vom gleichen Tage wurde das Geburtsdatum des Klägers auf den 21. März 1998 festgesetzt und eine Inobhutnahme gemäß § 42 a Abs. 1 SGB VIII abgelehnt. Als Begründung wurde ausgeführt, der Kläger habe keine beweiskräftigen Ausweispapiere oder sonstige Papiere vorgelegt und seine Minderjährigkeit auch nicht durch eine schlüssige mündliche Sachverhaltsdarstellung begründen können. Nach Aushändigung des Bescheids wurde der Kläger in eine Gemeinschaftsunterkunft für Erwachsene verlegt.

2. Am 26. September 2016 erhob der Kläger gegen den Bescheid vom 5. September 2016 Klage zur Niederschrift und beantragte ferner, die Beklagte im Wege der einstweiligen Anordnung (§ 123 VwGO) zu verpflichten, ihn umgehend in Obhut zu nehmen. Zur Begründung gab er an, die Ablehnung der Inobhutnahme sei rechtswidrig. Er sei tatsächlich noch minderjährig und am 21. März 2001 geboren. Das festgesetzte Datum 21. März 1998 sei unzutreffend.

3. Die Beklagte trat dem mit Schriftsatz vom 11. Oktober 2016 unter Bezugnahme auf ihre Ausführungen im Eilverfahren - M 18 E 16.4362 - entgegen und beantragte, die Klage abzuweisen. Die Volljährigkeit des Klägers sei in einem 60-minütigen Altersfeststellungsgespräch durch zwei erfahrene Mitarbeiter unter Beachtung der Handlungsempfehlungen der Bundesarbeitsgemeinschaft der Landesjugendämter zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen festgestellt worden. Ein Zweifelsfall im Sinne des § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII liege nicht vor. Ergänzend wurde eine Stellungnahme der Sozialpädagogen vorgelegt, die das Alterseinschätzungsgespräch mit dem Kläger führten. Diese hat - jeweils unter Bezugnahme auf die in der Behördenakte (vgl. Bl. 11 f.) enthaltene Niederschrift - im Wesentlichen folgenden Inhalt: 5

„1. Äußeres Erscheinungsbild

Herr R. hatte volles schwarzes Haar, stark ausgeprägte Koteletten, wie auch buschige, zusammengewachsene Augenbrauen. Auch die Körperbehaarung war stark ausgeprägt, so wiesen seine Unterarme und Hände eine deutliche Behaarung auf. Seine Stimme war tief, der Kehlkopf deutlich sichtbar. Der Körperbau des jungen Mannes war ausgewachsen und reif. Dies kennzeichnete sich durch einen sehr großen, kräftigen Körperbau und breite Schulterpartien. Seine Hände wirkten groß, kräftig und als seien sie stark beansprucht worden. Herr R. wies männliche Gesichtszüge auf, insbesondere hatte er ein markantes breites Kinn. Auch seine Haut war großporig und deutlich vernarbt, was auf eine scheinbar veraltete Akne hindeutete. Ebenso waren zwei nicht mimische durchzogene Stirnfalten und zusätzlich sehr stark ausgeprägte mimische Stirnfalten sichtbar. Auch hatte der junge Mann eine deutliche, gut erkennbare Falte unter den Augen. Die Nasolabialfalte war sichtbar. Herr R. hatte mehrere deutlich sichtbare und sehr stark ausgeprägte Halsfalten. Die oben genannte Person wies einen starken, festen und vollen Bartwuchs an Oberlippe und Kinn auf. Dieser war frisch rasiert, jedoch konnte der Schatten des Bartes gut erkannt werden.

Insgesamt beurteilten alle beteiligten Personen des AE-Teams sein Erscheinungsbild als körperlich ausgereift. Es handelt […] sich bei dem Kläger um eine volljährige Person.

2. Inhaltliche Angaben

Der junge Mann wirkte im Gespräch von Beginn an sehr aufgeregt und nervös. Auch trotz des Versuches ihm die Angst vor der Situation durch eine ausführliche Aufklärung zu nehmen, legte er seine Nervosität über das gesamte Gespräch hinweg nicht ab. Herr R. gab an, am 01.01.1380 [21.3.2001] geboren zu sein, konnte dies aber durch keinerlei beweiskräftige Dokumente belegen. Er wisse sein Geburtsdatum seit seiner frühen Kindheit. Im Jahr 2012 habe sein Vater ihm gesagt, dass er nun 11 Jahre alt sei. Herr R. widersprach sich bei Fragen zu seiner Schulzeit. Zunächst gab der junge Mann an, die Schule acht Jahre lang besucht zu haben, korrigierte sich dann aber und gab zu Protokoll drei Jahre lang in der Schule gewesen zu sein und die 5. bis einschließlich 7. Klasse beendet zu haben. Des Weiteren fiel auf, dass er angab weder in seiner Muttersprache noch in englischer Schrift schreiben zu können, schrieb dann aber im Gesprächsverlauf sowohl auf Paschtu als auch in englischer Schrift sehr gekonnt und in gutem Schriftbild.

Der junge Mann machte den Eindruck sehr nervös zu sein und widersprach sich an einigen Stellen des Gespräches. Insgesamt machte er nur sehr wenig Angaben.

3. Verhalten

Herr R. gab an, Paschtu zu sprechen und den Dolmetscher zu verstehen. Bei der Bekanntgabe der Entscheidung protestierte er heftig gegen die Festsetzung der Volljährigkeit und diskutierte reif und überlegt mit den Fachkräften. Er sprach sehr selbstbewusst und reif, unterbrach den geschäftsführenden Kollegen mehrfach und erhob seine Stimme in einer, der Situation nicht entsprechenden Art und Weise. Er verweigerte die Unterschrift, welche eine Empfangsbestätigung darstellt, auf dem Bescheid über die Ablehnung der Inobhutnahme. Als ihm bewusst wurde, dass die Entscheidung des Alterseinschätzungsteams feststand, begann er stark zu weinen und ließ sich zunächst nicht beruhigen. Alle beteiligten Personen versuchten in einfühlsamer Art und Weise ihn über seine Möglichkeiten aufzuklären und schließlich ihn dazu zu bewegen, den Raum zu verlassen. Als er sich auch nach längerer Zeit nicht dazu bewegen ließ, wurde ein Mitarbeiter des im Hause ansässigen Security-Teams zur Unterstützung hinzugezogen, erst dann erklärte sich der junge Mann dazu bereit, den Raum zu verlassen.

Auch das dominante und fordernde Verhalten Herrn R`s. lässt zweifelsfrei den Schluss zu, dass es sich bei ihm um eine volljährige Person handelt.

Unter Berücksichtigung aller Aspekte (äußeres Erscheinungsbild, inhaltliche Angaben und Verhalten) ist davon auszugehen, dass es sich bei Herrn R. um eine volljährige Person handelt.“

4. Mit Beschluss vom 17. Oktober 2016 - M 18 E 16.4362 - verpflichtete das Verwaltungsgericht die Beklagte im Eilverfahren (§ 123 VwGO), den Kläger vorläufig in Obhut zu nehmen und in einer geeigneten Kinder- oder Jugendhilfeeinrichtung unterzubringen. Angesichts der in der (Behörden-)Akte enthaltenen Fotos erscheine nicht in jeder Hinsicht ausgeschlossen, dass der Kläger noch minderjährig sein könne.

5. Mit Urteil vom 7. Dezember 2016 gab das Verwaltungsgericht auch der in der Hauptsache erhobenen Klage statt und verpflichtete die Beklagte unter Aufhebung des streitgegenständlichen Bescheides vom 5. September 2016, den Kläger vorläufig in Obhut zu nehmen und in einer geeigneten Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung unterzubringen. Das Klagebegehren sei gemäß § 88 VwGO dahingehend auszulegen, dass der Kläger eine vorläufige Inobhutnahme nach § 42 a SGB VIII erreichen wolle. Ein Anspruch auf endgültige Inobhutnahme nach § 42 SGB VIII scheide aus. Die §§ 42a ff. SGB VIII begründeten ein chronologisch gestuftes System, das zunächst nur eine vorläufige Inobhutnahme zulasse. Eine endgültige Inobhutnahme nach § 42 SGB VIII komme nur dann in Betracht, wenn die Zuweisung oder der Ausschluss aus dem Verteilungsverfahren nach § 42 b SGB VIII bereits stattgefunden habe. Die so verstandene Klage sei zulässig und begründet. Das gesetzlich vorgeschriebene Verfahren zur Feststellung der Minderjährigkeit nach § 42 f SGB VIII sei nicht vollständig durchgeführt worden. Eine qualifizierte Inaugenscheinnahme nach § 42 f Abs. 1 Satz 1 SGB VIII habe am 5. September 2016 durch die Beklagte zwar stattgefunden. Infolge des Vorliegens eines Zweifelsfalles, der nach der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs immer dann anzunehmen sei, wenn nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden könne, dass ein fachärztliches Gutachten zu dem Ergebnis komme, der Betroffene sei noch minderjährig, sowie angesichts der nicht offensichtlichen Volljährigkeit des Klägers habe die Beklagte jedoch von Amts wegen eine ärztliche Untersuchung gemäß § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII durchzuführen. Aufgrund des Bildes, das die Kammer sich in der mündlichen Verhandlung habe machen können, sei nicht ausgeschlossen, dass der Kläger minderjährig sei. Selbst die Beklagte habe als Geburtstermin den 21. März 1998 festgesetzt und damit zu erkennen gegeben, dass sie davon ausgehe, dass der Kläger erst seit einem halben Jahr volljährig sei. Um Fehlbeurteilungen zu Lasten von Minderjährigen zu vermeiden sei in jedem Fall eine medizinische Untersuchung geboten und ein Anspruch auf vorläufige Inobhutnahme gegeben.

6. Mit der vom Verwaltungsgericht zugelassenen Berufung verfolgt die Beklagte ihr Begehren weiter. Die Klage sei abzuweisen. Der Kläger habe mangels Vorliegens der Tatbestandsvoraussetzungen der §§ 42, 42a SGB VIII keinen Anspruch darauf, vorläufig in Obhut genommen zu werden. Aufgrund der im Rahmen der qualifizierten Inaugenscheinnahme (§ 42 f Abs. 1 SGB VIII) gewonnenen Erkenntnisse, handele es sich beim Kläger um eine volljährige Person. Einer ärztlichen Untersuchung habe es entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts nicht bedurft, da kein Zweifelsfall im Sinne des § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII vorliege. Der weiten Auslegung des Tatbestandsmerkmals „Zweifelsfall“ durch das Verwaltungsgericht, welches einen solchen bereits dann annehme, wenn nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden könne, dass ein fachärztliches Gutachten zu dem Ergebnis komme, der Betroffene sei noch minderjährig, könne nicht gefolgt werden; sie entspreche nicht der gesetzgeberischen Intention. Bereits aus der Gesetzessystematik werde deutlich, dass die ärztliche Untersuchung „Ausnahmecharakter“ besitze. Das Altersfeststellungsverfahren sei dreistufig - Vorlage der Ausweisdokumente, qualifizierte Inaugenscheinnahme und in Zweifelsfällen ärztliche Untersuchung - aufgebaut. Folge man der weiten Auslegung des Verwaltungsgerichts, so wäre - letztlich unabhängig von den im Rahmen der qualifizierten Inaugenscheinnahme gewonnenen Erkenntnissen - ein Zweifelsfall in den meisten Fällen zu bejahen, weil von wenigen Einzelfällen abgesehen wohl nur sehr selten für jedermann ohne weiteres erkennbar sei, dass es sich um eine volljährige Person handele. Im Endeffekt würde damit die vom Gesetzgeber lediglich als letztes Mittel konzipierte ärztliche Untersuchung zum Regelfall und die qualifizierte Inaugenscheinnahme in den meisten Fällen entbehrlich. Ein solches Ergebnis sei mit der ratio des Gesetzes nicht zu vereinbaren. Der Gesetzgeber habe sich bewusst dafür entschieden, die ärztliche Untersuchung in einem separaten Absatz des § 42 f SGB VIII, nach den allgemein vorrangigen Regeln zur Altersfeststellung zu verorten und damit deren Ausnahmecharakter betont. Der weiten Auslegung des Begriffs „Zweifelsfall“ liege augenscheinlich die Überzeugung zugrunde, dass eine ärztliche Untersuchung grundsätzlich erkenntnisreicher sei, als eine qualifizierte Inaugenscheinnahme. Da ärztliche Untersuchungen jedoch weder eine Genitaluntersuchung beinhalten dürften noch - mangels gesetzlicher Grundlage - eine radiologische, sei eine präzise Alterseingrenzung kaum möglich, sodass der Mehrwert einer solchen Untersuchung im Vergleich zu einer qualifizierten Inaugenscheinnahme gering erscheine. Bei weiter Auslegung des Begriffs „Zweifelsfall“ könnten zudem die in § 42 a Abs. 4 und § 42 b Abs. 4 Nr. 4 SGB VIII vorgesehenen Fristen für eine Verteilung unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge nicht mehr eingehalten werden, weil auf eine ärztliche Expertise erfahrungsgemäß sechs bis acht Wochen gewartet werden müsse. Dass ein solches Ergebnis vom Gesetzgeber nicht gewollt gewesen sei, liege auf der Hand. Anhaltspunkte, die das Ergebnis der durchgeführten Altersfeststellung erschüttern könnten, lägen nicht vor. Vielmehr erwiesen sich die Angaben des Klägers, insbesondere im Hinblick auf seine Schulzeit bzw. deren Dauer als widersprüchlich. Zunächst habe er angegeben, die Schule acht Jahre lang besucht zu haben, sich dann aber sogleich korrigiert und behauptet, lediglich drei Jahre lang in der Schule gewesen zu sein. Auch die Angaben zu seinen sprachlichen, in der Schule erworbenen Kenntnissen seien widersprüchlich. Zunächst habe er angegeben, weder in seiner Muttersprache noch in lateinischer Schrift schreiben zu können, im weiteren Verlauf der Anhörung habe er jedoch sowohl auf Paschtu als auch in Englisch sehr gekonnt und in gutem Schriftbild geschrieben. Derartige Widersprüche könnten die Annahme eines Zweifelsfalls nicht begründen. Die Ablehnung der vorläufigen Inobhutnahme sei daher rechtmäßig.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts vom 7. Dezember 2016 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zu verwerfen, hilfsweise zurückzuweisen.

