Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss, 17. Okt. 2016 - 10 CS 16.1468

bei uns veröffentlicht am17.10.2016

Gericht

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof

Tenor

I.

Die Beschwerde wird zurückgewiesen mit der Maßgabe, dass der Antragsteller täglich eine stationäre Versammlung für die Dauer von jeweils maximal drei Stunden durchführen darf, wobei der Versammlungsort Marienplatz - außer bei anderweitiger Belegung des gewählten (anderen) Ortes gemäß Nr. IV. des Grundlagenbescheides der Antragsgegnerin vom 24. Mai 2016 - nur einmal pro Woche belegt werden darf.

II.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

III.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 2.500,- Euro festgesetzt.

Gründe

I.

Mit der Beschwerde verfolgt der Antragsteller seinen in erster Instanz nur teilweise erfolgreichen Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage gegen den Grundlagenbescheid der Antragsgegnerin vom 24. Mai 2016 weiter.

Mit diesem Bescheid verfügte die Antragsgegnerin Beschränkungen der durch den Antragsteller mit Sammelanzeigen vom 23. und 28. Dezember 2015 für jeden Montag bis Ende 2016 angezeigten sich fortbewegenden Versammlungen mit dem Thema „10 PEGIDA-Forderungen, Friedliche Montagsspaziergänge damals wie heute“ mit Auftakt- und Schlusskundgebung jeweils am Odeonsplatz (Platz vor der Feldherrnhalle) in München und wechselnden Aufzugsrouten sowie der mit Anzeigen vom 28. Dezember 2015 und 4. Mai 2016 für die Jahre 2016 und 2017 angezeigten täglichen stationären Versammlungen am Marienplatz in München zum Thema „10 PEGIDA-Forderungen, „Islam - Gefahr für Freiheit und Selbstbestimmung“ bzw. „Frauen im Islam, Menschen 2. Klasse?, Staatliche Förderung von Religionen?“ u. a. mit dem Kundgebungsmittel „Muezzinruf“. Die angezeigten, sich fort bewegenden Versammlungen wurden dahingehend beschränkt, dass an dem gewünschten Versammlungsort Odeonsplatz nur an jedem ersten Montag im Monat eine stationäre Versammlung, an jedem dritten und fünften Montag (ebenfalls) nur stationäre Versammlungen am Karlsplatz (Stachus) bzw. auf der Brienner Straße und an jedem zweiten und vierten Montag sich fort bewegende Versammlungen mit Auftakt- und Schlusskundgebung an anderen Orten in München (Isartorplatz bzw. Seidlstraße) zugelassen wurden; für den Fall der anderweitigen Belegung der festgelegten Versammlungsorte wurden jeweils Ersatzstandorte bestimmt. Gleichzeitig kündigte die Antragsgegnerin den Erlass wöchentlicher Ergänzungsbescheide an, in denen die Voraussetzungen des Grundlagenbescheides jeweils nochmals geprüft und die sodann bekannten konkreten Gegebenheiten im Rahmen der Ermessensabwägung einbezogen werden sollten. Die angezeigten täglichen stationären Versammlungen wurden an maximal 6 Tagen pro Woche und nur an den Versammlungsorten Marienplatz, Neuhauser Straße 8, Karlsplatz (Stachus), Max-Joseph-Platz, Rindermarkt und Sendlinger Straße 8 mit der Maßgabe zugelassen, dass außer bei anderweitiger Belegung der Örtlichkeit diese Versammlungsorte nur einmal pro Woche belegt werden dürften und dass der „Muezzinruf“ nur zu Beginn der jeweiligen Versammlungen einmalig für maximal fünf Minuten zulässig sei.

Am 15. Juni 2016 erhob der Antragsteller hiergegen Klage (Az.: M 7 K 16.2674) und beantragte zugleich gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO, die aufschiebende Wirkung seiner Klage anzuordnen.

Mit Beschluss vom 7. Juli 2016 hat das Verwaltungsgericht dem Eilantrag des Antragstellers (teilweise) stattgegeben mit der Maßgabe, dass er an einem Montag jeden Monats eine sich fortbewegende Versammlung auf einer der am 23. und 28. Dezember 2015 von ihm angezeigten Strecken mit Auftakt- und Schlusskundgebung am Odeonsplatz (Platz vor der Feldherrnhalle) veranstalten darf, dass er an jedem Montag an wöchentlich wechselnden Orten eine sich fortbewegende Versammlung veranstalten darf, wobei eine Strecke nicht mehr als einmal im Monat genutzt werden darf, und dass er bei den täglich veranstalteten stationären Versammlungen das Kundgebungsmittel „Muezzinruf“ nur einmal pro Stunde für 5 Minuten einsetzen darf. Im Übrigen hat es den Antrag abgelehnt. Zur Begründung wird im Wesentlichen ausgeführt, ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheids bestünden insoweit, als dem Antragsteller Aufzüge vom und zum Odeonsplatz gänzlich untersagt würden, sich fortbewegende Versammlungen (Montagsspaziergänge) nur noch zweimal im Monat und bei den täglichen stationären Versammlungen das Kundgebungsmittel „Muezzinruf“ nur noch einmal zu Beginn der Veranstaltung für fünf Minuten zugelassen würden. Ein Recht auf Durchführung der vom Antragsteller angezeigten wöchentlichen Aufzüge und täglichen stationären Versammlungen im beantragten Umfange bestehe dagegen nicht. Zu den anerkannten Schutzgütern der öffentlichen Sicherheit gemäß Art. 15 Abs. 1 BayVersG gehörten auch die grundrechtlich verbürgten Rechte von Freiberuflern und Gewerbetreibenden aus Art. 12 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1 GG sowie die Vorschriften über die Sicherheit und Leichtigkeit des Straßenverkehrs. Würden diese Schutzgüter nach den zur Zeit des Erlasses der Verfügung erkennbaren Umständen bei der Durchführung der Versammlung unmittelbar gefährdet, könnten - ungeachtet des Selbstbestimmungsrechts des Veranstalters über Ort und Zeitpunkt der geplanten Versammlung - auch der Versammlungsort verlegt und die Strecke einer sich fortbewegenden Versammlung geändert werden.

Die Antragsgegnerin habe ihre Prognose, dass durch die Versammlungen des Antragstellers Dritte in ihren Rechten beeinträchtigt würden, auf zahlreiche Beschwerden über polizeilich abgesperrte oder sonst unzugängliche Garagenzufahrten, Wohnungs-, Geschäfts- und Betriebszugänge, widerrufene Freischankflächen, eingeschränkte Erreichbarkeit von Gebäuden oder Verkehrsmitteln, (Dauer-)Lärm in der Wohnung, am Arbeitsplatz, in Betrieben, Geschäften, freiberuflichen Praxen und Kanzleien, Umsatzeinbußen, aufgedrängte Meinungsäußerungen und (übermäßige) Beanspruchung des innerstädtischen Raums durch die Versammlungen mit der Verdrängung der unbeteiligten Allgemeinheit von zentralen Plätzen gestützt. Auch wenn einzelne Beschwerden davon tatsächlich und rechtlich angreifbar sein sollten, sei angesichts der massenhaften und vielfältigen Beschwerden auch vieler Privatpersonen nicht davon auszugehen, dass die hierzu von der Antragsgegnerin vorgelegte Dokumentation ein völlig falsches Bild zulasten des Antragstellers abgebe. Nicht entscheidend sei, ob sämtliche Beeinträchtigungen Dritter in der Vergangenheit unmittelbar durch Versammlungsteilnehmer des Antragstellers oder der vormaligen Bewegung „Bagida“ oder „Mügida“ verursacht worden seien oder ob sie sich als mittelbare Folge des Versammlungsgeschehens darstellten. Der Antragsteller veranstalte seit nunmehr rund einem Jahr Aufzüge (Montagsspaziergänge) und stationäre Versammlungen am Odeons- und Marienplatz zu einem einheitlichen Themenspektrum und mit einheitlichem Erscheinungsbild, so dass für die Gefährdungsprognose auf Beschwerden über Rechtsbeeinträchtigungen aus diesem Zeitraum abgestellt werden könne. Einzubeziehen seien auch vom Antragsteller nicht beabsichtigte, aber unvermeidbare Auswirkungen seiner Versammlungen wie Verkehrsumleitungen, Sicherheitsabsperrungen und ein erhöhter Lärmpegel. Beeinträchtigungen durch Gegendemonstranten und sonstige Veranstaltungen dürften jedoch nicht dem Antragsteller zugerechnet werden. Da die vom Antragsteller gewünschten Versammlungsorte aber sehr vielfältigen Nutzungen gewidmet seien und auch intensiv genutzt würden und Gegendemonstrationen in gleichem Maße die Versammlungsfreiheit für sich in Anspruch nehmen könnten, stelle sich die Vor- und Überbelastung dieser Orte mit beeinträchtigenden Auswirkungen sämtlicher Nutzungen als ein Gesichtspunkt dar, der im Rahmen einer Interessenabwägung zugunsten der belasteten Dritten zu würdigen sei. Unabhängig davon stehe bereits aufgrund allgemeiner Lebenserfahrung mit ausreichender Wahrscheinlichkeit fest, dass wöchentliche bzw. sogar tägliche Versammlungen, die häufig Gegendemonstrationen auslösten, in einer stark frequentierten innerstädtischen Lage für Anlieger und Passanten erhebliche Beeinträchtigungen mit sich brächten. Das Versammlungsgeschehen an den vom Antragsteller beanspruchten Orten Odeonsplatz und Marienplatz sei gerichtsbekannt. Auch wenn die Versammlungen des Antragstellers und die Gegendemonstrationen friedlich blieben, entstehe infolge des massenhaften Andrangs von Personen, der politischen Auseinandersetzungen, der notwendigen Polizeipräsenz, des Lärms und des beeinträchtigten Zugangs zu Verkehrsmitteln und Gebäuden ein Klima, in dem viele Passanten und Kunden es vorzögen, nicht am Ort zu verweilen oder von vornherein den Ort zu meiden. Zumindest längerfristig sei damit zu rechnen, dass dieses Vermeidungsverhalten auf Praxen, Kanzleien, Geschäfte und Dienstleister spürbar und nachhaltig durchschlage. Die Ergebnisse der von der Industrie- und Handelskammer veranstalteten Umfrage in der Umgebung des Odeonsplatzes untermauere diese Annahme. Eine erhebliche Anzahl der befragten Unternehmen sehe sich durch die Montagsdemonstrationen spürbar beeinträchtigt und beklage Umsatzeinbußen. Daneben sei eine nicht unerhebliche Anzahl von Personen wie Inhaber und Besucher von Kulturbetrieben, sonstigen Veranstaltungen und der Gastronomie sowie Anwohner und Verkehrsteilnehmer betroffen. Schon aufgrund der rein körperlichen Inanspruchnahme des öffentlichen Raums durch Demonstranten und Polizei könnten Gehsteige, Plätze, Zugänge und Zufahrten von Passanten, Anwohnern und Betriebsinhabern vorübergehend nicht wie sonst genutzt werden. Auch stehe fest, dass durch das Versammlungsgeschehen nicht unerheblicher Lärm verursacht werde, und zwar nicht nur von Gegendemonstranten. Insgesamt sei ohne Einschränkungen der Versammlungsfreiheit des Antragstellers mit hoher Wahrscheinlichkeit mit einem Schaden für die angeführten entgegenstehenden Rechtsgüter zu rechnen. Demnach sei die Grundentscheidung der Antragsgegnerin, die Aufzüge und stationären Versammlungen des Antragstellers künftig an wechselnde Orte zu verlegen, nicht zu beanstanden. Zwar seien versammlungsimmanente Beeinträchtigungen von den Betroffenen grundsätzlich hinzunehmen. Dies gelte aber nicht mehr in einer Situation beinahe täglicher und wöchentlicher Versammlungsereignisse, deren Beeinträchtigungen infolge ihrer regelmäßigen Wiederholung erheblich an Intensität gewinnen und sich zu schwerwiegenden Beeinträchtigungen grundrechtlich geschützte Rechte (Art. 2 Abs. 1, Art. 2 Abs. 2 Satz 1, Art. 12 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1 GG) verdichten würden. Das Gericht teile die Auffassung der Antragsgegnerin, dass die zu erwartenden Rechtsbeeinträchtigungen Dritter ihrer Dauer und Intensität nach massiv und den Anlegern und Passanten auf Dauer nicht mehr zumutbar seien. Durch das Ausweichen auf andere Orte und die Notwendigkeit der Rotation werde kein faktisches Verbot der Versammlungen bewirkt. Andere und wechselnde Versammlungsorte nähmen den Versammlungen des Antragstellers weder thematisch noch ihrer Gestalt nach weitgehend ihren Charakter oder ihren Sinn. Ein prägender örtlicher Bezug bestehe bei den Versammlungen des Antragstellers am Odeonsplatz auch mit Blick auf die beabsichtigte Rückbesinnung auf den 30-jährigen Krieg und die Auseinandersetzungen zwischen europäischen Mächten mit dem osmanischen Reich nicht. Die von der Antragsgegnerin festgelegten Versammlungsorte und -strecken lägen alle in zentralen städtischen Bereichen mit ausreichendem Publikumsverkehr und damit vergleichbarer Außenwirksamkeit. Die teilweise örtliche Verlegung der wöchentlichen Aufzüge und der täglichen Versammlungen sei auch erforderlich und mit Blick auf die massiven Beeinträchtigungen der Anlieger und der Allgemeinheit in ihren Rechten verhältnismäßige Beschränkungen der Versammlungsfreiheit des Antragstellers.

Dagegen sei die Reduzierung der sogenannten Montagsspaziergänge auf zwei pro Monat und die Untersagung sich fortbewegender Versammlungen vom und zum Odeonsplatz nicht erforderlich und damit unverhältnismäßig, weil hierdurch ganz erheblich in die Ausgestaltung der Gesamtveranstaltung eingegriffen und deren Symbolkraft stark abgeschwächt werde.

In Anbetracht des täglichen Einsatzes des Kundgebungsmittels „Muezzinruf“ und seiner besonderen Beschwer für Dritte, die diesem gegen ihren Willen ausgesetzt seien, sei die starke Einschränkung dieses Kundgebungsmittels durch die Antragsgegnerin nicht zu beanstanden. Er werde zum Teil als provozierend und als religiöse Verunglimpfung empfunden und beeinträchtige nicht nur das Wohn- und das Arbeitsklima (am Marienplatz) ganz außerordentlich, was sich auch im Beschwerdebild spiegle. Allerdings erscheine eine Reduzierung auf nur fünf Minuten jeweils zu Beginn der täglichen Veranstaltungen nicht erforderlich und angemessen. Bei einer Abwägung der widerstreitenden Interessen sei dem Antragsteller eine gewisse Regelmäßigkeit des „Muezzinrufs“ als wirksames Kundgebungsmittel zuzugestehen. Die Kammer halte insoweit eine Beschränkung auf fünf Minuten in einer Stunde für vertretbar und verhältnismäßig.

Zur Begründung seiner Beschwerde macht der Antragsteller im Wesentlichen geltend, das Verwaltungsgericht habe bei seiner Entscheidung das sich aus Art. 8 GG ergebende Selbstbestimmungsrecht als Veranstalter der Versammlung nicht hinreichend berücksichtigt. Das Verwaltungsgericht habe übersehen, dass die Antragsgegnerin an anderer Stelle des Bescheids (IV.) Dritten durchaus zumute, dass der Antragsteller zumindest einmal pro Woche für die Dauer von 3 Stunden eine Kundgebung an einem innerstädtischen Platz in ihrer Nähe veranstalte. Warum für den Odeonsplatz etwas anderes gelten solle, sei nicht nachvollziehbar. Für den Antragsteller sei dieser Platz als Ausgangspunkt von entscheidender Bedeutung, da er im Vergleich zu anderen innerstädtischen Plätzen weniger stark vom Straßenverkehr frequentiert und darüber hinaus über vier Straßen zugänglich sei. Der angestrebte Wiederholungseffekt stelle sich nur ein, wenn die Versammlungen hier jeden Montag begännen und endeten. Ein Wechsel des Ortes würde diese Zielsetzung konterkarieren und an der Versammlung Interessierte von der Teilnahme möglicherweise sogar abhalten. Die Entscheidung des Verwaltungsgerichts bedeute an vier von fünf möglichen Terminen für Montagsdemonstrationen ein Versammlungsverbot für den Odeonsplatz. Versammlungsverbote seien jedoch nur zum Schutz elementarer Rechtsgüter zulässig. Gefahren für solche elementaren Rechtsgüter würden aber weder von der Antragsgegnerin noch vom Verwaltungsgericht aufgezeigt. Eine Rechtsgütergefährdung Dritter sei durch das Gericht im Einzelnen überhaupt nicht geprüft, sondern lediglich lapidar auf die allgemeine Lebenserfahrung verwiesen worden. Letzteres sei jedoch nicht überzeugend. Die Omnipräsenz politischer Versammlungen sei vielmehr ein spezifisches Charakteristikum des Lebens in Städten. Der Odeonsplatz sei ein öffentlicher Kommunikationsraum, der vom Austausch unterschiedlicher gesellschaftlicher Gruppierungen geprägt sei. Von dem dort stattfindenden Meinungsbildungsprozess werde der Antragsteller ausgeschlossen. Die in der IHK-Umfrage behaupteten Umsatzeinbußen seien zweifelhaft. Grund für etwaige Betriebsschließungen seien nicht die Montagsdemonstrationen des Antragstellers. Das Verwaltungsgericht habe aber die Ergebnisse der IHK-Umfrage völlig unreflektiert übernommen. Die Beeinträchtigungen Dritter gingen auch nicht unmittelbar vom Versammlungsgeschehen des Antragstellers aus und seien von diesem auch nicht beabsichtigt. Insofern richteten sich die Maßnahmen der Antragsgegnerin gegen einen Nichtstörer. Tatsächlich führe (nur) das massive Auftreten lärmender Gegendemonstranten in Hör- und Sichtweite zur Versammlung des Antragstellers zu einem starken Polizeiaufgebot am Odeonsplatz, welches für die Absicherung der Versammlung ansonsten nicht erforderlich wäre. Eine unmittelbare Gefahr entstehe - wenn überhaupt - daher erst durch das Hinzutreten von Gegendemonstranten. Indem die Antragsgegnerin Gegendemonstrationen in unmittelbarer Nähe zur Versammlung des Antragstellers zulasse, schaffe sie letztlich erst die Voraussetzungen zur Beschränkung seiner Versammlungsfreiheit. Maßnahmen hätten sich vorrangig gegen den Verursacher und Störer zu richten. Gegen die friedliche Versammlung des Antragstellers selbst könne dann nur unter den besonderen Voraussetzungen des polizeilichen Notstandes eingeschritten werden. Es sei nicht ersichtlich, dass eine örtliche Verlagerung der Gegendemonstrationen unzureichend oder unmöglich sei. Im Übrigen erscheine zweifelhaft, ob das Verhalten der Gegendemonstrationen, deren einziges Ziel es sei, die Kundgebung des Antragstellers in einem Pfeif- und Schreikonzert untergehen zu lassen, dem Friedlichkeitsgebot des Art. 8 GG noch entspreche. Die Erheblichkeit der von den Gegendemonstrationen ausgehenden Störungen der Versammlungen des Antragstellers begründeten einen gemäß Art. 20 Abs. 1 Nr. 2 BayVersG strafbaren Verstoß gegen Art. 8 Abs. 2 Nr. 1 BayVersG. Warum die Antragsgegnerin zum Schutz der Rechte Dritter bislang noch nicht einmal den Versuch unternommen habe, die Gegendemonstrationen an einen anderen Ort als den Odeonsplatz zu verlegen, sei nicht nachvollziehbar. Auch eine Inanspruchnahme des Antragstellers als sogenannter Zweckveranlasser komme nicht in Betracht.

Der Antragsteller halte auch an seinem Vorhaben fest, an jedem Tag in den Jahren 2016 und 2017 eine stationäre Kundgebung auf dem Marienplatz für die Dauer von 3 Stunden abzuhalten. Die obigen Ausführungen zur Verantwortlichkeit der Gegendemonstranten, gegen welche versammlungs- und polizeirechtliche Maßnahmen primär zu richten seien, würden insoweit entsprechend gelten. Die feste Ortswahl sei auch hier von versammlungsimmanenter Bedeutung. Die Dauerpräsenz auf dem Marienplatz solle die Allgemeinheit für das von der Versammlung verfolgte Anliegen besonders sensibilisieren. Durch einen ständigen Ortswechsel würde diese beabsichtigte Wirkung verfehlt. Die Auswirkungen der Kundgebungen auf dem Marienplatz hielten sich in einem sozial üblichen Rahmen. Der Kundgebungszeitraum liege während der Sommermonate außerhalb der üblichen Geschäftszeiten. Die Versammlungsfläche betreffe nur einen Bruchteil des Marienplatzes und könne so angeordnet werden, dass Zugänge zu Wohn- und Geschäftsräumen problemlos erreicht werden könnten. Im Übrigen überwiege eindeutig das Grundrecht des Antragstellers auf Versammlungsfreiheit die wirtschaftlichen Interessen der Gewerbetreibenden, welche angeblich durch temporäre Umsatzeinbußen und Betriebseinschränkungen berührt sein sollen. Die Aversionen der Anlieger richteten sich in erster Linie gegen die Kundgebungsinhalte und weniger die mittelbar durch die Versammlungen verursachten Beeinträchtigungen. Aus welchen Gründen die Kundgebung nur an sechs von sieben Wochentagen stattfinden dürfe, sei nicht erkennbar.

Das Verwaltungsgericht habe zwar die wichtige Bedeutung des „Muezzinrufs“ als Kundgebungsmittel erkannt, bei der Interessenabwägung jedoch nicht hinreichend gewichtet. Als Weckruf für die Bevölkerung verlange dieser nach einem häufigeren Einsatz als vom Verwaltungsgericht gebilligt. Dabei sei zu berücksichtigen, dass der Ruf nicht auf dem gesamten Marienplatz zu hören sei und bereits ab einer Distanz zum Lautsprecher von 40 m von der allgemeinen Lärmkulisse überdeckt werde. In den Geschäftsräumen der anliegenden Geschäfte komme es dadurch zu keinen Störungen. Die vom Verwaltungsgericht vorgenommene Einschränkung stelle die Wirksamkeit der Kundgebung des Antragstellers insgesamt infrage. Eine unterschiedliche Beurteilung im Verhältnis zu weltlichem Glockengeläut sei nicht nachvollziehbar. Der Muezzinruf werde entsprechend der verfügten Lärmschutzauflage in zulässiger Lautstärke abgespielt.

Der Antragsteller beantragt sinngemäß,

unter Abänderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts vom 7. Juli 2016 die aufschiebende Wirkung seiner Klage gegen die Beschränkungen des Grundlagenbescheids der Antragsgegnerin vom 24. Mai 2016 insoweit anzuordnen, als ihm die Durchführung einer sich fortbewegenden Versammlung mit Auftakt- und Schlusskundgebung am Odeonsplatz (Platz vor der Feldherrnhalle) und die Durchführung einer täglichen stationären Versammlung auf dem Marienplatz für die Dauer von 3 Stunden untersagt und das Kundgebungsmittel „Muezzinruf“ mehr als insgesamt bis zu 12 mal täglich für jeweils 3 Minuten 20 Sekunden (d. h. einmal in jeder Viertelstunde) beschränkt werde.

Die Antragsgegnerin beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Der Antragsteller verkenne, dass bei den stationären Versammlungen gegenüber den Montagsdemonstrationen geringere Beeinträchtigungen Dritter zu erwarten seien. Das liege an der wesentlich geringeren Zahl der (opponierenden) Teilnehmer, den kürzeren Auf- und Abbauzeiten sowie an den weniger komplexen eingesetzten Kundgebungsmitteln. Demgemäß sei die wöchentliche Inanspruchnahme einer Örtlichkeit bei den stationären Versammlungen hinzunehmen, am Odeonsplatz aber dagegen unzumutbar. Auch seien sämtliche alternative Örtlichkeiten zum Odeonsplatz, unter denen der Antragsteller frei wählen könne, in zentralen städtischen Bereichen mit ausreichendem Publikumsverkehr gelegen, verkehrsmäßig gut erschlossen und gut erreichbar. Die Verlegung an wechselnde Orte sei aufgrund der kollidierenden Rechtsgüter Dritter geboten. Eine Rotation der Versammlungsorte verhindere nicht die vom Antragsteller gewünschte Potenzierung der Teilnehmerzahlen, die er im Übrigen auch am Odeonsplatz bisher nicht erreicht habe. Schon durch die Regelmäßigkeit der Veranstaltung stelle sich ein gewünschter Wiederholungseffekt ein. Die Einschränkung der Montagsdemonstrationen stelle eine Beschränkung der Art und Weise der beabsichtigten Versammlungen, aber kein Versammlungsverbot dar. Nach dem Beschluss des Verwaltungsgerichts sei es dem Antragsteller möglich, die geplanten Versammlungen zur selben Zeit mit demselben Thema in der von ihm beabsichtigten Art und Weise jeweils in innerstädtischer Lage durchzuführen. Das Verwaltungsgericht habe sich auch hinreichend mit der Gefährdung der Rechtsgüter Dritter auseinandergesetzt und die im Verfahren glaubhaft gemachten Beschwerden und Grundrechtsbeeinträchtigungen Dritter in nicht zu beanstandender Weise gewürdigt. Je häufiger Versammlungen stattfänden und einen Ort beträfen, umso mehr Gewicht komme kollidierenden Grundrechten zu, die im Rahmen der praktischen Konkordanz abzuwägen seien. Der Antragsteller sei auch zulässiger Adressat der versammlungsrechtlichen Beschränkungen; er habe als Veranstalter der Versammlung die Ursache für die Beeinträchtigungen Dritter gesetzt. Bei der Abwägung seien sämtliche Beeinträchtigungen von Rechtsgütern Dritter zu berücksichtigen gewesen, die in unvermeidbarem Zusammenhang mit der Versammlung des Antragstellers stünden. Belegungskonflikte zwischen den Versammlungen des Antragstellers und angezeigten Gegendemonstrationen habe die Antragsgegnerin kooperativ im Rahmen eines Rotationsverfahren aufgelöst und nicht, wie vom Antragsteller behauptet, durch eine Doppelbelegung die Situation vor Ort verschärft. Beeinträchtigungen Dritter durch sogenannte opponierende Teilnehmer der Versammlung seien zulasten der Versammlungsfreiheit des Antragstellers zu berücksichtigen. Der Antragsteller habe durch seine polarisierenden Themen, seine provokant gewählte Art und Weise der Durchführung und die Häufigkeit und Dauer der Versammlungen an exponierten Orten in der Innenstadt eine erhöhte Aufmerksamkeit erreicht, die entsprechende Gegenreaktionen hervorrufe. Dies führe unvermeidbar zur Erhöhung der belastenden Wirkungen und Nebenfolgen des Versammlungsgeschehens für Dritte, die sich der Antragsteller zurechnen lassen müsse. Derartige Beeinträchtigungen ließen sich auch nicht durch weiträumigere Absperrungen oder Verkehrsumleitungen am Odeonsplatz vermeiden. Die Antragstellerin habe auch nicht gestützt auf Art. 8 BayVersG vor Beginn der betreffenden Versammlung gegen etwaige, noch nicht bekannte Störer vorgehen können. Im Übrigen habe bisher keine einzige Versammlung des Antragstellers aufgrund von Lärmstörungen von Gegendemonstranten abgebrochen werden müssen.

Auch die örtliche Verlegung der stationären Versammlungen am Marienplatz sei aufgrund kollidierender Rechtsgüter geboten. Die mit den täglichen Versammlungen dort verbundenen Beeinträchtigungen würden das sozialadäquate Maß deutlich übersteigen. So sei es etwa zu massiven Umsatzeinbußen der betroffenen Gewerbebetriebe gekommen. Ein unmittelbarer Ortsbezug der Versammlungen des Antragstellers zum Marienplatz bestehe nicht. Das Anliegen der Versammlung könne auch an den alternativen Versammlungsorten in gleicher Weise transportiert werden. Die Antragsgegnerin habe unter Abwägung der widerstreitenden Interessen die Versammlungen insoweit beschränkt, dass zwar täglich Versammlungen stattfinden dürften, dabei aber die sich fortbewegende Versammlung am Montag mit einzubeziehen sei. Der Antragsteller könne somit an jedem Tag der Woche eine Versammlung zu seinem im Wesentlichen identischen Versammlungsthema abhalten. Vom Abspielen des Muezzinrufs gehe entgegen der Auffassung des Antragstellers eine besondere Beschwer für Dritte aus, die dem gegen ihren Willen ausgesetzt seien. Auch der Vergleich zum weltlichen Glockengeläut überzeuge nicht; dieses bleibe schon in seiner Dauer bereits deutlich hinter dem Muezzinruf zurück und sei auch hinsichtlich der Herkömmlichkeit und allgemeinen Akzeptanz nicht zu vergleichen.

Der am Verfahren beteiligte Vertreter des öffentlichen Interesses stellt keinen eigenen Antrag, hält aber die Zurückweisung der Beschwerde für rechtens. Die verfügten Beschränkungen würden das Recht des Veranstalters, mit seinen Versammlungen öffentlich angemessen wahrgenommen werden zu können, hinreichend wahren und lediglich die gravierenden Folgen der sich ständig wiederholenden Versammlungen insbesondere für die unmittelbar betroffenen Anwohner und Gewerbetreibenden begrenzen.

Mit Schriftsätzen vom 12. und 26. September 2016 hat sich der Antragsteller zur Beschwerdeerwiderung der Antragsgegnerin und Stellungnahme des Vertreters des öffentlichen Interesses geäußert und insbesondere seine Ausführungen zur Interessenabwägung, zur Rechtmäßigkeit der Gegendemonstrationen, zur Frage des richtigen Adressaten für versammlungsrechtliche Beschränkungen und zur Bedeutung der Versammlungsorte sowie des Kundgebungsmittels „Muezzinruf“ vertieft.

Ergänzend wird auf die vorgelegten Behördenakten und die Gerichtsakten beider Instanzen verwiesen.

II.

Die zulässige Beschwerde ist nur zu einem geringen Teil begründet. Die vom Antragsteller im Beschwerdeverfahren dargelegten Gründe, die der Verwaltungsgerichtshof gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO allein zu prüfen hat, rechtfertigen die Abänderung des angefochtenen Beschlusses lediglich im tenorierten Umfang.

Der Antragsteller wird durch die streitbefangenen Beschränkungen in der Gestalt der durch das Verwaltungsgericht verfügten Maßgaben nur insoweit in seinen Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO), als die Antragsgegnerin die angezeigten stationären Versammlungen (jeweils für die Dauer von 3 Stunden) unter Anrechnung der sich fortbewegenden Versammlung des Antragstellers an jedem Montag nur an sechs Wochentagen zugelassen hat.

Durch die streitbefangenen Beschränkungen wird die in Art. 8 Abs. 1 GG geschützte Versammlungsfreiheit des Antragstellers betroffen (1.). Das Verwaltungsgericht ist jedoch zu Recht davon ausgegangen, dass sich die Antragsgegnerin bei ihren Beschränkungen auf Art. 15 Abs. 1 BayVersG und damit eine hinreichende gesetzliche Grundlage im Sinne des Art. 8 Abs. 2 GG stützen kann (2.), der Antragsteller als Veranstalter dieser Versammlungen auch richtiger Adressat der behördlichen Maßnahmen ist (3.) und die nach Maßgabe der Entscheidung des Verwaltungsgerichts (noch) zulässigen zeitlichen und örtlichen Vorgaben unter Berücksichtigung der kollidierenden Rechte Dritter und der Pflicht der Antragsgegnerin zur Herstellung der praktischen Konkordanz zwischen den Rechtsgütern die Versammlungsfreiheit des Antragstellers nicht unverhältnismäßig beeinträchtigen (4.). Letzteres gilt allerdings nicht, soweit die Antragsgegnerin die angezeigten täglichen stationären Versammlungen unter Anrechnung der sich fortbewegenden Versammlung des Antragstellers an jedem Montag nur an sechs Wochentagen zugelassen hat (5.)

1. Art. 8 Abs. 1 GG gewährleistet nicht nur die Freiheit, an einer öffentlichen Versammlung teilzunehmen, sondern umfasst zugleich ein Selbstbestimmungsrecht des Veranstalters über die Modalitäten der Versammlungsdurchführung (st. Rspr., vgl. z. B. BVerfG, B.v. 20.12.2012 - 1 BvR 2794/10 - juris Rn. 16 m. w. N.), also insbesondere über den Ort, den Zeitpunkt, die Art und den Inhalt der Veranstaltung (vgl. auch BayVGH, U.v. 22.9.2015 - 10 B 14.2246 - juris Rn. 59). Dieses Selbstbestimmungsrecht des Antragstellers ist hier betroffen, weil er nach den unter III. und IV. des Grundlagenbescheids der Antragsgegnerin vom 24. Mai 2016 angeordneten Beschränkungen der angezeigten Versammlungen in der Gestalt der durch das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 7. Juli 2016 verfügten Maßgaben nicht wie angezeigt jeden Montag (des Jahres 2016) eine sich fortbewegende Versammlung mit Auftaktund Schlusskundgebung am Odeonsplatz (Platz vor der Feldherrnhalle) sowie tägliche (2016 und 2017) stationäre Versammlungen (jeweils für die Dauer von 3 Stunden) auf dem Marienplatz mit dem Kundgebungsmittel „Muezzinruf“ in der zuletzt noch begehrten Häufigkeit durchführen darf.

2. Diese Beschränkungen der Versammlungsfreiheit des Antragstellers finden jedoch nach zutreffender Auffassung des Verwaltungsgerichts in Art. 15 Abs. 1 BayVersG eine hinreichende gesetzliche Grundlage im Sinne des Art. 8 Abs. 2 GG. Danach kann die Antragsgegnerin als zuständige Versammlungsbehörde eine Versammlung beschränken oder verbieten, wenn nach den zur Zeit des Erlasses der Verfügung erkennbaren Umständen die öffentliche Sicherheit oder Ordnung bei Durchführung der Versammlung unmittelbar gefährdet ist.

Entgegen dem Beschwerdevorbringen ist das Verwaltungsgericht zu Recht davon ausgegangen, dass zur öffentlichen Sicherheit zählende Schutzgüter (2.1.) bei Durchführung der vom Antragsteller angezeigten sich fortbewegenden und stationären Versammlungen (2.3.) nach den zur Zeit des Erlasses der Verfügung erkennbaren Umständen unmittelbar gefährdet sind (2.2.).

2.1. Der Begriff der öffentlichen Sicherheit in Art. 15 Abs. 1 BayVersG umfasst neben der Unversehrtheit der Rechtsordnung unter anderem gerade auch den Schutz der subjektiven Rechte bzw. Rechtsgüter Dritter wie z. B. die Gesundheit sowie das durch Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG (ebenfalls) geschützte Ruhebedürfnis der Anwohner und die durch Art. 12 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 1 GG grundrechtlich geschützten wirtschaftlichen Interessen von (betroffenen umliegenden) Freiberuflern, Geschäften und gastronomischen Betrieben (vgl. BayVGH, U.v. 22.9.2015 - 10 B 14.2246 - juris Rn. 53; B.v. 28.6.2013 - 10 CS 13.1356 - juris Rn. 4). Auch das durch Art. 8 Abs. 1 GG eingeräumte Selbstbestimmungsrecht über Ort, Zeitpunkt sowie Art und Inhalt der Veranstaltung ist insofern durch den Schutz der Rechtsgüter Dritter und der Allgemeinheit begrenzt (vgl. BVerfG, B.v. 24.10.2001 - 1 BvR 1190/90 u. a. - juris - 3. Orientierungssatz).

2.2. Das Verwaltungsgericht ist auch in nicht zu beanstandender Weise davon ausgegangen, dass solche subjektiven Rechte und Rechtsgüter Dritter und der Allgemeinheit nach den zur Zeit des Erlasses der Verfügung erkennbaren Umständen unmittelbar gefährdet sind. Dabei hat es den an die erforderliche Gefahrenprognose anzulegenden Maßstab nicht verkannt.

Die Antragsgegnerin hat die Durchführung der vom Antragsteller angezeigten Versammlungen beschränkende Verfügungen auf der Grundlage der Befugnisnorm des Art. 15 Abs. 1 BayVersG zum Schutz solcher, gemäß ihrer Interessenabwägung der Ausübung der Versammlungsfreiheit vorgehender Rechtsgüter getroffen.

Das für beschränkende Verfügungen vorauszusetzende Erfordernis einer unmittelbaren Gefährdung setzt eine Sachlage voraus, die bei ungehindertem Geschehensablauf mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einem Schaden für die der Versammlungsfreiheit entgegenstehenden Rechtsgüter und Interessen führt. Unter Berücksichtigung der Bedeutung der Versammlungsfreiheit darf die Behörde bei dem Erlass von vorbeugenden Verfügungen keine zu geringen Anforderungen an die Gefahrenprognose stellen. Als Grundlage der Gefahrenprognose sind konkrete und nachvollziehbare tatsächliche Anhaltspunkte erforderlich; bloße Verdachtsmomente oder Vermutungen reichen hierzu nicht aus. Die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen von Gründen für ein Verbot oder eine Auflage liegt grundsätzlich bei der Behörde (st. Rspr., vgl. z. B. BVerfG, B.v. 20.12.2012 - 1 BvR 2794/10 - juris Rn. 17; B.v. 19.12.2007 -1 BvR 2793/04 - juris Rn. 20 jeweils m. w. N.).

Die Antragsgegnerin ist ihrer insoweit bestehenden Darlegungslast nachgekommen und hat hinreichende konkrete und nachvollziehbare Anhaltspunkte für mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwartende Schäden bei den genannten entgegenstehenden Rechtsgütern bzw. rechtlich geschützten Interessen aufgeführt. Dabei durften die Antragsgegnerin und dies nachvollziehend das Verwaltungsgericht auf der Grundlage der dokumentierten zahlreichen Beschwerden von Anwohnern, freiberuflich Tätigen sowie Inhabern, Beschäftigten und Kunden von Geschäften, gewerblichen und gastronomischen Betrieben im Bereich der Versammlungsorte (Odeonsplatz und Marienplatz) und der Aufzugsrouten sowie deren näheren Umgebung über entsprechende Beeinträchtigungen durch die bisherigen Versammlungen des Antragstellers und der Vorgängerbewegungen „Bagida“ und „Mügida“ auch ohne (nähere) Überprüfung im Einzelfall eine hinreichende Gefährdungslage annehmen. Wie dem Erstgericht ist auch dem erkennenden Senat das bisherige Versammlungsgeschehen an und um den Odeonsplatz mit den jeweiligen Aufzugsrouten sowie dem Marienplatz bekannt. Aufgrund dieser (eigenen) Kenntnis und der vom Verwaltungsgericht zu Recht mit angeführten allgemeinen Lebenserfahrung steht auch für den Senat mit der erforderlichen hohen Wahrscheinlichkeit fest, dass es bei einem uneingeschränkten Ablauf des Versammlungsgeschehens des Antragstellers auch in Zukunft zu massiven Beeinträchtigungen von Rechtsgütern Dritter kommen wird. Dazu gehören vor allem die durch die Versammlungen des Antragstellers und die aus Sicherheitsgründen erforderlichen großräumigen polizeilichen Absperr- und Sicherungsmaßnahmen verursachten erheblichen Einschränkungen des Verkehrs (auch des öffentlichen Personennahverkehrs) und der Zufahrten und Zugangsmöglichkeiten von privaten Wohnungen und (Garagen-)Stellplätzen, von an- und umliegenden Geschäften, gastronomischen Betrieben, Hotels, Praxen von Freiberuflern und öffentlichen Veranstaltungsräumen. Derartige Behinderungen in der Vergangenheit sind durch eine große Anzahl schlüssiger und glaubhafter Beschwerden betroffener Personen und Unternehmen belegt. Auch die in zahlreichen Beschwerden geltend gemachten spürbaren bzw. erheblichen Umsatzeinbußen durch ausbleibende Gäste oder Kunden sind angesichts dessen ohne weiteres nachvollziehbar. Es liegt vielmehr auf der Hand, dass die regelmäßigen Versammlungen des Antragstellers und das damit einhergehende große Polizeiaufgebot mit großräumigen Absperrmaßnahmen und Umleitungen des Verkehrs den Zugang zu den betroffenen zentralen innerstädtischen Bereichen zeitweise unmöglich machen oder jedenfalls in schwerwiegender Weise beeinträchtigen, auf Passanten und Kunden abschreckend wirken und bei diesen das vom Verwaltungsgericht festgestellte „Vermeidungsverhalten“ auslösen. Dies führt aber jedenfalls auf Dauer unabhängig von den sonstigen Beeinträchtigungen zwangsläufig auch zu nicht unerheblichen Umsatzeinbußen bei den betroffenen Gastronomiebetrieben, Geschäften, Dienstleistungsunternehmen, Kanzleien und Praxen. Auch diesbezüglich ist das Verwaltungsgericht zu Recht davon ausgegangen, dass die umfangreiche Dokumentation der Antragsgegnerin über entsprechende Beschwerden bei einer Gesamtschau entgegen dem Vorbringen des Antragstellers kein falsches Bild zu seinen Lasten erzeugt, sondern die betroffenen Unternehmen und Personen vielmehr in schlüssiger und nachvollziehbarer Weise an den jeweiligen Tagen - und nicht nur während der eigentlichen Dauer der Versammlung -erhebliche Einschränkungen und Umsatzeinbußen geltend machen. Die demgegenüber unsubstantiierte Behauptung bzw. Einlassung des Antragstellers, es handle sich hier offenkundig um nur „wenige Dutzend substanzlose Beschwerden“ und Behauptungen, die „nur auf Zuruf Dritter zustande gekommen“ seien, vermag diese Bewertung nicht ernsthaft infrage zu stellen.

Nicht zu beanstanden ist weiter die Feststellung des Verwaltungsgerichts, durch das Versammlungsgeschehen des Antragstellers werde an den betroffenen Orten, am täglichen Versammlungsort Marienplatz vor allem auch durch die dort eingesetzte Lautsprecheranlage und den regelmäßig abgespielten „Muezzinruf“, ein nicht unerheblicher Lärm verursacht, der in zahlreichen glaubhaften Beschwerden schon aufgrund der seiner Häufigkeit, Intensität und bezogen auf das Kundgebungsmittel „Muezzinruf“ auch Fremdartigkeit als penetrant, belästigend bzw. nachhaltig störend beschrieben wird. Der Einwand des Antragstellers, Lärmstörungen gingen allenfalls von den Gegendemonstrationen aus, bleibt unsubstantiiert, blendet das eigene Versammlungsgeschehen völlig aus und ist daher nicht geeignet, die überzeugenden Ausführungen des Erstgerichts zu erschüttern.

2.3. Der oben dargestellte Schaden für die der Versammlungsfreiheit entgegenstehenden, auch grundrechtlich geschützten (insbesondere durch Art. 2 Abs. 1, Art. 2 Abs. 2 Satz 1, Art. 12 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 1 GG) Rechtsgüter und Interessen droht unmittelbar bei Durchführung der vom Antragsteller angezeigten sich fortbewegenden und stationären Versammlungen. Der zwischen der Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und der Durchführung der Versammlungen danach erforderliche hinreichend bestimmte Kausalzusammenhang (vgl. BVerfG, B.v. 21.4.1998 - 1 BvR 2311/94 - juris Rn. 27; Dürig-Friedl in Dürig-Friedl/Enders, Versammlungsrecht, Kommentar, VersammlG § 15 Rn. 57 f.) ist entgegen dem Beschwerdevorbringen des Antragstellers gegeben.

Der Annahme des Verwaltungsgerichts, es spreche nichts dafür, dass die Polizei, die Münchner Verkehrsgesellschaft, die Straßenbaubehörde der Antragsgegnerin oder sonstige öffentliche Stellen zur Gewährleistung der öffentlichen Sicherheit und des öffentlichen Nahverkehrs anlässlich der Versammlungen des Antragstellers Maßnahmen ergreifen würden, die über die nach ihrer fachlichen Einschätzung notwendigen hinausgingen oder unangemessen wären, ist der Antragsteller ebenso wenig fundiert entgegengetreten wie der Feststellung des Erstgerichts, er müsse sich jedenfalls zwar von ihm nicht beabsichtigte, aber unvermeidbare Auswirkungen des von ihm veranlassten Versammlungsgeschehens wie Verkehrsumleitungen, Sicherheitsabsperrungen und einen erhöhten Lärmpegel zurechnen lassen. Soweit der Antragsteller dem entgegenhält, nur das massive Auftreten von Gegendemonstranten erfordere ein (so) starkes Polizeiaufgebot am Odeonsplatz, welches für die Absicherung seiner Versammlung ansonsten nicht erforderlich wäre, führt dies auch aus den nachfolgenden Gründen zu keiner anderen Bewertung.

Der Einwand, die Beeinträchtigungen Dritter gingen nicht unmittelbar vom durch die Antragsgegnerin beschränkten Versammlungsgeschehen aus und seien von ihm auch nicht beabsichtigt, eine unmittelbare Gefahr ergebe sich - wenn überhaupt erst durch das Hinzutreten von sich im Sinne von Art. 8 Abs. 1 GG unfriedlich oder zumindest rechtswidrig verhaltenden Gegendemonstranten, greift nicht durch. Der Behauptung, die Antragsgegnerin habe die Voraussetzungen zur Beschränkung der Versammlungsfreiheit des Antragstellers erst dadurch geschaffen, indem sie in unmittelbarer Nähe (am Odeonsplatz) Gegendemonstrationen zugelassen habe, hat die Antragsgegnerin zu Recht entgegnet, sie habe bezüglich des Versammlungsortes Odeonsplatz Belegungskonflikte zwischen den Versammlungen des Antragstellers und angezeigten Gegendemonstrationen kooperativ im Rahmen eines Rotationsverfahrens aufgelöst und nicht etwa durch eine Doppelbelegung die Situation vor Ort verschärft. Kommt es nämlich wie im vorliegenden Fall durch jeweilige Anzeigen zu konkurrierenden langfristigen Nutzungswünschen gegenläufiger und prinzipiell gleichwertiger Versammlungen, ist nach ständiger Rechtsprechung eine praktische Konkordanz bei der Ausübung der Grundrechte unterschiedlicher Grundrechtsträger und damit ein verhältnismäßiger Ausgleich herzustellen, der unter strikter Berücksichtigung des Grundsatzes der inhaltlichen Neutralität dem Ziel ihres größtmöglichen Schutzes verpflichtet ist und bei dem eine Ausrichtung allein am Prioritätsgrundsatz grundsätzlich nicht zulässig wäre (vgl. BayVGH, B.v. 16.9.2015 - 10 CS 15.2057 - juris Rn. 20 f., B.v. 17.8.2007 - 24 CS 07.2038 - juris Rn. 21 jeweils m. w. N.). Der Prioritätsgrundsatz kommt hier entgegen dem Beschwerdevorbringen auch nicht deshalb zum Tragen, weil die angemeldeten Gegendemonstrationen -wie der Antragsteller behauptet - „allein oder überwiegend zu dem Zweck“ erfolgen würden, seine zuerst angemeldeten Versammlungen an diesem Ort zu verhindern. Denn festzustellen ist auch, dass der Antragsteller durch seine stark polarisierenden Versammlungsthemen, die Art und Weise der Durchführung sowie die Häufigkeit seiner Veranstaltungen an zentralen Orten der Münchner Innenstadt eine erhöhte Aufmerksamkeit erreichen will und erreicht, die entsprechende (ablehnende) Gegenreaktionen und Gegendemonstrationen hervorruft. Soweit solche ablehnenden Gegenreaktionen von Personen erfolgen, die sich dadurch erkennbar aktiv an den Veranstaltungen des Antragstellers beteiligen wollen (sogenannte opponierende Versammlungsteilnehmer), muss sich der Antragsteller diese ohnehin unmittelbar zurechnen lassen. Im Übrigen verweist die Antragsgegnerin unbestritten darauf, dass bisher keine einzige Versammlung des Antragstellers aufgrund von (Lärm-)Störungen von Gegendemonstranten habe abgebrochen werden müssen.

Der auch unter Verweis auf das derzeitige Flüchtlingscamp im Stadtgebiet erhobene Einwand, die Antragsgegnerin würde jedenfalls „bei Beeinträchtigungen von Interessen Dritter durch demonstrative Ereignisse mit zweierlei Maß messen“ und es so an der gebotenen Neutralität fehlen lassen, lässt sich bei der im Eilverfahren insoweit nur möglichen summarischen Prüfung nicht hinreichend nachvollziehen.

Der erforderliche Kausalzusammenhang mit der Durchführung der Versammlung würde allerdings dann fehlen, wenn Störungen der öffentlichen Sicherheit vorwiegend aufgrund des Verhaltens Dritter, insbesondere Gegendemonstranten, zu befürchten wären, während sich Veranstalter und Versammlungsteilnehmer überwiegend friedlich verhielten (st. Rspr., vgl. z. B. BVerfG, B.v. 11.9.2015 - 1 BvR 2211/15 -juris Rn. 3 m. w. N.). Dies ist bei den oben dargelegten Störungen aufgrund letztlich unvermeidbarer Auswirkungen des vom Antragsteller veranlassten Versammlungsgeschehens entgegen seinem Beschwerdevorbringen aber gerade nicht zu erwarten. Diese Störungen ließen sich - worauf die Antragsgegnerin zutreffend hinweist - im Übrigen auch nicht durch weiträumigere Absperrungen am Odeonsplatz oder eine noch weitgehendere räumliche Trennung der Veranstaltungen des Antragstellers und der Gegendemonstrationen wirklich verhindern. Auch bezüglich der Lärmbelästigungen hat das Verwaltungsgericht zu Recht festgestellt, dass der nicht unerhebliche Lärm nicht nur durch Gegendemonstranten, sondern auch durch die Versammlungen des Antragstellers selbst verursacht werde.

3. Aus den oben genannten Gründen ist der Antragsteller als Veranstalter dieser Versammlungen auch richtiger Adressat der streitigen behördlichen Maßnahmen. Als Veranstalter der „Montagsspaziergänge“ mit dem Ausgangs- und Endpunkt Odeonsplatz und der täglichen Versammlungen am Marienplatz ist er für deren Planung und Durchführung verantwortlich. Der Antragsteller weist zwar zutreffend darauf hin, dass nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts einschränkende behördliche Maßnahmen primär gegen den/die Störer zu richten sind und gegen eine friedliche Versammlung selbst nur unter den besonderen eng auszulegenden Voraussetzungen des polizeilichen Notstandes eingeschritten werden kann (vgl. z. B. BVerfG, B.v. 11.9.2015 - 1 BvR 2211/15 - juris Rn. 3 m.w. Rspr-Nachweisen). Diese Rechtsprechung betrifft jedoch Fallkonstellationen, in denen Störungen der öffentlichen Sicherheit vorwiegend aufgrund des (gewalttätigen) Verhaltens Dritter, insbesondere Gegendemonstranten, und nicht von der sich friedlich verhaltenden Versammlung zu befürchten sind. Auch wenn davon auszugehen ist, dass sich der Antragsteller und die Teilnehmer seiner Versammlungen - wie bisher - überwiegend friedlich verhalten werden, sind dem Antragsteller und den (auch opponierenden) Teilnehmern dieser Versammlungen - wie bereits dargelegt - die unvermeidbaren Auswirkungen des von ihm veranlassten Versammlungsgeschehens und damit die unweigerlichen Beeinträchtigungen der ebenfalls grundrechtlich geschützten Rechtsgüter Dritter wegen der notwendigen Schutzvorkehrungen seiner Versammlungen (vgl. BVerfG, B.v. 2.12.2005 - 1 BvQ 35/05 - juris) nach den hier ergänzend heranzuziehenden allgemeinen polizeirechtlichen Grundsätzen der Störerhaftung zuzurechnen (vgl. Kniesel in Dietel/Gintzel/Kniesel, Versammlungsgesetze, Kommentar, 17. Aufl. 2016, Teil II § 15 Rn. 118; Dürig-Friedl in Dürig-Friedl/Enders, a. a. O., § 15 Rn. 68; Groscurth in Peters/Janz, Handbuch Versammlungsrecht, G Rn. 92 jeweils m. w. N.). Die Rüge des Antragstellers, als Nichtstörer könne er nicht in Anspruch genommen werden, weil die Voraussetzungen eines polizeilichen Notstandes nicht vorlägen, geht daher ins Leere.

4. Die nach Maßgabe der Entscheidung des Verwaltungsgerichts (noch) zulässigen zeitlichen und örtlichen Vorgaben beeinträchtigen unter Berücksichtigung der kollidierenden Rechtsgüter bzw. Rechte Dritter, die die Antragsgegnerin und das Verwaltungsgericht in rechtlich nicht zu beanstandender Weise in ihre Güter- und Interessenabwägung einbezogen haben, im ganz überwiegenden Teil die Versammlungsfreiheit und das Selbstbestimmungsrecht des Antragstellers nicht unverhältnismäßig.

Die durch die Antragsgegnerin verfügten und vom Verwaltungsgericht als rechtmäßig erachteten örtlichen Verlegungen stellen entgegen der Auffassung des Antragstellers auch bezüglich der Montagsdemonstrationen kein „Versammlungsverbot für den Odeonsplatz an vier von fünf möglichen Terminen“ dar. Zwar darf der Antragsteller seine „Montagsspaziergänge“ künftig nur einmal im Monat mit Auftakt- und Schlusskundgebung am Odeonsplatz (Platz vor der Feldherrnhalle) abhalten und wird im Übrigen auf andere Versammlungsorte und Aufzugswege im Stadtgebiet verwiesen. Ein Verbot dieser Versammlungen gemäß Art. 15 Abs. 1 BayVersG, das nur als ultima ratio zulässig wäre, liegt darin aber nicht. Es ist vom Antragsteller weder dargetan noch sonst ersichtlich, dass etwa aufgrund eines so bedeutsamen unmittelbaren örtlichen und thematischen Bezugs zum Kundgebungsort Odeonsplatz (Platz vor der Feldherrnhalle) der Charakter dieser Montagsspaziergänge durch eine (örtliche) Verlegung so wesentlich verändert würde, dass dies auf die Durchführung einer ganz anderen, vom Antragsteller nicht beantragten Versammlung und damit faktisch ein Verbot seiner angezeigten Veranstaltungen hinauslaufen würde (vgl. BayVGH, B.v. 6.6.2015 - 10 CS 15.1210 - juris Rn. 39 m. w. N.).

Durch die streitbefangenen Verfügungen wird der spezifische Charakter der sich fortbewegenden und stationären Versammlungen des Antragstellers auch nicht in einer Weise verändert, die einem Verbot zumindest nahe kommt, weil die Verwirklichung des besonderen kommunikativen Anliegens dadurch wesentlich erschwert wird (vgl. BVerfG, B.v. 6.6.2007 - 1 BvR 1423/07 - juris Rn. 28 m. w. N.). Eine besonders schwerwiegende Beeinträchtigung der Versammlungsfreiheit liegt deshalb nicht vor. Das Vorbringen des Antragstellers, der Odeonsplatz sei als Ausgangspunkt für seine Montagsdemonstrationen von entscheidender Bedeutung, da er im Vergleich zu anderen innerstädtischen Plätzen weniger stark vom Straßenverkehr frequentiert und darüber hinaus über vier Straßen zugänglich sei und sich der angestrebte Wiederholungseffekt seiner montäglichen Versammlungen bei der verfügten Beschränkung (Rotation der Örtlichkeiten) nicht einstelle, greift nicht durch. Denn die Antragsgegnerin und das Verwaltungsgericht haben zu Recht berücksichtigt, dass alle mangels anderweitiger Vorschläge des Antragstellers behördlich festgelegten Versammlungsorte und Aufzugsstrecken in zentralen innerstädtischen Bereichen mit ausreichendem Publikumsverkehr und einer vergleichbaren Außenwirksamkeit liegen und damit ebenso für das vom Antragsteller bei seinen Versammlungen verfolgte Anliegen geeignet sind. Der pauschale Einwand des Antragstellers, die alternativen Örtlichkeiten seien allesamt zur Verwirklichung des Versammlungszwecks ungeeignet, verfängt daher nicht. Nicht überzeugend ist auch seine Einlassung, die Montagsdemonstrationen könnten sich nur bei unveränderter Durchführung (am Odeonsplatz) im Bewusstsein der Öffentlichkeit nachhaltig einprägen. Selbst wenn im Übrigen durch die Notwendigkeit der Rotation bei den Montagsspaziergängen der „Einprägungseffekt“ bei den potentiellen Versammlungsteilnehmern - nach Angaben des Antragstellers zu einem nicht unerheblichen Teil Rentner, die über keinen Internetanschluss verfügten und dadurch schwerer erreichbar seien - etwas geringer sein sollte, käme diesem Umstand bei der vorzunehmenden Güter- und Interessenabwägung letztlich kein entscheidendes Gewicht zu.

Das Verwaltungsgericht ist im Rahmen der Prüfung der Verhältnismäßigkeit schließlich in rechtlich nicht zu beanstandender Weise mit überzeugender Begründung zu dem Ergebnis gelangt, dass die streitigen örtlichen Beschränkungen (Rotation der Versammlungsorte und Aufzugsrouten) unter Berücksichtigung der in der Entscheidung verfügten Maßgaben bei der vorzunehmenden Güterabwägung mit den grundrechtlich geschützten Rechtsgütern Dritter zumutbare Eingriffe in die Versammlungsfreiheit und das diesbezügliche Selbstbestimmungsrecht des Antragstellers bewirken, weil die Antragsgegnerin mit diesen Maßnahmen die praktische Konkordanz beim Rechtsgüterschutz hergestellt habe. Es ist dabei zu Recht davon ausgegangen, dass versammlungsimmanente Beeinträchtigungen von den Betroffenen grundsätzlich als sozialadäquat hinzunehmen seien, der Schutz der betroffenen Rechtsgüter bzw. grundrechtlich geschützten Rechte der Anlieger und der Allgemeinheit (Art. 2 Abs. 1, Art. 2 Abs. 2 Satz 1, Art. 12 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1 GG) vor Beeinträchtigungen aber dann überwiege, wenn wie hier vor allem durch die Häufigkeit der Versammlungen (jeden Montag im Jahr 2016 bzw. bei den stationären Versammlungen sogar täglich in den Jahren 2016/2017), die Dauer sowie ihre Intensität (letzteres vor allem bezüglich der Versammlungen am Marienplatz) eine große Anzahl Betroffener in schwerwiegender Weise beeinträchtigt werde.

Das Beschwerdevorbringen, das Verwaltungsgericht habe übersehen, dass die Antragstellerin bei ihren Beschränkungen der stationären Versammlungen Dritten durchaus einmal pro Woche eine Kundgebung des Antragstellers für die Dauer von drei Stunden in ihrer Nähe zumute und dass dies auch für den Odeonsplatz gelten müsse, ist nicht stichhaltig. Denn dem hat die Antragsgegnerin in schlüssiger Weise entgegengehalten, die Montagsdemonstrationen führten gegenüber den täglichen stationären Versammlungen schon aufgrund ihrer Modalitäten, insbesondere der wesentlich größeren Teilnehmerzahl (auch opponierender Versammlungsteilnehmer) und der längeren Auf- und Abbauzeiten zu gravierenderen Beeinträchtigungen Dritter. Auch aus den vorliegenden Beschwerden ist dies nachvollziehbar.

Mit Blick auf die Maßgaben des Verwaltungsgerichts nicht (mehr) nachvollziehbar ist dagegen die Rüge des Antragstellers, der Odeonsplatz sei ein öffentlicher Kommunikationsraum, der vom Austausch unterschiedlicher gesellschaftlicher Gruppierungen geprägt sei, und dass er - der Antragsteller - von dem dort stattfindenden Meinungsbildungsprozess ausgeschlossen werde.

Als (voraussichtlich) verhältnismäßig erweist sich auch die noch streitige Beschränkung des Einsatzes des Kundgebungsmittels „Muezzinruf“ in der Gestalt der durch das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 7. Juli 2016 verfügten Maßgabe. Das Verwaltungsgericht hat in seiner Abwägung der gegenläufigen Rechtsgüter und Interessen gerade unter Berücksichtigung der dokumentierten zahlreichen Beschwerden von Anliegern und Passanten des Marienplatzes eine gravierende Beeinträchtigung des Wohn- und Arbeitsklimas am Versammlungsort und eine besonders provozierende und störende Wirkung dieses Kundgebungsmittels angenommen.

Nicht durchgreifend ist der Einwand des Antragstellers, bei einem lediglich stündlichen Einsatz dieses Kundgebungsmittels (für 5 Minuten) werde die Wirksamkeit dieser Kundgebung insgesamt infrage gestellt. Auch insofern vermag der Senat nicht zu erkennen, dass der Charakter dieser stationären Versammlungen des Antragstellers durch die Beschränkung des Einsatzes des Muezzinrufs in einer die Verwirklichung des besonderen kommunikativen Anliegens des Antragstellers wesentlich erschwerenden oder gar unmöglich machenden Weise verändert wird.

Das Vorbringen, der Muezzinruf werde bereits ab einer Distanz zum entsprechend den Vorgaben der Antragsgegnerin eingestellten Lautsprecher von 40 m von der allgemeinen Lärmkulisse überdeckt, es seien durchaus Kundgebungsorte auf dem Marienplatz vorstellbar, die gewährleisteten, dass Anrainer den Muezzinruf nicht (mehr) wahrnehmen würden, auch wäre z. B. eine stündliche Rotation der Kundgebung auf dem Marienplatz denkbar, führt ebenfalls zu keiner anderen Bewertung der Verhältnismäßigkeit dieser Einschränkung. Abgesehen davon, dass eine stündliche Rotation auf dem Marienplatz praktisch schon gar nicht möglich sein dürfte, erscheint dem Senat die Annahme, es gäbe Versammlungsorte auf dem Marienplatz, von denen aus der Muezzinruf für Anrainer nicht mehr störend, weil nicht mehr hörbar, wäre, nicht nur rein spekulativ, sondern nach eigener Ortskenntnis äußerst unwahrscheinlich.

Der Rüge, der in einer Länge von 3 Minuten 20 Sekunden abgespielte Muezzinruf müsse ebenso regelmäßig zugelassen werden wie weltliches Glockengeläut am Marienplatz, hat die Antragsgegnerin zu Recht entgegengehalten, dass sich ein Vergleich schon aufgrund der zeitlichen Länge, aber auch aufgrund der Herkömmlichkeit und allgemeinen Akzeptanz verbiete.

5. Soweit die Antragsgegnerin die angezeigten täglichen stationären Versammlungen unter Anrechnung der sich fortbewegenden Versammlung des Antragstellers an jedem Montag nur an sechs Wochentagen zugelassen hat, überwiegt jedoch nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofs das sich aus Art. 8 Abs. 1 GG ergebende Selbstbestimmungsrecht des Antragstellers das (öffentliche) Interesse am Schutz der Rechtsgüter betroffener Dritter.

Die Begründung der Antragsgegnerin für diese Beschränkung, der Schutz der Rechtsgüter Dritter rechtfertige es, dem Antragsteller zwar tägliche Versammlungen zuzugestehen, dabei aber die sich fortbewegende Versammlung am Montag (rechnerisch) mit einzubeziehen, weil der Antragsteller „dann an jedem Tag in der Woche eine Versammlung zu seinem im Wesentlichen identischen Versammlungsthema“ abhalten könne, überzeugt nicht. Denn die beiden Veranstaltungen - „Montagsspaziergänge“ einerseits und tägliche stationäre Versammlungen andererseits - unterscheiden sich ungeachtet ähnlicher Themen in ihrer Konzeption, ihrer Durchführung und auch ihrem Adressatenkreis doch in einer Weise, die es als ermessensfehlerhaft und unverhältnismäßig erscheinen lässt, das Selbstbestimmungsrecht des Veranstalters über die Modalitäten der Versammlungsdurchführung auch insoweit gegenüber dem Schutz kollidierender Rechtsgüter Dritter zurückzustellen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass das wesentliche Anliegen der Antragsgegnerin und der bei der Abwägung der kollidierenden Rechtsgüter besonders gewichtige Schutz der Anrainer und Passanten des Marienplatzes bereits durch die behördlich verfügte örtliche Beschränkung (durch Rotation des Versammlungsortes) hinreichend gewährleistet ist. Warum darüber hinaus auch eine stationäre tägliche Versammlung des Antragstellers zu seinem Versammlungsthema zum Schutz der Rechtsgüter betroffener Dritter nicht zumutbar sein soll, ergibt sich aus der Begründung des angefochtenen Bescheids und den diesbezüglichen Stellungnahmen der Antragsgegnerin, aber auch aus den Gründen der Entscheidung des Verwaltungsgerichts nicht in schlüssiger Weise.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO, weil die Antragsgegnerin im Beschwerdeverfahren nur zu einem geringen Teil unterlegen ist.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2 und § 52 Abs. 2 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Urteilsbesprechung zu Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss, 17. Okt. 2016 - 10 CS 16.1468

Urteilsbesprechungen zu Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss, 17. Okt. 2016 - 10 CS 16.1468

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(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

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(1) Im Rechtsmittelverfahren bestimmt sich der Streitwert nach den Anträgen des Rechtsmittelführers. Endet das Verfahren, ohne dass solche Anträge eingereicht werden, oder werden, wenn eine Frist für die Rechtsmittelbegründung vorgeschrieben ist, inn

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(1) Entscheidungen des Oberverwaltungsgerichts können vorbehaltlich des § 99 Abs. 2 und des § 133 Abs. 1 dieses Gesetzes sowie des § 17a Abs. 4 Satz 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes nicht mit der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht angefochte
Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss, 17. Okt. 2016 - 10 CS 16.1468 zitiert 15 §§.

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Verwaltungsgericht Ansbach Urteil, 29. Nov. 2017 - AN 4 K 16.02167

bei uns veröffentlicht am 29.11.2017

Tenor 1. Es wird festgestellt, dass die im Bescheid vom 13. Oktober 2016 unter den Ziffern 1.9, soweit angefochten, 1.15 und 1.16 angeordneten versammlungsrechtlichen Beschränkungen rechtswidrig waren. Im Übrigen wird die Klage a

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss, 10. Nov. 2016 - 10 CS 16.2256

bei uns veröffentlicht am 10.11.2016

Tenor I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen. II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens. III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 2.500,-- Euro festgesetzt. Grü

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(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).

(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur

1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten,
2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten,
3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen,
3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen,
4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
Die Länder können auch bestimmen, daß Rechtsbehelfe keine aufschiebende Wirkung haben, soweit sie sich gegen Maßnahmen richten, die in der Verwaltungsvollstreckung durch die Länder nach Bundesrecht getroffen werden.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.

(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.

(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

(1) Alle Deutschen haben das Recht, Beruf, Arbeitsplatz und Ausbildungsstätte frei zu wählen. Die Berufsausübung kann durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes geregelt werden.

(2) Niemand darf zu einer bestimmten Arbeit gezwungen werden, außer im Rahmen einer herkömmlichen allgemeinen, für alle gleichen öffentlichen Dienstleistungspflicht.

(3) Zwangsarbeit ist nur bei einer gerichtlich angeordneten Freiheitsentziehung zulässig.

(1) Das Eigentum und das Erbrecht werden gewährleistet. Inhalt und Schranken werden durch die Gesetze bestimmt.

(2) Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.

(3) Eine Enteignung ist nur zum Wohle der Allgemeinheit zulässig. Sie darf nur durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes erfolgen, das Art und Ausmaß der Entschädigung regelt. Die Entschädigung ist unter gerechter Abwägung der Interessen der Allgemeinheit und der Beteiligten zu bestimmen. Wegen der Höhe der Entschädigung steht im Streitfalle der Rechtsweg vor den ordentlichen Gerichten offen.

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

(1) Alle Deutschen haben das Recht, Beruf, Arbeitsplatz und Ausbildungsstätte frei zu wählen. Die Berufsausübung kann durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes geregelt werden.

(2) Niemand darf zu einer bestimmten Arbeit gezwungen werden, außer im Rahmen einer herkömmlichen allgemeinen, für alle gleichen öffentlichen Dienstleistungspflicht.

(3) Zwangsarbeit ist nur bei einer gerichtlich angeordneten Freiheitsentziehung zulässig.

(1) Das Eigentum und das Erbrecht werden gewährleistet. Inhalt und Schranken werden durch die Gesetze bestimmt.

(2) Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.

(3) Eine Enteignung ist nur zum Wohle der Allgemeinheit zulässig. Sie darf nur durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes erfolgen, das Art und Ausmaß der Entschädigung regelt. Die Entschädigung ist unter gerechter Abwägung der Interessen der Allgemeinheit und der Beteiligten zu bestimmen. Wegen der Höhe der Entschädigung steht im Streitfalle der Rechtsweg vor den ordentlichen Gerichten offen.

(1) Alle Deutschen haben das Recht, sich ohne Anmeldung oder Erlaubnis friedlich und ohne Waffen zu versammeln.

(2) Für Versammlungen unter freiem Himmel kann dieses Recht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes beschränkt werden.

(1) Gegen die Entscheidungen des Verwaltungsgerichts, des Vorsitzenden oder des Berichterstatters, die nicht Urteile oder Gerichtsbescheide sind, steht den Beteiligten und den sonst von der Entscheidung Betroffenen die Beschwerde an das Oberverwaltungsgericht zu, soweit nicht in diesem Gesetz etwas anderes bestimmt ist.

(2) Prozeßleitende Verfügungen, Aufklärungsanordnungen, Beschlüsse über eine Vertagung oder die Bestimmung einer Frist, Beweisbeschlüsse, Beschlüsse über Ablehnung von Beweisanträgen, über Verbindung und Trennung von Verfahren und Ansprüchen und über die Ablehnung von Gerichtspersonen sowie Beschlüsse über die Ablehnung der Prozesskostenhilfe, wenn das Gericht ausschließlich die persönlichen oder wirtschaftlichen Voraussetzungen der Prozesskostenhilfe verneint, können nicht mit der Beschwerde angefochten werden.