Die Angaben in der Berufungsbegründung genügten nicht den Anforderungen des § 124a Abs. 3 Satz 4 VwGO. Die Ausführungen zur qualifizierten Inaugenscheinnahme beschränkten sich darauf, dass das Gespräch durch zwei sehr erfahrene Mitarbeiterinnen durchgeführt worden sei. Diese würden jedoch weder namentlich genannt, noch werde deren Qualifikation offengelegt. Darüber hinaus befasse sich die Berufungsbegründung mit behaupteten Widersprüchen, ohne darzulegen, auf welche konkreten Fragen welche konkreten Antworten gegeben worden seien. Jedenfalls sei die Berufung unbegründet. Auf die behaupteten Widersprüche lasse sich eine offensichtliche Volljährigkeit des Klägers nicht stützen. Einzelne korrekturbedürftige Angaben seinen in einer 60-minütigen Befragung durch mehrere Personen nicht ungewöhnlich, sondern geradezu zwangsläufig zu erwarten. Sollte der Kläger auf die Frage zur Dauer der Schulausbildung tatsächlich mit „8“ geantwortet haben, so könne damit zunächst auch das Alter zu Beginn der Schulausbildung gemeint gewesen sein. Jedenfalls habe der Kläger dies - wie auch die Berufungsbegründung einräume - sofort korrigiert. Weshalb dann jedoch die ursprüngliche oder korrigierte Angabe ein untrügliches Indiz für die Volljährigkeit des Klägers darstellen solle, sei nicht nachvollziehbar. In diesem Zusammenhang befasse sich die Berufungsbegründung auch nicht damit, dass das Verwaltungsgericht aufgrund eigener Einschätzung zu der Auffassung gelangt sei, dass es sich beim Kläger nach dessen Erscheinungsbild und Auftreten in der mündlichen Verhandlung um einen Minderjährigen handeln könne. Zu Recht habe das Verwaltungsgericht darauf hingewiesen, dass die Beklagte davon ausgehe, dass der Kläger erst ein halbes Jahr vor der mündlichen Verhandlung volljährig geworden sei. In einem solchen Fall könne eine sorgfältige Beurteilung nicht zu dem tragfähigen Ergebnis gelangen, es sei von der Volljährigkeit des Klägers auszugehen.

Die Landesanwaltschaft Bayern ist dem Verfahren als Vertreterin des öffentlichen Interesses beigetreten, allerdings ohne einen eigenen Antrag zu stellen. Sie hält die Berufung des Beklagten für begründet. Es sei Aufgabe des Jugendamts, das den Sachverhalt gemäß § 20 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) von Amts wegen zu ermitteln habe, die Voraussetzungen einer Inobhutnahme gemäß § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB VIII zu prüfen. Nach § 21 SGB X bediene sich die Behörde der Beweismittel, die sie nach pflichtgemäßem Ermessen zur Ermittlung des Sachverhalts für erforderlich halte. Angesichts dessen gingen die Handlungsempfehlungen des Bayerischen Staatsministeriums für Arbeit und Soziales, Familie und Integration für die Altersbegutachtung unbegleiteter Minderjähriger davon aus, dass nach einer durch zwei Fachkräfte des Jugendamts unabhängig voneinander durchgeführten qualifizierten Inaugenscheinnahme Zweifel bei der Festlegung des Alters (§ 42 f Abs. 2 SGB VIII) nur dann bestünden, wenn die Altersbeurteilungen der mit der Einschätzung befassten Fachkräfte nicht übereinstimmten oder wenn die Prüfpersonen erhebliche Zweifel daran hätten, dass das Altersbegutachtungsverfahren ohne medizinischen Sachverstand zu einem schlüssigen Ergebnis führen könne. Selbst wenn seitens des Gerichts ein Zweifelsfall angenommen werde, dürfe nicht ohne weiteres zugunsten des Klägers entschieden werden. Vielmehr habe eine Abwägung unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls zu erfolgen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakten und die beigezogenen Behördenakten verwiesen.

II.

Die zulässige, den Begründungsanforderungen des § 124a Abs. 3 Satz 4 VwGO Rechnung tragende Berufung bleibt ohne Erfolg.

1. Der Senat entscheidet über die Berufung nach Anhörung der Beteiligten gemäß § 130 a Satz 1 VwGO durch Beschluss, da er diese einstimmig für zulässig, aber unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Die Rechtssache weist weder in tatsächlicher noch in rechtlicher Hinsicht außergewöhnliche Schwierigkeiten auf (vgl. zu diesem Erfordernis BVerwG, U.v. 30.6.2004 - 6 C 28.02 -, BVerwGE 121, 211 [212]; U.v. 9.12.2010 - 10 C 13.09 -, BVerwGE 138, 289 [297 f.]). Derart außergewöhnliche Schwierigkeiten liegen nicht schon dann vor, wenn das Verfahren die Notwendigkeit beinhaltet, Rechtsnormen nach Wortlaut, Entstehungsgeschichte, Systematik oder Sinn und Zweck auszulegen (vgl. BVerwG, B.v. 3.9.2015 - 2 B 29.14 - juris, Rn. 22). Vielmehr ist ein vereinfachtes Berufungsverfahren nach § 130 a VwGO auch dann möglich, wenn - wie im vorliegenden Fall - die aufgeworfenen Rechtsfragen sich durch Subsumtion unter die einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen lösen lassen. Die Beteiligten hatten im Berufungsverfahren hinreichend Gelegenheit, sich zu den entscheidungserheblichen Rechtsfragen zu äußern. Tatsachenfragen, die eine Beweiserhebung erfordert hätten, haben sich vorliegend entscheidungserheblich nicht gestellt. Der Senat geht in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass eine Alterseinschätzung im Wesentlichen allein aufgrund bestimmter äußerlicher körperlicher Merkmale - etwa im Rahmen einer (richterlichen) Inaugenscheinnahme - jedenfalls im hier relevanten Grenzbereich zwischen Minderjährigkeit und Volljährigkeit keine ausreichende Grundlage für eine Entscheidungsfindung darstellt (vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 21; B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 -, BayVBl. 2017, 21 [23 f.] Rn. 26; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 22; B.v. 13.12.2016 - 12 CE 16.2333 - juris, Rn. 34). Ebenso wenig haben die Verfahrensbeteiligten Beweisanträge formuliert. Mithin konnte der Senat nach § 130 a Satz 1 VwGO in der Sache durch Beschluss entscheiden. Die aufgeworfenen Rechtsfragen sind in der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs bereits hinreichend geklärt (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 -, BayVBl 2017, 21 ff.; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris; B.v. 13.12.2016 - 12 CE 16.2333 - juris). Der Senat setzt insoweit lediglich seine bisherige Rechtsprechungslinie fort.

2. Das Verwaltungsgericht hat die Beklagte unter Aufhebung des streitgegenständlichen Bescheides vom 5. September 2016 zu Recht verpflichtet, den Kläger vorläufig in Obhut zu nehmen und in einer geeigneten Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung unterzubringen. Die Ablehnung der (vorläufigen) Inobhutnahme mit Bescheid der Beklagten vom 5. September 2016 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 VwGO). Der mutmaßlich minderjährige Kläger besitzt aufgrund seiner unbegleiteten Einreise in die Bundesrepublik Deutschland einen Rechtsanspruch auf die begehrte Maßnahme (§ 42 a Abs. 1 Satz 1 SGB VIII).

a) Gemäß § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, § 42 a Abs. 1 Satz 1 SGB VIII sind ausländische Kinder oder Jugendliche, die unbegleitet nach Deutschland einreisen, (vorläufig) in Obhut zu nehmen. Die Inobhutnahme erfolgt aus Gründen des Kindeswohls und ist unabhängig davon, ob der Betreffende die Eigenschaft eines Flüchtlings besitzt. Voraussetzung ist jedoch in jedem Fall die Minderjährigkeit. Eine Inobhutnahme Volljähriger ist rechtswidrig (vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833 u. 12 C 112 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 21; B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 -, BayVBl. 2017, 21 Rn. 13; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 9; B.v. 13.12.2016 - 12 CE 16.2333 - juris, Rn. 21).

Das Verfahren zur Feststellung der Minderjährigkeit ist seit dem 1. November 2015 ergänzend zu §§ 20, 21 SGB X (vgl. hierzu Kirchhoff, in: juris PK-SGB VIII, § 42 f Rn. 22 m.w.N.) in § 42 f Abs. 1 und 2 SGB VIII ausdrücklich gesetzlich normiert (BGBl I, S. 1802). Danach ist die Minderjährigkeit durch Einsichtnahme in die Ausweispapiere festzustellen (§ 42 f Abs. 1 Satz 1 1. Alt. SGB VIII). Sind aussagekräftige Ausweispapiere nicht vorhanden, bleibt zunächst nur die Selbstauskunft des Betroffenen (vgl. OVG Bremen, B.v. 18.11.2015 - 2 B 221/15, 2 PA 223/15 -, JAmt 2016, 42 [43]). Dieser kommt besondere Bedeutung zu (so mit Recht Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www...de § 42 f N 6: „Primat der Selbstauskunft“). Begegnet diese Zweifeln, ist eine Alterseinschätzung und -feststellung in Form einer qualifizierten Inaugenscheinnahme vorzunehmen (§ 42 f Abs. 1 Satz 1 2. Alt. SGB VIII). In Zweifelsfällen ist auf Antrag des Betroffenen bzw. seines Vertreters oder von Amts wegen durch das Jugendamt eine ärztliche Untersuchung zur Altersbestimmung zu veranlassen (§ 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII). Dabei handelt es sich nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut („hat“) um eine gebundene Entscheidung mit der Folge, dass dem Jugendamt ein Ermessen nicht zukommt (vgl. Kepert, in: Kunkel/Kepert/Pattar, SGB VIII, 6. Aufl. 2016, § 42 f Rn. 5; Kirchhoff, in: jurisPK-SGB VIII, § 42 f Rn. 26.1; siehe auch BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 -, BayVBl. 2017, 21 f. Rn. 14; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 10; B.v. 13.12.2016 - 12 CE 16.2333 - juris, Rn. 22). Die Auffassung der Landesanwaltschaft Bayern, selbst bei Annahme eines Zweifelsfalls (seitens des Gerichts) dürfe nicht ohne weiteres zugunsten des Klägers entschieden werden, vielmehr habe unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls eine „Abwägung“ zu erfolgen, findet im Gesetz keinerlei Grundlage.

Dieses abgeschichtete Verfahren entspricht im Wesentlichen den „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen“, die auf der 116. Arbeitstagung der Bundesarbeitsgemeinschaft der Landesjugendämter vom 14. bis 16. Mai 2014 in Mainz beschlossen wurden. Die Gesetzesbegründung zu § 42 f SGB VIII nimmt ausdrücklich auf diese Handlungsempfehlungen Bezug (vgl. BT-Drs. 18/6392, S. 20). Durch dieses Verfahren wird dem Umstand Rechnung getragen, dass viele der Jugendlichen ohne gültige Papiere nach Europa kommen und auch sonst kaum Möglichkeiten besitzen, ihr Alter zu dokumentieren. In vielen Herkunftsländern der südlichen Hemisphäre hat das Geburtsdatum keine besondere Bedeutung und wird deshalb auch nicht in Geburtsregistern erfasst (vgl. Kirchhoff, in: jurisPK-SGB VIII, § 42 f Rn. 20). Gibt eine Person an, minderjährig zu sein, oder liegen anderweitige Hinweise vor, dass eine Person minderjährig sein kann, muss dies mit besonderer Sorgfalt geprüft werden (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 -, BayVBl. 2017, 21 [22] Rn. 15; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 11; B.v. 13.12.2016 - 12 CE 16.2333 - juris, Rn. 23). Da es keine Methode gibt, mit der das genaue Alter einer Person bestimmt werden kann, ist es umso notwendiger, dass dieser Unsicherheit in der Einschätzung des Alters durch transparente Verfahrensstandards, die kindgerecht auszugestalten sind, begegnet wird (so zutreffend Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www...de § 42 f N 1).