(3) Außerdem ist vorbehaltlich einer gesetzlich vorgesehenen Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision die Beschwerde nicht gegeben in Streitigkeiten über Kosten, Gebühren und Auslagen, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands zweihundert Euro nicht übersteigt.

(4) Die Beschwerde gegen Beschlüsse des Verwaltungsgerichts in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes (§§ 80, 80a und 123) ist innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe der Entscheidung zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht bereits mit der Beschwerde vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Sie muss einen bestimmten Antrag enthalten, die Gründe darlegen, aus denen die Entscheidung abzuändern oder aufzuheben ist, und sich mit der angefochtenen Entscheidung auseinander setzen. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, ist die Beschwerde als unzulässig zu verwerfen. Das Verwaltungsgericht legt die Beschwerde unverzüglich vor; § 148 Abs. 1 findet keine Anwendung. Das Oberverwaltungsgericht prüft nur die dargelegten Gründe.

(5) u. (6) (weggefallen)

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) Alle Deutschen haben das Recht, sich ohne Anmeldung oder Erlaubnis friedlich und ohne Waffen zu versammeln.

(2) Für Versammlungen unter freiem Himmel kann dieses Recht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes beschränkt werden.

Tenor

1. Die Beschlüsse des Verwaltungsgerichts Leipzig vom 15. Oktober 2010 - 3 L 1556/10 - und des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 15. Oktober 2010 - 3 B 307/10 - verletzen die Beschwerdeführer in ihrem Grundrecht aus Artikel 8 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 19 Absatz 4 Satz 1 des Grundgesetzes.

2. Die Kostenentscheidungen der Beschlüsse werden aufgehoben. Das Verfahren wird insoweit an das Sächsische Oberverwaltungsgericht zur erneuten Entscheidung über die Kosten des Verfahrens zurückverwiesen.

3. ...

4. Der Wert des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit im Verfassungsbeschwerdeverfahren wird auf 8.000 € (in Worten: achttausend Euro) festgesetzt.

Gründe

1

Die Verfassungsbeschwerde betrifft die verwaltungsgerichtliche Versagung vorläufigen Rechtsschutzes gegen eine versammlungsrechtliche Auflage.

I.

2

1. Die Beschwerdeführer meldeten Anfang September 2010 bei der Stadt L. ihr Vorhaben an, am 16. Oktober 2010 (von 12.00 Uhr bis 20.00 Uhr) in L. eine Versammlung unter freiem Himmel durchzuführen. Die geplante Versammlung sollte aus drei Aufzügen und einer Abschlusskundgebung in der Innenstadt von L. bestehen. Die Teilnehmerzahl wurde von den Beschwerdeführern bei der Anmeldung auf 600 Personen geschätzt. Das Motto der geplanten Versammlung lautete "Recht auf Zukunft". Es bezog sich auf eine am 17. Oktober 2009 in L. von der Beschwerdeführerin zu 4), einer Unterorganisation der Nationaldemokratischen Partei Deutschlands (NPD), veranstaltete Versammlung, bei der es im Zusammenhang mit einer Versammlungsblockade durch Gegendemonstranten zu gewalttätigen Auseinandersetzungen und letztlich zu einer polizeilichen Auflösung der Versammlung kam.

3

Angesichts dieser Vorgeschichte und der Anmeldung von zahlreichen Gegendemonstrationen kam es zwischen der Anmeldung und der Durchführung der geplanten Versammlung zu umfangreichen Verhandlungen zwischen den Beschwerdeführern und der Stadt L., die unter anderem in Kooperationsgesprächen am 4., am 6. und am 13. Oktober 2010 eingehend die polizeilich sicherbare Anzahl der geplanten Aufzüge und die konkrete Streckenführung erörterten. In einer Gefährdungsanalyse am 4. Oktober 2010 bekundete die Polizeidirektion L. dabei laut den tatsächlichen Feststellungen des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts, dass der Schutz von zwei der angemeldeten Aufzüge mit den zur Verfügung stehenden Einsatzkräften gewährleistet werden könne. Am 11. Oktober 2010 teilte der Beschwerdeführer zu 1) der Stadt schließlich mit, dass am 16. Oktober 2010 nunmehr lediglich ein einziger Aufzug stattfinden solle. Am 12. Oktober 2010 ergänzte die Polizeidirektion L. ihre Gefahrprognose insofern, dass nunmehr nur eine maximal vierstündige stationäre Kundgebung durchführbar sei, weil nach den Erfahrungen des Versammlungsgeschehens vom 17. Oktober 2009 mit einer höheren als der angemeldeten Teilnehmerzahl zu rechnen sei und jeweils ca. 10 bis 20 % der Teilnehmer der angemeldeten Demonstration und der Gegendemonstrationen als gewaltbereit einzustufen seien.

4

2. Mit Bescheid vom 13. Oktober 2010 untersagte die Stadt L. die Durchführung der Versammlung als Aufzug, verfügte die Durchführung als stationäre Kundgebung in der Zeit von 13.00 Uhr bis 17.00 Uhr in einem Bereich am L. Hauptbahnhof und ordnete die sofortige Vollziehung dieser Auflage an. Die Polizeidirektion L. habe in ihrer Gefahrprognose vom 12. Oktober 2010 dargelegt, dass im Zeitraum vom 15. bis zum 17. Oktober 2010 aufgrund von zahlreichen Versammlungsanmeldungen widerstreitender politischer Lager eine latente Gefährdungssituation vorhanden sei, die einen außerordentlich hohen Kräfteeinsatz der Polizei erfordere. Es sei davon auszugehen, dass sich die Teilnehmer der Aufzüge bei Angriffen durch Personen der linksextremistischen Klientel provozieren ließen und darauf entsprechend reagierten. Die Polizei habe glaubhaft dargelegt, dass sie kräftetechnisch außerstande sei, einen Aufzug zu begleiten, da trotz bundesweiter Anfragen nur 29 der für erforderlich gehaltenen 44 Polizeihundertschaften, also nur 66 % der geplanten Polizeikräfte, zur Verfügung stünden. Die Ausübung der Versammlungsfreiheit werde trotz der Beschränkungen nicht vereitelt, da der zugewiesene Ort eine hinreichende Öffentlichkeitswirksamkeit und eine räumliche Trennung der gegensätzlichen politischen Lager gewährleiste.

5

3. Dagegen erhoben die Beschwerdeführer noch am gleichen Tag Widerspruch und stellten beim Verwaltungsgericht Leipzig die Anträge, die aufschiebende Wirkung ihrer Widersprüche gegen die Auflage, nur eine stationäre Kundgebung durchzuführen, wiederherzustellen sowie im Wege einer einstweiligen Anordnung ein Verbot sämtlicher Versammlungen in einem Umkreis von 300 m um die angemeldeten Aufzugstrecken anzuordnen. Das Verwaltungsgericht Leipzig lehnte die Eilanträge mit Beschluss vom 15. Oktober 2010 ab und begründete dies im Wesentlichen damit, dass der Bescheid vom 13. Oktober 2010 rechtmäßig sei und somit das öffentliche Interesse am Sofortvollzug des Bescheids die Interessen der Beschwerdeführer überwiege. Die Antragsgegnerin des Ausgangsverfahrens, die Stadt L., sei auf der Grundlage der Einschätzung der Polizeidirektion L. nachvollziehbar davon ausgegangen, dass infolge zahlreicher Gegenaktionen und -demonstrationen bei Durchführung des im Zuge der Kooperation der Beschwerdeführer zuletzt noch geplanten einzigen Aufzuges eine unmittelbare Gefährdung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung bestehe. Bei der Vielzahl der angemeldeten und geplanten Veranstaltungen am 16.10.2010, unter anderem ein Fußballspiel, und in Anbetracht der beschriebenen begrenzten Kräftelage der Polizei sei mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit mit einhergehenden Personen- und Sachschäden zu rechnen, denen nur mit der Beschränkung auf eine stationäre Kundgebung begegnet werden könne. Dieser Gefahr könne in Anbetracht der besonderen Veranstaltungssituation am 16. Oktober 2010 auch nicht durch Maßnahmen gegen potentielle Störer begegnet werden.

6

4. Gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts legten die Beschwerdeführer Beschwerde ein. Das Sächsische Oberverwaltungsgericht wies die Beschwerde mit Beschluss vom 15. Oktober 2010 zurück. Ob ein polizeilicher Notstand vorliege, sei im Rahmen der summarischen Prüfung nicht abschließend zu beurteilen. Der Einschätzung der Polizeidirektion lasse sich entnehmen, dass aufgrund des Versammlungsgeschehens im Vorjahr mit gewalttätigen Auseinandersetzungen einer Anzahl von 10 bis 20 % der Teilnehmer sowohl auf Seiten der Beschwerdeführer wie auf Seiten linker Demonstranten gerechnet werde. Zwar erschließe sich dem Gericht nicht, wodurch sich das Gefährdungspotential innerhalb kurzer Zeit so erhöht haben solle, dass statt der zwei Aufzüge, die die Polizeidirektion ursprünglich noch mit den zur Verfügung stehenden Einsatzkräften für sicherbar gehalten habe, nunmehr nur noch eine stationäre Kundgebung möglich sein solle. Wegen der fehlenden Überprüfungsmöglichkeit sei aufgrund einer Folgenabwägung zu entscheiden. Danach sei die Beschwerde zurückzuweisen, weil für den Antragsteller die mit der Durchführung einer nur stationären Kundgebung verbundenen Beeinträchtigungen hinnehmbar seien.

7

5. Die Beschwerdeführer beantragten sodann beim Bundesverfassungsgericht zunächst den Erlass einer einstweiligen Anordnung. Diesen Antrag hat die Kammer aufgrund der besonderen Voraussetzungen der Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes durch das Bundesverfassungsgericht abgelehnt, dabei jedoch zugleich auf die Möglichkeit der Klärung der aufgeworfenen Fragen in einem verfassungsgerichtlichen Hauptsachverfahren hingewiesen (BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 16. Oktober 2010 - 1 BvQ 39/10 -, juris).

8

6. Hieraufhin erhoben die Beschwerdeführer gegen die Beschlüsse des Verwaltungsgerichts Leipzig und des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts fristgemäß Verfassungsbeschwerde mit der Rüge, durch die angegriffenen Entscheidungen in ihren Rechten aus Art. 8 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 19 Abs. 4 GG verletzt zu sein.

9

7. Das Bundesverfassungsgericht hat der Stadt L. als Gegnerin des Ausgangsverfahrens, dem Sächsischen Staatsministerium der Justiz und für Europa sowie der Präsidentin des Bundesverwaltungsgerichts Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben.

10

Nach Auffassung des Rechtsamtes der Stadt L. liegen die Voraussetzungen für die Annahme der Verfassungsbeschwerde nicht vor. Das Sächsische Staatsministerium hat von einer Stellungnahme abgesehen. Die Präsidentin des Bundesverwaltungsgerichts hat eine Stellungnahme des unter anderem für das Versammlungsrecht zuständigen 6. Revisionssenats übersandt, in der dieser Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der angegriffenen Entscheidungen äußert.

II.

11

Die Kammer nimmt die Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung an, weil dies zur Durchsetzung von Art. 8 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG angezeigt ist (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG). Die Voraussetzungen für eine stattgebende Kammerentscheidung liegen vor (§ 93c BVerfGG). Das Bundesverfassungsgericht hat die für die Beurteilung der Verfassungsbeschwerde maßgeblichen Fragen bereits entschieden (vgl. insbesondere BVerfGE 69, 315 <340 ff.>; 110, 77 <83 ff.>). Nach diesen Maßstäben ist die Verfassungsbeschwerde gegen die Beschlüsse des Verwaltungsgerichts Leipzig und des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts zulässig und begründet.

12

1. Der Zulässigkeit der Rüge der Verletzung des Art. 8 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 19 Abs. 4 GG steht weder der Grundsatz der Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde noch das Erfordernis eines Rechtsschutzinteresses entgegen.

13

a) Der Grundsatz der Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde verlangt die Erschöpfung des Rechtswegs in der Hauptsache nur, soweit die geltend gemachte Verletzung von Freiheitsrechten oder von Art. 19 Abs. 4 GG durch die Entscheidung der Gerichte in der Hauptsache noch ausgeräumt werden kann (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senat vom 21. April 1998 - 1 BvR 2311/94 -, NVwZ 1998, S. 834 <835>). Hier rügen die Beschwerdeführer allerdings gerade die Missachtung der Anforderungen des Art. 8 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 19 Abs. 4 GG bei der Zurückweisung ihres Antrags auf vorläufigen Rechtsschutz, die im Hauptsacheverfahren nicht mehr behandelt werden würde.

14

b) Auch ein Rechtsschutzbedürfnis der Beschwerdeführer besteht, obwohl der Demonstrationstermin verstrichen und damit der Sofortvollzug der strittigen Auflagen gegenstandslos geworden ist. Sind verfassungsrechtliche Fragen von grundsätzlicher Bedeutung nicht (mehr) zu klären, besteht ein Rechtsschutzbedürfnis auch nach Erledigung des ursprünglichen Begehrens im Falle einer Wiederholungsgefahr, also wenn ein Gericht die bereits herausgearbeiteten verfassungsrechtlichen Maßstäbe nicht beachtet hat und bei hinreichend bestimmter Gefahr einer gleichartigen Entscheidung bei gleichartiger Sach- und Rechtslage zu befürchten ist, dass es diese auch in Zukunft verkennt (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 21. April 1998 - 1 BvR 2311/94 -, NVwZ 1998, S. 834 <835>). Hier führten die Beschwerdeführer bereits konflikthafte Versammlungen in L. durch und planen auch in Zukunft die Durchführung von Versammlungen in L., bei denen sie mit ähnlichen Konfliktsituationen rechnen und gegebenenfalls gleichartige Entscheidungen des Verwaltungsgerichts und des Oberverwaltungsgerichts befürchten müssten.

15

2. Die Verfassungsbeschwerde ist begründet. Die angegriffenen Beschlüsse verletzen die Beschwerdeführer in ihrem Grundrecht aus Art. 8 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 19 Abs. 4 GG.

16

a) Art. 8 Abs. 1 GG schützt die Freiheit, mit anderen Personen zum Zwecke einer gemeinschaftlichen, auf die Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung gerichteten Erörterung oder Kundgebung örtlich zusammen zu kommen (vgl. BVerfGE 104, 92 <104>; 128, 226 <250>). Als Freiheit zur kollektiven Meinungskundgabe, die auch und vor allem andersdenkenden Minderheiten zugutekommt, ist die Versammlungsfreiheit für eine freiheitlich demokratische Staatsordnung konstituierend (vgl. BVerfGE 69, 315 <344 f.>; 128, 226 <250>) und wird im Vertrauen auf die Kraft der freien öffentlichen Auseinandersetzung grundsätzlich auch den Gegnern der Freiheit gewährt (vgl. BVerfGE 124, 300 <320>). Damit die Bürger selbst entscheiden können, wann, wo und unter welchen Modalitäten sie ihr Anliegen am wirksamsten zur Geltung bringen können, gewährleistet Art. 8 Abs. 1 GG nicht nur die Freiheit, an einer öffentlichen Versammlung teilzunehmen oder ihr fern zu bleiben, sondern umfasst zugleich ein Selbstbestimmungsrecht über die Durchführung der Versammlung als Aufzug, die Auswahl des Ortes und die Bestimmung der sonstigen Modalitäten der Versammlung (vgl. BVerfGE 69, 315 <343> oder <355 ff.>; 128, 226 <250 f.>).

17

Beschränkungen der Versammlungsfreiheit bedürfen gemäß Art. 8 Abs. 2 GG zu ihrer Rechtfertigung einer gesetzlichen Grundlage (vgl. BVerfGE 69, 315 <350 f.>; BVerfGK 17, 303 <307>). Nach § 15 des Gesetzes über Versammlungen und Aufzüge (Versammlungsgesetz) vom 24. Juli 1953 in der Fassung vom 8. Dezember 2008 (BGBl I S. 2366; im Folgenden: VersG) kann die zuständige Behörde die Versammlung von bestimmten Auflagen abhängig machen, wenn nach den zur Zeit des Erlasses der Verfügung erkennbaren Umständen die öffentliche Sicherheit oder Ordnung bei Durchführung der Versammlung unmittelbar gefährdet ist. Danach kann im Einzelfall auch die Festlegung geboten sein, dass eine ursprünglich als Aufzug angemeldete Versammlung nur als ortsfeste Versammlung durchgeführt werden darf (vgl. BVerfGK 2, 1 <8>). Unter Berücksichtigung der Bedeutung der Versammlungsfreiheit darf die Behörde allerdings auch bei dem Erlass von Auflagen keine zu geringen Anforderungen an die Gefahrenprognose stellen. Als Grundlage der Gefahrenprognose sind konkrete und nachvollziehbare tatsächliche Anhaltspunkte erforderlich; bloße Verdachtsmomente oder Vermutungen reichen hierzu nicht aus (BVerfGE 69, 315 <353 f.>; BVerfGK 17, 303 <307>). Ferner gilt, dass, soweit sich der Veranstalter und die Versammlungsteilnehmer grundsätzlich friedlich verhalten und Störungen der öffentlichen Sicherheit vorwiegend aufgrund des Verhaltens Dritter - insbesondere von Gegendemonstrationen - zu befürchten sind, die Durchführung der Versammlung zu schützen ist und behördliche Maßnahmen primär gegen die Störer zu richten sind (vgl. BVerfGE 69, 315 <360 f.>; BVerfGK 8, 79 <81>; BVerfG , Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 1. September 2000 - 1 BvQ 24/00, NVwZ 2000, S. 1406 <1407>). Gegen die friedliche Versammlung selbst kann dann nur unter den besonderen Voraussetzungen des polizeilichen Notstandes eingeschritten werden (vgl. BVerfGE 69, 315 <360 f.>; BVerfGK 17, 303 <308>). Dies setzt voraus, dass die Versammlungsbehörde mit hinreichender Wahrscheinlichkeit anderenfalls wegen der Erfüllung vorrangiger staatlicher Aufgaben und trotz des Bemühens, gegebenenfalls externe Polizeikräfte hinzuzuziehen, zum Schutz der von dem Antragsteller angemeldeten Versammlung nicht in der Lage wäre; eine pauschale Behauptung dieses Inhalts reicht allerdings nicht (vgl. BVerfGK 8, 79 <82>; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 24. März 2001 - 1 BvQ 13/01 -, NJW 2001, S. 2069 <2072>). Die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen von Gründen für ein Verbot oder eine Auflage liegt grundsätzlich bei der Behörde (vgl. BVerfGK 17, 303 <308>; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 4. September 2009 - 1 BvR 2147/09 -, NJW 2010, S. 141 <142>).

18

b) Art. 19 Abs. 4 GG garantiert einen effektiven und möglichst lückenlosen richterlichen Rechtsschutz gegen Akte der öffentlichen Gewalt (vgl. BVerfGE 67, 43 <58>; 96, 27 <39>). Im Verfahren auf Wiederherstellung oder Anordnung der aufschiebenden Wirkung eines Widerspruchs, das für den Regelfall sicherstellt, dass die Verwaltungsbehörden keine irreparablen Maßnahmen durchführen, bevor die Gerichte deren Rechtmäßigkeit geprüft haben, ist der Rechtsschutzanspruch des Bürgers umso stärker, je schwerwiegender die ihm auferlegte Belastung wiegt und je mehr die Maßnahmen der Verwaltung Unabänderliches bewirken (vgl. BVerfGE 35, 382 <401 f.>; 69, 315 <363>; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senat vom 21. April 1998 - 1 BvR 2311/94 -, NVwZ 1998, S. 834 <835>). Insbesondere im Bereich des Versammlungsrechts muss das verwaltungsgerichtliche Eilverfahren angesichts der Zeitgebundenheit von Versammlungen zum Teil Schutzfunktionen übernehmen, die sonst das Hauptsacheverfahren erfüllt (vgl. BVerfGE 69, 315 <363 f.>; 110, 77 <87>; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senat vom 23. März 2004 - 1 BvR 745/01 -, juris, Rn. 13). Die einstweilige Anordnung im verfassungsgerichtlichen Verfahren als außerhalb der Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG liegender Rechtsbehelf kann die primäre Rechtsschutzfunktion der Fachgerichte ebenfalls nicht übernehmen. Angesichts der Aufgaben des Bundesverfassungsgerichts und im Hinblick auf die weitreichenden Folgen, die eine einstweilige Anordnung auslösen kann, ist hierbei zudem ein strenger, von den verwaltungsgerichtlichen Kriterien grundsätzlich unterschiedener Maßstab anzulegen (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senat vom 16. Oktober 2010 - 1 BvQ 39/10 -, juris, Rn. 4). Daher müssen die Verwaltungsgerichte zum Schutz von Versammlungen, die auf einen einmaligen Anlass bezogen sind, schon im Eilverfahren durch eine intensivere Prüfung dem Umstand Rechnung tragen, dass der Sofortvollzug der umstrittenen Maßnahme in der Regel zur endgültigen Verhinderung der Versammlung in der beabsichtigten Form führt. Soweit möglich, ist als Grundlage der gebotenen Interessenabwägung die Rechtmäßigkeit der Maßnahme in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht nicht nur summarisch zu prüfen (vgl. BVerfGE 69, 315 <363 f.>; 110, 77 <87>; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senat vom 21. April 1998 - 1 BvR 2311/94 -, NVwZ 1998, S. 834 <835>). Sofern dies nicht möglich ist, haben die Fachgerichte jedenfalls eine sorgfältige Folgenabwägung vorzunehmen und diese hinreichend substantiiert zu begründen, da ansonsten eine Umgehung der beschriebenen strengen Voraussetzungen für Beschränkungen der Versammlungsfreiheit möglich erschiene.

19

3. Diese Maßstäbe haben das Verwaltungsgericht Leipzig und das Sächsische Oberverwaltungsgericht bei den ihnen obliegenden Entscheidungen über die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nicht hinreichend berücksichtigt. Beide Entscheidungen werden den verfassungsrechtlichen Anforderungen des Art. 8 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 19 Abs. 4 GG im Hinblick auf die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gegen versammlungsbeschränkende behördliche Maßnahmen nicht gerecht.

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a) Die vom Verwaltungsgericht Leipzig herangezogenen Umstände sind nicht geeignet, die Annahme einer von der Versammlung selbst ausgehenden unmittelbaren Gefährdung für die öffentliche Sicherheit zu tragen, die die Verhinderung der Versammlung in Form eines Aufzugs hätte rechtfertigen können. Das Verwaltungsgericht legt insofern bereits nicht hinreichend deutlich dar, ob seiner Auffassung nach auch von der Versammlung selbst eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit ausgeht oder diese Gefahr ausschließlich aufgrund der zahlreichen Gegendemonstrationen und den hieraus zu erwartenden Störungen der Versammlung besteht. Dass das Verwaltungsgericht in seiner Entscheidung zur Begründung seines Standpunktes im Wesentlichen lediglich auf die Einschätzung der Polizeidirektion L., die ohne nähere Erläuterung 10 bis 20 % der Teilnehmer der angemeldeten Demonstration dem gewaltbereiten Klientel zurechnete, verweist, genügt den Anforderungen des Art. 8 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 19 Abs. 4 GG insofern jedenfalls nicht.

21

Auch im Hinblick auf eine Inanspruchnahme der Veranstalter als Nichtstörer im Wege des polizeilichen Notstandes genügen die tatsächlichen Feststellungen des Verwaltungsgerichts den Anforderungen des Art. 8 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 19 Abs. 4 GG nicht. Das Verwaltungsgericht weist insofern zur Begründung des Vorliegens einer nicht durch Maßnahmen gegen potentielle Störer abwendbaren Gefahr, insbesondere auf die besondere Veranstaltungssituation am 16. Oktober 2010 und die deswegen nur begrenzt zur Verfügung stehenden Polizeikräfte, hin und beruft sich dabei pauschal auf die Einschätzung der Polizeidirektion L. vom 13. Oktober 2010. Berücksichtigt man aber den Umstand, dass die Polizeidirektion in ihrer Gefährdungsanalyse vom 4. Oktober 2010 offenbar noch zwei der angemeldeten Aufzüge mit den ihr voraussichtlich zur Verfügung stehenden Kräften für sicherbar hielt, erfüllt diese pauschale Bezugnahme auf die Einschätzung der Polizeidirektion vom 13. Oktober 2010 nicht die den Anforderungen an die entsprechend obigen Maßstäben bereits im Eilverfahren gebotene intensivere Rechtmäßigkeitsprüfung. Vielmehr hätte die kurzfristige Änderung der polizeilichen Einschätzung, die sich nicht ohne weiteres erschließt, das Verwaltungsgericht zu einer substantiierteren Prüfung der veränderten polizeilichen Einschätzung und zur Nachfrage einer genaueren Begründung ihrer Entscheidung veranlassen müssen. Dass dies vorliegend aus zeitlichen Gründen nicht möglich gewesen wäre, ist nicht erkennbar. Auch im Übrigen hätte es dezidierterer Feststellungen bedurft, aufgrund welcher konkreter Gefahren für die öffentliche Sicherheit und aufgrund welcher konkreter, vorrangig zu schützender sonstiger Veranstaltungen keine ausreichenden Polizeikräfte mehr zum Schutz der angemeldeten Versammlung und der Rechtsgüter Dritter zur Verfügung gestanden hätten. Die behauptete Bindung von Polizeikräften durch die zeitgleich stattfindenden Gegendemonstrationen kann nach obigen Maßstäben jedenfalls nicht ohne weiteres als hinreichendes Argument dafür herangezogen werden. Auch die Bindung von Polizeikräften aufgrund eines parallel stattfindenden Fußballspiels und sonstiger Veranstaltungen, deren vorrangige Schutzwürdigkeit sich nicht ohne weiteres erschließt, reicht hierfür nicht aus.

22

b) Die angegriffene Entscheidung des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts hält den verfassungsrechtlichen Anforderungen des Art. 8 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 19 Abs. 4 GG ebenfalls nicht stand. Zwar hat das Sächsische Oberverwaltungsgericht deutliche Bedenken am Vorliegen der Voraussetzungen eines für die Rechtfertigung der versammlungsrechtlichen Auflage erforderlichen polizeilichen Notstandes geäußert und nachvollziehbar dargelegt, dass sich ihm nicht erschließe, wodurch sich das Gefährdungspotential innerhalb des kurzen Zeitraumes zwischen der Gefährdungsanalyse der Polizeidirektion L. vom 4. Oktober 2010 und dem Erlass der Auflage am 13. Oktober 2010 so erhöht haben soll, dass statt der zwei Aufzüge, die ursprünglich noch mit den zur Verfügung stehenden Einsatzkräften für sicherbar gehalten wurden, nunmehr nur noch eine stationäre Kundgebung möglich sein solle. Auch erscheint es nachvollziehbar, dass dem Sächsischen Oberverwaltungsgericht in der Kürze der ihm zur Verfügung stehenden Zeit die Vornahme der hier grundsätzlich gebotenen und soweit als möglich nicht lediglich summarischen Rechtmäßigkeitskontrolle der behördlichen Auflage nicht mehr möglich war. Allerdings hätte es dem Sächsischen Oberverwaltungsgericht in dieser Konstellation, um der Freiheitsvermutung zugunsten der Versammlungsfreiheit zumindest in der Sache Rechnung zu tragen, oblegen, eine besonders sorgfältige Folgenabwägung vorzunehmen und diese in der Begründung seiner Entscheidung hinreichend offenzulegen. Vorliegend hat sich das Sächsische Oberverwaltungsgericht in der Begründung seiner Entscheidung jedoch im Wesentlichen darauf beschränkt, auf die vermeintlich geringe Beeinträchtigung des Grundrechts der Versammlungsfreiheit hinzuweisen, ohne auch nur ansatzweise ausreichend auf das Bestehen einer die Beeinträchtigung der Versammlungsfreiheit überwiegenden potentiellen Beeinträchtigung anderer Rechtsgüter einzugehen.

23

4. Demgemäß ist festzustellen, dass sowohl der angegriffene Beschluss des Verwaltungsgerichts Leipzig als auch der angegriffene Beschluss des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts die Beschwerdeführer in ihrem Grundrecht aus Art. 8 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 19 Abs. 4 GG verletzen. Einer Aufhebung der Entscheidungen und Zurückverweisung zur erneuten Entscheidung bedarf es darüberhinausgehend nur bezüglich der Kostenentscheidungen, da in der Sache selbst Erledigung eingetreten ist (vgl. Schemmer, in: Umbach/Clemens/Dollinger, 2. Aufl. 2005, BVerfGG, § 93c Rn. 33).

24

5. Die Entscheidung über die Auslagenerstattung folgt aus § 34a Abs. 2 BVerfGG. Die Festsetzung des Gegenstandswerts beruht auf § 37 Abs. 2 Satz 2 in Verbindung mit § 14 Abs. 1 RVG (vgl. BVerfGE 79, 365 <366 ff.>).

Gründe

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof München

10 B 14.2246

Im Namen des Volkes

Urteil

vom 22. September 2015

(VG Würzburg, Entscheidung vom 14. März 2013, Az.: W 5 K 12.555)

10. Senat

Sachgebietsschlüssel: 512

Hauptpunkte: Fortsetzungsfeststellungsklage; berechtigtes Interesse; Wiederholungsgefahr; versammlungsrechtliche Beschränkungen; Versammlung mit Hungerstreik; Einbringen von Gegenständen in die Versammlung; funktionaler Bezug zur gewählten Form der Versammlung; objektiver Maßstab

Rechtsquellen:

Leitsätze:

In der Verwaltungsstreitsache

...,

gegen

Stadt Würzburg,

vertreten durch den Oberbürgermeister, Domstr. 1, Würzburg,

- Beklagte -

beteiligt:

Landesanwaltschaft Bayern als Vertreter des öffentlichen Interesses, Ludwigstr. 23, München,

wegen versammlungsrechtlicher Beschränkungen;

hier: Berufung des Klägers gegen das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts Würzburg vom 14. März 2013,

erlässt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, 10. Senat, durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgerichtshof Senftl, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Dr. Martini, die Richterin am Verwaltungsgerichtshof Zimmerer aufgrund mündlicher Verhandlung vom 21. September 2015 am 22. September 2015

folgendes

Urteil:

I.

Unter teilweiser Abänderung des Urteils des Bayerischen Verwaltungsgerichts Würzburg vom 14. März 2013 wird festgestellt, dass auch die Beschränkungen in Nr. 1.15 (Verbot des Aufstellens von Betten), 1.17 (Beschränkung auf einen Pavillon) und Nr. 1.19 (Pavillon muss auf allen Seiten offen sein) im Bescheid der Beklagten vom 15. Juni 2012 rechtswidrig waren.

II.

Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.

III.

Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

IV.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Mit seiner Berufung verfolgt der Kläger seine Fortsetzungsfeststellungsklage gegen die in Nr. 1.15, Nr. 1.17 und Nr. 1.19 des Bescheids der Beklagten vom 15. Juni 2012 verfügten versammlungsrechtlichen Beschränkungen für eine Dauerversammlung zum Thema Asylrecht vom 16. Juni 2012 bis einschließlich 16. August 2012 in W. weiter.

Unter dem 13. Juni 2012 meldete der Kläger bei der Beklagten die Durchführung einer „Dauerversammlung zum Thema Asylrecht in der Form des Hungerstreiks rund um die Uhr vom 16. Juni 2012 bis einschließlich 16. August 2012“ an. Mit Bescheid vom 15. Juni 2012 setzte die Beklagte u. a. folgende Beschränkungen fest:

Nr. 1.15 Das Aufstellen von Betten ist untersagt.

Nr. 1.17 Als Kundgebungsmittel sind zugelassen:

- Maximal sechs Stühle, die klapp-, stapelbar sein sollen,

- ein Tisch, in einer Größe von maximal 2 x 0,5 m für die Auslage von Infomaterial, Unterschriftslisten,

- ein Pavillon (3 x 3 m),

- Plakate,

- Bilder.

Bilder und Plakate dürfen an einzelnen Seiten des Pavillons nicht den Eindruck der völligen Geschlossenheit erzeugen.

Nr. 1.19 Der Pavillon muss auf allen Seiten offen sein.

Zur Begründung dieser Beschränkungen führte die Beklagte im Bescheid vom 15. Juni 2012 im Wesentlichen an, dass das Nächtigen auf öffentlichen Flächen in konsequenter Anwendung des § 4 Abs. 1 Nr. 2 ihrer Sicherheitssatzung zu untersagen gewesen sei. Das Übernachten in den Zelten habe nicht die Meinungskundgabe zum Ziel. Seit Beginn der Veranstaltung erfolgten die Meinungskundgabe und das Platzieren der Thematik durch Plakate, Transparente, Diskussionen, Interviews, Bilder und Schriften. Eine Übernachtung sei hierfür nicht notwendig. Im Übrigen werde auf den Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 12. April 2012 (10 CS 12.767) verwiesen. In konsequenter Umsetzung dieser Überlegungen, gesehen im Lichte der Situation vor Ort seit dem 13. April 2012, seien bei den Kundgebungsmitteln die bisherigen zwei Pavillons in Ziffer 1.17 auf einen Pavillon zu reduzieren, der nach Ziffer 1.19 dauerhaft an allen Seiten geöffnet sein müsse. Der zweite Pavillon diene seit dem 13. April 2012 weder dem konkreten Versammlungszweck noch der damit verbundenen kollektiven Aussage der Teilnehmer. Dies ergebe sich bereits daraus, dass der zweite Pavillon seit dem Umzug auf den Unteren Markt zunächst durchgehend geschlossen gewesen sei. In diesem Bereich erfolge keine Meinungskundgabe.

Der Antrag des Klägers auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung einer noch zu erhebenden Klage u. a. gegen die in Nr. 1.15, Nr. 1.17 und Nr. 1.19 des Bescheids vom 15. Juni 2012 verfügten Beschränkungen wurde vom Verwaltungsgericht Würzburg abgelehnt. Mit Beschluss vom 2. Juli 2012 ordnete der Bayerische Verwaltungsgerichtshof die aufschiebende Wirkung der noch zu erhebenden Klage gegen die Nr. 1.15, Nr. 1.17 und Nr. 1.19 des Bescheids vom 15. Juni 2012 mit den in den Gründen dargelegten Maßgaben an.

Zum Aufstellen der Betten (Nr. 1.15) führte der Senat aus, dass die Beklagte jegliches Aufstellen von Betten im angefochtenen Bescheid untersagt habe, der Kläger dagegen geltend mache, dass bei einer Versammlung rund um die Uhr ein zeitweiliges Ausruhen oder Schlafen der Versammlungsteilnehmer für die effektive Grundrechtswahrnehmung unabdingbar sei. Der Senat sei der Auffassung, dass drei Betten ausreichten, um das Ruhebedürfnis der Versammlungsteilnehmer zu befriedigen. Auf ein gemeinsames gleichzeitiges Nächtigen hätten die Versammlungsteilnehmer keinen Anspruch. Auch der Hinweis des Klägers darauf, dass Versammlungsteilnehmer während des Hungerstreiks ein erhöhtes Schlafbedürfnis hätten, greife nicht durch. Ein Hungerstreik könne ein Mittel sein, um dem Motto der Versammlung besonderen Nachdruck zu verleihen. Daraus folge aber kein Recht, dass der Hungerstreik möglichst komfortabel durchgeführt werden könne. Sei ein Teilnehmer derart geschwächt, dass er an einer Versammlung unter freiem Himmel nicht mehr teilnehmen könne, müsse er notfalls die Versammlung verlassen.

Zu den unter Nr. 1.17 angeführten Kundgebungsmitteln führte der Senat im Beschluss vom 2. Juli 2012 aus, dass die lange andauernde stationäre Versammlung ohne den zweiten Pavillon praktisch nicht durchführbar sei. Bereits im Beschluss vom 12. April 2012 habe der Senat dargelegt, dass gewichtige Gründe dafür sprächen, dass diese von den Versammlungsteilnehmern gewählte Form der Präsentation und Meinungsäußerung, auf die schwierige Lage der Asylsuchenden und ihren Leidensdruck in der Öffentlichkeit gerade auch über einen längeren Zeitraum mit einer Art Mahnwache besonders aufmerksam zu machen und dabei der interessierten Öffentlichkeit Einblicke und Bilder über ihr tägliches Leben, Unterlagen und Dokumente ihrer Asylverfahren etc. zu bieten und zu erläutern sowie Unterschriftslisten auszulegen, wohl einen wesentlichen, inhaltsbezogenen Bestandteil der Kundgebung bilde und andererseits der Aufstellung von zwei Pavillons entgegenstehende gewichtige öffentliche Interessen weder hinreichend geltend gemacht noch für den Senat sonst ersichtlich seien. Der zweite Pavillon sei neben anderen versammlungsbezogenen Funktionen gerade auch zum Ausruhen der Versammlungsteilnehmer als erforderlich angesehen worden. Das Einlegen von Ruhepausen, das Ausruhen und Schlafen zur Sicherung der effektiven Kundgabe des Anliegens der Versammlungsteilnehmer sei im Gegensatz zum dauernden Nächtigen ausweislich der Nr. 1.16 des angefochtenen Bescheides nicht verboten. Auch die Verfügung der Beklagten, der Pavillon müsse auf allen Seiten durchgehend offen sein, sei rechtlich zu beanstanden.

Die vom Kläger bezüglich der Beschränkungen in Nr. 1.15, Nr. 1.17 und Nr. 1.19 des Bescheids vom 15. Juni 2012 erhobene Fortsetzungsfeststellungsklage wies das Bayerische Verwaltungsgericht Würzburg - bei teilweiser Stattgabe der Klage bezüglich weiterer versammlungsrechtlicher Beschränkungen - mit Urteil vom 14. März 2013 insoweit ab.

Grundsätzlich seien schon Pavillons, die Informationsstände beherbergten, versammlungsrechtlich nicht geschützt. Dies gelte jedenfalls für Informationsstände, die auf einen dauerhaften Betrieb ausgelegt seien, also über die kurzfristige Begleitung einer Demonstration oder Kundgebung hinausgingen. Informationsstände unterfielen grundsätzlich den Vorgaben des Straßen- und Wegerechts bzw. Ortsrechts und genössen keine versammlungsrechtlichen Privilegien. Dies gelte erst recht für einen zweiten Pavillon, der noch nicht einmal für die Unterbringung eines Informationsstandes, sondern zu Aufenthaltszwecken vorgesehen gewesen sei. Der zweite Pavillon sei vom Beginn der Versammlung an primär als Schlaf- und Lagerstätte genutzt worden. Der Aufbau und Betrieb von Zelten und wie Zelte genutzter Pavillons könne nach Art. 15 Abs. 1 Bayerisches Versammlungsgesetz untersagt werden, weil Zelte und wie Zelte genutzte Pavillons vorliegend keine Versammlungsbestandteile gewesen seien. Nichts anderes gelte für die Nutzung von Betten. Es könne zwar in ganz außergewöhnlichen Einzelfällen auch möglich sein, mittels eines oder mehrerer Zelte eine kollektive Aussage zu treffen. Einem solchen Zweck hätten die von den Versammlungsteilnehmern aufgestellten Zelte und der zweite Pavillon jedoch nicht gedient. Eine versammlungsrechtliche Symbolwirkung sei dem Camp aus Pavillons mit Liegeflächen, Igluzelten und zeitweise einem beheizten Versorgungszelt ersichtlich nicht zugekommen. Zelte, Pavillons und Betten seien einer Versammlung unter freiem Himmel grundsätzlich wesensfremd. Vom Versammlungsrecht nicht umfasst sei nämlich das Recht, körperliche Gegenstände wie Zelte oder Wohnwagen mit Inventar in die Versammlung einzubringen. Das Recht auf Versammlungen unter freiem Himmel gewährleiste grundsätzlich noch nicht einmal einen Rechtsanspruch auf das Aufstellen von Sitzgelegenheiten. Auch die Fortsetzung des Hungerstreiks von Versammlungsteilnehmern rechtfertige nicht die Verwendung von Pavillons und Betten. Der Anwendungsbereich des Versammlungsrechts erfasse nicht alle Versammlungen in gleicher Weise, sondern entfalte nach der Art der Versammlung differenzierende Wirkung. Eine Versammlung unter freiem Himmel unterliege anderen tatsächlichen Gegebenheiten und prägenden Strukturen als eine Versammlung in geschlossenen Räumen. Versammlungen unter freiem Himmel seien nur solche, die von ihrer Umgebung nicht durch feste Außenwände abgegrenzt seien. Versammlungen in Zelten oder geschlossenen Pavillons seien Versammlungen in geschlossenen Räumen. Zwar unterfielen auch länger andauernde Versammlungen, etwa Dauermahnwachen oder dergleichen, ohne weiteres dem Schutzzweck des Versammlungsrechts. Das dabei entstehende Bedürfnis nach einem zeitweiligen Schlafen der Versammlungsteilnehmer am Versammlungsort sei aber nicht mehr vom Versammlungsrecht geschützt. Es sei vielmehr Sache der Versammlungsteilnehmer, gegebenenfalls erforderliche Schlafpausen in Wohnräumen abseits des Versammlungsorts zu absolvieren. Lasse man das Schlafen der Versammlungsteilnehmer bei einer Versammlung unter freiem Himmel zu, sei ein dauerhaftes Campieren auf öffentlichen Flächen die nicht zu verhindernde Folge. Mutiere mit zunehmender Verweildauer die Gestaltung der individuellen Lebensverhältnisse zum eigentlichen Medium der Meinungskundgabe, drohe die Paradoxie, dass die durch spezifische Eigentümlichkeiten geprägte Lebensführung der Versammlungsteilnehmer einem permanenten privilegierten Sonderrecht unterstellt werde.

Auf Antrag des Klägers hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 13. Oktober 2014 die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Würzburg vom 14. März 2013, soweit es die Fortsetzungsfeststellungsklage bezüglich der Nr. 1.15, Nr. 1.17 und Nr. 1.19 des Bescheids der Beklagten vom 15. Juni 2012 abgewiesen hat, wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen.

Im Berufungsverfahren beantragt der Kläger,

unter teilweiser Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Würzburg vom 14. März 2013 festzustellen, dass auch die Beschränkungen Nr. 1.15 (Verbot des Aufstellens von Betten), Nr. 1.17 (Beschränkung auf einen Pavillon) und 1.19 (Pavillon muss auf allen Seiten offen sein) im Bescheid der Beklagten vom 15. Juni 2012 rechtswidrig waren.

Das Verwaltungsgericht verkenne die Reichweite der Versammlungsfreiheit. Art. 8 GG enthalte keine zeitliche Beschränkung der Versammlungen. Nach seinem Wortlaut kenne Art. 8 GG ein herkömmliches Bild der Versammlung nicht. Der Begriff der Versammlung sei weit auszulegen. In welcher Form die Versammlungsteilnehmer ihre Meinung kundtun wollten, obliege, solange die Versammlung friedlich bleibe, allein ihnen selbst. Bei der vom Kläger gewählten Form einer Dauermahnwache unter freiem Himmel handle es sich um eine versammlungsrechtlich adäquate Form der Meinungsäußerung. Wenn eine Dauermahnwache aber uneingeschränkt dem Schutz der Versammlungsfreiheit unterliege, dann müssten auch alle für die Durchführung einer solchen Mahnwache erforderlichen Utensilien unter den Schutz der Versammlungsfreiheit fallen, ohne einer straßenrechtlichen Sondernutzungserlaubnis zu bedürfen. Zudem hätten die Versammlungsteilnehmer das Recht, eine Versammlungsform zu wählen, die nach ihrer Meinung ihr Anliegen angemessen zum Ausdruck bringe. Die hierfür erforderlichen Mittel unterfielen ebenfalls der Versammlungsfreiheit. Die zeltähnlichen Pavillons seien ein wesentliches Ausdrucksmittel dessen, was durch die Versammlung der Öffentlichkeit kundgetan werden solle. Die zum Teil offenen, zeltähnlichen Pavillons brächten den Zustand eines unbehausten Campierens, dem die Asylbewerber täglich ausgesetzt seien, adäquat zum Ausdruck. Ein einzelner ordentlicher Pavillon reiche zur Erzeugung dieses Eindrucks nicht aus. Der vom Verwaltungsgericht gerügte Zustand der Versammlung in mehreren Pavillons, Liegeflächen, Igluzelten und beheiztem Versorgungszelt mit Wolldecken und Kissen sei nicht das Ergebnis des Lebensstils unordentlich hausender Asylbewerber, sondern die absichtliche Darstellung der Situation von Flüchtlingen und Asylbewerbern. Gerade dieser Zustand symbolisiere die prekäre Situation der Asylbewerber. Es stehe den Versammlungsteilnehmern auch frei, in welcher Form sie ihre politische Meinung äußern wollten. Sie seien keinesfalls auf schriftliche Aussagen auf Plakaten oder Vorträgen in freier Rede begrenzt. Sie könnten ihr Anliegen auch durch Symbole zum Ausdruck bringen, wie dies vorliegend mit den Pavillons geschehen sei. Eine solche weite Auslegung des Versammlungsbegriffs mache das Versammlungsrecht auch nicht konturlos, denn ersichtlich könne nicht jede politische Meinung durch den symbolischen Nachbau eines Flüchtlingslagers dargestellt werden. Unstreitig dürfte es sein, dass, sofern die Gegenstände wie hier essentieller Bestandteil der demonstrativen Aussage seien, sie eindeutig dem Versammlungsrecht unterfielen und von der Versammlungsfreiheit geschützt würden. Aber nicht nur die Gegenstände, die von essentieller Bedeutung für die Aussage seien, würden vom Versammlungsrecht geschützt. Es sei auch überwiegende Meinung in Literatur und Rechtsprechung, dass bei Mahnwachen ein Witterungsschutz in Form von Planen, Verpflegungs- und Sanitäreinrichtungen versammlungsrechtlich zulässig sei. Durch den Einsatz von Hilfsmitteln werde aus einer Versammlung unter freiem Himmel auch nicht eine Versammlung in geschlossenen Räumen. Die Versammlung habe nicht, wie dies für eine Versammlung in geschlossenen Räumen typisch sei, wesentlich der Selbstverständigung der Teilnehmer untereinander gedient, sondern sie habe von vornherein darauf abgezielt, möglichst viele Menschen anzusprechen. Dieses Anliegen sei durch die Pavillons nicht verhindert, sondern gefördert worden. Sofern eine bestimmte Form einer Veranstaltung grundsätzlich von der Versammlungsfreiheit geschützt werde, müssten auch die zur Durchführung einer solchen Versammlung unbedingt erforderlichen Hilfsmittel geschützt sein. Dies betreffe vorliegend die Pavillons als Witterungsschutz ebenso wie das Recht, zu schlafen und die dafür erforderlichen Schlafstätten, Betten etc. zur Verfügung zu haben. Die Auffassung, dass, wer eine Veranstaltung im Freien durchführe, sich damit der Witterung aussetze, sei sicher zutreffend, könne jedoch nichts daran ändern, dass für eine Dauermahnwache ein gewisser Witterungsschutz erforderlich sei, damit sie überhaupt durchgeführt werden könne. Ein nach allen Seiten offener Pavillon biete keinen ausreichenden Witterungsschutz. Ein teilweiser geschlossener Pavillon sei allein schon zum Schutz der Informationsmaterialien aus Papier und der für die Öffentlichkeitsarbeit heute zwingend notwendigen Computer erforderlich. Die erforderliche Zahl solcher Pavillons richte sich nach der Zahl der Teilnehmer. Vorliegend hätten an der Versammlung im Durchschnitt über 20 Personen teilgenommen. Ein einzelner auch für das Unterstellen des Informationsmaterials genutzter Pavillon sei offensichtlich nicht ausreichend gewesen. Auch das Verbot, Betten aufzustellen, sei rechtswidrig. Es sei nicht zumutbar, dass die Teilnehmer bei der Dauerwache ununterbrochen wach seien. Ebenso könne von ihnen nicht verlangt werden, zum Schlafen nach Hause zu gehen. Die Teilnehmer müssten die Möglichkeit haben, sich auszuruhen. Zum Schlafen benötige man eine Bettstelle.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie ist der Ansicht, Pavillons, die geschlossen und abgetrennt vom eigentlichen Versammlungsgeschehen der privaten Unterbringung der Versammlungsteilnehmer dienten, seien vom Grundrecht der Versammlungsfreiheit nicht umfasst. Das nächtliche Schlafen am Versammlungsort sei weder Kundgebungsmittel noch Ausdruck der Meinungsäußerung der Versammlungsteilnehmer gewesen. Es sei den Versammlungsteilnehmern zuzumuten, zum Schlafen den Versammlungsort zu verlassen. Die Versammlung werde dadurch nicht unterbrochen.

Der Vertreter des öffentlichen Interesses stellt keinen eigenen Antrag. Nach Aktenlage stelle sich jedoch die Frage, ob der zweite Pavillon als wesentliches Ausdrucksmittel für den Versammlungszweck gedient habe. Nach Ansicht des Verwaltungsgerichts sei seine logistische Bedeutung gegenüber der funktionalen und inhaltsbezogenen Bedeutung so stark in den Vordergrund getreten, dass ein versammlungsrechtlicher Schutz ausscheide.

Der Verwaltungsgerichtshof hat am 21. September 2015 über die Berufung mündlich verhandelt. Insoweit wird auf die Sitzungsniederschrift verwiesen.

Ergänzend wird auf die Gerichtsakten dieses Verfahrens und der Verfahren 10 B 14.2242, 10 CS 12.767, 10 CS 12.848, 10 CS 12.1106 und 10 CS 12.1419 in beiden Instanzen und die beigezogenen Behördenakten Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung hat auch in der Sache Erfolg. Die Klage ist zulässig (I.) und entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts in vollem Umfang begründet (II.).

I. Die Klage, die auf die Feststellung gerichtet ist, dass auch die Beschränkungen in Nr. 1.17, soweit darin als Kundgebungsmittel nur ein Pavillon (3 m x 3 m) zugelassen worden ist, und in Nr. 1.15 und Nr. 1.19 des Bescheids der Beklagten vom 15. Juni 2012 rechtswidrig waren, ist zulässig. Sie ist als Fortsetzungsfeststellungsklage gemäß § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO statthaft (1.). Der Kläger war auch nach § 42 Abs. 2 Alt. 1 VwGO klagebefugt (2.). Es liegt darüber hinaus das nach § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO erforderliche berechtigte Interesse an der begehrten Feststellung vor.

1. Die Klage ist als Fortsetzungsfeststellungsklage gemäß § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO statthaft.

In den Fällen einer Anfechtungsklage nach § 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO hebt das Verwaltungsgericht nach § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO den angefochtenen Verwaltungsakt auf, soweit er rechtswidrig ist und den Kläger in seinen Rechten verletzt. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht nach § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO auf Antrag durch Urteil aus, dass der Verwaltungsakt rechtswidrig war, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

Vorliegend haben sich die allein noch streitgegenständlichen Beschränkungen der Versammlung in Nr. 1.15, Nr. 1.17 und Nr. 1.19 des Bescheids der Beklagten vom 15. Juni 2012 nach Klageerhebung, aber vor der Entscheidung des Verwaltungsgerichts erledigt.

Die Beschränkungen stellten jeweils Verwaltungsakte dar. Denn es handelte sich dabei, wie Art. 35 Satz 1 BayVwVfG dies voraussetzt, um Entscheidungen, die die Beklagte zur Regelung eines Einzelfalls, nämlich zur Regelung der vom Kläger für den Zeitraum vom 16. Juni 2012 bis zum 16. August 2012 angezeigten Versammlung, auf dem Gebiet des Versammlungsrechts getroffen hat und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet waren, weil sie für den Kläger als Veranstalter und Versammlungsleiter verbindlich festlegten, dass nur ein Pavillon, der an allen Seiten offen sein musste, errichtet und keine Betten aufgestellt werden durften.

Die angegriffenen Beschränkungen haben sich mit dem Verstreichen des Zeitraums, für den der Bescheid vom 15. Juni 2012 gelten sollte, durch Zeitablauf erledigt und sind dadurch nach Art. 43 Abs. 2 BayVwVfG unwirksam geworden. Erledigung ist erst mit dem Ablauf des letzten Tages dieses Zeitraums am 16. August 2012 eingetreten, weil die Beschränkungen bis zu diesem Zeitpunkt Rechtswirkungen für die Versammlung des Klägers entfalteten. Der Kläger hat noch vor Eintritt der Erledigung innerhalb der Rechtsmittelfrist für den Bescheid vom 15. Juni 2012 am 4. Juli 2012 Anfechtungsklage erhoben.

2. Der Kläger war nach § 42 Abs. 2 Alt. 1 VwGO klagebefugt.

Nach dieser Regelung, die in den Fällen der Fortsetzungsfeststellungsklage entsprechend anwendbar ist (vgl. BayVGH, U. v. 8.3.2010 - 10 B 09.1102, 10 B 0910 B 09.1837 - juris Rn. 23; U. v. 20.3.2015 - 10 B 12.2280 - juris Rn. 31; Wolff in Sodan/Ziekow, VwGO, 4. Aufl. 2014, § 113 Rn. 286), weil die an die Stelle der Anfechtungsklage tretende Fortsetzungsfeststellungsklage einen zum Zeitpunkt der Erledigung des betreffenden Verwaltungsakts bereits vorhandenen Zulässigkeitsmangel nicht zu heilen vermag (vgl. BVerwG, U. v. 23.3.1982 - 1 C 157/79 - juris Rn. 23; Sodan in Sodan/Ziekow, VwGO, 4. Aufl. 2014, § 42 Rn. 375, wo § 42 Abs. 2 VwGO allerdings unmittelbar herangezogen wird), ist die Klage nur zulässig, wenn der Kläger geltend macht, durch den Verwaltungsakt in seinen Rechten verletzt zu sein. Dafür genügt es, dass die behauptete Rechtsverletzung möglich erscheint. Dies ist bereits dann anzunehmen, wenn eine Verletzung eigener subjektiver Rechte des Klägers nicht offensichtlich und eindeutig nach jeder Betrachtungsweise ausgeschlossen ist (st. Rspr.; vgl. etwa BVerwG, U. v. 23.3.1982 - 1 C 157/79 - juris Rn. 23; U. v. 10.7.2001 - 1 C 35/00 - juris Rn. 15 jeweils m. w. N.). Danach ist der Kläger klagebefugt. Denn es erscheint zumindest möglich, dass er durch die streitgegenständlichen Beschränkungen in seinem Recht verletzt ist, sich friedlich und ohne Waffen zu versammeln. Für den Kläger, der iranischer Staatsangehöriger ist, folgt dieses Recht aus seiner allgemeinen Handlungsfreiheit nach Art. 2 Abs. 1 GG sowie aus Art. 11 Abs. 1 Halbsatz 1 Alt. 1 EMRK (vgl. Zeitler, Grundriss des Versammlungsrechts, 2015, S. 27; einschränkend in Bezug auf Art. 2 Abs. 1 GG vgl. Depenheuer in Maunz/Dürig, GG, Stand: 74 Ergänzungslieferung Mai 2015, Art. 8 Rn. 109), nach dem jeder das Recht hat, sich frei und friedlich mit anderen zu versammeln. Darüber hinaus ist dieses Recht einfachgesetzlich durch Art. 1 Abs. 1 BayVersG gewährleistet. Denn danach hat jedermann das Recht, sich friedlich und ohne Waffen öffentlich mit anderen zu versammeln.

Da die Möglichkeit einer Rechtsverletzung für die Bejahung der Klagebefugnis ausreicht, braucht an dieser Stelle noch nicht abschließend entschieden werden, ob die angezeigte Dauerversammlung mit Hungerstreik und sämtlichen in der Anzeige des Klägers genannten Kundgebungsmitteln eine Versammlung i. S. d. genannten Vorschriften darstellt (s.u. II.1.).

3. Der Kläger hat darüber hinaus das nach § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO erforderliche berechtigte Interesse an der Feststellung, dass die angegriffenen Beschränkungen des Bescheids vom 15. Juni 2012 rechtswidrig waren.

Als ein solches Interesse kommt grundsätzlich jedes nach Lage des Falles anzuerkennende schutzwürdige Interesse rechtlicher, wirtschaftlicher oder ideeller Art in Betracht (vgl. BVerwG, B. v. 12.9.1989 - 1 C 40/88 - juris Rn. 10 m.w.N; BayVGH, U. v. 8.3.2010 - 10 B 09.1102, 10 B 0910 B 09.1837 - juris Rn. 25). Insbesondere besteht das erforderliche Feststellungsinteresse, wenn die Gefahr einer Wiederholung besteht. In versammlungsrechtlichen Streitigkeiten setzt dies zum einen die Möglichkeit einer erneuten Durchführung einer vergleichbaren Versammlung durch den Kläger voraus, zum anderen, dass die Behörde voraussichtlich auch zukünftig an ihrer Rechtsauffassung festhalten wird (BVerfG, B. v. 3.3.2004 - 1 BvR 461/03 - juris Rn. 41). Nach der aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung des Senats (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) ist hier auf der Grundlage der genannten Maßstäbe von einer Wiederholungsgefahr auszugehen.

Es besteht zunächst die Möglichkeit, dass der Kläger erneut eine vergleichbare Versammlung durchführt. Denn nach den Darlegungen in der mündlichen Verhandlung und unter Berücksichtigung aller Umstände des Falles besteht erkennbar die Möglichkeit, dass der Kläger auch in Zukunft Versammlungen abhalten wird, die ihrer Art nach zu den gleichen Rechtsproblemen und damit der gleichen Beurteilung ihrer Rechtmäßigkeit führen können, wobei nicht erforderlich ist, dass die möglichen weiteren Versammlungen unter gleichen Umständen, mit einem identischen Motto und am selben Ort durchgeführt werden (vgl. BVerfG, a. a. O., Rn. 42).

Der Kläger lebt noch im Stadtgebiet der Beklagten und ist weiterhin politisch aktiv. Seine Bevollmächtigte hat in der mündlichen Verhandlung vorgetragen, dass immer wieder diskutiert werde, ob die Öffentlichkeit erneut mit einer vergleichbaren Aktion auf die Anliegen, die auch schon Gegenstand der damaligen Veranstaltung gewesen seien, hingewiesen werden solle. Außerdem hat sie darauf hingewiesen, dass sich auch ein Hungerstreik, wenn auch vielleicht mit einer geringeren Zahl an Teilnehmern, jederzeit wiederholen lasse. Vor diesem Hintergrund besteht nach Überzeugung des Verwaltungsgerichtshofs aber erkennbar die Möglichkeit, dass der Kläger erneut eine vergleichbare Versammlung veranstalten und leiten wird, die unter Verwendung von Pavillons über längere Zeit hinweg rund um die Uhr stattfindet und damit hinsichtlich der Zahl der zum Einsatz kommenden Pavillons und ihrer Nutzung sowie bezüglich der Zulässigkeit der Aufstellung von Betten zu den gleichen Rechtsproblemen, wie sie den streitgegenständlichen Bestimmungen in Nr. 1.15, Nr. 1.17 und Nr. 1.19 des Bescheids vom 15. Juni 2012 zugrunde lagen, und zu einer gleichen rechtlichen Beurteilung dieser Probleme durch die Versammlungsbehörde führen kann. Dies gilt umso mehr, als in einer Situation, in der wie gegenwärtig die Asylbewerberzahlen rasch ansteigen, mit dem Auftreten von Problemen zu rechnen ist, die mit denjenigen, die Auslöser der Versammlungen im Jahr 2012 waren, vergleichbar sind. Insbesondere liegt insoweit auf der Hand, dass die steigenden Asylbewerberzahlen zumindest vorübergehend mit einer längeren Dauer der einzelnen Asylverfahren und mit Schwierigkeiten bei der Unterbringung der Betroffenen verbunden sein können.

Ebenso wird die Beklagte nach Überzeugung des Verwaltungsgerichtshofs voraussichtlich auch zukünftig an ihrer Rechtsauffassung festhalten. Denn es ist nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens davon auszugehen, dass sie Beschränkungen der Durchführung weiterer vergleichbarer Versammlungen des Klägers wieder mit den gleichen Gründen rechtfertigen wird (vgl. BVerfG, B. v. 3.3.2004 - 1 BvR 461/03 - juris Rn. 43).

Hinsichtlich der Nr. 1.17 des Bescheids vom 15. Juni 2012, die, soweit sie angegriffen ist, lediglich die Errichtung eines einzigen Pavillons zulässt, folgt dies zunächst daraus, dass der Vertreter der Beklagten in der mündlichen Verhandlung selbst vom Bestehen einer Wiederholungsgefahr ausgegangen ist, weil die Beklagte weiterhin einen zweiten Pavillon nicht als vom Grundrecht der Versammlungsfreiheit geschützt ansehe. Dies gilt in gleicher Weise für die Beschränkungen in Nr. 1.15 und Nr. 1.19 des Bescheids vom 15. Juni 2012. Insoweit hat der Vertreter der Beklagten in der mündlichen Verhandlung erklärt, dass eingebrachte Gegenstände wie Betten nicht mehr mit der Meinungskundgabe in Zusammenhang stünden und daher auch nicht geschützt seien. Zur Beschränkung in Nr. 1.19 hat sich der Vertreter der Beklagten zwar nicht mehr ausdrücklich geäußert. Es wurde aber in der mündlichen Verhandlung hinreichend deutlich, dass die Beklagte jegliche Infrastruktur, die den Versammlungsteilnehmern ermöglicht, sich vom eigentlichen Versammlungsgeschehen abzusondern, weil z. B. in geschlossenen Pavillons übernachtet wird, als nicht mehr vom Schutzbereich des Versammlungsrechts umfasst ansieht.

II. Die Klage ist im noch streitgegenständlichen Umfang auch begründet. Die Beschränkungen in Nr. 1.17, soweit darin als Kundgebungsmittel nur ein Pavillon (3 m x 3 m) zugelassen worden ist, und in Nr. 1.15 und Nr. 1.19 des Bescheids vom 15. Juni 2012 waren im Zeitpunkt ihrer Erledigung rechtswidrig und verletzten den Kläger in seinen Rechten. Es ist deshalb antragsgemäß auszusprechen, dass sie rechtswidrig gewesen sind (§ 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO).

Als Rechtsgrundlage für die streitgegenständlichen Beschränkungen kommt Art. 15 Abs. 1 BayVersG in Betracht, weil es sich bei der vom Kläger angezeigten „Dauerversammlung in der Form des Hungerstreiks“ vom 16. Juni 2012 bis 16. August 2012 um eine öffentliche Versammlung i. S. d. Art. 2 Abs. 1 und 2 BayVersG gehandelt hat (1.). Die Beklagte war für den Erlass der beschränkenden Verfügungen im Bescheid vom 15. Juni 2012 zuständig (2.). Die verfügten, noch streitgegenständlichen Beschränkungen stellen sich jedoch als unverhältnismäßig bzw. ermessensfehlerhaft dar (3.).

1. Versammlungen im Sinne von Art. 8 Abs. 1 GG sind örtliche Zusammenkünfte mehrerer Personen zur gemeinschaftlichen, auf die Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung gerichteten Erörterung oder Kundgebung (vgl. BVerfG, B. v. 24.10.2001 - 1 BvR 1190/90, 1 BvR 2173/93, 1 BvR 433/96 - juris Rn. 41; BVerwG, U. v. 16.5.2007 - 6 C 23/06 - juris Rn. 15). Enthält eine Veranstaltung sowohl Elemente, die auf die Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung gerichtet sind, als auch solche, die diesem Zweck nicht zuzurechnen sind, so ist entscheidend, ob die Veranstaltung ihrem Gesamtgepräge nach eine Versammlung darstellt. Bleiben insoweit Zweifel, so bewirkt der hohe Rang der Versammlungsfreiheit, dass die Veranstaltung wie eine Versammlung behandelt wird (vgl. BVerfG, B. v. 12.7.2001 - 1 BvQ 28/01, 1 BvQ 30/01 - juris Rn. 29; BVerwG, U. v. 16.5.2007 - 6 C 23/06 - juris Rn. 16). Weitgehend übereinstimmend mit diesen Grundsätzen definiert Art. 2 Abs. 1 BayVersG Versammlungen im Sinne des Bayerischen Versammlungsgesetzes als Zusammenkünfte von mindestens zwei Personen zur gemeinschaftlichen, überwiegend auf die Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung gerichteten Erörterung oder Kundgebung.

Legt man dies zugrunde, so stellte sich die vom Kläger angezeigte Veranstaltung nach ihrem Gesamtgepräge aber als Versammlung im Sinne von Art. 2 Abs. 1 BayVersG dar. Denn sie war überwiegend auf die Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung gerichtet. Bei der Frage, welches Gesamtgepräge einer Veranstaltung zukommt, ist zwar zu berücksichtigen, dass die Beteiligten berechtigt sind, selbst darüber zu bestimmen, was sie zum Gegenstand öffentlicher Meinungsbildung machen und welcher Formen der kommunikativen Einwirkung sie sich bedienen wollen. Die rechtliche Einordnung dieses Verhaltens als Versammlung steht aber den dazu berufenen Gerichten zu (BVerfG, B. v. 12.7.2001 - 1 BvQ 28/01, 30/01 - juris Rn. 30).

Zweck der Veranstaltung, die als länger andauernde Versammlung in Form eines Hungerstreiks zum Thema Asylpolitik angezeigt worden war, war es, die Öffentlichkeit auf die Situation von Asylbewerbern in Deutschland aufmerksam zu machen und dadurch auf eine Verbesserung dieser Situation hinzuwirken. Dabei ging es zum einen darum, die Asylverfahren der Teilnehmer am Hungerstreik zu beschleunigen und deren Anerkennung als Asylberechtigte zu erreichen. Zum anderen wurde eine Verbesserung der Situation aller Asylbewerber angestrebt. Insbesondere wurde von der Politik die Abschaffung der Unterbringung von Asylbewerbern in Gemeinschaftsunterkünften, der Residenzpflicht und der Zuteilung von Essenspaketen, eine drastische Verkürzung der Dauer der Antragsbearbeitung durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, die Einführung eines Anspruchs aller Asylbewerber auf Teilnahme an professionellen Deutschkursen und die Möglichkeit gefordert, den Lebensunterhalt durch eigene Arbeit zu sichern.

War damit die vom Kläger angezeigte Veranstaltung aber auf die Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung gerichtet, so steht ihrer Einordnung als Versammlung im Sinne von Art. 2 Abs. 1 BayVersG nicht entgegen, dass in ihrem Rahmen auch Pavillons errichtet worden sind und beibehalten werden sollten, die den Teilnehmern ermöglichten, sich auszuruhen, zu schlafen, Zuflucht vor ungünstigen Witterungsbedingungen zu suchen oder sonst den Aufenthalt am Veranstaltungsort zu erleichtern. Dies betraf nicht nur die hungerstreikenden Versammlungsteilnehmer. Denn ungeachtet dessen stand im Vordergrund der Veranstaltung die beabsichtigte Einflussnahme auf die öffentliche Meinung. Dies gilt nach Überzeugung des Verwaltungsgerichtshofs unabhängig davon, ob - wie der Kläger nunmehr geltend macht - insbesondere durch das Aufstellen der Pavillons auf die prekäre Situation der Asylbewerber in der Gemeinschaftsunterkunft und den dortigen Mangel jeglicher Privatsphäre aufmerksam gemacht werden sollte. Denn auch die Anwesenheit der Teilnehmer am Versammlungsort rund um die Uhr über mehrere Tage hinweg, die ohne die Möglichkeit, sich zum Schutz vor ungünstigen Witterungsbedingungen und zum Ausruhen und Schlafen in die als Kundgebungsmittel vorgesehenen Pavillons begeben zu können, schon rein faktisch nicht gewährleistet gewesen wäre, war geeignet, dem auf die Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung gerichteten Anliegen der Veranstaltung besonderen Nachdruck zu verleihen.

Schließlich steht der Einordnung der vom Kläger angezeigten Veranstaltung in Form eines Hungerstreiks als (Dauer-)Versammlung im Sinne von Art. 2 Abs. 1 BayVersG auch nicht entgegen, dass mit ihr auch die Anerkennung der Veranstaltungsteilnehmer als Asylberechtigte herbeigeführt werden sollte. Zwar schützt die Versammlungsfreiheit nur die Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung, nicht aber die zwangsweise oder sonstige selbsthilfeähnliche Durchsetzung eigener Forderungen (vgl. BVerfG, B. v. 24.10.2001 - 1 BvR 1190/90, 1 BvR 2173/93, 1 BvR 433/96 - juris Rn. 44). Jedoch ging es hier nach Überzeugung des Verwaltungsgerichtshofs nicht in erster Linie darum, die eigenen Forderungen in selbsthilfeähnlicher Weise durchzusetzen. Vielmehr stand im Vordergrund das Bestreben, durch den Hungerstreik und durch die Anwesenheit der Veranstaltungsteilnehmer am Veranstaltungsort rund um die Uhr die Bedeutung dieser Forderungen zu unterstreichen und so Einfluss auf die öffentliche Meinung zu nehmen. Es überwog damit aber gerade der von der Versammlungsfreiheit geschützte Zweck der Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung.

2. Die Beklagte war für den Erlass der streitgegenständlichen Beschränkungen zuständig. Nach Art. 15 Abs. 1 BayVersG kann die zuständige Behörde Versammlungen beschränken oder verbieten, wenn nach den zur Zeit des Erlasses der Verfügung erkennbaren Umständen die öffentliche Sicherheit oder Ordnung bei Durchführung der Versammlung unmittelbar gefährdet ist oder ein Fall des Art. 12 Abs. 1 BayVersG vorliegt. Zuständige Behörde ist nach Art. 24 Abs. 2 Satz 1 BayVersG die Kreisverwaltungsbehörde, ab Beginn der Versammlung die Polizei. Vorliegend verfügte die Beklagte als Kreisverwaltungsbehörde die Beschränkungen vor Beginn der Versammlung am 16. Juni 2012 mit Bescheid vom 15. Juni 2012; sie war damit zuständige Behörde i. S. d. Art. 24 Abs. 2 Satz 1 BayVersG.