Das Ergebnis der Alterseinschätzung ist dabei nicht Voraussetzung für eine vorläufige Inobhutnahme, vielmehr ist die Alterseinschätzung selbst erst Aufgabe im Rahmen der vorläufigen Inobhutnahme. Eine vorläufige Inobhutnahme ist deshalb bereits dann möglich und geboten, wenn das Alter des jungen Menschen noch nicht sicher festgestellt ist (vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833 u. 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 23; B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 -, BayVBl. 2017, 21 [22] Rn. 16; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 12; B.v. 13.12.2016 - 12 CE 16.2333 - juris, Rn. 24; OVG Bremen, B.v. 18.11.2015 - 2 B 221/15, 2 PA 223/15 -, JAmt 2016, 42 [43]; ebenso Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www...de § 42 f N 4). Mit Blick auf das Ziel, Minderjährige wirksam vor Gefahren für ihr Wohl zu schützen, kann eine Inobhutnahme deshalb nicht mit der Erwägung abgelehnt werden, die Minderjährigkeit des Betroffenen erscheine zweifelhaft (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 -, BayVBl. 2017, 21 [22] Rn. 16; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 12; B.v. 13.12.2016 - 12 CE 16.2333 - juris, Rn. 24). Vielmehr hat die Alterseinschätzung in einem solchen Fall nach Beginn der vorläufigen Inobhutnahme zu erfolgen (so zutreffend Kirchhoff, in: juris PK-SGB VIII, § 42 f Rn. 14; Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www...de § 42 f N 4).

b) Kann der Betroffene kein aussagekräftiges Ausweispapier vorlegen und ist seine Selbstauskunft nicht zweifelsfrei, so ist (zunächst) eine qualifizierte Inaugenscheinnahme (§ 42 f Abs. 1 Satz 1 2. Alt. SGB VIII) durchzuführen. Diese erstreckt sich auf das äußere Erscheinungsbild, das nach nachvollziehbaren Kriterien zu würdigen ist. Darüber hinaus schließt sie - unter Hinzuziehung eines Sprachmittlers - in jedem Fall eine Befragung des Betroffenen ein, in der dieser mit den Zweifeln an seiner Eigenangabe zu konfrontieren und ihm Gelegenheit zu geben ist, diese Zweifel auszuräumen (so zutreffend OVG Bremen, B.v. 22.2.2016 - 1 B 303/15 -, NVwZ-RR 2016, 592 f. Rn. 13; siehe auch BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 -, BayVBl. 2017, 21 [22] Rn. 17; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 13; B.v. 13.12.2016 - 12 CE 2333 - juris, Rn. 25). Die im Gespräch gewonnenen Informationen zum Entwicklungsstand sind im Einzelnen zu bewerten. Maßgeblich ist der Gesamteindruck, der neben dem äußeren Erscheinungsbild insbesondere die Bewertung der im Gespräch gewonnenen Informationen zum Entwicklungsstand umfasst (vgl. Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www...de § 42 f N 7). Gegebenenfalls sind weitere Unterlagen beizuziehen. Das Verfahren ist stets nach dem Vier-Augen-Prinzip von mindestens zwei beruflich erfahrenen Mitarbeitern des Jugendamts durchzuführen (vgl. OVG Bremen, B.v. 22.2.2016 - 1 B 303/15 -, NVwZ-RR 2016, 592 f. Rn. 13 unter Bezugnahme auf BT-Drs. 18/6392, S. 20 und die dort erwähnten „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen“ der Bundesarbeitsgemeinschaft der Landesjugendämter vom Mai 2014). Das Ergebnis dieses Verfahrens ist in nachvollziehbarer und überprüfbarer Weise zu dokumentieren, insbesondere muss die Gesamtwürdigung in ihren einzelnen Begründungsschritten transparent sein (so zutreffend OVG Bremen, B.v. 22.2.2016 - 1 B 303/15 -, NVwZ-RR 2016, 592 f. Rn. 16; siehe auch BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 -, BayVBl. 2017, 21 [22] Rn. 17; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 13; B.v. 13.12.2016 - 12 CE 16.2333 - juris, Rn. 25).

c) Führt die qualifizierte Inaugenscheinnahme nicht zu einem hinreichend sicheren Ergebnis, bleiben mit anderen Worten Zweifel, so ist eine medizinische Untersuchung zu veranlassen (§ 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII). Derartige Zweifel bestehen immer dann, wenn nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden kann, dass ein fachärztliches Gutachten zu dem Ergebnis kommen wird, der Betroffene sei noch minderjährig (vgl. bereits BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833 u. 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 23; B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 -, BayVBl. 2017, [22] Rn. 18; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 14; B.v. 13.12.2016 - 12 CE 16.2333 - juris, Rn. 26; zustimmend Kirchhoff, in: jurisPK-SGB VIII, § 42 f Rn. 26.2), denn im Hinblick auf die im Jugendhilfeverfahren entsprechend anwendbare Regelung des Art. 25 Abs. 5 Unterabs. 1 Satz 2 RL 2013/32/EU (vgl. hierzu bereits BayVGH, B.v. 5.7.2016 - 12 CE 16.1186 - juris, Rn. 22 m.w.N.) ist bezüglich des Alters eines Antragstellers zwingend davon auszugehen, dass dieser noch minderjährig ist, solange entsprechende Zweifel nicht ausgeräumt werden können und deshalb weiter fortbestehen (vgl. Kirchhoff, in: jurisPK-SGB VIII, § 42 f Rn. 26.4 und 27; ders., juris PR-SozR 25/2016 Anm. 6, S. 4 f.; Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www...de § 42 f N 9; Winkler, in: BeckOK Sozialrecht, § 42 f SGB VIII Rn. 9; siehe auch BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 -, BayVBl. 2017, 21 [22] Rn. 18; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 14; B.v. 13.12.2016 - 12 CE 16.2333 - juris, Rn. 26 und BGH, B.v. 29.9.2010 - V ZB 233/10 -, NVwZ 2011, 320 Rn. 11; B.v. 12.2.2015 - V ZB 185/14 -, NVwZ 2015, 840 Rn. 7 jeweils für den Bereich der Abschiebungshaft).

d) Ob ein solcher Zweifelsfall vorliegt, unterliegt als unbestimmter Rechtsbegriff ohne Beurteilungsspielraum umfassender verwaltungsgerichtlicher Kontrolle. Dies schließt eine wie auch immer geartete Einschätzungsprärogative des Jugendamts von vornherein aus. Das Ergebnis einer qualifizierten Inaugenscheinnahme nach § 42 f Abs. 1 Satz 1 2. Alt. SGB VIII ist daher von den Verwaltungsgerichten im Hinblick auf gleichwohl fortbestehende Zweifel an der Minder- bzw. Volljährigkeit des Betroffenen nicht lediglich daraufhin zu überprüfen, ob alle relevanten Verfahrensvorschriften eingehalten wurden, sämtliche zur Verfügung stehenden Erkenntnisquellen ausgeschöpft und von einem zutreffenden Sachverhalt ausgegangen wurde, allgemeingültige Bewertungsmaßstäbe beachtet und der Gehalt der anzuwendenden Begriffe und der gesetzliche Rahmen, in dem diese sich bewegen, erkannt wurde und keine sachfremden Erwägungen in die Beurteilung eingeflossen sind (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 -, BayVBl. 2017, 21 [22] Rn. 19; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 15; B.v. 13.12.2016 - 12 CE 16.2333 - juris, Rn. 27; zustimmend Kirchhoff, in: jurisPK-SGB VIII, § 42 f Rn. 26.1).

Ein gerichtlich nicht voll überprüfbarer Beurteilungsspielraum könnte allenfalls dann angenommen werden, wenn und soweit das Jugendamt durch das Achte Buch Sozialgesetzbuch zur abschließenden Beurteilung ermächtigt würde (vgl. hierzu Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, GG, Stand: Juli 2014, Art. 19 Abs. 4 Rn. 191 ff.; Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 40 Rn. 160 ff.). Gerade dies indes ist nicht der Fall, wie die in § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII vorgesehene Verpflichtung des Jugendamts zeigt, in Zweifelsfällen eine ärztliche Untersuchung zu veranlassen. § 42 f Abs. 1 Satz 1 2. Alt. SGB VIII begründet daher keine normative Ermächtigung zur administrativen Letztentscheidung, die allein eine Reduzierung der Kontrolldichte zur Folge haben könnte (vgl. Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rn. 185 ff.). Fragen sachlicher und fachlicher Richtigkeit sind stets von den (Verwaltungs-)Gerichten zu überprüfen (vgl. Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 40 Rn. 177 m.w.N.; siehe hierzu auch bereits BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 -, BayVBl. 2017, 21 [22 f.] Rn. 20; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 16; B.v. 13.12.2016 - 12 CE 16.2333 - juris, Rn. 28).

Ebenso wenig handelt es sich bei den die qualifizierte Inaugenscheinnahme durchführenden Mitarbeitern des Jugendamts um weisungsfreie, interessenpluralistisch zusammengesetzte, auf dem Gebiet der Altersfeststellung mit besonderer (medizinischer) Sachkunde ausgestattete Personen oder Gremien (vgl. hierzu Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rn. 195; Sachs, in: Stelkens/Bonk/ Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 40 Rn. 192, 204 ff.). Wenn bereits die Ergebnisse ärztlicher Untersuchungsmethoden mit erheblichen Unwägbarkeiten und Schwankungsbreiten behaftet sind (vgl. näher Kirchhoff, in: jurisPR-SozR 2/2016 Anm. 1, S. 6; ders., in: jurisPK-SGB VIII, § 42 f Rn. 29 jeweils m.w.N.), kann der Einschätzung von Mitarbeitern eines Jugendamts ein weitergehender Erkenntniswert erst recht nicht beigemessen werden. Bei der Feststellung von Tatsachenbegriffen - wie insbesondere dem der Minder- oder Volljährigkeit - ist die Annahme einer Beurteilungsermächtigung vielmehr im Gegenteil grundsätzlich abzulehnen (so ausdrücklich Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 40 Rn. 211). Eine Reduzierung der verwaltungsgerichtlichen Kontrolldichte kommt daher auch unter diesem Gesichtspunkt nicht in Betracht (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 -, BayVBl. 2017, 21 [23] Rn. 21; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 17; B.v. 13.12.2016 - 12 CE 16.2333 - juris, Rn. 29). Konsequenterweise hat der Gesetzgeber sich auch ausdrücklich gegen eine Bindungswirkung der behördlichen Alterseinschätzung Dritten gegenüber ausgesprochen (vgl. BT-Drucks. 18/6392, S. 20).

Die bereits im Verfahren 12 CS 16.1550 geäußerte und vorliegend - allerdings ohne jede Auseinandersetzung mit der Rechtsprechung des Senats - lediglich noch einmal wiederholte Auffassung der Landesanwaltschaft Bayern, Zweifel bei der Feststellung des Alters im Sinne von § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII bestünden nur dann, wenn die Altersbeurteilungen der mit der Einschätzung befassten Fachkräfte des Jugendamts nicht übereinstimmten oder die Prüfpersonen erhebliche Zweifel hätten, dass das Altersbegutachtungsverfahren ohne medizinischen Sachverstand zu einem schlüssigen Ergebnis führen könne, greift daher notgedrungen ins Leere. Ungeachtet dessen wäre eine solche Interpretation auch mit dem in § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII ausdrücklich normierten Antragsrecht der Betroffenen unvereinbar (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 -, BayVBl. 2017, 21 [23] Rn. 22; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 18; B.v. 13.12.2016 - 12 CE 16.2333 - juris, Rn. 30).

e) Ausgehend von der Tatsache, dass eine exakte Bestimmung des Lebensalters weder auf medizinischem, psychologischem, pädagogischem oder anderem Wege möglich ist, alle bekannten Verfahren - auch eine ärztliche Untersuchung - allenfalls Näherungswerte liefern können, manche medizinischen Untersuchungsmethoden zum Teil eine Schwankungsbreite von bis zu fünf Jahren aufweisen (vgl. näher Kirchhoff, in: jurisPR-SozR 2/2016 Anm. 1, S. 6; ders., in: jurisPK-SGB VIII, § 42 f Rn. 29 jeweils m.w.N.) und allgemein von einem so genannten „Graubereich“ von ca. ein bis zwei Jahren (über der gesetzlichen Altersgrenze von 18 Jahren) auszugehen ist (vgl. hierzu näher Ziff. 5.1.2 der in der Gesetzesbegründung zu § 42 f SGB VIII [BT-Drs. 18/6392 S. 20] ausdrücklich in Bezug genommenen „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen“ vom Mai 2014, S. 15), kann eine qualifizierte Inaugenscheinnahme durch Mitarbeiter eines Jugendamts gemäß § 42 f Abs. 1 Satz 2 2. Alt. SGB VIII lediglich dann als zur Altersfeststellung geeignet angesehen werden, wenn es darum geht, für jedermann ohne Weiteres erkennbare (offensichtliche), gleichsam auf der Hand liegende, über jeden vernünftigen Zweifel erhabene Fälle evidenter Minderjährigkeit festzustellen oder eindeutiger Volljährigkeit auszuscheiden, in welchen ein Sich-Berufen des Betroffenen auf den Status der Minderjährigkeit selbst vor dem Hintergrund möglicher eigener Unkenntnis vom genauen Geburtsdatum als evident rechtsmissbräuchlich erscheinen muss (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 -, BayVBl. 2017, 21 [23] Rn. 23; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 19; B.v. 13.12.2016 - 12 CE 16.2333 - juris, Rn. 31; zustimmend Kirchhoff, in: jurisPK-SGB VIII, § 42 f Rn. 26.2).