Auch wenn seit dem 9. März 2012 im Stadtgebiet der Beklagten schon mehrere Versammlungen zum Thema „Asylrecht“ teilweise verbunden mit einem Hungerstreik stattgefunden hatten, so handelte es sich bei der am 13. Juni 2012 vom Kläger angezeigten Versammlung um eine am 16. Juni 2012 beginnende neue Versammlung. Denn mit seiner nach Art. 13 Abs. 1 Satz 1 BayVersG erforderlichen Anzeige gab der Veranstalter der Versammlungsbehörde zu erkennen, dass ab dem 16. Juni 2012 eine neue, eigenständige Versammlung beginnen wird. Nach Art. 13 Abs. 2 Satz 1 BayVersG sind in der Anzeige nach Art. 13 Abs. 1 Satz 1 BayVersG der Ort der Versammlung, der Zeitpunkt des beabsichtigten Beginns und Endes der Versammlung, das Versammlungsthema und der Veranstalter und der Leiter anzugeben. Die Anmeldung soll die Behörde in die Lage versetzen, organisatorische Vorkehrungen treffen zu können. Nur wenn die Behörde zuvor über Zeitpunkt, Ort und Art der Versammlung unterrichtet wird, ist sie auch in der Lage, den Schutz und die Durchführung der Versammlung zu gewährleiten (Zeitler, Grundriss des Versammlungsrechts, 2015, Rn. 222; Wächtler/Heinhold/Merk, BayVersG, 2011, Art. 13 Rn. 20). Da der Veranstalter das Ende der vorangehenden Versammlung auf dem Dominikanerplatz für den 15. Juni 2012 angezeigt hatte, begann am 16. Juni 2012 mit der beabsichtigten Verlegung des Versammlungsgeschehens an den Vierröhrenbrunnen eine neue Versammlung, weil sich wesentliche Kriterien, nämlich der Versammlungsort und der Zeitraum der Versammlung, geändert hatten und offensichtlich auch der Veranstalter davon ausging, dass eine erneute Abstimmung mit der Versammlungsbehörde über den weiteren Verlauf im Versammlungsgeschehen erforderlich war. Die einzelnen Versammlungen, die aufeinanderfolgend zum Thema „Asylpolitik“ an verschiedenen Orten im Stadtgebiet der Beklagten stattgefunden haben, sind tatsächlich und rechtlich auch nicht deshalb eine Versammlung i. S. d. Art. 13 BayVersG, weil sich die jeweiligen Versammlungszeiträume unmittelbar aneinander angeschlossen hatten. Die jeweiligen Versammlungen unterschieden sich nämlich durch den Versammlungsort, die Zahl der Teilnehmer und auch dadurch, dass zeitweise den politischen Forderungen durch einen Hungerstreik Nachdruck verliehen werden sollte. Die Veranstalter hatten ursprünglich auch nicht geplant, ihren Protest über einen so langen Zeitraum auszudehnen. Sie reihten dann letztlich eine Versammlung an die andere, weil ihr Forderungskatalog von den politisch Verantwortlichen (noch) nicht oder nicht umfassend erfüllt wurde.

3. Nach Art. 15 Abs. 1 BayVersG kann die zuständige Behörde eine Versammlung beschränken oder verbieten, wenn nach den zur Zeit des Erlasses der Verfügung erkennbaren Umständen die öffentliche Sicherheit oder Ordnung bei der Durchführung der Versammlung unmittelbar gefährdet ist. Die in Art. 15 Abs. 1 BayVersG genannten beschränkenden Verfügungen sind keine Nebenbestimmungen zu einem begünstigenden Verwaltungsakt. An diesem fehlt es im Versammlungsrecht angesichts der Erlaubnisfreiheit von Versammlungen (BVerfG, B. v. 21.3.2007 - 1 BvR 232/04) - juris 22). Sie enthalten vielmehr einen eigenständigen Eingriff in die Versammlungsfreiheit, müssen in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Versammlungsgeschehen stehen und darauf abzielen, auch noch solche Versammlungen und Aufzüge zu ermöglichen, die aus Rechtsgründen nicht mehr zugelassen werden könnten, wenn sie nach den ursprünglichen Vorstellungen des Veranstalters durchgeführt würden (Dietel/Gintzel/Kniesel, Versammlungsgesetz, 6. Aufl. 2011, § 15 Rn. 45). Der Begriff der öffentlichen Sicherheit knüpft an die polizeiliche Generalklausel an. Er umfasst die Unverletzlichkeit der Rechtsordnung (BVerfG, U. v. 14.5.1985 - 1 BvR 233/81 - juris Rn. 77), der subjektiven Rechte und Rechtsgüter des einzelnen sowie des Bestandes der Einrichtungen und der Veranstaltungen des Staates oder sonstiger Träger der Hoheitsgewalt. Zur Rechtsordnung gehören Strafgesetze und verwaltungsrechtliche Gebots- und Verbotsnormen. Die Beschränkungen müssen der Abwehr einer unmittelbaren Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung dienen. Eine solche Gefährdung kann sich auch aus der Art und Weise der Durchführung der Versammlung ergeben. Unzulässig sind Beschränkungen, die dem Normzweck widersprechen. Die Beschränkungen nach Art. 15 Abs. 1 BayVersG müssen zudem erforderlich und geeignet sein, die Gefahren zu verhindern, denen sie begegnen sollen und sich auf das zum Schutz höherwertiger Rechtsgüter unbedingt notwendige Maß unter strikter Wahrung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes beschränken (HessVGH, U. v. 26.4.2006 - 5 UE 1567/05 - juris Rn. 32).

Gemessen an diesen Grundsätzen waren die von der Beklagten verfügten Beschränkungen in Nr. 1.15, Nr. 1.17 und Nr. 1.19 des Bescheids vom 15. Juni 2012 aber unverhältnismäßig und damit auch ermessensfehlerhaft. Die Beklagte hat die Bedeutung, die dem Aufstellen des zweiten Pavillons und dem Witterungsschutz durch Planen für die Durchführung der Versammlung zukam, bei ihrer Entscheidung verkannt bzw. nicht hinreichend berücksichtigt (3.1). Zu Nr. 1.15 enthält der Bescheid keinerlei Ausführungen, die erkennen ließen, inwiefern durch das Verbot des Aufstellens von Betten die öffentliche Sicherheit und Ordnung unmittelbar gefährdet worden wäre (3.2).

3.1 Das Aufstellen eines Pavillons auf einem öffentlichen Platz im Gemeindegebiet der Beklagten verstößt zwar gegen deren Sicherheitssatzung (3.1.1). Der Kläger kann sich als Ausländer zumindest auf die einfachgesetzlich gewährleistete Versammlungsfreiheit nach Art. 1 Abs. 1 BayVersG berufen (3.1.2). Auch der zweite Pavillon war zur Durchführung der Versammlung in der angezeigten Form notwendig (3.1.3). Insoweit ist ein am Durchschnittsbetrachter orientierter objektiver Maßstab anzulegen (3.1.4). Die von der Beklagten zur Begründung des Verbots des Aufstellens eines zweiten Pavillons angeführten Erwägungen stellen sich daher als unverhältnismäßig und ermessensfehlerhaft dar (3.1.5). Dasselbe gilt für die Beschränkung in Nr. 1.19, wonach der Pavillon an allen Seiten offen zu halten war (3.1.6).

3.1.1 Nach § 4 Abs. 1 Nr. 2 der Satzung der Beklagten über die Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung in der Stadt Würzburg vom 6. April 2006 (Sicherheitssatzung) ist es zur Vermeidung von Beeinträchtigungen Dritter und zum ordnungsgemäßen Erhalt der Straßen, Wege und Plätze und der öffentlichen Grün- und Erholungsanlagen untersagt, zu nächtigen und zu zelten. Diese Sicherheitssatzung ist Bestandteil der Rechtsordnung, so dass ein Verstoß gegen die in der Sicherheitssatzung geregelten Verbote und Gebote grundsätzlich eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit darstellen kann. Das Aufstellen eines teilweise geschlossenen Pavillons, um dort die Nacht zu verbringen, erfüllt zumindest den Tatbestand des Zeltens, weil auch der Pavillon eine einem Zelt vergleichbare Grundfläche einnimmt, und somit dem Zweck der Satzung, die Funktionsfähigkeit der öffentlichen Straßen und Plätze zu erhalten und Dritte nicht zu beeinträchtigen, entgegensteht.

3.1.2 Allerdings tritt vorliegend der von der Beklagten durch das Aufstellen des Pavillons angenommene Verstoß gegen § 4 Abs. 1 Nr. 2 der Sicherheitssatzung im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung hinter die einfachgesetzlich gewährleistete Versammlungsfreiheit und die grundgesetzlich geschützte allgemeine Handlungsfreiheit zurück. Der Kläger kann sich zwar als iranischer Staatsangehöriger nicht unmittelbar auf Art. 8 Abs. 1 GG, der allen Deutschen das Recht verleiht, sich ohne Anmeldung friedlich und ohne Waffen zu versammeln, berufen. Ausländern steht allein das Auffanggrundrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG und das einfachgesetzliche Recht aus Art. 1 Abs. 1 BayVersG bzw. Art. 11 Abs. 1 EMRK zu (s.o. I. 2.). Denn Art. 1 Abs. 1 BayVersG geht von einem Jedermann-Recht aus. Zudem gewährleistet Art. 113 BV allen Bewohnern Bayerns das Recht, sich ohne besondere Erlaubnis und friedlich und unbewaffnet zu versammeln, so dass dem Schutz der Versammlungsfreiheit für Bewohner Bayerns, auch wenn sie Ausländer sind, Verfassungsrang zukommt und die einfachgesetzlich gewährleistete Versammlungsfreiheit eine verfassungsrechtliche Schutzbereichsverstärkung erfährt.

3.1.3 Liegt wie hier nach dem Gesamtgepräge eine Versammlung vor (s.o. II. 1.), so fallen grundsätzlich sämtliche Bestandteile oder Elemente dieser Versammlung in den Schutzbereich der Versammlungsfreiheit. Dies bedeutet, dass diese Versammlungsbestandteile, auch wenn sie nach anderen Rechtsvorschriften erlaubnispflichtig wären, keiner Erlaubnis nach diesen Rechtsvorschriften bedürfen und insoweit privilegiert werden (zum Verhältnis einer versammlungsrechtlichen Beschränkung zu einer straßenrechtlichen Sondernutzungserlaubnis vgl. VGH BW, B. v. 16.12.1993 - 1 S 1957/93 - juris Rn. 7; BVerwG, U. v. 21.4.1989 - 7 C 50/88 - juris Rn. 15; OVG Berlin-Bbg, B. v. 14.11.2003 - 4 B 365/03 - juris Rn. 18). Außerversammlungsgesetzliche Erlaubnisvorbehalte, die unmittelbar versammlungsbezogene Betätigungen und Verhaltensweisen betreffen, sind suspendiert. Dies ergibt sich aus der aus Art. 1 Abs. 1 BayVersG, Art. 113 BV folgenden prinzipiellen Erlaubnisfreiheit für das Gesamtgeschehen der jeweils aktuellen Versammlung oder Demonstration (Dietel/Gintzel/Kniesel, Versammlungsgesetz, a. a. O., § 15 Rn. 7).

Nach der Rechtsprechung des BVerfG fallen in den Schutzbereich der Versammlungsfreiheit und der dadurch bewirkten Erlaubnisfreiheit des Versammlungsgeschehens nur Veranstaltungen und Aktionen, die durch gemeinsame Kommunikation geprägt sind und auf die Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung zielen (BVerfG, U. v. 24.10.2001 - 1 BvR 1190/90 - juris Rn. 40, B. v. 20. 12. 2012 - 1 BvR 2794/10 - juris Rn. 16, U. v. 22.2.2011 - 1 BvR 699/06 - juris Rn. 63). In diesem Rahmen gewährleistet die Versammlungsfreiheit auch das Recht, selbst zu bestimmen, wann, wo und unter welchen Modalitäten eine Versammlung stattfinden soll, und damit ein Selbstbestimmungsrecht über Ort, Zeitpunkt, Art und Inhalt der Veranstaltung (BVerfG, B. v. 20.12.2012 a. a. O. Rn. 16; U. v. 22.2.2011 a. a. O. Rn. 64; B. v. 14.5.1985 - 1 BvR 233/81 - juris Rn. 61). Das Selbstbestimmungsrecht des Veranstalters ist aber beschränkt, soweit durch die geplante Veranstaltung Rechtsgüter beeinträchtigt zu werden drohen. Hinsichtlich der Modalitäten der Durchführung einer Versammlung ergeben sich die Grenzen der Versammlungsfreiheit aus Art. 15 BayVersG. Gefährdet die Durchführung der Versammlung andere Rechtsgüter, so ist es Aufgabe der Behörde, die wechselseitigen Interessen unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit zum Ausgleich zu bringen. Die Bewertung der gegenläufigen Interessen und ihre Abwägung mit dem Versammlungsinteresse liegt bei der Behörde (BVerfG, B. v. 5.9.2003 - 1 BvQ 32/03 - juris Rn. 22; B. v. 26.1.2001 - 1 BvQ 8/01 - juris Rn. 15).

Bezogen auf Gegenstände oder Hilfsmittel, die in eine Versammlung eingebracht werden sollen, besteht in Literatur und Rechtsprechung jedenfalls weitgehend Einigkeit darüber, dass sie an der durch die Versammlungsfreiheit bewirkten Privilegierung in Bezug auf die Erlaubnisfreiheit teilnehmen, wenn sie funktionale Bedeutung für die Durchführung der Veranstaltung haben (Dietel/Gintzel/Kniesel, Versammlungsgesetz, a. a. O., § 1 Rn. 60) oder sie zur Verwirklichung des Versammlungszweck wesensnotwendig sind (Schneider in BeckOK, GG, Stand 1.6.2015, Art. 8 Rn. 179). Art. 8 GG schützt auch „infrastrukturelle“ Ergänzungen der Veranstaltung in Form von Informationsständen, Sitzgelegenheiten, Imbissständen oder auch Zelten, sofern sie funktional versammlungsspezifisch eingesetzt werden (Schulze-Fielitz in Dreier, Grundgesetz, 3. Aufl. 2013, Art. 8 Rn. 34). Nicht in den Schutzbereich von Art. 8 GG fallen infrastrukturelle Begleitaktivitäten, wenn sie über die eigene Versammlungsaktivität hinausgehen, ohne für diese notwendig zu sein (Depenheuer in Maunz/Dürig, Grundgesetzkommentar, Stand 2014, Art. 8 Rn. 72). Die Rechtsprechung ordnet die Begleiterscheinungen einer Versammlung nur dann dem Schutzbereich der Versammlungsfreiheit zu, wenn die jeweils in Rede stehenden Gegenstände und Hilfsmittel zur Verwirklichung des Versammlungszwecks funktional oder symbolisch für die kollektive Meinungskundgabe wesensnotwendig sind (OVG Berlin-Bbg, B. v. 16.8.2012 - OVG 1 S 108.12 - juris 8), wenn es sich dabei um notwendige Bestandteile der Versammlung handelt, ohne die eine gemeinsame Meinungsbildung und Meinungsäußerung nicht möglich ist (VG Frankfurt, B. v. 6.8.2012 - 5 L 2558/12.F - juris Rn. 43), wenn sie inhaltlich in hinreichendem Zusammenhang mit der Durchführung der Versammlung stehen und einen spezifischen Bezug zum Versammlungsthema aufweisen (BVerfG, B. v. 26.6.2014 - 1 BvR 2135/09 - NVwZ 2014, 1453), ihnen eine funktionale oder symbolische Bedeutung für das Versammlungsthema zukommt und sie einen erkennbaren inhaltlichen Bezug zur Meinungskundgabe aufweisen (BayVGH, B. v. 12.4.2012 - 10 CS 12.767 - juris Rn. 10; B. v.20.4.2012 - 10 CS 12.845 - juris Rn. 845) oder wenn nur unter ihrer Verwendung die Versammlung zweckentsprechend durchgeführt werden kann (BayVGH, B. v. 1.7.1995 - 21 CS 95.2131 - BeckRS 1995, 15373).

3.1.4 Ob bestimmte Gegenstände, die von den Veranstaltern der Versammlung zur Durchführung der Versammlung als notwendig erachtet werden und damit funktional-spezifisch versammlungsbezogen sind und einen Bezug zur gewählten Form der Versammlung haben, ist von der Behörde nach einem objektiven Maßstab zu beurteilen. Grundlage für diese Beurteilung ist das Vorbringen der Veranstalter. Sie legen gegenüber der Versammlungsbehörde dar, welche Gegenstände sie zur Durchführung der Versammlung in der geplanten Form benötigen. Für die Zugrundelegung eines am Durchschnittsbetrachter orientierten Maßstabs spricht folgendes: Auch bei der Entscheidung darüber, ob überhaupt eine Versammlung vorliegt, richtet sich die rechtliche Beurteilung danach, ob sich die Veranstaltung aus der Sicht des durchschnittlichen Betrachters als Versammlung darstellt, und ob der Veranstalter sein Konzept schlüssig dargelegt hat (BVerwG, U. v. 22.8.2007 - 6 C 22.06 - juris Rn. 14, 17). Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG, B. v. 24.10.2001 - 1 BvR 1190/90 - juris Rn. 45) spricht ebenfalls davon, dass es bei der Beurteilung, ob es sich bei einer Blockadeaktion noch um eine Kundgebung handelt, die unter den Schutz des Art. 8 GG fällt, oder um eine selbsthilfeähnliche Durchsetzung eigener Forderungen, darauf ankommt, dass der Veranstalter der Versammlung substantiiert darlegt, dass die Aktion auch einen an die Öffentlichkeit gerichteten Kommunikationszweck verfolgt habe. Wenn somit schon bei der Einordnung eines Geschehens als Versammlung eine Überprüfung des vom Veranstalter vorgelegten Konzepts anhand objektiver Kriterien erfolgt, ist es nur konsequent, dass die Versammlungsbehörde auch überprüft, ob bestimmte Gegenstände, die in die Versammlung eingebracht werden sollen, für die Durchführung der Versammlung in der gewählten Form funktional oder symbolisch eingesetzt werden. Denn schließlich wird das durch Art. 1 Abs. 1 BayVersG geschützte Versammlungsgeschehen insoweit privilegiert, als sämtliche mit dem Versammlungsgeschehen in Zusammenhang stehenden „Bestandteile“ keiner etwaigen nach spezialgesetzlichen Regelungen erforderlichen Erlaubnis bedürfen. Ein Widerspruch zum Selbstbestimmungsrecht des Veranstalters über Ort, Zeitpunkt sowie Art und Inhalt bzw. die Form der Versammlung liegt darin nicht, weil die Behörde insoweit lediglich prüft, ob die vom Veranstalter angezeigten Hilfsmittel (hier: Pavillons und Betten) die für die Durchführung der geplanten Form der Versammlung (Dauerversammlung) erforderliche funktionale oder symbolische Bedeutung haben, dem Veranstalter aber nicht die Form seiner Versammlung vorgibt.

3.1.5 Die von der Beklagten verfügte Beschränkung, dass nur ein Pavillon aufgestellt werden darf, erweist sich danach bereits deshalb als rechtswidrig, weil die Beklagte bei der Bewertung ihres Interesses an der Einhaltung der Bestimmungen der Sicherheitssatzung und der gegenläufigen Interessen der Versammlungsteilnehmer zu Unrecht davon ausgegangen ist, dass der zweite Pavillon nicht in funktionalem Zusammenhang mit dem Versammlungszweck steht. Wie der Senat bereits in seinem Beschluss vom 12. April 2012 (10 CS 12.767 - juris) ausgeführt hat, hatte das Aufstellen eines oder mehrerer Pavillons für die vom Kläger angemeldete Dauerversammlung mit Unterschriftenlisten, Dokumenten und Diskussionsrunden diese funktionale Bedeutung für das Versammlungsthema. Die Versammlungsteilnehmer verblieben über einen längeren Zeitraum, auch nachts, am Versammlungsort, so dass es ihnen auch möglich sein musste, sich auszuruhen oder zu schlafen, um eine effektive Kundgabe ihres Anliegens zu gewährleisten. Dies schloss auch das Schlafen in den errichteten Pavillons nicht aus. An dieser Einschätzung hat sich auch für die hier streitgegenständliche Versammlung nichts geändert. Laut Versammlungsanzeige vom 13. Juni 2012 bestand die Kerngruppe aus dreizehn Protestierenden. Zwanzig Personen hatten sich bereit erklärt, am Hungerstreik teilzunehmen. Die Kundgabeform als Dauerversammlung mit Plakaten, Unterschriftslisten, Diskussionen hatte sich seit Beginn der Aktion im März 2012 im hier streitgegenständlichen Zeitraum nicht wesentlich verändert. Es liegt auf der Hand, dass für die zur Meinungskundgabe genutzten Kommunikationsmittel und für den zum witterungsgeschützten Ausruhen erforderlichen Platz bei der angezeigten Teilnehmerzahl ein Pavillon mit einer Grundfläche von 9 m² nicht ausreichend ist. Auch wenn die Versammlungsteilnehmer einen Pavillon überwiegend zum Schlafen und Ausruhen und den anderen zur Unterbringung von Tischen und Stühlen für die Diskussion und Information genutzt haben, verlor der erstgenannte Pavillon dadurch nicht den Bezug zum Versammlungszweck. Auch er blieb Teil des Versammlungsgeschehens und war für die kollektive Meinungskundgabe allein aufgrund der angezeigten Teilnehmerzahl und der gewählten Versammlungsform funktional notwendig, weil sonst die Versammlungsteilnehmer ihren Protest und ihre Meinungskundgabe nicht hätten dauerhaft „auf der Straße“ durchführen können. Es kann bei zwei aneinandergebauten Pavillons keinen entscheidungserheblichen Unterschied in ihrer Bedeutung für das Versammlungsgeschehen machen, wenn in einem Pavillon tatsächlich nur geschlafen und im anderen nur diskutiert wird oder beide sowohl zum Ausruhen als auch zum öffentlichen Diskutieren genutzt werden. Es kommt vielmehr entscheidend darauf an, ob für die von den Versammlungsteilnehmern gewählte Kundgabeform und die Zahl der Versammlungsteilnehmer die von den Pavillons überdachte Fläche zur Verwirklichung des Versammlungszwecks funktional oder symbolisch eingesetzt worden ist. Nicht maßgeblich ist entgegen der Auffassung der Beklagten daher, dass der zweite Pavillon nach ihren Beobachtungen ausschließlich zum Ausruhen und Schlafen sowie zur Lagerung von Gegenständen benutzt worden war, während sich die Diskussionen und Informationen auf den ersten Pavillon beschränkten.

Da die Beklagte somit das Interesse der Versammlungsteilnehmer an der Aufstellung eines zweiten Pavillons als nicht in Zusammenhang mit der kollektiven Meinungskundgabe stehend bewertet hat, hat sie das Interesse der Versammlungsteilnehmer nur mit einer unzureichenden Gewichtung in ihre Abwägungsentscheidung eingestellt.

Selbst wenn man zugunsten der Beklagten davon ausginge, sie habe erkannt, dass auch der zweite Pavillon eine funktionale Bedeutung für die angezeigte Versammlung habe, so erweist sich die verfügte Beschränkung als unverhältnismäßig, weil die von der Beklagten angestellten Erwägungen, wonach ein Verstoß gegen die Sicherheitssatzung vorliege, der Zugang zu den anliegenden Gewerbebetrieben behindert würde und den Versammlungsteilnehme bereits auseichend Zeit zur Kundgabe ihrer Anliegen zur Verfügung gestellt worden sei, das Interesse der Versammlungsteilnehmer, einen zweiten Pavillon aufzustellen, um die Versammlung ihren Vorstellungen entsprechend durchführen zu können, nicht hinreichend gewichtet hat. Sie hat insbesondere keine Erwägungen dahingehend angestellt, ob nicht durch eine örtliche Verschiebung der Pavillons am Versammlungsort oder einen Wechsel des Versammlungsorts eventuelle Beeinträchtigungen für Dritte hätten reduziert werden können. Auch die von der Beklagten angeführte Überlegung, dass die Versammlungsteilnehmer bereits genügend Zeit gehabt hätten, ihr Anliegen darzustellen, führte nicht ohne weiteres dazu, dass ihr Recht, sich zu versammeln und entsprechend dem Versammlungszweck zwei Pavillons aufzustellen, schon hinter das Zelt- und Nächtigungsverbot der Sicherheitssatzung hätte zurücktreten müssen, wenn nicht gerade in der Dauer des Verstoßes gegen die Sicherheitssatzung eine zusätzliche erhebliche Beeinträchtigung der öffentlichen Sicherheit gelegen hätte.

3.1.6 Auch die Beschränkung in Nr. 1.19 des Bescheids vom 15. Juni 2012, den Pavillon auf allen Seiten offen zu halten, ist ermessensfehlerhaft. In den Gründen des Bescheids finden sich auch keine weiteren Ausführungen zu dieser Beschränkung. Die Beklagte ging wohl davon aus, dass ein geschlossener Pavillon nicht spezifisch versammlungsbezogen sei, weil durch das Verhängen der Eingänge des Pavillons eine Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung ausgeschlossen gewesen sei. Dabei verkannte die Beklagte, dass bei Dauerversammlungen zum Schutz der Kundgebungsmittel und der Versammlungsteilnehmer vor Nässe und Wind auch das (teilweise) Verhängen der Pavillons mit Planen zur weiteren Durchführung der Versammlung notwendig war, weil ansonsten bei entsprechenden Witterungsbedingungen die Versammlung hätte abgebrochen werden müssen. Dies hat der Senat bereits in seiner Entscheidung vom 2. Juli 2012 (10 CS 12.1419 - juris Rn. 32) klargestellt. Daran hält er auch nach wie vor fest.

3.2 Die Beschränkung in Nr. 1.15 des Bescheids vom 15. Juni 2012, wonach keine Betten aufgestellt werden dürfen, war ebenfalls rechtswidrig. Auch diese Regelung war ermessensfehlerhaft und unverhältnismäßig. Die Beklagte hat zum Nächtigungsverbot in Nr. 1.16 des Bescheids vom 15. Juni 2012 und zum Verbot des Aufstellens von Betten in den Gründen ausgeführt, dass das Nächtigen gegen § 4 Abs. 2 Nr. 1 der Sicherheitssatzung verstoße. Das Übernachten hätte nicht die Meinungskundgabe zum Ziel gehabt. Das Aufstellen von Betten sei zu untersagen gewesen, weil diese ausschließlich dem Zweck des dauerhaften Nächtigens gedient hätten. Dem Verbot, Betten aufzustellen, kommt aber nach Auffassung des Senats unabhängig vom Verbot des Nächtigens, das der Kläger hat bestandskräftig werden lassen, bezogen auf den Versammlungszweck, nämlich über einen längeren Zeitraum unterbrochen am Versammlungsort präsent zu sein, um den Forderungen der Versammlungsteilnehmer Nachdruck zu verleihen, eine über das Nächtigungsverbot hinausgehende Bedeutung zu. Der Senat hat bereits im Beschluss vom 12. April 2012 (10 CS 12.767 - juris Rn. 12) erläutert, dass die dauernde Anwesenheit am Versammlungsort zwangsläufig ein Bedürfnis nach Ruhepausen nach sich zieht. Wenn sich die Versammlungsteilnehmer also am Versammlungsort z. B. nur ausruhen (auch tagsüber), steht das Aufstellen eines Bettes zu diesem Zweck in funktionalem Zusammenhang mit dem Versammlungsgeschehen. Es kann offen bleiben, ob das Aufstellen eines Bettes per se bereits gegen die Sicherheitssatzung der Beklagten verstoßen hat oder straßenrechtlich erlaubnispflichtig gewesen wäre. Denn die Beklagte hat bei ihrer Entscheidung über die Beschränkung das Aufstellen von Betten lediglich unter dem Aspekt des Nächtigens gewürdigt und nicht berücksichtigt, dass Betten auch dem Ausruhen dienen und daher einen hinreichend funktionalen Bezug zum konkreten Versammlungsgeschehen aufweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit stützt sich auf § 167 Abs. 2 und § 167 Abs. 1 Satz 1 VwGO in Verbindung mit § 708 Nr. 10, § 709 Satz 2 und § 711 Satz 1 und 2 ZPO.

Die Revision ist zuzulassen, weil die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat(§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).

Rechtsmittelbelehrung

Nach § 139 VwGO kann die Revision innerhalb eines Monats nach Zustellung dieser Entscheidung beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof (in München Hausanschrift: Ludwigstraße 23, 80539 München; Postfachanschrift: Postfach 34 01 48, 80098 München; in Ansbach: Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach) eingelegt werden. Die Revision muss die angefochtene Entscheidung bezeichnen. Sie ist spätestens innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieser Entscheidung zu begründen. Die Begründung ist beim Bundesverwaltungsgericht, Simsonplatz 1, 04107 Leipzig (Postfachanschrift: Postfach 10 08 54, 04008 Leipzig), einzureichen. Die Revisionsbegründung muss einen bestimmten Antrag enthalten, die verletzte Rechtsnorm und, soweit Verfahrensmängel gerügt werden, die Tatsachen angeben, die den Mangel ergeben.

Vor dem Bundesverwaltungsgericht müssen sich die Beteiligten, außer in Prozesskostenhilfeverfahren, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht eingeleitet wird. Als Prozessbevollmächtigte zugelassen sind neben Rechtsanwälten und Rechtslehrern an den in § 67 Abs. 2 Satz 1 VwGO genannten Hochschulen mit Befähigung zum Richteramt nur die in § 67 Abs. 4 Satz 4 VwGO und in §§ 3, 5 RDGEG bezeichneten Personen. Für die in § 67 Abs. 4 Satz 5 VwGO genannten Angelegenheiten (u. a. Verfahren mit Bezügen zu Dienst- und Arbeitsverhältnissen) sind auch die dort bezeichneten Organisationen und juristischen Personen als Bevollmächtigte zugelassen. Sie müssen in Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht durch Personen mit der Befähigung zum Richteramt handeln.

[73] Beschluss:

Unter Abänderung des Beschlusses des Bayerischen Verwaltungsgerichts Würzburg vom 14. März 2013 wird der Streitwert für beide Rechtszüge auf jeweils 5.000 Euro festgesetzt (§ 63 Abs. 2 Satz 1 und Abs. 3 Satz 1, § 47 Abs. 1, § 52 Abs. 2 GKG).

(1) Alle Deutschen haben das Recht, sich ohne Anmeldung oder Erlaubnis friedlich und ohne Waffen zu versammeln.

(2) Für Versammlungen unter freiem Himmel kann dieses Recht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes beschränkt werden.

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

(1) Alle Deutschen haben das Recht, Beruf, Arbeitsplatz und Ausbildungsstätte frei zu wählen. Die Berufsausübung kann durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes geregelt werden.

(2) Niemand darf zu einer bestimmten Arbeit gezwungen werden, außer im Rahmen einer herkömmlichen allgemeinen, für alle gleichen öffentlichen Dienstleistungspflicht.

(3) Zwangsarbeit ist nur bei einer gerichtlich angeordneten Freiheitsentziehung zulässig.

(1) Das Eigentum und das Erbrecht werden gewährleistet. Inhalt und Schranken werden durch die Gesetze bestimmt.

(2) Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.

(3) Eine Enteignung ist nur zum Wohle der Allgemeinheit zulässig. Sie darf nur durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes erfolgen, das Art und Ausmaß der Entschädigung regelt. Die Entschädigung ist unter gerechter Abwägung der Interessen der Allgemeinheit und der Beteiligten zu bestimmen. Wegen der Höhe der Entschädigung steht im Streitfalle der Rechtsweg vor den ordentlichen Gerichten offen.

Gründe

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof München

10 B 14.2246

Im Namen des Volkes

Urteil

vom 22. September 2015

(VG Würzburg, Entscheidung vom 14. März 2013, Az.: W 5 K 12.555)

10. Senat

Sachgebietsschlüssel: 512

Hauptpunkte: Fortsetzungsfeststellungsklage; berechtigtes Interesse; Wiederholungsgefahr; versammlungsrechtliche Beschränkungen; Versammlung mit Hungerstreik; Einbringen von Gegenständen in die Versammlung; funktionaler Bezug zur gewählten Form der Versammlung; objektiver Maßstab

Rechtsquellen:

Leitsätze:

In der Verwaltungsstreitsache

...,

gegen

Stadt Würzburg,

vertreten durch den Oberbürgermeister, Domstr. 1, Würzburg,

- Beklagte -

beteiligt:

Landesanwaltschaft Bayern als Vertreter des öffentlichen Interesses, Ludwigstr. 23, München,

wegen versammlungsrechtlicher Beschränkungen;

hier: Berufung des Klägers gegen das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts Würzburg vom 14. März 2013,

erlässt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, 10. Senat, durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgerichtshof Senftl, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Dr. Martini, die Richterin am Verwaltungsgerichtshof Zimmerer aufgrund mündlicher Verhandlung vom 21. September 2015 am 22. September 2015

folgendes

Urteil:

I.

Unter teilweiser Abänderung des Urteils des Bayerischen Verwaltungsgerichts Würzburg vom 14. März 2013 wird festgestellt, dass auch die Beschränkungen in Nr. 1.15 (Verbot des Aufstellens von Betten), 1.17 (Beschränkung auf einen Pavillon) und Nr. 1.19 (Pavillon muss auf allen Seiten offen sein) im Bescheid der Beklagten vom 15. Juni 2012 rechtswidrig waren.

II.

Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.

III.

Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

IV.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Mit seiner Berufung verfolgt der Kläger seine Fortsetzungsfeststellungsklage gegen die in Nr. 1.15, Nr. 1.17 und Nr. 1.19 des Bescheids der Beklagten vom 15. Juni 2012 verfügten versammlungsrechtlichen Beschränkungen für eine Dauerversammlung zum Thema Asylrecht vom 16. Juni 2012 bis einschließlich 16. August 2012 in W. weiter.

Unter dem 13. Juni 2012 meldete der Kläger bei der Beklagten die Durchführung einer „Dauerversammlung zum Thema Asylrecht in der Form des Hungerstreiks rund um die Uhr vom 16. Juni 2012 bis einschließlich 16. August 2012“ an. Mit Bescheid vom 15. Juni 2012 setzte die Beklagte u. a. folgende Beschränkungen fest:

Nr. 1.15 Das Aufstellen von Betten ist untersagt.

Nr. 1.17 Als Kundgebungsmittel sind zugelassen:

- Maximal sechs Stühle, die klapp-, stapelbar sein sollen,

- ein Tisch, in einer Größe von maximal 2 x 0,5 m für die Auslage von Infomaterial, Unterschriftslisten,

- ein Pavillon (3 x 3 m),

- Plakate,

- Bilder.

Bilder und Plakate dürfen an einzelnen Seiten des Pavillons nicht den Eindruck der völligen Geschlossenheit erzeugen.

Nr. 1.19 Der Pavillon muss auf allen Seiten offen sein.