In allen anderen Fällen - namentlich im Grenzbereich zwischen Voll- und Minderjährigkeit - ist hingegen regelmäßig vom Vorliegen eines Zweifelsfalls auszugehen, der entweder auf Antrag des Betroffenen bzw. seines gesetzlichen Vertreters oder aber von Amts wegen durch das Jugendamt zur Veranlassung einer ärztlichen Untersuchung gemäß § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII zwingt. Letzteres gilt vor allem in dem in den „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen vom Mai 2014“ angesprochenen „Graubereich“ von rund ein bis zwei Jahren (über der gesetzlichen Altersgrenze von 18 Jahren). Mindestens in diesem Grenzbereich ist mit Blick auf die auf das Jugendhilferecht entsprechend anwendbare, in Art. 25 Abs. 5 Unterabs. 1 Satz 2 RL 2013/32/EU enthaltene Zweifelsregel („im Zweifel pro Minderjährigkeit“) vom Vorliegen eines Anwendungsfalls des § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII auszugehen. Angesichts der erheblichen Schwankungsbreiten medizinischer Untersuchungsmethoden von bis zu fünf Jahren (vgl. näher Kirchhoff, in: jurisPR-SozR 2/2016 Anm. 1, S. 6; ders., in: jurisPK-SGB VIII, § 42 f Rn. 29 jeweils m.w.N.), wird es darüber hinaus eines „Sicherheitszuschlages“ von weiteren zwei bis drei Jahren bedürfen, um dem Kindeswohl angemessen Rechnung zu tragen und jeder vermeidbaren Fehlbeurteilung entgegenzuwirken (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 -, BayVBl. 2017, 21 [23] Rn. 24; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 20; B.v. 13.12.2016 - 12 CE 16.2333 - juris, Rn. 32; zustimmend Kirchhoff, in: jurisPK-SGB VIII, § 42 f Rn. 26.2).

f) In sich widersprüchlicher Vortrag des Betroffenen über sein Alter kann vor dem Hintergrund, dass dem Geburtsdatum in vielen Herkunftsländern der südlichen Hemisphäre keine besondere Bedeutung beigemessen wird (vgl. hierzu näher Kirchhoff, in: juris PK-SGB VIII, § 42 f Rn. 20 u. 26.3; Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www...de § 42 f N 6) und entsprechenden Angaben in Ausweispapieren deshalb ein Beweiswert nicht zukommt (vgl. OVG NRW, B.v. 29.9.2014 - 12 B 923/14 - juris, Rn. 11 ff.; OVG Berlin-Brandenburg, B.v. 4.3.2013 - OVG 6 S. 3.13, OVG 6 M 5.13 - juris, Rn. 6), nicht zum Nachteil des betroffenen Antragstellers gewertet werden. Denn auch derjenige, der über sein Alter, etwa infolge von nicht auszuschließender Unkenntnis, widersprüchliche Angaben macht, kann gleichwohl (noch) minderjährig sein (verkannt von OVG Berlin-Brandenburg, B.v. 1.4.2016 - OVG 6 S. 7.16, OVG 6 M 20.16 -, NVwZ-RR 16, 594 f. - Leitsatz). Widersprüchlicher Vortrag begründet vielmehr im Gegenteil das Vorliegen von Zweifeln an der Selbstauskunft des Betroffenen (so zutreffend Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www...de § 42 f N 6), denen durch Anwendung des § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII von Amts wegen mittels Veranlassung einer ärztlichen Untersuchung weiter nachzugehen ist (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 -, BayVBl. 2017, 21 [23] Rn. 25; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 -juris, Rn. 21; B.v. 13.12.2016 - 12 CE 16.2333 - juris, Rn. 33; zustimmend Kirchhoff, in: jurisPK-SGB VIII, § 42 f Rn. 26.3).

g) Eine Alterseinschätzung im Wesentlichen allein aufgrund bestimmter äußerlicher körperlicher Merkmale stellt für sich genommen keine ausreichende Grundlage dar. Dies gilt selbst dann, wenn sie durch Personal erfolgt, das in diesem Bereich erfahren ist (vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 21; B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 -, BayVBl. 2017, 21 [23 f.] Rn. 26; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 22; B.v. 13.12.2016 - 12 CE 16.2333 - juris, Rn. 34; ebenso OVG NRW, B.v. 13.11.2014 - 12 B 1280/14 - juris, Rn.18 a.E.; VG Magdeburg, B.v. 16.07.2013 - 1 B 185/13 - juris, Rn. 7 a.E.; VG Augsburg, B.v. 23.09.2015 - Au 3 E 15.1306 - juris, Rn. 29). Auch der Bundesgerichtshof lässt im Regelfall nicht einmal die auf ein großes Erfahrungswissen gestützte Einschätzung eines Haftrichters zur Volljährigkeit einer betroffenen Person genügen, um ein sicheres Bild zu gewinnen (vgl. BGH, B.v. 29.9.2010 - V ZB 233/10 -, NVwZ 2011, 320 Rn. 11; B.v. 12.2.2015 - V ZB 185/14 -, NVwZ 2015, 840 Rn. 7). Eine (einigermaßen) zuverlässige Altersdiagnostik setzt vielmehr voraus, dass im Wege einer zusammenfassenden Begutachtung die Ergebnisse einer körperlichen Untersuchung, gegebenenfalls auch einer Röntgenuntersuchung der Hand und der Schlüsselbeine, sowie einer zahnärztlichen Untersuchung zu einer abschließenden Altersdiagnose zusammengeführt werden (vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 21; B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 -, BayVBl. 2017, 21 [23 f.] Rn. 26; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 22; B.v. 13.12.2016 - 12 CE 16.2333 - juris, Rn. 34; OLG München, B.v. 15.3.2012 - 26 UF 308/12 - juris, Rn. 9; siehe auch Trenzcek, in: Münder/Meysen/Trenzcek, Frankfurter Kommentar SGB VIII, 7. Aufl. 2013, § 42 Rn. 22 m.w.N.). An dieser Rechtsauffassung hält der Senat auch nach Inkrafttreten der Neuregelung des § 42 f SGB VIII fest und sieht sich durch die in dieser Vorschrift getroffene Anordnung, dass in sämtlichen Zweifelsfällen auf Antrag des Betroffenen bzw. seines Vertreters oder von Amts wegen durch das Jugendamt eine ärztliche Untersuchung zur Altersbestimmung zu veranlassen ist, in seiner bisherigen Rechtsansicht ausdrücklich bestätigt. Sind bereits die Ergebnisse ärztlicher Untersuchungsmethoden mit erheblichen Unwägbarkeiten und Schwankungsbreiten behaftet, so kann der Einschätzung von Mitarbeitern eines Jugendamts - mit Ausnahme der Feststellung auch von einem Facharzt nicht anders bewertbarer Fälle offensichtlichen Rechtsmissbrauchs - ein weiterer Erkenntniswert erst recht nicht beigemessen werden (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 -, BayVBl. 2017, 21 [23 f.] Rn. 26; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 22; B.v. 13.12.2016 - 12 CE 16.2333 - juris, Rn. 34).

h) Lässt sich eine verlässliche Klärung des Alters nicht kurzfristig herbeiführen, so hat das Jugendamt dann, wenn die Minderjährigkeit des Betroffenen nicht sicher ausgeschlossen werden kann, eine (vorläufige) Inobhutnahme gleichwohl anzuordnen, bis das tatsächliche Alter des Betroffenen festgestellt ist (vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 23) oder aber die Zweifelsregel des entsprechend anwendbaren Art. 25 Abs. 5 Unterabs. 1 Satz 2 RL 2013/32/EU gebietet, wegen nicht ausräumbarer Ungewissheit weiterhin vom Vorliegen von Minderjährigkeit auszugehen (vgl. bereits BayVGH, B.v. 5.7.2016 - 12 CE 16.1186 - juris, Rn. 22 u. 24; B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 -, BayVBl. 2017, 21 [24] Rn. 27; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 23; B.v. 13.12.2016 - 12 CE 16.2333 - juris, Rn. 35; siehe auch BGH, B.v. 29.9.2010 - V ZB 233/10 -, NVwZ 2011, 320 Rn. 11; B.v. 12.2.2015 - V ZB 185/14 -, NVwZ 2015, 840 Rn. 7 jeweils für den Bereich der Abschiebungshaft). Solange nicht mit Sicherheit davon ausgegangen werden kann, dass der junge Mensch bereits volljährig ist, ist er als Minderjähriger zu behandeln (ebenso Kirchhoff, in: juris PK-SGB VIII, § 42 f Rn. 26.4). Dabei ist zugunsten des Minderjährigen jeweils das geringstmögliche Lebensalter zu unterstellen (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 -, BayVBl. 2017, 21 [24] Rn. 27; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 23; B.v. 13.12.2016 - 12 CE 16.2333 - juris, Rn. 35).

i) Demgegenüber vermögen die Einwendungen der Rechtsmittelführerin nicht zu überzeugen. Die qualifizierte Inaugenscheinnahme behält für den Regelfall des Fehlens von Ausweispapieren die ihr vom Gesetzgeber beigemessene Bedeutung für alle Fälle eindeutig verifizierbarer Minderjährigkeit einerseits und eindeutig feststellbarer Volljährigkeit andererseits. (Nur) in „Zweifelsfällen“ (aber eben auch stets dann) greift, entweder auf Antrag des Betroffenen bzw. seines gesetzlichen Vertreters oder aber von Amts wegen die ärztliche Untersuchung (§ 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII) Platz. Von einem „Ausnahmecharakter“ derselben kann insoweit, entgegen der Ansicht der Beklagten, nicht gesprochen werden. Insbesondere ergibt sich ein solcher nicht schon daraus, dass der Gesetzgeber die ärztliche Untersuchung in einem separaten Absatz geregelt hat. Ausgehend von der Tatsache, dass eine exakte Bestimmung des Lebensalters weder auf medizinischem, psychologischem, pädagogischem oder anderem Wege möglich ist, alle bekannten Verfahren - auch eine ärztliche Untersuchung - allenfalls Näherungswerte liefern können, manche medizinischen Untersuchungsmethoden zum Teil eine Schwankungsbreite von bis zu fünf Jahren aufweisen (vgl. näher Kirchhoff, in: jurisPR-SozR 2/2016 Anm. 1, S. 6; ders., in: jurisPK-SGB VIII, § 42 f Rn. 29 jeweils m.w.N.) und allgemein von einem so genannten „Graubereich“ von ca. ein bis zwei Jahren (über der gesetzlichen Altersgrenze von 18 Jahren) auszugehen ist (vgl. hierzu näher Ziff. 5.1.2 der in der Gesetzesbegründung zu § 42 f SGB VIII [BT-Drs. 18/6392 S. 20] ausdrücklich in Bezug genommenen „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen“ vom Mai 2014, S. 15), ist vielmehr im Gegenteil anzunehmen, dass im Grenzbereich zwischen Voll- und Minderjährigkeit der „Zweifelsfall“ die Regel und nicht etwa die Ausnahme bildet mit der Folge, dass eine qualifizierte Inaugenscheinnahme - auch nach der Auffassung des Gesetzgebers - allein keine tragfähigen Ergebnisse liefert und deshalb eine ärztliche Untersuchung hinzutreten muss, um das Lebensalter des Betroffenen zu bestimmen. Die qualifizierte Inaugenscheinnahme wird damit nicht etwa entbehrlich, wie die Beklagte meint; sie ist nur alleine nicht ausreichend.

Dem kann auch nicht mit Erfolg entgegengehalten werden, die ärztliche Untersuchung biete mangels Zulässigkeit einer Genitaluntersuchung (vgl. hierzu BT-Drucks. 18/6392, S. 21) und des Fehlens einer gesetzlichen Grundlage für eine radiologische Untersuchung gegenüber der qualifizierten Inaugenscheinnahme nur einen geringen Mehrwert. Zum einen hat der Gesetzgeber in § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII eine „ärztliche Untersuchung zur Altersbestimmung“ ausdrücklich vorgegeben. Es ist daher nicht Sache der Beklagten, den ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers zu negieren oder auch nur zu relativieren. Zum anderen hat der Gesetzgeber in der Gesetzesbegründung auf die „zuverlässigsten Methoden“ abgestellt (vgl. BT-Drucks. 18/6392, S. 21), weshalb auch Röntgenuntersuchungen möglich sind, soweit sie dem jeweiligen Stand der medizinischen Altersdiagnostik entsprechen und der Betroffene - wie bei jeder ärztlichen Untersuchung - seine Einwilligung hierzu erteilt hat (vgl. näher Kirchhoff, in: jurisPK-SGB VIII, § 42 f Rn. 28.3 m.w.N.).

Ebenso wenig vermag die Beklagte dem Erfordernis einer „ärztlichen Untersuchung im Zweifelsfall“ entgegenzuhalten, die vom Gesetzgeber bezweckte bundesweite Verteilung der Betroffenen würde dadurch vereitelt, weil dann die in §§ 42a Abs. 4, 42b Abs. 4 Nr. 4 SGB VIII vorgesehenen Fristen nicht mehr eingehalten werden könnten. Selbstredend können nur solche Personen zur Verteilung gemeldet werden, deren Minderjährigkeit zuvor den gesetzlichen Anforderungen entsprechend festgestellt wurde. Die Beklagte hat deshalb die Durchführung von ärztlichen Untersuchungen so einzurichten, dass die behaupteten Laufzeiten von sechs bis acht Wochen verkürzt und die gesetzlich vorgesehenen Fristen für eine Verteilung gewahrt werden können. Wie jeder Verwaltungsträger ist auch die Landeshauptstadt von Verfassungs wegen gehalten, ihre Verwaltung nach Art, Umfang und Leistungsvermögen entsprechend den Anforderungen sachgerechter Erledigung des sich aus der Bundesgesetzgebung ergebenden Aufgabenbestandes (§ 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII) einzurichten (vgl. BVerfGE 55, 274 [318]).

3. Nachdem Ausweispapiere oder sonstige die Feststellung des Alters des Klägers ermöglichende Dokumente nicht vorgelegt wurden und auch dessen Selbstauskunft einen zweifelsfreien Beleg für die behauptete Minderjährigkeit nicht bietet, hat das Verwaltungsgericht die Beklagte in Anwendung der oben entfalteten Maßstäbe und Grundsätze zu Recht verpflichtet, den Kläger vorläufig in Obhut zu nehmen, bis das Verfahren zur Feststellung der Minderjährigkeit nach § 42 f SGB VIII vollständig - d.h. inklusive ärztlicher Untersuchung (§ 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII) - durchgeführt ist.

a) Eine Alterseinschätzung im Wesentlichen allein aufgrund bestimmter äußerlicher körperlicher Merkmale - wie vorliegend vom Jugendamt der Beklagten praktiziert - bietet nach der ständigen Rechtsprechung des erkennenden Senats (vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 CE 112 CE 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 21; B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 -, BayVBl 2017, 21 [23] Rn. 26; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 22; B.v. 13.12.2016 - 12 CE 16.2333 - juris, Rn. 38; ebenso OVG NRW, B.v. 13.11.2014 - 12 B 1280/14 - juris, Rn.18 a.E.; VG Magdeburg, B.v. 16.07.2013 - 1 B 185/13 - juris, Rn. 7 a.E.; VG Augsburg, B.v. 23.09.2015 - Au 3 E 15.1306 - juris, Rn. 29) für die Annahme von Volljährigkeit keine ausreichende Grundlage.

Volles schwarzes Haar, stark ausgeprägte Koteletten, buschige und zusammenwachsende Augenbrauen, eine stark ausgeprägte Behaarung der Unterarme und Hände, eine tiefe Stimme und ein deutlich sichtbarer Kehlkopf, ein großer und kräftiger Körperbau mit breiten Schulterpartien und große, kräftige, stark beansprucht wirkende Hände, aufgrund eines markanten breiten Kinns männlich wirkende Gesichtszüge und eine großporige mutmaßlich infolge von Akne vernarbte Haut, stark ausgeprägte Stirn-, Gesichts- und Halsfalten sowie ein - allerdings frisch rasierter (!) - starker, fester und voller Bartwuchs an Oberlippe und Kinn sind für die Feststellung der mit Vollendung des 18. Lebensjahres eintretenden Volljährigkeit eines Menschen gänzlich unergiebig; denn alle diese Merkmale können auch bereits bei einem (reifen) jugendlichen Minderjährigen in unterschiedlicher Ausprägung vorliegen. Diese Merkmale besitzen deshalb für die Altersfeststellung im Grenzbereich zwischen Voll- und Minderjährigkeit keinerlei Aussagekraft. Daran vermag auch die ergänzende Heranziehung weiterer Kriterien, wie beispielsweise ein selbstbewusstes und reifes Auftreten, ein dominantes und forderndes Verhalten, der Protest gegen behördliche Entscheidungen oder auch das Verweigern der Unterschrift unter eine Empfangsbestätigung nichts zu ändern. Ein solches Benehmen kann auch ein bereits (reifer) jugendlicher Minderjähriger an den Tag legen (vgl. BayVGH, B.v. 13.12.2016 - 12 CE 16.2333 - juris, Rn. 38). Derartige Feststellungen begründen vielmehr im Gegenteil weitere, durch eine ärztliche Untersuchung klärungsbedürftige „Zweifel“ an der Selbstauskunft des Betroffenen.

Ebenso wenig von Bedeutung für die Frage der Feststellung des Alters ist der Umstand, dass der Kläger sich bei Fragen zur Dauer seiner Schulzeit während des mit ihm geführten Gesprächs korrigiert hat. Inwieweit hieraus ein „Widerspruch“ erwachsen soll, bleibt unerfindlich. Soweit der Kläger darüber hinaus zunächst angab, weder in seiner Muttersprache noch in englischer Schrift schreiben zu können, dann aber offenbar doch in sehr gekonnter Weise und in gutem Schriftbild zu schreiben vermochte, vermag darin zwar ein „Widerspruch“ zu sehen sein. Indes ist dieser für die Feststellung des tatsächlichen Alters des Klägers ohne jede Bedeutung. Gleiches gilt auch insoweit, als die Beklagte meint, die relativ kurze Beschulung des Klägers stehe in Widerspruch zu dessen Schreibfähigkeiten. Auch hierfür fehlt jeder objektivierbare Anhaltspunkt. Die Beklagte verkennt, dass auch eine Person, die lediglich die 5., 6. und 7. Klasse besucht hat, bereits über ein gutes Schriftbild verfügen kann. Ungeachtet dessen lässt die anlässlich der qualifizierten Inaugenscheinnahme gefertigte Niederschrift vom 5. September 2016 (vgl. Bl. 11 f. d. Behördenakte) auch in keiner Weise erkennen, dass der Kläger mit den Zweifeln des Jugendamtes an seiner Selbstauskunft konfrontiert und ihm Gelegenheit gegeben worden wäre, diese auszuräumen (vgl. OVG Bremen, B.v. 22.2.2016 - 1 B 303/15 -, NVwZ-RR 2016, 592 f. Rn. 13; siehe auch BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 -, BayVBl. 2017, 21 [22] Rn. 17; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 13; B.v. 13.12.2016 - 12 CE 2333 - juris, Rn. 25). Nach der Niederschrift (Bl. 11) wurde dem Kläger lediglich das - negative - Ergebnis eröffnet.

b) Die im Rahmen der „qualifizierten“ Inaugenscheinnahme des Klägers getroffenen Feststellungen vermögen deshalb die Annahme, beim Kläger handle es sich um eine bereits volljährige Person, nicht zu tragen. Es fehlt jede Transparenz der einzelnen Begründungsschritte und des Gesamtergebnisses (vgl. zu diesem Erfordernis BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 -, BayVBl. 2017, 21 [24] Rn. 28; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 24; B.v. 13.12.2016 - 12 CE 16.2333 - juris, Rn. 41). Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Jugendamts stellen letztlich allein auf das äußere Erscheinungsbild des Klägers und den aus dessen Verhalten gewonnenen - persönlichen - Eindruck ab, ohne dass insoweit eine Objektivierung der gewonnenen Erkenntnisse standfände und für einen außenstehenden Dritten nachvollziehbar würde. Vor dem Hintergrund, dass selbst die Ergebnisse ärztlicher Untersuchungsmethoden mit enormen Schwankungsbreiten behaftet sind (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 -, BayVBl 2017, 21 [23] Rn. 21; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 17; B.v. 13.12.2016 - 12 CE 16.2333 - juris, Rn.29 jeweils m.w.N.) lässt sich das Alter eines Menschen auch durch in der Jugendhilfe erfahrene Fachkräfte im Grenzbereich zwischen Voll- und Minderjährigkeit nicht allein aufgrund des äußeren Erscheinungsbildes bestimmen. Auch der Bundesgerichtshof lässt im Regelfall nicht einmal die auf ein großes Erfahrungswissen gestützte Einschätzung eines Haftrichters zur Volljährigkeit einer betroffenen Person genügen, um ein sicheres Bild zu gewinnen (vgl. BGH, B.v. 29.9.2010 - V ZB 233/10 -, NVwZ 2011, 320 Rn. 11; B.v. 12.2.2015 - V ZB 185/14 -, NVwZ 2015, 840 Rn. 7). Gleiches gilt - wie bereits erwähnt - im Hinblick auf die Heranziehung weiterer (vermeintlicher) Hilfskriterien, wie beispielsweise ein selbstbewusstes und reifes Auftreten oder ein dominantes und forderndes Verhalten (vgl. BayVGH, B.v. 13.12.2016 - 12 CE 16.2333 - juris, Rn. 41).

Die (angeblichen) Feststellungen und Schlussfolgerungen der Beklagten reichen über bloße Mutmaßungen nicht hinaus und können daher weder Grundlage eines Verwaltungsnoch eines Gerichtsverfahrens sein. Es erscheint vielmehr im Gegenteil gerade so, als wolle die Beklagte aus Belanglosigkeiten Widersprüche zum Nachteil des Klägers konstruieren. Die Altersfeststellung nach § 42 f SGB VIII hat jedoch mit einer asylrechtlichen Glaubwürdigkeitsprüfung nichts zu tun. Das Alter eines Menschen ist eine zumindest näherungsweise zu ermittelnde naturwissenschaftliche Tatsache. Dem hat der Gesetzgeber durch die in § 42 Abs. 2 Satz 1 SGB VIII für „Zweifelsfälle“ vorgesehene ärztliche Untersuchung Rechnung getragen. Die Beklagte wird insoweit „umdenken“ müssen. Dies gilt namentlich für die bereits im Eilverfahren vor dem Verwaltungsgericht (vgl. VG-Akte, Bl. 12) geäußerte und auch ausdrücklich als solche bezeichnete, jedoch durch nichts belegte „Vermutung“ der Prozessvertreterin der Beklagten, bei dem vom Kläger angegebenen Geburtsdatum handele es sich um ein falsches, ausgedachtes Datum, durch dessen Angabe der Kläger die Beklagte über sein wahres Alter täuschen und dadurch in Obhut genommen werden wolle.

c) Ungeachtet dessen gehört der Kläger - nachdem sein Geburtsdatum im Rahmen der qualifizierten Inaugenscheinnahme am 5. September 2016 fiktiv auf den 21. März 1998 festgesetzt wurde, woraus sich am Tage der getroffenen Feststellung ein Alter von 18 Jahren, fünf Monaten und zwei Wochen errechnen würde - in den in den „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen vom Mai 2014“ näher beschriebenen „Graubereich“ von ca. ein bis zwei Jahren über der gesetzliche Altersgrenze von 18 Jahren, in welchem nach der ständigen Rechtsprechung des Senats auch in Ansehung der entsprechend anzuwendenden Zweifelsregel des Art. 25 Abs. 5 Unterabs. 1 Satz 2 der RL 2013/32/EU stets eine ärztliche Untersuchung gemäß § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII stattzufinden hat, ohne dass es insoweit auf einen zusätzlich zu berücksichtigenden „Sicherheitszuschlag“ entscheidungserheblich ankäme (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 -, BayVBl 2017, 21 [23] Rn. 23 f.; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 19 f.; B.v. 13.12.2016 - 12 CE 16.2333 - juris, Rn. 31 f.). Der rein spekulativen und damit zugleich auch objektiv willkürlichen Festlegung des Geburtsdatums des Klägers auf den 21. März 1998 kann deshalb keinerlei Erkenntniswert beigemessen werden.