Zur Begründung dieser Beschränkungen führte die Beklagte im Bescheid vom 15. Juni 2012 im Wesentlichen an, dass das Nächtigen auf öffentlichen Flächen in konsequenter Anwendung des § 4 Abs. 1 Nr. 2 ihrer Sicherheitssatzung zu untersagen gewesen sei. Das Übernachten in den Zelten habe nicht die Meinungskundgabe zum Ziel. Seit Beginn der Veranstaltung erfolgten die Meinungskundgabe und das Platzieren der Thematik durch Plakate, Transparente, Diskussionen, Interviews, Bilder und Schriften. Eine Übernachtung sei hierfür nicht notwendig. Im Übrigen werde auf den Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 12. April 2012 (10 CS 12.767) verwiesen. In konsequenter Umsetzung dieser Überlegungen, gesehen im Lichte der Situation vor Ort seit dem 13. April 2012, seien bei den Kundgebungsmitteln die bisherigen zwei Pavillons in Ziffer 1.17 auf einen Pavillon zu reduzieren, der nach Ziffer 1.19 dauerhaft an allen Seiten geöffnet sein müsse. Der zweite Pavillon diene seit dem 13. April 2012 weder dem konkreten Versammlungszweck noch der damit verbundenen kollektiven Aussage der Teilnehmer. Dies ergebe sich bereits daraus, dass der zweite Pavillon seit dem Umzug auf den Unteren Markt zunächst durchgehend geschlossen gewesen sei. In diesem Bereich erfolge keine Meinungskundgabe.

Der Antrag des Klägers auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung einer noch zu erhebenden Klage u. a. gegen die in Nr. 1.15, Nr. 1.17 und Nr. 1.19 des Bescheids vom 15. Juni 2012 verfügten Beschränkungen wurde vom Verwaltungsgericht Würzburg abgelehnt. Mit Beschluss vom 2. Juli 2012 ordnete der Bayerische Verwaltungsgerichtshof die aufschiebende Wirkung der noch zu erhebenden Klage gegen die Nr. 1.15, Nr. 1.17 und Nr. 1.19 des Bescheids vom 15. Juni 2012 mit den in den Gründen dargelegten Maßgaben an.

Zum Aufstellen der Betten (Nr. 1.15) führte der Senat aus, dass die Beklagte jegliches Aufstellen von Betten im angefochtenen Bescheid untersagt habe, der Kläger dagegen geltend mache, dass bei einer Versammlung rund um die Uhr ein zeitweiliges Ausruhen oder Schlafen der Versammlungsteilnehmer für die effektive Grundrechtswahrnehmung unabdingbar sei. Der Senat sei der Auffassung, dass drei Betten ausreichten, um das Ruhebedürfnis der Versammlungsteilnehmer zu befriedigen. Auf ein gemeinsames gleichzeitiges Nächtigen hätten die Versammlungsteilnehmer keinen Anspruch. Auch der Hinweis des Klägers darauf, dass Versammlungsteilnehmer während des Hungerstreiks ein erhöhtes Schlafbedürfnis hätten, greife nicht durch. Ein Hungerstreik könne ein Mittel sein, um dem Motto der Versammlung besonderen Nachdruck zu verleihen. Daraus folge aber kein Recht, dass der Hungerstreik möglichst komfortabel durchgeführt werden könne. Sei ein Teilnehmer derart geschwächt, dass er an einer Versammlung unter freiem Himmel nicht mehr teilnehmen könne, müsse er notfalls die Versammlung verlassen.

Zu den unter Nr. 1.17 angeführten Kundgebungsmitteln führte der Senat im Beschluss vom 2. Juli 2012 aus, dass die lange andauernde stationäre Versammlung ohne den zweiten Pavillon praktisch nicht durchführbar sei. Bereits im Beschluss vom 12. April 2012 habe der Senat dargelegt, dass gewichtige Gründe dafür sprächen, dass diese von den Versammlungsteilnehmern gewählte Form der Präsentation und Meinungsäußerung, auf die schwierige Lage der Asylsuchenden und ihren Leidensdruck in der Öffentlichkeit gerade auch über einen längeren Zeitraum mit einer Art Mahnwache besonders aufmerksam zu machen und dabei der interessierten Öffentlichkeit Einblicke und Bilder über ihr tägliches Leben, Unterlagen und Dokumente ihrer Asylverfahren etc. zu bieten und zu erläutern sowie Unterschriftslisten auszulegen, wohl einen wesentlichen, inhaltsbezogenen Bestandteil der Kundgebung bilde und andererseits der Aufstellung von zwei Pavillons entgegenstehende gewichtige öffentliche Interessen weder hinreichend geltend gemacht noch für den Senat sonst ersichtlich seien. Der zweite Pavillon sei neben anderen versammlungsbezogenen Funktionen gerade auch zum Ausruhen der Versammlungsteilnehmer als erforderlich angesehen worden. Das Einlegen von Ruhepausen, das Ausruhen und Schlafen zur Sicherung der effektiven Kundgabe des Anliegens der Versammlungsteilnehmer sei im Gegensatz zum dauernden Nächtigen ausweislich der Nr. 1.16 des angefochtenen Bescheides nicht verboten. Auch die Verfügung der Beklagten, der Pavillon müsse auf allen Seiten durchgehend offen sein, sei rechtlich zu beanstanden.

Die vom Kläger bezüglich der Beschränkungen in Nr. 1.15, Nr. 1.17 und Nr. 1.19 des Bescheids vom 15. Juni 2012 erhobene Fortsetzungsfeststellungsklage wies das Bayerische Verwaltungsgericht Würzburg - bei teilweiser Stattgabe der Klage bezüglich weiterer versammlungsrechtlicher Beschränkungen - mit Urteil vom 14. März 2013 insoweit ab.

Grundsätzlich seien schon Pavillons, die Informationsstände beherbergten, versammlungsrechtlich nicht geschützt. Dies gelte jedenfalls für Informationsstände, die auf einen dauerhaften Betrieb ausgelegt seien, also über die kurzfristige Begleitung einer Demonstration oder Kundgebung hinausgingen. Informationsstände unterfielen grundsätzlich den Vorgaben des Straßen- und Wegerechts bzw. Ortsrechts und genössen keine versammlungsrechtlichen Privilegien. Dies gelte erst recht für einen zweiten Pavillon, der noch nicht einmal für die Unterbringung eines Informationsstandes, sondern zu Aufenthaltszwecken vorgesehen gewesen sei. Der zweite Pavillon sei vom Beginn der Versammlung an primär als Schlaf- und Lagerstätte genutzt worden. Der Aufbau und Betrieb von Zelten und wie Zelte genutzter Pavillons könne nach Art. 15 Abs. 1 Bayerisches Versammlungsgesetz untersagt werden, weil Zelte und wie Zelte genutzte Pavillons vorliegend keine Versammlungsbestandteile gewesen seien. Nichts anderes gelte für die Nutzung von Betten. Es könne zwar in ganz außergewöhnlichen Einzelfällen auch möglich sein, mittels eines oder mehrerer Zelte eine kollektive Aussage zu treffen. Einem solchen Zweck hätten die von den Versammlungsteilnehmern aufgestellten Zelte und der zweite Pavillon jedoch nicht gedient. Eine versammlungsrechtliche Symbolwirkung sei dem Camp aus Pavillons mit Liegeflächen, Igluzelten und zeitweise einem beheizten Versorgungszelt ersichtlich nicht zugekommen. Zelte, Pavillons und Betten seien einer Versammlung unter freiem Himmel grundsätzlich wesensfremd. Vom Versammlungsrecht nicht umfasst sei nämlich das Recht, körperliche Gegenstände wie Zelte oder Wohnwagen mit Inventar in die Versammlung einzubringen. Das Recht auf Versammlungen unter freiem Himmel gewährleiste grundsätzlich noch nicht einmal einen Rechtsanspruch auf das Aufstellen von Sitzgelegenheiten. Auch die Fortsetzung des Hungerstreiks von Versammlungsteilnehmern rechtfertige nicht die Verwendung von Pavillons und Betten. Der Anwendungsbereich des Versammlungsrechts erfasse nicht alle Versammlungen in gleicher Weise, sondern entfalte nach der Art der Versammlung differenzierende Wirkung. Eine Versammlung unter freiem Himmel unterliege anderen tatsächlichen Gegebenheiten und prägenden Strukturen als eine Versammlung in geschlossenen Räumen. Versammlungen unter freiem Himmel seien nur solche, die von ihrer Umgebung nicht durch feste Außenwände abgegrenzt seien. Versammlungen in Zelten oder geschlossenen Pavillons seien Versammlungen in geschlossenen Räumen. Zwar unterfielen auch länger andauernde Versammlungen, etwa Dauermahnwachen oder dergleichen, ohne weiteres dem Schutzzweck des Versammlungsrechts. Das dabei entstehende Bedürfnis nach einem zeitweiligen Schlafen der Versammlungsteilnehmer am Versammlungsort sei aber nicht mehr vom Versammlungsrecht geschützt. Es sei vielmehr Sache der Versammlungsteilnehmer, gegebenenfalls erforderliche Schlafpausen in Wohnräumen abseits des Versammlungsorts zu absolvieren. Lasse man das Schlafen der Versammlungsteilnehmer bei einer Versammlung unter freiem Himmel zu, sei ein dauerhaftes Campieren auf öffentlichen Flächen die nicht zu verhindernde Folge. Mutiere mit zunehmender Verweildauer die Gestaltung der individuellen Lebensverhältnisse zum eigentlichen Medium der Meinungskundgabe, drohe die Paradoxie, dass die durch spezifische Eigentümlichkeiten geprägte Lebensführung der Versammlungsteilnehmer einem permanenten privilegierten Sonderrecht unterstellt werde.

Auf Antrag des Klägers hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 13. Oktober 2014 die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Würzburg vom 14. März 2013, soweit es die Fortsetzungsfeststellungsklage bezüglich der Nr. 1.15, Nr. 1.17 und Nr. 1.19 des Bescheids der Beklagten vom 15. Juni 2012 abgewiesen hat, wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen.

Im Berufungsverfahren beantragt der Kläger,

unter teilweiser Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Würzburg vom 14. März 2013 festzustellen, dass auch die Beschränkungen Nr. 1.15 (Verbot des Aufstellens von Betten), Nr. 1.17 (Beschränkung auf einen Pavillon) und 1.19 (Pavillon muss auf allen Seiten offen sein) im Bescheid der Beklagten vom 15. Juni 2012 rechtswidrig waren.

Das Verwaltungsgericht verkenne die Reichweite der Versammlungsfreiheit. Art. 8 GG enthalte keine zeitliche Beschränkung der Versammlungen. Nach seinem Wortlaut kenne Art. 8 GG ein herkömmliches Bild der Versammlung nicht. Der Begriff der Versammlung sei weit auszulegen. In welcher Form die Versammlungsteilnehmer ihre Meinung kundtun wollten, obliege, solange die Versammlung friedlich bleibe, allein ihnen selbst. Bei der vom Kläger gewählten Form einer Dauermahnwache unter freiem Himmel handle es sich um eine versammlungsrechtlich adäquate Form der Meinungsäußerung. Wenn eine Dauermahnwache aber uneingeschränkt dem Schutz der Versammlungsfreiheit unterliege, dann müssten auch alle für die Durchführung einer solchen Mahnwache erforderlichen Utensilien unter den Schutz der Versammlungsfreiheit fallen, ohne einer straßenrechtlichen Sondernutzungserlaubnis zu bedürfen. Zudem hätten die Versammlungsteilnehmer das Recht, eine Versammlungsform zu wählen, die nach ihrer Meinung ihr Anliegen angemessen zum Ausdruck bringe. Die hierfür erforderlichen Mittel unterfielen ebenfalls der Versammlungsfreiheit. Die zeltähnlichen Pavillons seien ein wesentliches Ausdrucksmittel dessen, was durch die Versammlung der Öffentlichkeit kundgetan werden solle. Die zum Teil offenen, zeltähnlichen Pavillons brächten den Zustand eines unbehausten Campierens, dem die Asylbewerber täglich ausgesetzt seien, adäquat zum Ausdruck. Ein einzelner ordentlicher Pavillon reiche zur Erzeugung dieses Eindrucks nicht aus. Der vom Verwaltungsgericht gerügte Zustand der Versammlung in mehreren Pavillons, Liegeflächen, Igluzelten und beheiztem Versorgungszelt mit Wolldecken und Kissen sei nicht das Ergebnis des Lebensstils unordentlich hausender Asylbewerber, sondern die absichtliche Darstellung der Situation von Flüchtlingen und Asylbewerbern. Gerade dieser Zustand symbolisiere die prekäre Situation der Asylbewerber. Es stehe den Versammlungsteilnehmern auch frei, in welcher Form sie ihre politische Meinung äußern wollten. Sie seien keinesfalls auf schriftliche Aussagen auf Plakaten oder Vorträgen in freier Rede begrenzt. Sie könnten ihr Anliegen auch durch Symbole zum Ausdruck bringen, wie dies vorliegend mit den Pavillons geschehen sei. Eine solche weite Auslegung des Versammlungsbegriffs mache das Versammlungsrecht auch nicht konturlos, denn ersichtlich könne nicht jede politische Meinung durch den symbolischen Nachbau eines Flüchtlingslagers dargestellt werden. Unstreitig dürfte es sein, dass, sofern die Gegenstände wie hier essentieller Bestandteil der demonstrativen Aussage seien, sie eindeutig dem Versammlungsrecht unterfielen und von der Versammlungsfreiheit geschützt würden. Aber nicht nur die Gegenstände, die von essentieller Bedeutung für die Aussage seien, würden vom Versammlungsrecht geschützt. Es sei auch überwiegende Meinung in Literatur und Rechtsprechung, dass bei Mahnwachen ein Witterungsschutz in Form von Planen, Verpflegungs- und Sanitäreinrichtungen versammlungsrechtlich zulässig sei. Durch den Einsatz von Hilfsmitteln werde aus einer Versammlung unter freiem Himmel auch nicht eine Versammlung in geschlossenen Räumen. Die Versammlung habe nicht, wie dies für eine Versammlung in geschlossenen Räumen typisch sei, wesentlich der Selbstverständigung der Teilnehmer untereinander gedient, sondern sie habe von vornherein darauf abgezielt, möglichst viele Menschen anzusprechen. Dieses Anliegen sei durch die Pavillons nicht verhindert, sondern gefördert worden. Sofern eine bestimmte Form einer Veranstaltung grundsätzlich von der Versammlungsfreiheit geschützt werde, müssten auch die zur Durchführung einer solchen Versammlung unbedingt erforderlichen Hilfsmittel geschützt sein. Dies betreffe vorliegend die Pavillons als Witterungsschutz ebenso wie das Recht, zu schlafen und die dafür erforderlichen Schlafstätten, Betten etc. zur Verfügung zu haben. Die Auffassung, dass, wer eine Veranstaltung im Freien durchführe, sich damit der Witterung aussetze, sei sicher zutreffend, könne jedoch nichts daran ändern, dass für eine Dauermahnwache ein gewisser Witterungsschutz erforderlich sei, damit sie überhaupt durchgeführt werden könne. Ein nach allen Seiten offener Pavillon biete keinen ausreichenden Witterungsschutz. Ein teilweiser geschlossener Pavillon sei allein schon zum Schutz der Informationsmaterialien aus Papier und der für die Öffentlichkeitsarbeit heute zwingend notwendigen Computer erforderlich. Die erforderliche Zahl solcher Pavillons richte sich nach der Zahl der Teilnehmer. Vorliegend hätten an der Versammlung im Durchschnitt über 20 Personen teilgenommen. Ein einzelner auch für das Unterstellen des Informationsmaterials genutzter Pavillon sei offensichtlich nicht ausreichend gewesen. Auch das Verbot, Betten aufzustellen, sei rechtswidrig. Es sei nicht zumutbar, dass die Teilnehmer bei der Dauerwache ununterbrochen wach seien. Ebenso könne von ihnen nicht verlangt werden, zum Schlafen nach Hause zu gehen. Die Teilnehmer müssten die Möglichkeit haben, sich auszuruhen. Zum Schlafen benötige man eine Bettstelle.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie ist der Ansicht, Pavillons, die geschlossen und abgetrennt vom eigentlichen Versammlungsgeschehen der privaten Unterbringung der Versammlungsteilnehmer dienten, seien vom Grundrecht der Versammlungsfreiheit nicht umfasst. Das nächtliche Schlafen am Versammlungsort sei weder Kundgebungsmittel noch Ausdruck der Meinungsäußerung der Versammlungsteilnehmer gewesen. Es sei den Versammlungsteilnehmern zuzumuten, zum Schlafen den Versammlungsort zu verlassen. Die Versammlung werde dadurch nicht unterbrochen.

Der Vertreter des öffentlichen Interesses stellt keinen eigenen Antrag. Nach Aktenlage stelle sich jedoch die Frage, ob der zweite Pavillon als wesentliches Ausdrucksmittel für den Versammlungszweck gedient habe. Nach Ansicht des Verwaltungsgerichts sei seine logistische Bedeutung gegenüber der funktionalen und inhaltsbezogenen Bedeutung so stark in den Vordergrund getreten, dass ein versammlungsrechtlicher Schutz ausscheide.

Der Verwaltungsgerichtshof hat am 21. September 2015 über die Berufung mündlich verhandelt. Insoweit wird auf die Sitzungsniederschrift verwiesen.

Ergänzend wird auf die Gerichtsakten dieses Verfahrens und der Verfahren 10 B 14.2242, 10 CS 12.767, 10 CS 12.848, 10 CS 12.1106 und 10 CS 12.1419 in beiden Instanzen und die beigezogenen Behördenakten Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung hat auch in der Sache Erfolg. Die Klage ist zulässig (I.) und entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts in vollem Umfang begründet (II.).

I. Die Klage, die auf die Feststellung gerichtet ist, dass auch die Beschränkungen in Nr. 1.17, soweit darin als Kundgebungsmittel nur ein Pavillon (3 m x 3 m) zugelassen worden ist, und in Nr. 1.15 und Nr. 1.19 des Bescheids der Beklagten vom 15. Juni 2012 rechtswidrig waren, ist zulässig. Sie ist als Fortsetzungsfeststellungsklage gemäß § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO statthaft (1.). Der Kläger war auch nach § 42 Abs. 2 Alt. 1 VwGO klagebefugt (2.). Es liegt darüber hinaus das nach § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO erforderliche berechtigte Interesse an der begehrten Feststellung vor.

1. Die Klage ist als Fortsetzungsfeststellungsklage gemäß § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO statthaft.

In den Fällen einer Anfechtungsklage nach § 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO hebt das Verwaltungsgericht nach § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO den angefochtenen Verwaltungsakt auf, soweit er rechtswidrig ist und den Kläger in seinen Rechten verletzt. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht nach § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO auf Antrag durch Urteil aus, dass der Verwaltungsakt rechtswidrig war, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

Vorliegend haben sich die allein noch streitgegenständlichen Beschränkungen der Versammlung in Nr. 1.15, Nr. 1.17 und Nr. 1.19 des Bescheids der Beklagten vom 15. Juni 2012 nach Klageerhebung, aber vor der Entscheidung des Verwaltungsgerichts erledigt.

Die Beschränkungen stellten jeweils Verwaltungsakte dar. Denn es handelte sich dabei, wie Art. 35 Satz 1 BayVwVfG dies voraussetzt, um Entscheidungen, die die Beklagte zur Regelung eines Einzelfalls, nämlich zur Regelung der vom Kläger für den Zeitraum vom 16. Juni 2012 bis zum 16. August 2012 angezeigten Versammlung, auf dem Gebiet des Versammlungsrechts getroffen hat und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet waren, weil sie für den Kläger als Veranstalter und Versammlungsleiter verbindlich festlegten, dass nur ein Pavillon, der an allen Seiten offen sein musste, errichtet und keine Betten aufgestellt werden durften.

Die angegriffenen Beschränkungen haben sich mit dem Verstreichen des Zeitraums, für den der Bescheid vom 15. Juni 2012 gelten sollte, durch Zeitablauf erledigt und sind dadurch nach Art. 43 Abs. 2 BayVwVfG unwirksam geworden. Erledigung ist erst mit dem Ablauf des letzten Tages dieses Zeitraums am 16. August 2012 eingetreten, weil die Beschränkungen bis zu diesem Zeitpunkt Rechtswirkungen für die Versammlung des Klägers entfalteten. Der Kläger hat noch vor Eintritt der Erledigung innerhalb der Rechtsmittelfrist für den Bescheid vom 15. Juni 2012 am 4. Juli 2012 Anfechtungsklage erhoben.

2. Der Kläger war nach § 42 Abs. 2 Alt. 1 VwGO klagebefugt.

Nach dieser Regelung, die in den Fällen der Fortsetzungsfeststellungsklage entsprechend anwendbar ist (vgl. BayVGH, U. v. 8.3.2010 - 10 B 09.1102, 10 B 0910 B 09.1837 - juris Rn. 23; U. v. 20.3.2015 - 10 B 12.2280 - juris Rn. 31; Wolff in Sodan/Ziekow, VwGO, 4. Aufl. 2014, § 113 Rn. 286), weil die an die Stelle der Anfechtungsklage tretende Fortsetzungsfeststellungsklage einen zum Zeitpunkt der Erledigung des betreffenden Verwaltungsakts bereits vorhandenen Zulässigkeitsmangel nicht zu heilen vermag (vgl. BVerwG, U. v. 23.3.1982 - 1 C 157/79 - juris Rn. 23; Sodan in Sodan/Ziekow, VwGO, 4. Aufl. 2014, § 42 Rn. 375, wo § 42 Abs. 2 VwGO allerdings unmittelbar herangezogen wird), ist die Klage nur zulässig, wenn der Kläger geltend macht, durch den Verwaltungsakt in seinen Rechten verletzt zu sein. Dafür genügt es, dass die behauptete Rechtsverletzung möglich erscheint. Dies ist bereits dann anzunehmen, wenn eine Verletzung eigener subjektiver Rechte des Klägers nicht offensichtlich und eindeutig nach jeder Betrachtungsweise ausgeschlossen ist (st. Rspr.; vgl. etwa BVerwG, U. v. 23.3.1982 - 1 C 157/79 - juris Rn. 23; U. v. 10.7.2001 - 1 C 35/00 - juris Rn. 15 jeweils m. w. N.). Danach ist der Kläger klagebefugt. Denn es erscheint zumindest möglich, dass er durch die streitgegenständlichen Beschränkungen in seinem Recht verletzt ist, sich friedlich und ohne Waffen zu versammeln. Für den Kläger, der iranischer Staatsangehöriger ist, folgt dieses Recht aus seiner allgemeinen Handlungsfreiheit nach Art. 2 Abs. 1 GG sowie aus Art. 11 Abs. 1 Halbsatz 1 Alt. 1 EMRK (vgl. Zeitler, Grundriss des Versammlungsrechts, 2015, S. 27; einschränkend in Bezug auf Art. 2 Abs. 1 GG vgl. Depenheuer in Maunz/Dürig, GG, Stand: 74 Ergänzungslieferung Mai 2015, Art. 8 Rn. 109), nach dem jeder das Recht hat, sich frei und friedlich mit anderen zu versammeln. Darüber hinaus ist dieses Recht einfachgesetzlich durch Art. 1 Abs. 1 BayVersG gewährleistet. Denn danach hat jedermann das Recht, sich friedlich und ohne Waffen öffentlich mit anderen zu versammeln.

Da die Möglichkeit einer Rechtsverletzung für die Bejahung der Klagebefugnis ausreicht, braucht an dieser Stelle noch nicht abschließend entschieden werden, ob die angezeigte Dauerversammlung mit Hungerstreik und sämtlichen in der Anzeige des Klägers genannten Kundgebungsmitteln eine Versammlung i. S. d. genannten Vorschriften darstellt (s.u. II.1.).

3. Der Kläger hat darüber hinaus das nach § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO erforderliche berechtigte Interesse an der Feststellung, dass die angegriffenen Beschränkungen des Bescheids vom 15. Juni 2012 rechtswidrig waren.

Als ein solches Interesse kommt grundsätzlich jedes nach Lage des Falles anzuerkennende schutzwürdige Interesse rechtlicher, wirtschaftlicher oder ideeller Art in Betracht (vgl. BVerwG, B. v. 12.9.1989 - 1 C 40/88 - juris Rn. 10 m.w.N; BayVGH, U. v. 8.3.2010 - 10 B 09.1102, 10 B 0910 B 09.1837 - juris Rn. 25). Insbesondere besteht das erforderliche Feststellungsinteresse, wenn die Gefahr einer Wiederholung besteht. In versammlungsrechtlichen Streitigkeiten setzt dies zum einen die Möglichkeit einer erneuten Durchführung einer vergleichbaren Versammlung durch den Kläger voraus, zum anderen, dass die Behörde voraussichtlich auch zukünftig an ihrer Rechtsauffassung festhalten wird (BVerfG, B. v. 3.3.2004 - 1 BvR 461/03 - juris Rn. 41). Nach der aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung des Senats (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) ist hier auf der Grundlage der genannten Maßstäbe von einer Wiederholungsgefahr auszugehen.

Es besteht zunächst die Möglichkeit, dass der Kläger erneut eine vergleichbare Versammlung durchführt. Denn nach den Darlegungen in der mündlichen Verhandlung und unter Berücksichtigung aller Umstände des Falles besteht erkennbar die Möglichkeit, dass der Kläger auch in Zukunft Versammlungen abhalten wird, die ihrer Art nach zu den gleichen Rechtsproblemen und damit der gleichen Beurteilung ihrer Rechtmäßigkeit führen können, wobei nicht erforderlich ist, dass die möglichen weiteren Versammlungen unter gleichen Umständen, mit einem identischen Motto und am selben Ort durchgeführt werden (vgl. BVerfG, a. a. O., Rn. 42).

Der Kläger lebt noch im Stadtgebiet der Beklagten und ist weiterhin politisch aktiv. Seine Bevollmächtigte hat in der mündlichen Verhandlung vorgetragen, dass immer wieder diskutiert werde, ob die Öffentlichkeit erneut mit einer vergleichbaren Aktion auf die Anliegen, die auch schon Gegenstand der damaligen Veranstaltung gewesen seien, hingewiesen werden solle. Außerdem hat sie darauf hingewiesen, dass sich auch ein Hungerstreik, wenn auch vielleicht mit einer geringeren Zahl an Teilnehmern, jederzeit wiederholen lasse. Vor diesem Hintergrund besteht nach Überzeugung des Verwaltungsgerichtshofs aber erkennbar die Möglichkeit, dass der Kläger erneut eine vergleichbare Versammlung veranstalten und leiten wird, die unter Verwendung von Pavillons über längere Zeit hinweg rund um die Uhr stattfindet und damit hinsichtlich der Zahl der zum Einsatz kommenden Pavillons und ihrer Nutzung sowie bezüglich der Zulässigkeit der Aufstellung von Betten zu den gleichen Rechtsproblemen, wie sie den streitgegenständlichen Bestimmungen in Nr. 1.15, Nr. 1.17 und Nr. 1.19 des Bescheids vom 15. Juni 2012 zugrunde lagen, und zu einer gleichen rechtlichen Beurteilung dieser Probleme durch die Versammlungsbehörde führen kann. Dies gilt umso mehr, als in einer Situation, in der wie gegenwärtig die Asylbewerberzahlen rasch ansteigen, mit dem Auftreten von Problemen zu rechnen ist, die mit denjenigen, die Auslöser der Versammlungen im Jahr 2012 waren, vergleichbar sind. Insbesondere liegt insoweit auf der Hand, dass die steigenden Asylbewerberzahlen zumindest vorübergehend mit einer längeren Dauer der einzelnen Asylverfahren und mit Schwierigkeiten bei der Unterbringung der Betroffenen verbunden sein können.

Ebenso wird die Beklagte nach Überzeugung des Verwaltungsgerichtshofs voraussichtlich auch zukünftig an ihrer Rechtsauffassung festhalten. Denn es ist nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens davon auszugehen, dass sie Beschränkungen der Durchführung weiterer vergleichbarer Versammlungen des Klägers wieder mit den gleichen Gründen rechtfertigen wird (vgl. BVerfG, B. v. 3.3.2004 - 1 BvR 461/03 - juris Rn. 43).

Hinsichtlich der Nr. 1.17 des Bescheids vom 15. Juni 2012, die, soweit sie angegriffen ist, lediglich die Errichtung eines einzigen Pavillons zulässt, folgt dies zunächst daraus, dass der Vertreter der Beklagten in der mündlichen Verhandlung selbst vom Bestehen einer Wiederholungsgefahr ausgegangen ist, weil die Beklagte weiterhin einen zweiten Pavillon nicht als vom Grundrecht der Versammlungsfreiheit geschützt ansehe. Dies gilt in gleicher Weise für die Beschränkungen in Nr. 1.15 und Nr. 1.19 des Bescheids vom 15. Juni 2012. Insoweit hat der Vertreter der Beklagten in der mündlichen Verhandlung erklärt, dass eingebrachte Gegenstände wie Betten nicht mehr mit der Meinungskundgabe in Zusammenhang stünden und daher auch nicht geschützt seien. Zur Beschränkung in Nr. 1.19 hat sich der Vertreter der Beklagten zwar nicht mehr ausdrücklich geäußert. Es wurde aber in der mündlichen Verhandlung hinreichend deutlich, dass die Beklagte jegliche Infrastruktur, die den Versammlungsteilnehmern ermöglicht, sich vom eigentlichen Versammlungsgeschehen abzusondern, weil z. B. in geschlossenen Pavillons übernachtet wird, als nicht mehr vom Schutzbereich des Versammlungsrechts umfasst ansieht.

II. Die Klage ist im noch streitgegenständlichen Umfang auch begründet. Die Beschränkungen in Nr. 1.17, soweit darin als Kundgebungsmittel nur ein Pavillon (3 m x 3 m) zugelassen worden ist, und in Nr. 1.15 und Nr. 1.19 des Bescheids vom 15. Juni 2012 waren im Zeitpunkt ihrer Erledigung rechtswidrig und verletzten den Kläger in seinen Rechten. Es ist deshalb antragsgemäß auszusprechen, dass sie rechtswidrig gewesen sind (§ 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO).

Als Rechtsgrundlage für die streitgegenständlichen Beschränkungen kommt Art. 15 Abs. 1 BayVersG in Betracht, weil es sich bei der vom Kläger angezeigten „Dauerversammlung in der Form des Hungerstreiks“ vom 16. Juni 2012 bis 16. August 2012 um eine öffentliche Versammlung i. S. d. Art. 2 Abs. 1 und 2 BayVersG gehandelt hat (1.). Die Beklagte war für den Erlass der beschränkenden Verfügungen im Bescheid vom 15. Juni 2012 zuständig (2.). Die verfügten, noch streitgegenständlichen Beschränkungen stellen sich jedoch als unverhältnismäßig bzw. ermessensfehlerhaft dar (3.).

1. Versammlungen im Sinne von Art. 8 Abs. 1 GG sind örtliche Zusammenkünfte mehrerer Personen zur gemeinschaftlichen, auf die Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung gerichteten Erörterung oder Kundgebung (vgl. BVerfG, B. v. 24.10.2001 - 1 BvR 1190/90, 1 BvR 2173/93, 1 BvR 433/96 - juris Rn. 41; BVerwG, U. v. 16.5.2007 - 6 C 23/06 - juris Rn. 15). Enthält eine Veranstaltung sowohl Elemente, die auf die Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung gerichtet sind, als auch solche, die diesem Zweck nicht zuzurechnen sind, so ist entscheidend, ob die Veranstaltung ihrem Gesamtgepräge nach eine Versammlung darstellt. Bleiben insoweit Zweifel, so bewirkt der hohe Rang der Versammlungsfreiheit, dass die Veranstaltung wie eine Versammlung behandelt wird (vgl. BVerfG, B. v. 12.7.2001 - 1 BvQ 28/01, 1 BvQ 30/01 - juris Rn. 29; BVerwG, U. v. 16.5.2007 - 6 C 23/06 - juris Rn. 16). Weitgehend übereinstimmend mit diesen Grundsätzen definiert Art. 2 Abs. 1 BayVersG Versammlungen im Sinne des Bayerischen Versammlungsgesetzes als Zusammenkünfte von mindestens zwei Personen zur gemeinschaftlichen, überwiegend auf die Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung gerichteten Erörterung oder Kundgebung.

Legt man dies zugrunde, so stellte sich die vom Kläger angezeigte Veranstaltung nach ihrem Gesamtgepräge aber als Versammlung im Sinne von Art. 2 Abs. 1 BayVersG dar. Denn sie war überwiegend auf die Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung gerichtet. Bei der Frage, welches Gesamtgepräge einer Veranstaltung zukommt, ist zwar zu berücksichtigen, dass die Beteiligten berechtigt sind, selbst darüber zu bestimmen, was sie zum Gegenstand öffentlicher Meinungsbildung machen und welcher Formen der kommunikativen Einwirkung sie sich bedienen wollen. Die rechtliche Einordnung dieses Verhaltens als Versammlung steht aber den dazu berufenen Gerichten zu (BVerfG, B. v. 12.7.2001 - 1 BvQ 28/01, 30/01 - juris Rn. 30).

Zweck der Veranstaltung, die als länger andauernde Versammlung in Form eines Hungerstreiks zum Thema Asylpolitik angezeigt worden war, war es, die Öffentlichkeit auf die Situation von Asylbewerbern in Deutschland aufmerksam zu machen und dadurch auf eine Verbesserung dieser Situation hinzuwirken. Dabei ging es zum einen darum, die Asylverfahren der Teilnehmer am Hungerstreik zu beschleunigen und deren Anerkennung als Asylberechtigte zu erreichen. Zum anderen wurde eine Verbesserung der Situation aller Asylbewerber angestrebt. Insbesondere wurde von der Politik die Abschaffung der Unterbringung von Asylbewerbern in Gemeinschaftsunterkünften, der Residenzpflicht und der Zuteilung von Essenspaketen, eine drastische Verkürzung der Dauer der Antragsbearbeitung durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, die Einführung eines Anspruchs aller Asylbewerber auf Teilnahme an professionellen Deutschkursen und die Möglichkeit gefordert, den Lebensunterhalt durch eigene Arbeit zu sichern.

War damit die vom Kläger angezeigte Veranstaltung aber auf die Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung gerichtet, so steht ihrer Einordnung als Versammlung im Sinne von Art. 2 Abs. 1 BayVersG nicht entgegen, dass in ihrem Rahmen auch Pavillons errichtet worden sind und beibehalten werden sollten, die den Teilnehmern ermöglichten, sich auszuruhen, zu schlafen, Zuflucht vor ungünstigen Witterungsbedingungen zu suchen oder sonst den Aufenthalt am Veranstaltungsort zu erleichtern. Dies betraf nicht nur die hungerstreikenden Versammlungsteilnehmer. Denn ungeachtet dessen stand im Vordergrund der Veranstaltung die beabsichtigte Einflussnahme auf die öffentliche Meinung. Dies gilt nach Überzeugung des Verwaltungsgerichtshofs unabhängig davon, ob - wie der Kläger nunmehr geltend macht - insbesondere durch das Aufstellen der Pavillons auf die prekäre Situation der Asylbewerber in der Gemeinschaftsunterkunft und den dortigen Mangel jeglicher Privatsphäre aufmerksam gemacht werden sollte. Denn auch die Anwesenheit der Teilnehmer am Versammlungsort rund um die Uhr über mehrere Tage hinweg, die ohne die Möglichkeit, sich zum Schutz vor ungünstigen Witterungsbedingungen und zum Ausruhen und Schlafen in die als Kundgebungsmittel vorgesehenen Pavillons begeben zu können, schon rein faktisch nicht gewährleistet gewesen wäre, war geeignet, dem auf die Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung gerichteten Anliegen der Veranstaltung besonderen Nachdruck zu verleihen.