Der Kläger gehört ersichtlich nicht zum Kreis der eingangs beschriebenen, für jedermann ohne weiteres erkennbaren (offensichtlichen), gleichsam auf der Hand liegenden, über jeden vernünftigen Zweifel erhabenen Fälle eindeutiger Volljährigkeit, in welchem auch von einem Facharzt kein anderes Urteil zu erwarten ist und ein Sich-Berufen des Betroffenen auf den Status der Minderjährigkeit als evident rechtsmissbräuchlich erscheinen muss. Vielmehr kann, wie das Verwaltungsgericht zutreffend festgestellt hat, angesichts der erheblichen Schwankungsbreite medizinischer Feststellungen zur Altersdiagnostik auch vorliegend nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden, dass ein fachärztliches Gutachten zu dem Ergebnis kommen wird, der Betroffene sei noch minderjährig (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 -, BayVBl 2017, 21 [23] Rn. 23; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 19; B.v. 13.12.2016 - 12 CE 16.2333 - juris, Rn. 31).

d) Die Beklagte wird deshalb unverzüglich von Amts wegen eine ärztliche Untersuchung des Klägers gemäß § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII in die Wege leiten, um damit die Grundlage für eine einigermaßen verlässliche Entscheidung über die endgültige Inobhutnahme des Klägers zu schaffen. Lässt sich - wie vorliegend - eine verlässliche Klärung des Alters nicht kurzfristig herbeiführen, so hat das Jugendamt dann, wenn die Minderjährigkeit des Betroffenen nicht sicher ausgeschlossen werden kann, eine vorläufige Inobhutnahme gleichwohl anzuordnen, bis das tatsächliche Alter des Betroffenen festgestellt ist (vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 CE 112 CE 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 23; B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 -, BayVBl 2017, 21 [24] Rn. 27; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 23; B.v. 13.12.2016 - 12 CE 16.2333 - juris, Rn. 44) oder aber die Zweifelsregel des entsprechend anwendbaren Art. 25 Abs. 5 Unterabs. 1 Satz 2 RL 2013/32/EU gebietet, wegen nicht ausräumbarer Ungewissheit weiterhin vom Vorliegen von Minderjährigkeit auszugehen (vgl. bereits BayVGH, B.v. 5.7.2016 - 12 CE 16.1886 - juris, Rn. 24; B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 -, BayVBl 2017, 21 [24] Rn. 27; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 23; B.v. 13.12.2016 - 12 CE 16.2333 - juris, Rn. 44).

e) Das Verwaltungsgericht hat die Beklagte deshalb zu Recht verpflichtet, den Kläger bis zur endgültigen Klärung seines Alters weiterhin vorläufig in Obhut zu nehmen und in einer geeigneten Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung unterzubringen. Der Aufenthalt in einer Asylbewerberunterkunft ist einer Unterbringung in einer Jugendhilfeeinrichtung oder in einer Pflegefamilie nicht annähernd gleichwertig (vgl. BVerwG, U.v. 24.6.1999 - 5 C 24.98 -, BVerwGE 109, 155 [161 ff.]; BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 959 [961] Rn. 27).

Die Berufung der Beklagten ist deshalb zurückzuweisen.

4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 i.V.m. § 188 Satz 2 VwGO und ist vorläufig vollstreckbar (§ 167 Abs. 1 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO).

5. Gründe, nach § 132 VwGO die Revision gegen die vorliegende Entscheidung zuzulassen, sind nicht gegeben. Solche Gründe bestehen nicht bereits dann, wenn zu den aufgeworfenen Rechtsfragen noch keine ausdrückliche Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vorliegt, sich ihre Beantwortung jedoch - wie hier - ohne Weiteres aus dem Gesetz selbst, dem bislang erreichten Klärungsstand in der Rechtsprechung und dem allgemein anerkannten Meinungsstand im Schrifttum ergibt (vgl. statt aller Czybulka, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 4. Aufl. 2014, § 132 Rn. 56 m.w.N.).

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(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag au

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs. (2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungskl
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Annotations

(1) Auf Antrag kann das Gericht, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, daß durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint.

(2) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen ist das Gericht der Hauptsache zuständig. Dies ist das Gericht des ersten Rechtszugs und, wenn die Hauptsache im Berufungsverfahren anhängig ist, das Berufungsgericht. § 80 Abs. 8 ist entsprechend anzuwenden.

(3) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen gelten §§ 920, 921, 923, 926, 928 bis 932, 938, 939, 941 und 945 der Zivilprozeßordnung entsprechend.

(4) Das Gericht entscheidet durch Beschluß.

(5) Die Vorschriften der Absätze 1 bis 3 gelten nicht für die Fälle der §§ 80 und 80a.

Das Gericht darf über das Klagebegehren nicht hinausgehen, ist aber an die Fassung der Anträge nicht gebunden.

(1) Das Jugendamt ist berechtigt und verpflichtet, ein Kind oder einen Jugendlichen in seine Obhut zu nehmen, wenn

1.
das Kind oder der Jugendliche um Obhut bittet oder
2.
eine dringende Gefahr für das Wohl des Kindes oder des Jugendlichen die Inobhutnahme erfordert und
a)
die Personensorgeberechtigten nicht widersprechen oder
b)
eine familiengerichtliche Entscheidung nicht rechtzeitig eingeholt werden kann oder
3.
ein ausländisches Kind oder ein ausländischer Jugendlicher unbegleitet nach Deutschland kommt und sich weder Personensorge- noch Erziehungsberechtigte im Inland aufhalten.
Die Inobhutnahme umfasst die Befugnis, ein Kind oder einen Jugendlichen bei einer geeigneten Person, in einer geeigneten Einrichtung oder in einer sonstigen Wohnform vorläufig unterzubringen; im Fall von Satz 1 Nummer 2 auch ein Kind oder einen Jugendlichen von einer anderen Person wegzunehmen.

(2) Das Jugendamt hat während der Inobhutnahme unverzüglich das Kind oder den Jugendlichen umfassend und in einer verständlichen, nachvollziehbaren und wahrnehmbaren Form über diese Maßnahme aufzuklären, die Situation, die zur Inobhutnahme geführt hat, zusammen mit dem Kind oder dem Jugendlichen zu klären und Möglichkeiten der Hilfe und Unterstützung aufzuzeigen. Dem Kind oder dem Jugendlichen ist unverzüglich Gelegenheit zu geben, eine Person seines Vertrauens zu benachrichtigen. Das Jugendamt hat während der Inobhutnahme für das Wohl des Kindes oder des Jugendlichen zu sorgen und dabei den notwendigen Unterhalt und die Krankenhilfe sicherzustellen; § 39 Absatz 4 Satz 2 gilt entsprechend. Das Jugendamt ist während der Inobhutnahme berechtigt, alle Rechtshandlungen vorzunehmen, die zum Wohl des Kindes oder Jugendlichen notwendig sind; der mutmaßliche Wille der Personensorge- oder der Erziehungsberechtigten ist dabei angemessen zu berücksichtigen. Im Fall des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 3 gehört zu den Rechtshandlungen nach Satz 4, zu denen das Jugendamt verpflichtet ist, insbesondere die unverzügliche Stellung eines Asylantrags für das Kind oder den Jugendlichen in Fällen, in denen Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass das Kind oder der Jugendliche internationalen Schutz im Sinne des § 1 Absatz 1 Nummer 2 des Asylgesetzes benötigt; dabei ist das Kind oder der Jugendliche zu beteiligen.

(3) Das Jugendamt hat im Fall des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 1 und 2 die Personensorge- oder Erziehungsberechtigten unverzüglich von der Inobhutnahme zu unterrichten, sie in einer verständlichen, nachvollziehbaren und wahrnehmbaren Form umfassend über diese Maßnahme aufzuklären und mit ihnen das Gefährdungsrisiko abzuschätzen. Widersprechen die Personensorge- oder Erziehungsberechtigten der Inobhutnahme, so hat das Jugendamt unverzüglich

1.
das Kind oder den Jugendlichen den Personensorge- oder Erziehungsberechtigten zu übergeben, sofern nach der Einschätzung des Jugendamts eine Gefährdung des Kindeswohls nicht besteht oder die Personensorge- oder Erziehungsberechtigten bereit und in der Lage sind, die Gefährdung abzuwenden oder
2.
eine Entscheidung des Familiengerichts über die erforderlichen Maßnahmen zum Wohl des Kindes oder des Jugendlichen herbeizuführen.
Sind die Personensorge- oder Erziehungsberechtigten nicht erreichbar, so gilt Satz 2 Nummer 2 entsprechend. Im Fall des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 3 ist unverzüglich die Bestellung eines Vormunds oder Pflegers zu veranlassen. Widersprechen die Personensorgeberechtigten der Inobhutnahme nicht, so ist unverzüglich ein Hilfeplanverfahren zur Gewährung einer Hilfe einzuleiten.

(4) Die Inobhutnahme endet mit

1.
der Übergabe des Kindes oder Jugendlichen an die Personensorge- oder Erziehungsberechtigten,
2.
der Entscheidung über die Gewährung von Hilfen nach dem Sozialgesetzbuch.

(5) Freiheitsentziehende Maßnahmen im Rahmen der Inobhutnahme sind nur zulässig, wenn und soweit sie erforderlich sind, um eine Gefahr für Leib oder Leben des Kindes oder des Jugendlichen oder eine Gefahr für Leib oder Leben Dritter abzuwenden. Die Freiheitsentziehung ist ohne gerichtliche Entscheidung spätestens mit Ablauf des Tages nach ihrem Beginn zu beenden.

(6) Ist bei der Inobhutnahme die Anwendung unmittelbaren Zwangs erforderlich, so sind die dazu befugten Stellen hinzuzuziehen.

(1) Das Jugendamt ist berechtigt und verpflichtet, ein ausländisches Kind oder einen ausländischen Jugendlichen vorläufig in Obhut zu nehmen, sobald dessen unbegleitete Einreise nach Deutschland festgestellt wird. Ein ausländisches Kind oder ein ausländischer Jugendlicher ist grundsätzlich dann als unbegleitet zu betrachten, wenn die Einreise nicht in Begleitung eines Personensorgeberechtigten oder Erziehungsberechtigten erfolgt; dies gilt auch, wenn das Kind oder der Jugendliche verheiratet ist. § 42 Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 2 und 3, Absatz 5 sowie 6 gilt entsprechend.

(2) Das Jugendamt hat während der vorläufigen Inobhutnahme zusammen mit dem Kind oder dem Jugendlichen einzuschätzen,

1.
ob das Wohl des Kindes oder des Jugendlichen durch die Durchführung des Verteilungsverfahrens gefährdet würde,
2.
ob sich eine mit dem Kind oder dem Jugendlichen verwandte Person im Inland oder im Ausland aufhält,
3.
ob das Wohl des Kindes oder des Jugendlichen eine gemeinsame Inobhutnahme mit Geschwistern oder anderen unbegleiteten ausländischen Kindern oder Jugendlichen erfordert und
4.
ob der Gesundheitszustand des Kindes oder des Jugendlichen die Durchführung des Verteilungsverfahrens innerhalb von 14 Werktagen nach Beginn der vorläufigen Inobhutnahme ausschließt; hierzu soll eine ärztliche Stellungnahme eingeholt werden.
Auf der Grundlage des Ergebnisses der Einschätzung nach Satz 1 entscheidet das Jugendamt über die Anmeldung des Kindes oder des Jugendlichen zur Verteilung oder den Ausschluss der Verteilung.

(3) Das Jugendamt ist während der vorläufigen Inobhutnahme berechtigt und verpflichtet, alle Rechtshandlungen vorzunehmen, die zum Wohl des Kindes oder des Jugendlichen notwendig sind. Dabei ist das Kind oder der Jugendliche zu beteiligen und der mutmaßliche Wille der Personen- oder der Erziehungsberechtigten angemessen zu berücksichtigen.

(3a) Das Jugendamt hat dafür Sorge zu tragen, dass für die in Absatz 1 genannten Kinder oder Jugendlichen unverzüglich erkennungsdienstliche Maßnahmen nach § 49 Absatz 8 und 9 des Aufenthaltsgesetzes durchgeführt werden, wenn Zweifel über die Identität bestehen.

(4) Das Jugendamt hat der nach Landesrecht für die Verteilung von unbegleiteten ausländischen Kindern und Jugendlichen zuständigen Stelle die vorläufige Inobhutnahme des Kindes oder des Jugendlichen innerhalb von sieben Werktagen nach Beginn der Maßnahme zur Erfüllung der in § 42b genannten Aufgaben mitzuteilen. Zu diesem Zweck sind auch die Ergebnisse der Einschätzung nach Absatz 2 Satz 1 mitzuteilen. Die nach Landesrecht zuständige Stelle hat gegenüber dem Bundesverwaltungsamt innerhalb von drei Werktagen das Kind oder den Jugendlichen zur Verteilung anzumelden oder den Ausschluss der Verteilung anzuzeigen.

(5) Soll das Kind oder der Jugendliche im Rahmen eines Verteilungsverfahrens untergebracht werden, so umfasst die vorläufige Inobhutnahme auch die Pflicht,

1.
die Begleitung des Kindes oder des Jugendlichen und dessen Übergabe durch eine insofern geeignete Person an das für die Inobhutnahme nach § 42 Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 zuständige Jugendamt sicherzustellen sowie
2.
dem für die Inobhutnahme nach § 42 Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 zuständigen Jugendamt unverzüglich die personenbezogenen Daten zu übermitteln, die zur Wahrnehmung der Aufgaben nach § 42 erforderlich sind.
Hält sich eine mit dem Kind oder dem Jugendlichen verwandte Person im Inland oder im Ausland auf, hat das Jugendamt auf eine Zusammenführung des Kindes oder des Jugendlichen mit dieser Person hinzuwirken, wenn dies dem Kindeswohl entspricht. Das Kind oder der Jugendliche ist an der Übergabe und an der Entscheidung über die Familienzusammenführung angemessen zu beteiligen.