Schließlich steht der Einordnung der vom Kläger angezeigten Veranstaltung in Form eines Hungerstreiks als (Dauer-)Versammlung im Sinne von Art. 2 Abs. 1 BayVersG auch nicht entgegen, dass mit ihr auch die Anerkennung der Veranstaltungsteilnehmer als Asylberechtigte herbeigeführt werden sollte. Zwar schützt die Versammlungsfreiheit nur die Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung, nicht aber die zwangsweise oder sonstige selbsthilfeähnliche Durchsetzung eigener Forderungen (vgl. BVerfG, B. v. 24.10.2001 - 1 BvR 1190/90, 1 BvR 2173/93, 1 BvR 433/96 - juris Rn. 44). Jedoch ging es hier nach Überzeugung des Verwaltungsgerichtshofs nicht in erster Linie darum, die eigenen Forderungen in selbsthilfeähnlicher Weise durchzusetzen. Vielmehr stand im Vordergrund das Bestreben, durch den Hungerstreik und durch die Anwesenheit der Veranstaltungsteilnehmer am Veranstaltungsort rund um die Uhr die Bedeutung dieser Forderungen zu unterstreichen und so Einfluss auf die öffentliche Meinung zu nehmen. Es überwog damit aber gerade der von der Versammlungsfreiheit geschützte Zweck der Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung.

2. Die Beklagte war für den Erlass der streitgegenständlichen Beschränkungen zuständig. Nach Art. 15 Abs. 1 BayVersG kann die zuständige Behörde Versammlungen beschränken oder verbieten, wenn nach den zur Zeit des Erlasses der Verfügung erkennbaren Umständen die öffentliche Sicherheit oder Ordnung bei Durchführung der Versammlung unmittelbar gefährdet ist oder ein Fall des Art. 12 Abs. 1 BayVersG vorliegt. Zuständige Behörde ist nach Art. 24 Abs. 2 Satz 1 BayVersG die Kreisverwaltungsbehörde, ab Beginn der Versammlung die Polizei. Vorliegend verfügte die Beklagte als Kreisverwaltungsbehörde die Beschränkungen vor Beginn der Versammlung am 16. Juni 2012 mit Bescheid vom 15. Juni 2012; sie war damit zuständige Behörde i. S. d. Art. 24 Abs. 2 Satz 1 BayVersG.

Auch wenn seit dem 9. März 2012 im Stadtgebiet der Beklagten schon mehrere Versammlungen zum Thema „Asylrecht“ teilweise verbunden mit einem Hungerstreik stattgefunden hatten, so handelte es sich bei der am 13. Juni 2012 vom Kläger angezeigten Versammlung um eine am 16. Juni 2012 beginnende neue Versammlung. Denn mit seiner nach Art. 13 Abs. 1 Satz 1 BayVersG erforderlichen Anzeige gab der Veranstalter der Versammlungsbehörde zu erkennen, dass ab dem 16. Juni 2012 eine neue, eigenständige Versammlung beginnen wird. Nach Art. 13 Abs. 2 Satz 1 BayVersG sind in der Anzeige nach Art. 13 Abs. 1 Satz 1 BayVersG der Ort der Versammlung, der Zeitpunkt des beabsichtigten Beginns und Endes der Versammlung, das Versammlungsthema und der Veranstalter und der Leiter anzugeben. Die Anmeldung soll die Behörde in die Lage versetzen, organisatorische Vorkehrungen treffen zu können. Nur wenn die Behörde zuvor über Zeitpunkt, Ort und Art der Versammlung unterrichtet wird, ist sie auch in der Lage, den Schutz und die Durchführung der Versammlung zu gewährleiten (Zeitler, Grundriss des Versammlungsrechts, 2015, Rn. 222; Wächtler/Heinhold/Merk, BayVersG, 2011, Art. 13 Rn. 20). Da der Veranstalter das Ende der vorangehenden Versammlung auf dem Dominikanerplatz für den 15. Juni 2012 angezeigt hatte, begann am 16. Juni 2012 mit der beabsichtigten Verlegung des Versammlungsgeschehens an den Vierröhrenbrunnen eine neue Versammlung, weil sich wesentliche Kriterien, nämlich der Versammlungsort und der Zeitraum der Versammlung, geändert hatten und offensichtlich auch der Veranstalter davon ausging, dass eine erneute Abstimmung mit der Versammlungsbehörde über den weiteren Verlauf im Versammlungsgeschehen erforderlich war. Die einzelnen Versammlungen, die aufeinanderfolgend zum Thema „Asylpolitik“ an verschiedenen Orten im Stadtgebiet der Beklagten stattgefunden haben, sind tatsächlich und rechtlich auch nicht deshalb eine Versammlung i. S. d. Art. 13 BayVersG, weil sich die jeweiligen Versammlungszeiträume unmittelbar aneinander angeschlossen hatten. Die jeweiligen Versammlungen unterschieden sich nämlich durch den Versammlungsort, die Zahl der Teilnehmer und auch dadurch, dass zeitweise den politischen Forderungen durch einen Hungerstreik Nachdruck verliehen werden sollte. Die Veranstalter hatten ursprünglich auch nicht geplant, ihren Protest über einen so langen Zeitraum auszudehnen. Sie reihten dann letztlich eine Versammlung an die andere, weil ihr Forderungskatalog von den politisch Verantwortlichen (noch) nicht oder nicht umfassend erfüllt wurde.

3. Nach Art. 15 Abs. 1 BayVersG kann die zuständige Behörde eine Versammlung beschränken oder verbieten, wenn nach den zur Zeit des Erlasses der Verfügung erkennbaren Umständen die öffentliche Sicherheit oder Ordnung bei der Durchführung der Versammlung unmittelbar gefährdet ist. Die in Art. 15 Abs. 1 BayVersG genannten beschränkenden Verfügungen sind keine Nebenbestimmungen zu einem begünstigenden Verwaltungsakt. An diesem fehlt es im Versammlungsrecht angesichts der Erlaubnisfreiheit von Versammlungen (BVerfG, B. v. 21.3.2007 - 1 BvR 232/04) - juris 22). Sie enthalten vielmehr einen eigenständigen Eingriff in die Versammlungsfreiheit, müssen in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Versammlungsgeschehen stehen und darauf abzielen, auch noch solche Versammlungen und Aufzüge zu ermöglichen, die aus Rechtsgründen nicht mehr zugelassen werden könnten, wenn sie nach den ursprünglichen Vorstellungen des Veranstalters durchgeführt würden (Dietel/Gintzel/Kniesel, Versammlungsgesetz, 6. Aufl. 2011, § 15 Rn. 45). Der Begriff der öffentlichen Sicherheit knüpft an die polizeiliche Generalklausel an. Er umfasst die Unverletzlichkeit der Rechtsordnung (BVerfG, U. v. 14.5.1985 - 1 BvR 233/81 - juris Rn. 77), der subjektiven Rechte und Rechtsgüter des einzelnen sowie des Bestandes der Einrichtungen und der Veranstaltungen des Staates oder sonstiger Träger der Hoheitsgewalt. Zur Rechtsordnung gehören Strafgesetze und verwaltungsrechtliche Gebots- und Verbotsnormen. Die Beschränkungen müssen der Abwehr einer unmittelbaren Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung dienen. Eine solche Gefährdung kann sich auch aus der Art und Weise der Durchführung der Versammlung ergeben. Unzulässig sind Beschränkungen, die dem Normzweck widersprechen. Die Beschränkungen nach Art. 15 Abs. 1 BayVersG müssen zudem erforderlich und geeignet sein, die Gefahren zu verhindern, denen sie begegnen sollen und sich auf das zum Schutz höherwertiger Rechtsgüter unbedingt notwendige Maß unter strikter Wahrung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes beschränken (HessVGH, U. v. 26.4.2006 - 5 UE 1567/05 - juris Rn. 32).

Gemessen an diesen Grundsätzen waren die von der Beklagten verfügten Beschränkungen in Nr. 1.15, Nr. 1.17 und Nr. 1.19 des Bescheids vom 15. Juni 2012 aber unverhältnismäßig und damit auch ermessensfehlerhaft. Die Beklagte hat die Bedeutung, die dem Aufstellen des zweiten Pavillons und dem Witterungsschutz durch Planen für die Durchführung der Versammlung zukam, bei ihrer Entscheidung verkannt bzw. nicht hinreichend berücksichtigt (3.1). Zu Nr. 1.15 enthält der Bescheid keinerlei Ausführungen, die erkennen ließen, inwiefern durch das Verbot des Aufstellens von Betten die öffentliche Sicherheit und Ordnung unmittelbar gefährdet worden wäre (3.2).

3.1 Das Aufstellen eines Pavillons auf einem öffentlichen Platz im Gemeindegebiet der Beklagten verstößt zwar gegen deren Sicherheitssatzung (3.1.1). Der Kläger kann sich als Ausländer zumindest auf die einfachgesetzlich gewährleistete Versammlungsfreiheit nach Art. 1 Abs. 1 BayVersG berufen (3.1.2). Auch der zweite Pavillon war zur Durchführung der Versammlung in der angezeigten Form notwendig (3.1.3). Insoweit ist ein am Durchschnittsbetrachter orientierter objektiver Maßstab anzulegen (3.1.4). Die von der Beklagten zur Begründung des Verbots des Aufstellens eines zweiten Pavillons angeführten Erwägungen stellen sich daher als unverhältnismäßig und ermessensfehlerhaft dar (3.1.5). Dasselbe gilt für die Beschränkung in Nr. 1.19, wonach der Pavillon an allen Seiten offen zu halten war (3.1.6).

3.1.1 Nach § 4 Abs. 1 Nr. 2 der Satzung der Beklagten über die Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung in der Stadt Würzburg vom 6. April 2006 (Sicherheitssatzung) ist es zur Vermeidung von Beeinträchtigungen Dritter und zum ordnungsgemäßen Erhalt der Straßen, Wege und Plätze und der öffentlichen Grün- und Erholungsanlagen untersagt, zu nächtigen und zu zelten. Diese Sicherheitssatzung ist Bestandteil der Rechtsordnung, so dass ein Verstoß gegen die in der Sicherheitssatzung geregelten Verbote und Gebote grundsätzlich eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit darstellen kann. Das Aufstellen eines teilweise geschlossenen Pavillons, um dort die Nacht zu verbringen, erfüllt zumindest den Tatbestand des Zeltens, weil auch der Pavillon eine einem Zelt vergleichbare Grundfläche einnimmt, und somit dem Zweck der Satzung, die Funktionsfähigkeit der öffentlichen Straßen und Plätze zu erhalten und Dritte nicht zu beeinträchtigen, entgegensteht.

3.1.2 Allerdings tritt vorliegend der von der Beklagten durch das Aufstellen des Pavillons angenommene Verstoß gegen § 4 Abs. 1 Nr. 2 der Sicherheitssatzung im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung hinter die einfachgesetzlich gewährleistete Versammlungsfreiheit und die grundgesetzlich geschützte allgemeine Handlungsfreiheit zurück. Der Kläger kann sich zwar als iranischer Staatsangehöriger nicht unmittelbar auf Art. 8 Abs. 1 GG, der allen Deutschen das Recht verleiht, sich ohne Anmeldung friedlich und ohne Waffen zu versammeln, berufen. Ausländern steht allein das Auffanggrundrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG und das einfachgesetzliche Recht aus Art. 1 Abs. 1 BayVersG bzw. Art. 11 Abs. 1 EMRK zu (s.o. I. 2.). Denn Art. 1 Abs. 1 BayVersG geht von einem Jedermann-Recht aus. Zudem gewährleistet Art. 113 BV allen Bewohnern Bayerns das Recht, sich ohne besondere Erlaubnis und friedlich und unbewaffnet zu versammeln, so dass dem Schutz der Versammlungsfreiheit für Bewohner Bayerns, auch wenn sie Ausländer sind, Verfassungsrang zukommt und die einfachgesetzlich gewährleistete Versammlungsfreiheit eine verfassungsrechtliche Schutzbereichsverstärkung erfährt.

3.1.3 Liegt wie hier nach dem Gesamtgepräge eine Versammlung vor (s.o. II. 1.), so fallen grundsätzlich sämtliche Bestandteile oder Elemente dieser Versammlung in den Schutzbereich der Versammlungsfreiheit. Dies bedeutet, dass diese Versammlungsbestandteile, auch wenn sie nach anderen Rechtsvorschriften erlaubnispflichtig wären, keiner Erlaubnis nach diesen Rechtsvorschriften bedürfen und insoweit privilegiert werden (zum Verhältnis einer versammlungsrechtlichen Beschränkung zu einer straßenrechtlichen Sondernutzungserlaubnis vgl. VGH BW, B. v. 16.12.1993 - 1 S 1957/93 - juris Rn. 7; BVerwG, U. v. 21.4.1989 - 7 C 50/88 - juris Rn. 15; OVG Berlin-Bbg, B. v. 14.11.2003 - 4 B 365/03 - juris Rn. 18). Außerversammlungsgesetzliche Erlaubnisvorbehalte, die unmittelbar versammlungsbezogene Betätigungen und Verhaltensweisen betreffen, sind suspendiert. Dies ergibt sich aus der aus Art. 1 Abs. 1 BayVersG, Art. 113 BV folgenden prinzipiellen Erlaubnisfreiheit für das Gesamtgeschehen der jeweils aktuellen Versammlung oder Demonstration (Dietel/Gintzel/Kniesel, Versammlungsgesetz, a. a. O., § 15 Rn. 7).

Nach der Rechtsprechung des BVerfG fallen in den Schutzbereich der Versammlungsfreiheit und der dadurch bewirkten Erlaubnisfreiheit des Versammlungsgeschehens nur Veranstaltungen und Aktionen, die durch gemeinsame Kommunikation geprägt sind und auf die Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung zielen (BVerfG, U. v. 24.10.2001 - 1 BvR 1190/90 - juris Rn. 40, B. v. 20. 12. 2012 - 1 BvR 2794/10 - juris Rn. 16, U. v. 22.2.2011 - 1 BvR 699/06 - juris Rn. 63). In diesem Rahmen gewährleistet die Versammlungsfreiheit auch das Recht, selbst zu bestimmen, wann, wo und unter welchen Modalitäten eine Versammlung stattfinden soll, und damit ein Selbstbestimmungsrecht über Ort, Zeitpunkt, Art und Inhalt der Veranstaltung (BVerfG, B. v. 20.12.2012 a. a. O. Rn. 16; U. v. 22.2.2011 a. a. O. Rn. 64; B. v. 14.5.1985 - 1 BvR 233/81 - juris Rn. 61). Das Selbstbestimmungsrecht des Veranstalters ist aber beschränkt, soweit durch die geplante Veranstaltung Rechtsgüter beeinträchtigt zu werden drohen. Hinsichtlich der Modalitäten der Durchführung einer Versammlung ergeben sich die Grenzen der Versammlungsfreiheit aus Art. 15 BayVersG. Gefährdet die Durchführung der Versammlung andere Rechtsgüter, so ist es Aufgabe der Behörde, die wechselseitigen Interessen unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit zum Ausgleich zu bringen. Die Bewertung der gegenläufigen Interessen und ihre Abwägung mit dem Versammlungsinteresse liegt bei der Behörde (BVerfG, B. v. 5.9.2003 - 1 BvQ 32/03 - juris Rn. 22; B. v. 26.1.2001 - 1 BvQ 8/01 - juris Rn. 15).

Bezogen auf Gegenstände oder Hilfsmittel, die in eine Versammlung eingebracht werden sollen, besteht in Literatur und Rechtsprechung jedenfalls weitgehend Einigkeit darüber, dass sie an der durch die Versammlungsfreiheit bewirkten Privilegierung in Bezug auf die Erlaubnisfreiheit teilnehmen, wenn sie funktionale Bedeutung für die Durchführung der Veranstaltung haben (Dietel/Gintzel/Kniesel, Versammlungsgesetz, a. a. O., § 1 Rn. 60) oder sie zur Verwirklichung des Versammlungszweck wesensnotwendig sind (Schneider in BeckOK, GG, Stand 1.6.2015, Art. 8 Rn. 179). Art. 8 GG schützt auch „infrastrukturelle“ Ergänzungen der Veranstaltung in Form von Informationsständen, Sitzgelegenheiten, Imbissständen oder auch Zelten, sofern sie funktional versammlungsspezifisch eingesetzt werden (Schulze-Fielitz in Dreier, Grundgesetz, 3. Aufl. 2013, Art. 8 Rn. 34). Nicht in den Schutzbereich von Art. 8 GG fallen infrastrukturelle Begleitaktivitäten, wenn sie über die eigene Versammlungsaktivität hinausgehen, ohne für diese notwendig zu sein (Depenheuer in Maunz/Dürig, Grundgesetzkommentar, Stand 2014, Art. 8 Rn. 72). Die Rechtsprechung ordnet die Begleiterscheinungen einer Versammlung nur dann dem Schutzbereich der Versammlungsfreiheit zu, wenn die jeweils in Rede stehenden Gegenstände und Hilfsmittel zur Verwirklichung des Versammlungszwecks funktional oder symbolisch für die kollektive Meinungskundgabe wesensnotwendig sind (OVG Berlin-Bbg, B. v. 16.8.2012 - OVG 1 S 108.12 - juris 8), wenn es sich dabei um notwendige Bestandteile der Versammlung handelt, ohne die eine gemeinsame Meinungsbildung und Meinungsäußerung nicht möglich ist (VG Frankfurt, B. v. 6.8.2012 - 5 L 2558/12.F - juris Rn. 43), wenn sie inhaltlich in hinreichendem Zusammenhang mit der Durchführung der Versammlung stehen und einen spezifischen Bezug zum Versammlungsthema aufweisen (BVerfG, B. v. 26.6.2014 - 1 BvR 2135/09 - NVwZ 2014, 1453), ihnen eine funktionale oder symbolische Bedeutung für das Versammlungsthema zukommt und sie einen erkennbaren inhaltlichen Bezug zur Meinungskundgabe aufweisen (BayVGH, B. v. 12.4.2012 - 10 CS 12.767 - juris Rn. 10; B. v.20.4.2012 - 10 CS 12.845 - juris Rn. 845) oder wenn nur unter ihrer Verwendung die Versammlung zweckentsprechend durchgeführt werden kann (BayVGH, B. v. 1.7.1995 - 21 CS 95.2131 - BeckRS 1995, 15373).

3.1.4 Ob bestimmte Gegenstände, die von den Veranstaltern der Versammlung zur Durchführung der Versammlung als notwendig erachtet werden und damit funktional-spezifisch versammlungsbezogen sind und einen Bezug zur gewählten Form der Versammlung haben, ist von der Behörde nach einem objektiven Maßstab zu beurteilen. Grundlage für diese Beurteilung ist das Vorbringen der Veranstalter. Sie legen gegenüber der Versammlungsbehörde dar, welche Gegenstände sie zur Durchführung der Versammlung in der geplanten Form benötigen. Für die Zugrundelegung eines am Durchschnittsbetrachter orientierten Maßstabs spricht folgendes: Auch bei der Entscheidung darüber, ob überhaupt eine Versammlung vorliegt, richtet sich die rechtliche Beurteilung danach, ob sich die Veranstaltung aus der Sicht des durchschnittlichen Betrachters als Versammlung darstellt, und ob der Veranstalter sein Konzept schlüssig dargelegt hat (BVerwG, U. v. 22.8.2007 - 6 C 22.06 - juris Rn. 14, 17). Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG, B. v. 24.10.2001 - 1 BvR 1190/90 - juris Rn. 45) spricht ebenfalls davon, dass es bei der Beurteilung, ob es sich bei einer Blockadeaktion noch um eine Kundgebung handelt, die unter den Schutz des Art. 8 GG fällt, oder um eine selbsthilfeähnliche Durchsetzung eigener Forderungen, darauf ankommt, dass der Veranstalter der Versammlung substantiiert darlegt, dass die Aktion auch einen an die Öffentlichkeit gerichteten Kommunikationszweck verfolgt habe. Wenn somit schon bei der Einordnung eines Geschehens als Versammlung eine Überprüfung des vom Veranstalter vorgelegten Konzepts anhand objektiver Kriterien erfolgt, ist es nur konsequent, dass die Versammlungsbehörde auch überprüft, ob bestimmte Gegenstände, die in die Versammlung eingebracht werden sollen, für die Durchführung der Versammlung in der gewählten Form funktional oder symbolisch eingesetzt werden. Denn schließlich wird das durch Art. 1 Abs. 1 BayVersG geschützte Versammlungsgeschehen insoweit privilegiert, als sämtliche mit dem Versammlungsgeschehen in Zusammenhang stehenden „Bestandteile“ keiner etwaigen nach spezialgesetzlichen Regelungen erforderlichen Erlaubnis bedürfen. Ein Widerspruch zum Selbstbestimmungsrecht des Veranstalters über Ort, Zeitpunkt sowie Art und Inhalt bzw. die Form der Versammlung liegt darin nicht, weil die Behörde insoweit lediglich prüft, ob die vom Veranstalter angezeigten Hilfsmittel (hier: Pavillons und Betten) die für die Durchführung der geplanten Form der Versammlung (Dauerversammlung) erforderliche funktionale oder symbolische Bedeutung haben, dem Veranstalter aber nicht die Form seiner Versammlung vorgibt.

3.1.5 Die von der Beklagten verfügte Beschränkung, dass nur ein Pavillon aufgestellt werden darf, erweist sich danach bereits deshalb als rechtswidrig, weil die Beklagte bei der Bewertung ihres Interesses an der Einhaltung der Bestimmungen der Sicherheitssatzung und der gegenläufigen Interessen der Versammlungsteilnehmer zu Unrecht davon ausgegangen ist, dass der zweite Pavillon nicht in funktionalem Zusammenhang mit dem Versammlungszweck steht. Wie der Senat bereits in seinem Beschluss vom 12. April 2012 (10 CS 12.767 - juris) ausgeführt hat, hatte das Aufstellen eines oder mehrerer Pavillons für die vom Kläger angemeldete Dauerversammlung mit Unterschriftenlisten, Dokumenten und Diskussionsrunden diese funktionale Bedeutung für das Versammlungsthema. Die Versammlungsteilnehmer verblieben über einen längeren Zeitraum, auch nachts, am Versammlungsort, so dass es ihnen auch möglich sein musste, sich auszuruhen oder zu schlafen, um eine effektive Kundgabe ihres Anliegens zu gewährleisten. Dies schloss auch das Schlafen in den errichteten Pavillons nicht aus. An dieser Einschätzung hat sich auch für die hier streitgegenständliche Versammlung nichts geändert. Laut Versammlungsanzeige vom 13. Juni 2012 bestand die Kerngruppe aus dreizehn Protestierenden. Zwanzig Personen hatten sich bereit erklärt, am Hungerstreik teilzunehmen. Die Kundgabeform als Dauerversammlung mit Plakaten, Unterschriftslisten, Diskussionen hatte sich seit Beginn der Aktion im März 2012 im hier streitgegenständlichen Zeitraum nicht wesentlich verändert. Es liegt auf der Hand, dass für die zur Meinungskundgabe genutzten Kommunikationsmittel und für den zum witterungsgeschützten Ausruhen erforderlichen Platz bei der angezeigten Teilnehmerzahl ein Pavillon mit einer Grundfläche von 9 m² nicht ausreichend ist. Auch wenn die Versammlungsteilnehmer einen Pavillon überwiegend zum Schlafen und Ausruhen und den anderen zur Unterbringung von Tischen und Stühlen für die Diskussion und Information genutzt haben, verlor der erstgenannte Pavillon dadurch nicht den Bezug zum Versammlungszweck. Auch er blieb Teil des Versammlungsgeschehens und war für die kollektive Meinungskundgabe allein aufgrund der angezeigten Teilnehmerzahl und der gewählten Versammlungsform funktional notwendig, weil sonst die Versammlungsteilnehmer ihren Protest und ihre Meinungskundgabe nicht hätten dauerhaft „auf der Straße“ durchführen können. Es kann bei zwei aneinandergebauten Pavillons keinen entscheidungserheblichen Unterschied in ihrer Bedeutung für das Versammlungsgeschehen machen, wenn in einem Pavillon tatsächlich nur geschlafen und im anderen nur diskutiert wird oder beide sowohl zum Ausruhen als auch zum öffentlichen Diskutieren genutzt werden. Es kommt vielmehr entscheidend darauf an, ob für die von den Versammlungsteilnehmern gewählte Kundgabeform und die Zahl der Versammlungsteilnehmer die von den Pavillons überdachte Fläche zur Verwirklichung des Versammlungszwecks funktional oder symbolisch eingesetzt worden ist. Nicht maßgeblich ist entgegen der Auffassung der Beklagten daher, dass der zweite Pavillon nach ihren Beobachtungen ausschließlich zum Ausruhen und Schlafen sowie zur Lagerung von Gegenständen benutzt worden war, während sich die Diskussionen und Informationen auf den ersten Pavillon beschränkten.

Da die Beklagte somit das Interesse der Versammlungsteilnehmer an der Aufstellung eines zweiten Pavillons als nicht in Zusammenhang mit der kollektiven Meinungskundgabe stehend bewertet hat, hat sie das Interesse der Versammlungsteilnehmer nur mit einer unzureichenden Gewichtung in ihre Abwägungsentscheidung eingestellt.

Selbst wenn man zugunsten der Beklagten davon ausginge, sie habe erkannt, dass auch der zweite Pavillon eine funktionale Bedeutung für die angezeigte Versammlung habe, so erweist sich die verfügte Beschränkung als unverhältnismäßig, weil die von der Beklagten angestellten Erwägungen, wonach ein Verstoß gegen die Sicherheitssatzung vorliege, der Zugang zu den anliegenden Gewerbebetrieben behindert würde und den Versammlungsteilnehme bereits auseichend Zeit zur Kundgabe ihrer Anliegen zur Verfügung gestellt worden sei, das Interesse der Versammlungsteilnehmer, einen zweiten Pavillon aufzustellen, um die Versammlung ihren Vorstellungen entsprechend durchführen zu können, nicht hinreichend gewichtet hat. Sie hat insbesondere keine Erwägungen dahingehend angestellt, ob nicht durch eine örtliche Verschiebung der Pavillons am Versammlungsort oder einen Wechsel des Versammlungsorts eventuelle Beeinträchtigungen für Dritte hätten reduziert werden können. Auch die von der Beklagten angeführte Überlegung, dass die Versammlungsteilnehmer bereits genügend Zeit gehabt hätten, ihr Anliegen darzustellen, führte nicht ohne weiteres dazu, dass ihr Recht, sich zu versammeln und entsprechend dem Versammlungszweck zwei Pavillons aufzustellen, schon hinter das Zelt- und Nächtigungsverbot der Sicherheitssatzung hätte zurücktreten müssen, wenn nicht gerade in der Dauer des Verstoßes gegen die Sicherheitssatzung eine zusätzliche erhebliche Beeinträchtigung der öffentlichen Sicherheit gelegen hätte.

3.1.6 Auch die Beschränkung in Nr. 1.19 des Bescheids vom 15. Juni 2012, den Pavillon auf allen Seiten offen zu halten, ist ermessensfehlerhaft. In den Gründen des Bescheids finden sich auch keine weiteren Ausführungen zu dieser Beschränkung. Die Beklagte ging wohl davon aus, dass ein geschlossener Pavillon nicht spezifisch versammlungsbezogen sei, weil durch das Verhängen der Eingänge des Pavillons eine Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung ausgeschlossen gewesen sei. Dabei verkannte die Beklagte, dass bei Dauerversammlungen zum Schutz der Kundgebungsmittel und der Versammlungsteilnehmer vor Nässe und Wind auch das (teilweise) Verhängen der Pavillons mit Planen zur weiteren Durchführung der Versammlung notwendig war, weil ansonsten bei entsprechenden Witterungsbedingungen die Versammlung hätte abgebrochen werden müssen. Dies hat der Senat bereits in seiner Entscheidung vom 2. Juli 2012 (10 CS 12.1419 - juris Rn. 32) klargestellt. Daran hält er auch nach wie vor fest.

3.2 Die Beschränkung in Nr. 1.15 des Bescheids vom 15. Juni 2012, wonach keine Betten aufgestellt werden dürfen, war ebenfalls rechtswidrig. Auch diese Regelung war ermessensfehlerhaft und unverhältnismäßig. Die Beklagte hat zum Nächtigungsverbot in Nr. 1.16 des Bescheids vom 15. Juni 2012 und zum Verbot des Aufstellens von Betten in den Gründen ausgeführt, dass das Nächtigen gegen § 4 Abs. 2 Nr. 1 der Sicherheitssatzung verstoße. Das Übernachten hätte nicht die Meinungskundgabe zum Ziel gehabt. Das Aufstellen von Betten sei zu untersagen gewesen, weil diese ausschließlich dem Zweck des dauerhaften Nächtigens gedient hätten. Dem Verbot, Betten aufzustellen, kommt aber nach Auffassung des Senats unabhängig vom Verbot des Nächtigens, das der Kläger hat bestandskräftig werden lassen, bezogen auf den Versammlungszweck, nämlich über einen längeren Zeitraum unterbrochen am Versammlungsort präsent zu sein, um den Forderungen der Versammlungsteilnehmer Nachdruck zu verleihen, eine über das Nächtigungsverbot hinausgehende Bedeutung zu. Der Senat hat bereits im Beschluss vom 12. April 2012 (10 CS 12.767 - juris Rn. 12) erläutert, dass die dauernde Anwesenheit am Versammlungsort zwangsläufig ein Bedürfnis nach Ruhepausen nach sich zieht. Wenn sich die Versammlungsteilnehmer also am Versammlungsort z. B. nur ausruhen (auch tagsüber), steht das Aufstellen eines Bettes zu diesem Zweck in funktionalem Zusammenhang mit dem Versammlungsgeschehen. Es kann offen bleiben, ob das Aufstellen eines Bettes per se bereits gegen die Sicherheitssatzung der Beklagten verstoßen hat oder straßenrechtlich erlaubnispflichtig gewesen wäre. Denn die Beklagte hat bei ihrer Entscheidung über die Beschränkung das Aufstellen von Betten lediglich unter dem Aspekt des Nächtigens gewürdigt und nicht berücksichtigt, dass Betten auch dem Ausruhen dienen und daher einen hinreichend funktionalen Bezug zum konkreten Versammlungsgeschehen aufweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit stützt sich auf § 167 Abs. 2 und § 167 Abs. 1 Satz 1 VwGO in Verbindung mit § 708 Nr. 10, § 709 Satz 2 und § 711 Satz 1 und 2 ZPO.

Die Revision ist zuzulassen, weil die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat(§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).

Rechtsmittelbelehrung

Nach § 139 VwGO kann die Revision innerhalb eines Monats nach Zustellung dieser Entscheidung beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof (in München Hausanschrift: Ludwigstraße 23, 80539 München; Postfachanschrift: Postfach 34 01 48, 80098 München; in Ansbach: Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach) eingelegt werden. Die Revision muss die angefochtene Entscheidung bezeichnen. Sie ist spätestens innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieser Entscheidung zu begründen. Die Begründung ist beim Bundesverwaltungsgericht, Simsonplatz 1, 04107 Leipzig (Postfachanschrift: Postfach 10 08 54, 04008 Leipzig), einzureichen. Die Revisionsbegründung muss einen bestimmten Antrag enthalten, die verletzte Rechtsnorm und, soweit Verfahrensmängel gerügt werden, die Tatsachen angeben, die den Mangel ergeben.

Vor dem Bundesverwaltungsgericht müssen sich die Beteiligten, außer in Prozesskostenhilfeverfahren, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht eingeleitet wird. Als Prozessbevollmächtigte zugelassen sind neben Rechtsanwälten und Rechtslehrern an den in § 67 Abs. 2 Satz 1 VwGO genannten Hochschulen mit Befähigung zum Richteramt nur die in § 67 Abs. 4 Satz 4 VwGO und in §§ 3, 5 RDGEG bezeichneten Personen. Für die in § 67 Abs. 4 Satz 5 VwGO genannten Angelegenheiten (u. a. Verfahren mit Bezügen zu Dienst- und Arbeitsverhältnissen) sind auch die dort bezeichneten Organisationen und juristischen Personen als Bevollmächtigte zugelassen. Sie müssen in Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht durch Personen mit der Befähigung zum Richteramt handeln.

[73] Beschluss:

Unter Abänderung des Beschlusses des Bayerischen Verwaltungsgerichts Würzburg vom 14. März 2013 wird der Streitwert für beide Rechtszüge auf jeweils 5.000 Euro festgesetzt (§ 63 Abs. 2 Satz 1 und Abs. 3 Satz 1, § 47 Abs. 1, § 52 Abs. 2 GKG).

(1) Alle Deutschen haben das Recht, sich ohne Anmeldung oder Erlaubnis friedlich und ohne Waffen zu versammeln.

(2) Für Versammlungen unter freiem Himmel kann dieses Recht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes beschränkt werden.

Tenor

1. Die Beschlüsse des Verwaltungsgerichts Leipzig vom 15. Oktober 2010 - 3 L 1556/10 - und des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 15. Oktober 2010 - 3 B 307/10 - verletzen die Beschwerdeführer in ihrem Grundrecht aus Artikel 8 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 19 Absatz 4 Satz 1 des Grundgesetzes.

2. Die Kostenentscheidungen der Beschlüsse werden aufgehoben. Das Verfahren wird insoweit an das Sächsische Oberverwaltungsgericht zur erneuten Entscheidung über die Kosten des Verfahrens zurückverwiesen.

3. ...

4. Der Wert des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit im Verfassungsbeschwerdeverfahren wird auf 8.000 € (in Worten: achttausend Euro) festgesetzt.

Gründe

1

Die Verfassungsbeschwerde betrifft die verwaltungsgerichtliche Versagung vorläufigen Rechtsschutzes gegen eine versammlungsrechtliche Auflage.

I.

2

1. Die Beschwerdeführer meldeten Anfang September 2010 bei der Stadt L. ihr Vorhaben an, am 16. Oktober 2010 (von 12.00 Uhr bis 20.00 Uhr) in L. eine Versammlung unter freiem Himmel durchzuführen. Die geplante Versammlung sollte aus drei Aufzügen und einer Abschlusskundgebung in der Innenstadt von L. bestehen. Die Teilnehmerzahl wurde von den Beschwerdeführern bei der Anmeldung auf 600 Personen geschätzt. Das Motto der geplanten Versammlung lautete "Recht auf Zukunft". Es bezog sich auf eine am 17. Oktober 2009 in L. von der Beschwerdeführerin zu 4), einer Unterorganisation der Nationaldemokratischen Partei Deutschlands (NPD), veranstaltete Versammlung, bei der es im Zusammenhang mit einer Versammlungsblockade durch Gegendemonstranten zu gewalttätigen Auseinandersetzungen und letztlich zu einer polizeilichen Auflösung der Versammlung kam.

3

Angesichts dieser Vorgeschichte und der Anmeldung von zahlreichen Gegendemonstrationen kam es zwischen der Anmeldung und der Durchführung der geplanten Versammlung zu umfangreichen Verhandlungen zwischen den Beschwerdeführern und der Stadt L., die unter anderem in Kooperationsgesprächen am 4., am 6. und am 13. Oktober 2010 eingehend die polizeilich sicherbare Anzahl der geplanten Aufzüge und die konkrete Streckenführung erörterten. In einer Gefährdungsanalyse am 4. Oktober 2010 bekundete die Polizeidirektion L. dabei laut den tatsächlichen Feststellungen des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts, dass der Schutz von zwei der angemeldeten Aufzüge mit den zur Verfügung stehenden Einsatzkräften gewährleistet werden könne. Am 11. Oktober 2010 teilte der Beschwerdeführer zu 1) der Stadt schließlich mit, dass am 16. Oktober 2010 nunmehr lediglich ein einziger Aufzug stattfinden solle. Am 12. Oktober 2010 ergänzte die Polizeidirektion L. ihre Gefahrprognose insofern, dass nunmehr nur eine maximal vierstündige stationäre Kundgebung durchführbar sei, weil nach den Erfahrungen des Versammlungsgeschehens vom 17. Oktober 2009 mit einer höheren als der angemeldeten Teilnehmerzahl zu rechnen sei und jeweils ca. 10 bis 20 % der Teilnehmer der angemeldeten Demonstration und der Gegendemonstrationen als gewaltbereit einzustufen seien.

4

2. Mit Bescheid vom 13. Oktober 2010 untersagte die Stadt L. die Durchführung der Versammlung als Aufzug, verfügte die Durchführung als stationäre Kundgebung in der Zeit von 13.00 Uhr bis 17.00 Uhr in einem Bereich am L. Hauptbahnhof und ordnete die sofortige Vollziehung dieser Auflage an. Die Polizeidirektion L. habe in ihrer Gefahrprognose vom 12. Oktober 2010 dargelegt, dass im Zeitraum vom 15. bis zum 17. Oktober 2010 aufgrund von zahlreichen Versammlungsanmeldungen widerstreitender politischer Lager eine latente Gefährdungssituation vorhanden sei, die einen außerordentlich hohen Kräfteeinsatz der Polizei erfordere. Es sei davon auszugehen, dass sich die Teilnehmer der Aufzüge bei Angriffen durch Personen der linksextremistischen Klientel provozieren ließen und darauf entsprechend reagierten. Die Polizei habe glaubhaft dargelegt, dass sie kräftetechnisch außerstande sei, einen Aufzug zu begleiten, da trotz bundesweiter Anfragen nur 29 der für erforderlich gehaltenen 44 Polizeihundertschaften, also nur 66 % der geplanten Polizeikräfte, zur Verfügung stünden. Die Ausübung der Versammlungsfreiheit werde trotz der Beschränkungen nicht vereitelt, da der zugewiesene Ort eine hinreichende Öffentlichkeitswirksamkeit und eine räumliche Trennung der gegensätzlichen politischen Lager gewährleiste.

5

3. Dagegen erhoben die Beschwerdeführer noch am gleichen Tag Widerspruch und stellten beim Verwaltungsgericht Leipzig die Anträge, die aufschiebende Wirkung ihrer Widersprüche gegen die Auflage, nur eine stationäre Kundgebung durchzuführen, wiederherzustellen sowie im Wege einer einstweiligen Anordnung ein Verbot sämtlicher Versammlungen in einem Umkreis von 300 m um die angemeldeten Aufzugstrecken anzuordnen. Das Verwaltungsgericht Leipzig lehnte die Eilanträge mit Beschluss vom 15. Oktober 2010 ab und begründete dies im Wesentlichen damit, dass der Bescheid vom 13. Oktober 2010 rechtmäßig sei und somit das öffentliche Interesse am Sofortvollzug des Bescheids die Interessen der Beschwerdeführer überwiege. Die Antragsgegnerin des Ausgangsverfahrens, die Stadt L., sei auf der Grundlage der Einschätzung der Polizeidirektion L. nachvollziehbar davon ausgegangen, dass infolge zahlreicher Gegenaktionen und -demonstrationen bei Durchführung des im Zuge der Kooperation der Beschwerdeführer zuletzt noch geplanten einzigen Aufzuges eine unmittelbare Gefährdung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung bestehe. Bei der Vielzahl der angemeldeten und geplanten Veranstaltungen am 16.10.2010, unter anderem ein Fußballspiel, und in Anbetracht der beschriebenen begrenzten Kräftelage der Polizei sei mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit mit einhergehenden Personen- und Sachschäden zu rechnen, denen nur mit der Beschränkung auf eine stationäre Kundgebung begegnet werden könne. Dieser Gefahr könne in Anbetracht der besonderen Veranstaltungssituation am 16. Oktober 2010 auch nicht durch Maßnahmen gegen potentielle Störer begegnet werden.

6

4. Gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts legten die Beschwerdeführer Beschwerde ein. Das Sächsische Oberverwaltungsgericht wies die Beschwerde mit Beschluss vom 15. Oktober 2010 zurück. Ob ein polizeilicher Notstand vorliege, sei im Rahmen der summarischen Prüfung nicht abschließend zu beurteilen. Der Einschätzung der Polizeidirektion lasse sich entnehmen, dass aufgrund des Versammlungsgeschehens im Vorjahr mit gewalttätigen Auseinandersetzungen einer Anzahl von 10 bis 20 % der Teilnehmer sowohl auf Seiten der Beschwerdeführer wie auf Seiten linker Demonstranten gerechnet werde. Zwar erschließe sich dem Gericht nicht, wodurch sich das Gefährdungspotential innerhalb kurzer Zeit so erhöht haben solle, dass statt der zwei Aufzüge, die die Polizeidirektion ursprünglich noch mit den zur Verfügung stehenden Einsatzkräften für sicherbar gehalten habe, nunmehr nur noch eine stationäre Kundgebung möglich sein solle. Wegen der fehlenden Überprüfungsmöglichkeit sei aufgrund einer Folgenabwägung zu entscheiden. Danach sei die Beschwerde zurückzuweisen, weil für den Antragsteller die mit der Durchführung einer nur stationären Kundgebung verbundenen Beeinträchtigungen hinnehmbar seien.

7

5. Die Beschwerdeführer beantragten sodann beim Bundesverfassungsgericht zunächst den Erlass einer einstweiligen Anordnung. Diesen Antrag hat die Kammer aufgrund der besonderen Voraussetzungen der Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes durch das Bundesverfassungsgericht abgelehnt, dabei jedoch zugleich auf die Möglichkeit der Klärung der aufgeworfenen Fragen in einem verfassungsgerichtlichen Hauptsachverfahren hingewiesen (BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 16. Oktober 2010 - 1 BvQ 39/10 -, juris).

8

6. Hieraufhin erhoben die Beschwerdeführer gegen die Beschlüsse des Verwaltungsgerichts Leipzig und des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts fristgemäß Verfassungsbeschwerde mit der Rüge, durch die angegriffenen Entscheidungen in ihren Rechten aus Art. 8 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 19 Abs. 4 GG verletzt zu sein.

9

7. Das Bundesverfassungsgericht hat der Stadt L. als Gegnerin des Ausgangsverfahrens, dem Sächsischen Staatsministerium der Justiz und für Europa sowie der Präsidentin des Bundesverwaltungsgerichts Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben.

10

Nach Auffassung des Rechtsamtes der Stadt L. liegen die Voraussetzungen für die Annahme der Verfassungsbeschwerde nicht vor. Das Sächsische Staatsministerium hat von einer Stellungnahme abgesehen. Die Präsidentin des Bundesverwaltungsgerichts hat eine Stellungnahme des unter anderem für das Versammlungsrecht zuständigen 6. Revisionssenats übersandt, in der dieser Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der angegriffenen Entscheidungen äußert.

II.

11

Die Kammer nimmt die Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung an, weil dies zur Durchsetzung von Art. 8 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG angezeigt ist (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG). Die Voraussetzungen für eine stattgebende Kammerentscheidung liegen vor (§ 93c BVerfGG). Das Bundesverfassungsgericht hat die für die Beurteilung der Verfassungsbeschwerde maßgeblichen Fragen bereits entschieden (vgl. insbesondere BVerfGE 69, 315 <340 ff.>; 110, 77 <83 ff.>). Nach diesen Maßstäben ist die Verfassungsbeschwerde gegen die Beschlüsse des Verwaltungsgerichts Leipzig und des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts zulässig und begründet.

12

1. Der Zulässigkeit der Rüge der Verletzung des Art. 8 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 19 Abs. 4 GG steht weder der Grundsatz der Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde noch das Erfordernis eines Rechtsschutzinteresses entgegen.

13

a) Der Grundsatz der Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde verlangt die Erschöpfung des Rechtswegs in der Hauptsache nur, soweit die geltend gemachte Verletzung von Freiheitsrechten oder von Art. 19 Abs. 4 GG durch die Entscheidung der Gerichte in der Hauptsache noch ausgeräumt werden kann (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senat vom 21. April 1998 - 1 BvR 2311/94 -, NVwZ 1998, S. 834 <835>). Hier rügen die Beschwerdeführer allerdings gerade die Missachtung der Anforderungen des Art. 8 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 19 Abs. 4 GG bei der Zurückweisung ihres Antrags auf vorläufigen Rechtsschutz, die im Hauptsacheverfahren nicht mehr behandelt werden würde.

14

b) Auch ein Rechtsschutzbedürfnis der Beschwerdeführer besteht, obwohl der Demonstrationstermin verstrichen und damit der Sofortvollzug der strittigen Auflagen gegenstandslos geworden ist. Sind verfassungsrechtliche Fragen von grundsätzlicher Bedeutung nicht (mehr) zu klären, besteht ein Rechtsschutzbedürfnis auch nach Erledigung des ursprünglichen Begehrens im Falle einer Wiederholungsgefahr, also wenn ein Gericht die bereits herausgearbeiteten verfassungsrechtlichen Maßstäbe nicht beachtet hat und bei hinreichend bestimmter Gefahr einer gleichartigen Entscheidung bei gleichartiger Sach- und Rechtslage zu befürchten ist, dass es diese auch in Zukunft verkennt (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 21. April 1998 - 1 BvR 2311/94 -, NVwZ 1998, S. 834 <835>). Hier führten die Beschwerdeführer bereits konflikthafte Versammlungen in L. durch und planen auch in Zukunft die Durchführung von Versammlungen in L., bei denen sie mit ähnlichen Konfliktsituationen rechnen und gegebenenfalls gleichartige Entscheidungen des Verwaltungsgerichts und des Oberverwaltungsgerichts befürchten müssten.

15

2. Die Verfassungsbeschwerde ist begründet. Die angegriffenen Beschlüsse verletzen die Beschwerdeführer in ihrem Grundrecht aus Art. 8 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 19 Abs. 4 GG.

16

a) Art. 8 Abs. 1 GG schützt die Freiheit, mit anderen Personen zum Zwecke einer gemeinschaftlichen, auf die Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung gerichteten Erörterung oder Kundgebung örtlich zusammen zu kommen (vgl. BVerfGE 104, 92 <104>; 128, 226 <250>). Als Freiheit zur kollektiven Meinungskundgabe, die auch und vor allem andersdenkenden Minderheiten zugutekommt, ist die Versammlungsfreiheit für eine freiheitlich demokratische Staatsordnung konstituierend (vgl. BVerfGE 69, 315 <344 f.>; 128, 226 <250>) und wird im Vertrauen auf die Kraft der freien öffentlichen Auseinandersetzung grundsätzlich auch den Gegnern der Freiheit gewährt (vgl. BVerfGE 124, 300 <320>). Damit die Bürger selbst entscheiden können, wann, wo und unter welchen Modalitäten sie ihr Anliegen am wirksamsten zur Geltung bringen können, gewährleistet Art. 8 Abs. 1 GG nicht nur die Freiheit, an einer öffentlichen Versammlung teilzunehmen oder ihr fern zu bleiben, sondern umfasst zugleich ein Selbstbestimmungsrecht über die Durchführung der Versammlung als Aufzug, die Auswahl des Ortes und die Bestimmung der sonstigen Modalitäten der Versammlung (vgl. BVerfGE 69, 315 <343> oder <355 ff.>; 128, 226 <250 f.>).

17

Beschränkungen der Versammlungsfreiheit bedürfen gemäß Art. 8 Abs. 2 GG zu ihrer Rechtfertigung einer gesetzlichen Grundlage (vgl. BVerfGE 69, 315 <350 f.>; BVerfGK 17, 303 <307>). Nach § 15 des Gesetzes über Versammlungen und Aufzüge (Versammlungsgesetz) vom 24. Juli 1953 in der Fassung vom 8. Dezember 2008 (BGBl I S. 2366; im Folgenden: VersG) kann die zuständige Behörde die Versammlung von bestimmten Auflagen abhängig machen, wenn nach den zur Zeit des Erlasses der Verfügung erkennbaren Umständen die öffentliche Sicherheit oder Ordnung bei Durchführung der Versammlung unmittelbar gefährdet ist. Danach kann im Einzelfall auch die Festlegung geboten sein, dass eine ursprünglich als Aufzug angemeldete Versammlung nur als ortsfeste Versammlung durchgeführt werden darf (vgl. BVerfGK 2, 1 <8>). Unter Berücksichtigung der Bedeutung der Versammlungsfreiheit darf die Behörde allerdings auch bei dem Erlass von Auflagen keine zu geringen Anforderungen an die Gefahrenprognose stellen. Als Grundlage der Gefahrenprognose sind konkrete und nachvollziehbare tatsächliche Anhaltspunkte erforderlich; bloße Verdachtsmomente oder Vermutungen reichen hierzu nicht aus (BVerfGE 69, 315 <353 f.>; BVerfGK 17, 303 <307>). Ferner gilt, dass, soweit sich der Veranstalter und die Versammlungsteilnehmer grundsätzlich friedlich verhalten und Störungen der öffentlichen Sicherheit vorwiegend aufgrund des Verhaltens Dritter - insbesondere von Gegendemonstrationen - zu befürchten sind, die Durchführung der Versammlung zu schützen ist und behördliche Maßnahmen primär gegen die Störer zu richten sind (vgl. BVerfGE 69, 315 <360 f.>; BVerfGK 8, 79 <81>; BVerfG , Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 1. September 2000 - 1 BvQ 24/00, NVwZ 2000, S. 1406 <1407>). Gegen die friedliche Versammlung selbst kann dann nur unter den besonderen Voraussetzungen des polizeilichen Notstandes eingeschritten werden (vgl. BVerfGE 69, 315 <360 f.>; BVerfGK 17, 303 <308>). Dies setzt voraus, dass die Versammlungsbehörde mit hinreichender Wahrscheinlichkeit anderenfalls wegen der Erfüllung vorrangiger staatlicher Aufgaben und trotz des Bemühens, gegebenenfalls externe Polizeikräfte hinzuzuziehen, zum Schutz der von dem Antragsteller angemeldeten Versammlung nicht in der Lage wäre; eine pauschale Behauptung dieses Inhalts reicht allerdings nicht (vgl. BVerfGK 8, 79 <82>; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 24. März 2001 - 1 BvQ 13/01 -, NJW 2001, S. 2069 <2072>). Die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen von Gründen für ein Verbot oder eine Auflage liegt grundsätzlich bei der Behörde (vgl. BVerfGK 17, 303 <308>; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 4. September 2009 - 1 BvR 2147/09 -, NJW 2010, S. 141 <142>).

18

b) Art. 19 Abs. 4 GG garantiert einen effektiven und möglichst lückenlosen richterlichen Rechtsschutz gegen Akte der öffentlichen Gewalt (vgl. BVerfGE 67, 43 <58>; 96, 27 <39>). Im Verfahren auf Wiederherstellung oder Anordnung der aufschiebenden Wirkung eines Widerspruchs, das für den Regelfall sicherstellt, dass die Verwaltungsbehörden keine irreparablen Maßnahmen durchführen, bevor die Gerichte deren Rechtmäßigkeit geprüft haben, ist der Rechtsschutzanspruch des Bürgers umso stärker, je schwerwiegender die ihm auferlegte Belastung wiegt und je mehr die Maßnahmen der Verwaltung Unabänderliches bewirken (vgl. BVerfGE 35, 382 <401 f.>; 69, 315 <363>; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senat vom 21. April 1998 - 1 BvR 2311/94 -, NVwZ 1998, S. 834 <835>). Insbesondere im Bereich des Versammlungsrechts muss das verwaltungsgerichtliche Eilverfahren angesichts der Zeitgebundenheit von Versammlungen zum Teil Schutzfunktionen übernehmen, die sonst das Hauptsacheverfahren erfüllt (vgl. BVerfGE 69, 315 <363 f.>; 110, 77 <87>; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senat vom 23. März 2004 - 1 BvR 745/01 -, juris, Rn. 13). Die einstweilige Anordnung im verfassungsgerichtlichen Verfahren als außerhalb der Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG liegender Rechtsbehelf kann die primäre Rechtsschutzfunktion der Fachgerichte ebenfalls nicht übernehmen. Angesichts der Aufgaben des Bundesverfassungsgerichts und im Hinblick auf die weitreichenden Folgen, die eine einstweilige Anordnung auslösen kann, ist hierbei zudem ein strenger, von den verwaltungsgerichtlichen Kriterien grundsätzlich unterschiedener Maßstab anzulegen (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senat vom 16. Oktober 2010 - 1 BvQ 39/10 -, juris, Rn. 4). Daher müssen die Verwaltungsgerichte zum Schutz von Versammlungen, die auf einen einmaligen Anlass bezogen sind, schon im Eilverfahren durch eine intensivere Prüfung dem Umstand Rechnung tragen, dass der Sofortvollzug der umstrittenen Maßnahme in der Regel zur endgültigen Verhinderung der Versammlung in der beabsichtigten Form führt. Soweit möglich, ist als Grundlage der gebotenen Interessenabwägung die Rechtmäßigkeit der Maßnahme in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht nicht nur summarisch zu prüfen (vgl. BVerfGE 69, 315 <363 f.>; 110, 77 <87>; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senat vom 21. April 1998 - 1 BvR 2311/94 -, NVwZ 1998, S. 834 <835>). Sofern dies nicht möglich ist, haben die Fachgerichte jedenfalls eine sorgfältige Folgenabwägung vorzunehmen und diese hinreichend substantiiert zu begründen, da ansonsten eine Umgehung der beschriebenen strengen Voraussetzungen für Beschränkungen der Versammlungsfreiheit möglich erschiene.

19

3. Diese Maßstäbe haben das Verwaltungsgericht Leipzig und das Sächsische Oberverwaltungsgericht bei den ihnen obliegenden Entscheidungen über die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nicht hinreichend berücksichtigt. Beide Entscheidungen werden den verfassungsrechtlichen Anforderungen des Art. 8 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 19 Abs. 4 GG im Hinblick auf die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gegen versammlungsbeschränkende behördliche Maßnahmen nicht gerecht.

20

a) Die vom Verwaltungsgericht Leipzig herangezogenen Umstände sind nicht geeignet, die Annahme einer von der Versammlung selbst ausgehenden unmittelbaren Gefährdung für die öffentliche Sicherheit zu tragen, die die Verhinderung der Versammlung in Form eines Aufzugs hätte rechtfertigen können. Das Verwaltungsgericht legt insofern bereits nicht hinreichend deutlich dar, ob seiner Auffassung nach auch von der Versammlung selbst eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit ausgeht oder diese Gefahr ausschließlich aufgrund der zahlreichen Gegendemonstrationen und den hieraus zu erwartenden Störungen der Versammlung besteht. Dass das Verwaltungsgericht in seiner Entscheidung zur Begründung seines Standpunktes im Wesentlichen lediglich auf die Einschätzung der Polizeidirektion L., die ohne nähere Erläuterung 10 bis 20 % der Teilnehmer der angemeldeten Demonstration dem gewaltbereiten Klientel zurechnete, verweist, genügt den Anforderungen des Art. 8 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 19 Abs. 4 GG insofern jedenfalls nicht.

21

Auch im Hinblick auf eine Inanspruchnahme der Veranstalter als Nichtstörer im Wege des polizeilichen Notstandes genügen die tatsächlichen Feststellungen des Verwaltungsgerichts den Anforderungen des Art. 8 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 19 Abs. 4 GG nicht. Das Verwaltungsgericht weist insofern zur Begründung des Vorliegens einer nicht durch Maßnahmen gegen potentielle Störer abwendbaren Gefahr, insbesondere auf die besondere Veranstaltungssituation am 16. Oktober 2010 und die deswegen nur begrenzt zur Verfügung stehenden Polizeikräfte, hin und beruft sich dabei pauschal auf die Einschätzung der Polizeidirektion L. vom 13. Oktober 2010. Berücksichtigt man aber den Umstand, dass die Polizeidirektion in ihrer Gefährdungsanalyse vom 4. Oktober 2010 offenbar noch zwei der angemeldeten Aufzüge mit den ihr voraussichtlich zur Verfügung stehenden Kräften für sicherbar hielt, erfüllt diese pauschale Bezugnahme auf die Einschätzung der Polizeidirektion vom 13. Oktober 2010 nicht die den Anforderungen an die entsprechend obigen Maßstäben bereits im Eilverfahren gebotene intensivere Rechtmäßigkeitsprüfung. Vielmehr hätte die kurzfristige Änderung der polizeilichen Einschätzung, die sich nicht ohne weiteres erschließt, das Verwaltungsgericht zu einer substantiierteren Prüfung der veränderten polizeilichen Einschätzung und zur Nachfrage einer genaueren Begründung ihrer Entscheidung veranlassen müssen. Dass dies vorliegend aus zeitlichen Gründen nicht möglich gewesen wäre, ist nicht erkennbar. Auch im Übrigen hätte es dezidierterer Feststellungen bedurft, aufgrund welcher konkreter Gefahren für die öffentliche Sicherheit und aufgrund welcher konkreter, vorrangig zu schützender sonstiger Veranstaltungen keine ausreichenden Polizeikräfte mehr zum Schutz der angemeldeten Versammlung und der Rechtsgüter Dritter zur Verfügung gestanden hätten. Die behauptete Bindung von Polizeikräften durch die zeitgleich stattfindenden Gegendemonstrationen kann nach obigen Maßstäben jedenfalls nicht ohne weiteres als hinreichendes Argument dafür herangezogen werden. Auch die Bindung von Polizeikräften aufgrund eines parallel stattfindenden Fußballspiels und sonstiger Veranstaltungen, deren vorrangige Schutzwürdigkeit sich nicht ohne weiteres erschließt, reicht hierfür nicht aus.

22

b) Die angegriffene Entscheidung des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts hält den verfassungsrechtlichen Anforderungen des Art. 8 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 19 Abs. 4 GG ebenfalls nicht stand. Zwar hat das Sächsische Oberverwaltungsgericht deutliche Bedenken am Vorliegen der Voraussetzungen eines für die Rechtfertigung der versammlungsrechtlichen Auflage erforderlichen polizeilichen Notstandes geäußert und nachvollziehbar dargelegt, dass sich ihm nicht erschließe, wodurch sich das Gefährdungspotential innerhalb des kurzen Zeitraumes zwischen der Gefährdungsanalyse der Polizeidirektion L. vom 4. Oktober 2010 und dem Erlass der Auflage am 13. Oktober 2010 so erhöht haben soll, dass statt der zwei Aufzüge, die ursprünglich noch mit den zur Verfügung stehenden Einsatzkräften für sicherbar gehalten wurden, nunmehr nur noch eine stationäre Kundgebung möglich sein solle. Auch erscheint es nachvollziehbar, dass dem Sächsischen Oberverwaltungsgericht in der Kürze der ihm zur Verfügung stehenden Zeit die Vornahme der hier grundsätzlich gebotenen und soweit als möglich nicht lediglich summarischen Rechtmäßigkeitskontrolle der behördlichen Auflage nicht mehr möglich war. Allerdings hätte es dem Sächsischen Oberverwaltungsgericht in dieser Konstellation, um der Freiheitsvermutung zugunsten der Versammlungsfreiheit zumindest in der Sache Rechnung zu tragen, oblegen, eine besonders sorgfältige Folgenabwägung vorzunehmen und diese in der Begründung seiner Entscheidung hinreichend offenzulegen. Vorliegend hat sich das Sächsische Oberverwaltungsgericht in der Begründung seiner Entscheidung jedoch im Wesentlichen darauf beschränkt, auf die vermeintlich geringe Beeinträchtigung des Grundrechts der Versammlungsfreiheit hinzuweisen, ohne auch nur ansatzweise ausreichend auf das Bestehen einer die Beeinträchtigung der Versammlungsfreiheit überwiegenden potentiellen Beeinträchtigung anderer Rechtsgüter einzugehen.

23

4. Demgemäß ist festzustellen, dass sowohl der angegriffene Beschluss des Verwaltungsgerichts Leipzig als auch der angegriffene Beschluss des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts die Beschwerdeführer in ihrem Grundrecht aus Art. 8 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 19 Abs. 4 GG verletzen. Einer Aufhebung der Entscheidungen und Zurückverweisung zur erneuten Entscheidung bedarf es darüberhinausgehend nur bezüglich der Kostenentscheidungen, da in der Sache selbst Erledigung eingetreten ist (vgl. Schemmer, in: Umbach/Clemens/Dollinger, 2. Aufl. 2005, BVerfGG, § 93c Rn. 33).

24

5. Die Entscheidung über die Auslagenerstattung folgt aus § 34a Abs. 2 BVerfGG. Die Festsetzung des Gegenstandswerts beruht auf § 37 Abs. 2 Satz 2 in Verbindung mit § 14 Abs. 1 RVG (vgl. BVerfGE 79, 365 <366 ff.>).

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

(1) Alle Deutschen haben das Recht, Beruf, Arbeitsplatz und Ausbildungsstätte frei zu wählen. Die Berufsausübung kann durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes geregelt werden.

(2) Niemand darf zu einer bestimmten Arbeit gezwungen werden, außer im Rahmen einer herkömmlichen allgemeinen, für alle gleichen öffentlichen Dienstleistungspflicht.

(3) Zwangsarbeit ist nur bei einer gerichtlich angeordneten Freiheitsentziehung zulässig.

(1) Das Eigentum und das Erbrecht werden gewährleistet. Inhalt und Schranken werden durch die Gesetze bestimmt.

(2) Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.

(3) Eine Enteignung ist nur zum Wohle der Allgemeinheit zulässig. Sie darf nur durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes erfolgen, das Art und Ausmaß der Entschädigung regelt. Die Entschädigung ist unter gerechter Abwägung der Interessen der Allgemeinheit und der Beteiligten zu bestimmen. Wegen der Höhe der Entschädigung steht im Streitfalle der Rechtsweg vor den ordentlichen Gerichten offen.

(1) Die zuständige Behörde kann die Versammlung oder den Aufzug verbieten oder von bestimmten Auflagen abhängig machen, wenn nach den zur Zeit des Erlasses der Verfügung erkennbaren Umständen die öffentliche Sicherheit oder Ordnung bei Durchführung der Versammlung oder des Aufzuges unmittelbar gefährdet ist.

(2) Eine Versammlung oder ein Aufzug kann insbesondere verboten oder von bestimmten Auflagen abhängig gemacht werden, wenn

1.
die Versammlung oder der Aufzug an einem Ort stattfindet, der als Gedenkstätte von historisch herausragender, überregionaler Bedeutung an die Opfer der menschenunwürdigen Behandlung unter der nationalsozialistischen Gewalt- und Willkürherrschaft erinnert, und
2.
nach den zur Zeit des Erlasses der Verfügung konkret feststellbaren Umständen zu besorgen ist, dass durch die Versammlung oder den Aufzug die Würde der Opfer beeinträchtigt wird.
Das Denkmal für die ermordeten Juden Europas in Berlin ist ein Ort nach Satz 1 Nr. 1. Seine Abgrenzung ergibt sich aus der Anlage zu diesem Gesetz. Andere Orte nach Satz 1 Nr. 1 und deren Abgrenzung werden durch Landesgesetz bestimmt.

(3) Sie kann eine Versammlung oder einen Aufzug auflösen, wenn sie nicht angemeldet sind, wenn von den Angaben der Anmeldung abgewichen oder den Auflagen zuwidergehandelt wird oder wenn die Voraussetzungen zu einem Verbot nach Absatz 1 oder 2 gegeben sind.

(4) Eine verbotene Veranstaltung ist aufzulösen.

(1) Alle Deutschen haben das Recht, sich ohne Anmeldung oder Erlaubnis friedlich und ohne Waffen zu versammeln.

(2) Für Versammlungen unter freiem Himmel kann dieses Recht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes beschränkt werden.

Tenor

I.

Unter Abänderung von Nr. 1 des Beschlusses des Bayerischen Verwaltungsgerichts Ansbach vom 16. September 2015 wird die aufschiebende Wirkung der Klage des Antragstellers gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 15. September 2015 hinsichtlich Nr. 1.2.1 dieses Bescheids mit der Maßgabe angeordnet, dass die Versammlung seitlich rechts oder links neben oder vor dem Hauptportal der L.-kirche in Nürnberg stattfinden kann.

II.

Unter Abänderung von Nr. 2 des Beschlusses des Bayerischen Verwaltungsgerichts Ansbach vom 16. September 2015 werden die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen der Antragsgegnerin auferlegt.

III.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 2.500,- Euro festgesetzt.

Gründe

I.

Mit der Beschwerde verfolgt der Antragsteller seinen in erster Instanz erfolglosen Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage gegen eine versammlungsrechtliche Beschränkung weiter, mit der eine von ihm für den 16. September 2015 von 18.15 Uhr bis 20.00 Uhr angezeigte Versammlung vom vorgesehenen Standort vor dem Hauptportal der L.-kirche im Stadtgebiet der Antragsgegnerin in eine Seitenstraße an der Südseite der Kirche verlegt worden ist.

Der Antragsteller zeigte diese Versammlung zum Thema „Flüchtlingsströme stoppen - Fluchtursachen beseitigen“ am 11. September 2015 an und gab dabei die erwartete Teilnehmerzahl mit etwa 10 Personen an. Als Kundgebungsort benannte er die L.-kirche.

Die Antragsgegnerin schlug dem Antragsteller alternative Versammlungsorte vor, weil die Flächen an der L.-kirche sehr begrenzt seien. Der Antragsteller erklärte sich mit den vorgeschlagenen Ausweichstandorten nicht einverstanden, sondern erklärte, die Versammlung solle vor dem Hauptportal der L.-kirche oder auf dem Platz davor stattfinden.

Mit Bescheid vom 15. September 2015 bestätigte die Antragsgegnerin die Versammlungsanzeige und erließ eine Reihe von Beschränkungen. Unter anderem ordnete sie an, dass die Versammlung auf dem im beiliegenden Plan bezeichneten Platz südlich der L.-kirche in dem von der Polizei vorbereiteten Bereich stattzufinden habe, soweit die Polizei keine anderen Anweisungen treffe (Nr. 1.2.1 des Bescheids).

Zur Begründung führte die Antragsgegnerin an, dass der Lorenzplatz wegen des Wochenmarktes nur sehr eingeschränkt zur Verfügung stehe. Da mit Gegendemonstrationen zu rechnen sei, müsse der Versammlungsort durch Absperrgitter gesichert werden. Außerdem müssten Passantenströme umgeleitet werden, so dass an der L.-kirche dann kein Marktbetrieb mehr möglich sei. Der festgelegte Versammlungsort befinde sich in unmittelbarer Nähe der L.-kirche und schließe unmittelbar an die hochfrequentierte Königstraße an.

Der Antragsteller erhob Klage gegen die räumliche Verlegung der Versammlung und beantragte zugleich, die aufschiebende Wirkung seiner Klage gegen die Verlegung der Versammlung mit der Maßgabe anzuordnen, dass die Versammlung seitlich neben oder vor dem Hauptportal der L.-kirche stattfinden könne.

Mit Beschluss vom 16. September 2015 lehnte das Verwaltungsgericht Ansbach den Antrag des Antragstellers auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung ab und folgte dabei der Einschätzung der Antragsgegnerin, wonach die erforderlichen Absperrungen den Marktbetrieb und Fußgängerverkehr übermäßig beeinträchtigten. Ergänzend führte es aus, dass inzwischen eine Gegenveranstaltung angezeigt worden sei, die nur im Abstand von 10 Metern zur Versammlung des Antragstellers stattfinden solle. Der Platz vor der L.-kirche solle daher als Pufferzone freigehalten werden. Die Antragsgegnerin habe zu Recht darauf verwiesen, dass der Antragsteller zu einem Kooperationsgespräch nicht bereit gewesen sei. Insgesamt sei die Auflage verhältnismäßig, weil die Entfernung vom Versammlungsort zum gewünschten Versammlungsort nur 20 Meter betrage und die Versammlung an einem zentralen Ort stattfinde.

Zur Begründung seiner Beschwerde bringt der Antragsteller vor, dass der Antragsteller durch die Verlegung in eine Nebenstraße abgedrängt werde, in der wesentlich weniger Kommunikationsmöglichkeiten bestünden. Eine Kooperation mit der Antragsgegnerin habe per E-Mail stattgefunden. Die Gegendemonstration sei erst am 15. September 2015 angezeigt worden. Der Antragsteller müsse seinen gewünschten Versammlungsort nicht deshalb räumen, weil die Gegendemonstration in unmittelbarer Nähe zu seiner Versammlung stattfinden solle. Gegebenenfalls müsse die Gegendemonstration in einen entfernteren Bereich verlegt werden.

Der Antragsteller beantragt,

den Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichts Ansbach vom 16. September 2015 aufzuheben und die aufschiebende Wirkung der eingereichten Klage anzuordnen.

Die Antragsgegnerin beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie weist darauf hin, dass die Teilnehmer der Versammlung des Antragstellers durch Gitter vor Gegendemonstrationen zu schützen seien. Wegen der Belegung des Platzes vor den Türmen der L.-kirche mit Marktständen habe für den Versammlungsbereich ein Ort im Grenzbereich zwischen dem eigentlichen Platz und Straßeneinmündungen gewählt werden müssen. Der Versammlungsort der Gegenversammlung sei Folge der dem Antragsteller zugewiesenen Fläche. Er liege vor dem westlichen Sperrgitter. Dieses mit viel Mühe und Aufwand gefundene Ergebnis sei Folge der praktischen Konkordanz.

Ergänzend wird auf die per Telefax übermittelten Behördenakten und die Gerichtsakte verwiesen.

II.

Die zulässige Beschwerde ist begründet. Die vom Antragsteller in der Beschwerdebegründung dargelegten Gründe, die der Verwaltungsgerichtshof nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO allein zu prüfen hat, rechtfertigen die Abänderung des angefochtenen Beschlusses.

Die nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 1 VwGO zu treffende Abwägungsentscheidung führt zu dem Ergebnis, dass das Interesse des Antragstellers an der Anordnung der aufschiebenden Wirkung das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung der angegriffenen Beschränkung überwiegt und daher die aufschiebende Wirkung anzuordnen ist. Denn die in Nr. 1.2.1 des Bescheids angeordnete Beschränkung, nach der die Versammlung auf dem in dem dem Bescheid beiliegenden Plan gekennzeichneten Platz südlich der L.-kirche in dem von der Polizei vorbereiteten Bereich stattfinden soll