(6) Die vorläufige Inobhutnahme endet mit der Übergabe des Kindes oder des Jugendlichen an die Personensorge- oder Erziehungsberechtigten oder an das aufgrund der Zuweisungsentscheidung der zuständigen Landesbehörde nach § 88a Absatz 2 Satz 1 zuständige Jugendamt oder mit der Anzeige nach Absatz 4 Satz 3 über den Ausschluss des Verteilungsverfahrens nach § 42b Absatz 4.

(1) Das Verwaltungsgericht lässt die Berufung in dem Urteil zu, wenn die Gründe des § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 4 vorliegen. Das Oberverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden. Zu einer Nichtzulassung der Berufung ist das Verwaltungsgericht nicht befugt.

(2) Die Berufung ist, wenn sie von dem Verwaltungsgericht zugelassen worden ist, innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils bei dem Verwaltungsgericht einzulegen. Die Berufung muss das angefochtene Urteil bezeichnen.

(3) Die Berufung ist in den Fällen des Absatzes 2 innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht zugleich mit der Einlegung der Berufung erfolgt, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Die Begründungsfrist kann auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag von dem Vorsitzenden des Senats verlängert werden. Die Begründung muss einen bestimmten Antrag enthalten sowie die im Einzelnen anzuführenden Gründe der Anfechtung (Berufungsgründe). Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung unzulässig.

(4) Wird die Berufung nicht in dem Urteil des Verwaltungsgerichts zugelassen, so ist die Zulassung innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils zu beantragen. Der Antrag ist bei dem Verwaltungsgericht zu stellen. Er muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Die Stellung des Antrags hemmt die Rechtskraft des Urteils.

(5) Über den Antrag entscheidet das Oberverwaltungsgericht durch Beschluss. Die Berufung ist zuzulassen, wenn einer der Gründe des § 124 Abs. 2 dargelegt ist und vorliegt. Der Beschluss soll kurz begründet werden. Mit der Ablehnung des Antrags wird das Urteil rechtskräftig. Lässt das Oberverwaltungsgericht die Berufung zu, wird das Antragsverfahren als Berufungsverfahren fortgesetzt; der Einlegung einer Berufung bedarf es nicht.

(6) Die Berufung ist in den Fällen des Absatzes 5 innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses über die Zulassung der Berufung zu begründen. Die Begründung ist bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Absatz 3 Satz 3 bis 5 gilt entsprechend.

(1) Die Behörde ermittelt den Sachverhalt von Amts wegen. Sie bestimmt Art und Umfang der Ermittlungen; an das Vorbringen und an die Beweisanträge der Beteiligten ist sie nicht gebunden.

(2) Die Behörde hat alle für den Einzelfall bedeutsamen, auch die für die Beteiligten günstigen Umstände zu berücksichtigen.

(3) Die Behörde darf die Entgegennahme von Erklärungen oder Anträgen, die in ihren Zuständigkeitsbereich fallen, nicht deshalb verweigern, weil sie die Erklärung oder den Antrag in der Sache für unzulässig oder unbegründet hält.

(1) Das Jugendamt ist berechtigt und verpflichtet, ein Kind oder einen Jugendlichen in seine Obhut zu nehmen, wenn

1.
das Kind oder der Jugendliche um Obhut bittet oder
2.
eine dringende Gefahr für das Wohl des Kindes oder des Jugendlichen die Inobhutnahme erfordert und
a)
die Personensorgeberechtigten nicht widersprechen oder
b)
eine familiengerichtliche Entscheidung nicht rechtzeitig eingeholt werden kann oder
3.
ein ausländisches Kind oder ein ausländischer Jugendlicher unbegleitet nach Deutschland kommt und sich weder Personensorge- noch Erziehungsberechtigte im Inland aufhalten.
Die Inobhutnahme umfasst die Befugnis, ein Kind oder einen Jugendlichen bei einer geeigneten Person, in einer geeigneten Einrichtung oder in einer sonstigen Wohnform vorläufig unterzubringen; im Fall von Satz 1 Nummer 2 auch ein Kind oder einen Jugendlichen von einer anderen Person wegzunehmen.

(2) Das Jugendamt hat während der Inobhutnahme unverzüglich das Kind oder den Jugendlichen umfassend und in einer verständlichen, nachvollziehbaren und wahrnehmbaren Form über diese Maßnahme aufzuklären, die Situation, die zur Inobhutnahme geführt hat, zusammen mit dem Kind oder dem Jugendlichen zu klären und Möglichkeiten der Hilfe und Unterstützung aufzuzeigen. Dem Kind oder dem Jugendlichen ist unverzüglich Gelegenheit zu geben, eine Person seines Vertrauens zu benachrichtigen. Das Jugendamt hat während der Inobhutnahme für das Wohl des Kindes oder des Jugendlichen zu sorgen und dabei den notwendigen Unterhalt und die Krankenhilfe sicherzustellen; § 39 Absatz 4 Satz 2 gilt entsprechend. Das Jugendamt ist während der Inobhutnahme berechtigt, alle Rechtshandlungen vorzunehmen, die zum Wohl des Kindes oder Jugendlichen notwendig sind; der mutmaßliche Wille der Personensorge- oder der Erziehungsberechtigten ist dabei angemessen zu berücksichtigen. Im Fall des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 3 gehört zu den Rechtshandlungen nach Satz 4, zu denen das Jugendamt verpflichtet ist, insbesondere die unverzügliche Stellung eines Asylantrags für das Kind oder den Jugendlichen in Fällen, in denen Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass das Kind oder der Jugendliche internationalen Schutz im Sinne des § 1 Absatz 1 Nummer 2 des Asylgesetzes benötigt; dabei ist das Kind oder der Jugendliche zu beteiligen.

(3) Das Jugendamt hat im Fall des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 1 und 2 die Personensorge- oder Erziehungsberechtigten unverzüglich von der Inobhutnahme zu unterrichten, sie in einer verständlichen, nachvollziehbaren und wahrnehmbaren Form umfassend über diese Maßnahme aufzuklären und mit ihnen das Gefährdungsrisiko abzuschätzen. Widersprechen die Personensorge- oder Erziehungsberechtigten der Inobhutnahme, so hat das Jugendamt unverzüglich

1.
das Kind oder den Jugendlichen den Personensorge- oder Erziehungsberechtigten zu übergeben, sofern nach der Einschätzung des Jugendamts eine Gefährdung des Kindeswohls nicht besteht oder die Personensorge- oder Erziehungsberechtigten bereit und in der Lage sind, die Gefährdung abzuwenden oder
2.
eine Entscheidung des Familiengerichts über die erforderlichen Maßnahmen zum Wohl des Kindes oder des Jugendlichen herbeizuführen.
Sind die Personensorge- oder Erziehungsberechtigten nicht erreichbar, so gilt Satz 2 Nummer 2 entsprechend. Im Fall des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 3 ist unverzüglich die Bestellung eines Vormunds oder Pflegers zu veranlassen. Widersprechen die Personensorgeberechtigten der Inobhutnahme nicht, so ist unverzüglich ein Hilfeplanverfahren zur Gewährung einer Hilfe einzuleiten.

(4) Die Inobhutnahme endet mit

1.
der Übergabe des Kindes oder Jugendlichen an die Personensorge- oder Erziehungsberechtigten,
2.
der Entscheidung über die Gewährung von Hilfen nach dem Sozialgesetzbuch.

(5) Freiheitsentziehende Maßnahmen im Rahmen der Inobhutnahme sind nur zulässig, wenn und soweit sie erforderlich sind, um eine Gefahr für Leib oder Leben des Kindes oder des Jugendlichen oder eine Gefahr für Leib oder Leben Dritter abzuwenden. Die Freiheitsentziehung ist ohne gerichtliche Entscheidung spätestens mit Ablauf des Tages nach ihrem Beginn zu beenden.

(6) Ist bei der Inobhutnahme die Anwendung unmittelbaren Zwangs erforderlich, so sind die dazu befugten Stellen hinzuzuziehen.

(1) Die Behörde bedient sich der Beweismittel, die sie nach pflichtgemäßem Ermessen zur Ermittlung des Sachverhalts für erforderlich hält. Sie kann insbesondere

1.
Auskünfte jeder Art, auch elektronisch und als elektronisches Dokument, einholen,
2.
Beteiligte anhören, Zeugen und Sachverständige vernehmen oder die schriftliche oder elektronische Äußerung von Beteiligten, Sachverständigen und Zeugen einholen,
3.
Urkunden und Akten beiziehen,
4.
den Augenschein einnehmen.
Urkunden und Akten können auch in elektronischer Form beigezogen werden, es sei denn, durch Rechtsvorschrift ist etwas anderes bestimmt.

(2) Die Beteiligten sollen bei der Ermittlung des Sachverhalts mitwirken. Sie sollen insbesondere ihnen bekannte Tatsachen und Beweismittel angeben. Eine weitergehende Pflicht, bei der Ermittlung des Sachverhalts mitzuwirken, insbesondere eine Pflicht zum persönlichen Erscheinen oder zur Aussage, besteht nur, soweit sie durch Rechtsvorschrift besonders vorgesehen ist.

(3) Für Zeugen und Sachverständige besteht eine Pflicht zur Aussage oder zur Erstattung von Gutachten, wenn sie durch Rechtsvorschrift vorgesehen ist. Eine solche Pflicht besteht auch dann, wenn die Aussage oder die Erstattung von Gutachten im Rahmen von § 407 der Zivilprozessordnung zur Entscheidung über die Entstehung, Erbringung, Fortsetzung, das Ruhen, die Entziehung oder den Wegfall einer Sozialleistung sowie deren Höhe unabweisbar ist. Die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über das Recht, ein Zeugnis oder ein Gutachten zu verweigern, über die Ablehnung von Sachverständigen sowie über die Vernehmung von Angehörigen des öffentlichen Dienstes als Zeugen oder Sachverständige gelten entsprechend. Falls die Behörde Zeugen, Sachverständige und Dritte herangezogen hat, erhalten sie auf Antrag in entsprechender Anwendung des Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetzes eine Entschädigung oder Vergütung; mit Sachverständigen kann die Behörde eine Vergütung vereinbaren.

(4) Die Finanzbehörden haben, soweit es im Verfahren nach diesem Gesetzbuch erforderlich ist, Auskunft über die ihnen bekannten Einkommens- oder Vermögensverhältnisse des Antragstellers, Leistungsempfängers, Erstattungspflichtigen, Unterhaltsverpflichteten, Unterhaltsberechtigten oder der zum Haushalt rechnenden Familienmitglieder zu erteilen.

(1) Das Verwaltungsgericht lässt die Berufung in dem Urteil zu, wenn die Gründe des § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 4 vorliegen. Das Oberverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden. Zu einer Nichtzulassung der Berufung ist das Verwaltungsgericht nicht befugt.

(2) Die Berufung ist, wenn sie von dem Verwaltungsgericht zugelassen worden ist, innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils bei dem Verwaltungsgericht einzulegen. Die Berufung muss das angefochtene Urteil bezeichnen.

(3) Die Berufung ist in den Fällen des Absatzes 2 innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht zugleich mit der Einlegung der Berufung erfolgt, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Die Begründungsfrist kann auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag von dem Vorsitzenden des Senats verlängert werden. Die Begründung muss einen bestimmten Antrag enthalten sowie die im Einzelnen anzuführenden Gründe der Anfechtung (Berufungsgründe). Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung unzulässig.

(4) Wird die Berufung nicht in dem Urteil des Verwaltungsgerichts zugelassen, so ist die Zulassung innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils zu beantragen. Der Antrag ist bei dem Verwaltungsgericht zu stellen. Er muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Die Stellung des Antrags hemmt die Rechtskraft des Urteils.

(5) Über den Antrag entscheidet das Oberverwaltungsgericht durch Beschluss. Die Berufung ist zuzulassen, wenn einer der Gründe des § 124 Abs. 2 dargelegt ist und vorliegt. Der Beschluss soll kurz begründet werden. Mit der Ablehnung des Antrags wird das Urteil rechtskräftig. Lässt das Oberverwaltungsgericht die Berufung zu, wird das Antragsverfahren als Berufungsverfahren fortgesetzt; der Einlegung einer Berufung bedarf es nicht.

(6) Die Berufung ist in den Fällen des Absatzes 5 innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses über die Zulassung der Berufung zu begründen. Die Begründung ist bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Absatz 3 Satz 3 bis 5 gilt entsprechend.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) Die Behörde ermittelt den Sachverhalt von Amts wegen. Sie bestimmt Art und Umfang der Ermittlungen; an das Vorbringen und an die Beweisanträge der Beteiligten ist sie nicht gebunden.

(2) Die Behörde hat alle für den Einzelfall bedeutsamen, auch die für die Beteiligten günstigen Umstände zu berücksichtigen.

(3) Die Behörde darf die Entgegennahme von Erklärungen oder Anträgen, die in ihren Zuständigkeitsbereich fallen, nicht deshalb verweigern, weil sie die Erklärung oder den Antrag in der Sache für unzulässig oder unbegründet hält.

(1) Die Behörde bedient sich der Beweismittel, die sie nach pflichtgemäßem Ermessen zur Ermittlung des Sachverhalts für erforderlich hält. Sie kann insbesondere

1.
Auskünfte jeder Art, auch elektronisch und als elektronisches Dokument, einholen,
2.
Beteiligte anhören, Zeugen und Sachverständige vernehmen oder die schriftliche oder elektronische Äußerung von Beteiligten, Sachverständigen und Zeugen einholen,
3.
Urkunden und Akten beiziehen,
4.
den Augenschein einnehmen.
Urkunden und Akten können auch in elektronischer Form beigezogen werden, es sei denn, durch Rechtsvorschrift ist etwas anderes bestimmt.

(2) Die Beteiligten sollen bei der Ermittlung des Sachverhalts mitwirken. Sie sollen insbesondere ihnen bekannte Tatsachen und Beweismittel angeben. Eine weitergehende Pflicht, bei der Ermittlung des Sachverhalts mitzuwirken, insbesondere eine Pflicht zum persönlichen Erscheinen oder zur Aussage, besteht nur, soweit sie durch Rechtsvorschrift besonders vorgesehen ist.

(3) Für Zeugen und Sachverständige besteht eine Pflicht zur Aussage oder zur Erstattung von Gutachten, wenn sie durch Rechtsvorschrift vorgesehen ist. Eine solche Pflicht besteht auch dann, wenn die Aussage oder die Erstattung von Gutachten im Rahmen von § 407 der Zivilprozessordnung zur Entscheidung über die Entstehung, Erbringung, Fortsetzung, das Ruhen, die Entziehung oder den Wegfall einer Sozialleistung sowie deren Höhe unabweisbar ist. Die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über das Recht, ein Zeugnis oder ein Gutachten zu verweigern, über die Ablehnung von Sachverständigen sowie über die Vernehmung von Angehörigen des öffentlichen Dienstes als Zeugen oder Sachverständige gelten entsprechend. Falls die Behörde Zeugen, Sachverständige und Dritte herangezogen hat, erhalten sie auf Antrag in entsprechender Anwendung des Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetzes eine Entschädigung oder Vergütung; mit Sachverständigen kann die Behörde eine Vergütung vereinbaren.

(4) Die Finanzbehörden haben, soweit es im Verfahren nach diesem Gesetzbuch erforderlich ist, Auskunft über die ihnen bekannten Einkommens- oder Vermögensverhältnisse des Antragstellers, Leistungsempfängers, Erstattungspflichtigen, Unterhaltsverpflichteten, Unterhaltsberechtigten oder der zum Haushalt rechnenden Familienmitglieder zu erteilen.

(1) Das Jugendamt ist berechtigt und verpflichtet, ein ausländisches Kind oder einen ausländischen Jugendlichen vorläufig in Obhut zu nehmen, sobald dessen unbegleitete Einreise nach Deutschland festgestellt wird. Ein ausländisches Kind oder ein ausländischer Jugendlicher ist grundsätzlich dann als unbegleitet zu betrachten, wenn die Einreise nicht in Begleitung eines Personensorgeberechtigten oder Erziehungsberechtigten erfolgt; dies gilt auch, wenn das Kind oder der Jugendliche verheiratet ist. § 42 Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 2 und 3, Absatz 5 sowie 6 gilt entsprechend.

(2) Das Jugendamt hat während der vorläufigen Inobhutnahme zusammen mit dem Kind oder dem Jugendlichen einzuschätzen,

1.
ob das Wohl des Kindes oder des Jugendlichen durch die Durchführung des Verteilungsverfahrens gefährdet würde,
2.
ob sich eine mit dem Kind oder dem Jugendlichen verwandte Person im Inland oder im Ausland aufhält,
3.
ob das Wohl des Kindes oder des Jugendlichen eine gemeinsame Inobhutnahme mit Geschwistern oder anderen unbegleiteten ausländischen Kindern oder Jugendlichen erfordert und
4.
ob der Gesundheitszustand des Kindes oder des Jugendlichen die Durchführung des Verteilungsverfahrens innerhalb von 14 Werktagen nach Beginn der vorläufigen Inobhutnahme ausschließt; hierzu soll eine ärztliche Stellungnahme eingeholt werden.
Auf der Grundlage des Ergebnisses der Einschätzung nach Satz 1 entscheidet das Jugendamt über die Anmeldung des Kindes oder des Jugendlichen zur Verteilung oder den Ausschluss der Verteilung.

(3) Das Jugendamt ist während der vorläufigen Inobhutnahme berechtigt und verpflichtet, alle Rechtshandlungen vorzunehmen, die zum Wohl des Kindes oder des Jugendlichen notwendig sind. Dabei ist das Kind oder der Jugendliche zu beteiligen und der mutmaßliche Wille der Personen- oder der Erziehungsberechtigten angemessen zu berücksichtigen.

(3a) Das Jugendamt hat dafür Sorge zu tragen, dass für die in Absatz 1 genannten Kinder oder Jugendlichen unverzüglich erkennungsdienstliche Maßnahmen nach § 49 Absatz 8 und 9 des Aufenthaltsgesetzes durchgeführt werden, wenn Zweifel über die Identität bestehen.

(4) Das Jugendamt hat der nach Landesrecht für die Verteilung von unbegleiteten ausländischen Kindern und Jugendlichen zuständigen Stelle die vorläufige Inobhutnahme des Kindes oder des Jugendlichen innerhalb von sieben Werktagen nach Beginn der Maßnahme zur Erfüllung der in § 42b genannten Aufgaben mitzuteilen. Zu diesem Zweck sind auch die Ergebnisse der Einschätzung nach Absatz 2 Satz 1 mitzuteilen. Die nach Landesrecht zuständige Stelle hat gegenüber dem Bundesverwaltungsamt innerhalb von drei Werktagen das Kind oder den Jugendlichen zur Verteilung anzumelden oder den Ausschluss der Verteilung anzuzeigen.

(5) Soll das Kind oder der Jugendliche im Rahmen eines Verteilungsverfahrens untergebracht werden, so umfasst die vorläufige Inobhutnahme auch die Pflicht,

1.
die Begleitung des Kindes oder des Jugendlichen und dessen Übergabe durch eine insofern geeignete Person an das für die Inobhutnahme nach § 42 Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 zuständige Jugendamt sicherzustellen sowie
2.
dem für die Inobhutnahme nach § 42 Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 zuständigen Jugendamt unverzüglich die personenbezogenen Daten zu übermitteln, die zur Wahrnehmung der Aufgaben nach § 42 erforderlich sind.
Hält sich eine mit dem Kind oder dem Jugendlichen verwandte Person im Inland oder im Ausland auf, hat das Jugendamt auf eine Zusammenführung des Kindes oder des Jugendlichen mit dieser Person hinzuwirken, wenn dies dem Kindeswohl entspricht. Das Kind oder der Jugendliche ist an der Übergabe und an der Entscheidung über die Familienzusammenführung angemessen zu beteiligen.

(6) Die vorläufige Inobhutnahme endet mit der Übergabe des Kindes oder des Jugendlichen an die Personensorge- oder Erziehungsberechtigten oder an das aufgrund der Zuweisungsentscheidung der zuständigen Landesbehörde nach § 88a Absatz 2 Satz 1 zuständige Jugendamt oder mit der Anzeige nach Absatz 4 Satz 3 über den Ausschluss des Verteilungsverfahrens nach § 42b Absatz 4.

(1) Das Jugendamt ist berechtigt und verpflichtet, ein Kind oder einen Jugendlichen in seine Obhut zu nehmen, wenn

1.
das Kind oder der Jugendliche um Obhut bittet oder
2.
eine dringende Gefahr für das Wohl des Kindes oder des Jugendlichen die Inobhutnahme erfordert und
a)
die Personensorgeberechtigten nicht widersprechen oder
b)
eine familiengerichtliche Entscheidung nicht rechtzeitig eingeholt werden kann oder
3.
ein ausländisches Kind oder ein ausländischer Jugendlicher unbegleitet nach Deutschland kommt und sich weder Personensorge- noch Erziehungsberechtigte im Inland aufhalten.
Die Inobhutnahme umfasst die Befugnis, ein Kind oder einen Jugendlichen bei einer geeigneten Person, in einer geeigneten Einrichtung oder in einer sonstigen Wohnform vorläufig unterzubringen; im Fall von Satz 1 Nummer 2 auch ein Kind oder einen Jugendlichen von einer anderen Person wegzunehmen.

(2) Das Jugendamt hat während der Inobhutnahme unverzüglich das Kind oder den Jugendlichen umfassend und in einer verständlichen, nachvollziehbaren und wahrnehmbaren Form über diese Maßnahme aufzuklären, die Situation, die zur Inobhutnahme geführt hat, zusammen mit dem Kind oder dem Jugendlichen zu klären und Möglichkeiten der Hilfe und Unterstützung aufzuzeigen. Dem Kind oder dem Jugendlichen ist unverzüglich Gelegenheit zu geben, eine Person seines Vertrauens zu benachrichtigen. Das Jugendamt hat während der Inobhutnahme für das Wohl des Kindes oder des Jugendlichen zu sorgen und dabei den notwendigen Unterhalt und die Krankenhilfe sicherzustellen; § 39 Absatz 4 Satz 2 gilt entsprechend. Das Jugendamt ist während der Inobhutnahme berechtigt, alle Rechtshandlungen vorzunehmen, die zum Wohl des Kindes oder Jugendlichen notwendig sind; der mutmaßliche Wille der Personensorge- oder der Erziehungsberechtigten ist dabei angemessen zu berücksichtigen. Im Fall des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 3 gehört zu den Rechtshandlungen nach Satz 4, zu denen das Jugendamt verpflichtet ist, insbesondere die unverzügliche Stellung eines Asylantrags für das Kind oder den Jugendlichen in Fällen, in denen Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass das Kind oder der Jugendliche internationalen Schutz im Sinne des § 1 Absatz 1 Nummer 2 des Asylgesetzes benötigt; dabei ist das Kind oder der Jugendliche zu beteiligen.

(3) Das Jugendamt hat im Fall des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 1 und 2 die Personensorge- oder Erziehungsberechtigten unverzüglich von der Inobhutnahme zu unterrichten, sie in einer verständlichen, nachvollziehbaren und wahrnehmbaren Form umfassend über diese Maßnahme aufzuklären und mit ihnen das Gefährdungsrisiko abzuschätzen. Widersprechen die Personensorge- oder Erziehungsberechtigten der Inobhutnahme, so hat das Jugendamt unverzüglich

1.
das Kind oder den Jugendlichen den Personensorge- oder Erziehungsberechtigten zu übergeben, sofern nach der Einschätzung des Jugendamts eine Gefährdung des Kindeswohls nicht besteht oder die Personensorge- oder Erziehungsberechtigten bereit und in der Lage sind, die Gefährdung abzuwenden oder
2.
eine Entscheidung des Familiengerichts über die erforderlichen Maßnahmen zum Wohl des Kindes oder des Jugendlichen herbeizuführen.
Sind die Personensorge- oder Erziehungsberechtigten nicht erreichbar, so gilt Satz 2 Nummer 2 entsprechend. Im Fall des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 3 ist unverzüglich die Bestellung eines Vormunds oder Pflegers zu veranlassen. Widersprechen die Personensorgeberechtigten der Inobhutnahme nicht, so ist unverzüglich ein Hilfeplanverfahren zur Gewährung einer Hilfe einzuleiten.

(4) Die Inobhutnahme endet mit

1.
der Übergabe des Kindes oder Jugendlichen an die Personensorge- oder Erziehungsberechtigten,
2.
der Entscheidung über die Gewährung von Hilfen nach dem Sozialgesetzbuch.

(5) Freiheitsentziehende Maßnahmen im Rahmen der Inobhutnahme sind nur zulässig, wenn und soweit sie erforderlich sind, um eine Gefahr für Leib oder Leben des Kindes oder des Jugendlichen oder eine Gefahr für Leib oder Leben Dritter abzuwenden. Die Freiheitsentziehung ist ohne gerichtliche Entscheidung spätestens mit Ablauf des Tages nach ihrem Beginn zu beenden.

(6) Ist bei der Inobhutnahme die Anwendung unmittelbaren Zwangs erforderlich, so sind die dazu befugten Stellen hinzuzuziehen.

Die Sachgebiete in Angelegenheiten der Fürsorge mit Ausnahme der Angelegenheiten der Sozialhilfe und des Asylbewerberleistungsgesetzes, der Jugendhilfe, der Kriegsopferfürsorge, der Schwerbehindertenfürsorge sowie der Ausbildungsförderung sollen in einer Kammer oder in einem Senat zusammengefaßt werden. Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) werden in den Verfahren dieser Art nicht erhoben; dies gilt nicht für Erstattungsstreitigkeiten zwischen Sozialleistungsträgern.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.

(1) Gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts (§ 49 Nr. 1) und gegen Beschlüsse nach § 47 Abs. 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundesverwaltungsgericht zu, wenn das Oberverwaltungsgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung das Bundesverwaltungsgericht sie zugelassen hat.

(2) Die Revision ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(3) Das Bundesverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden.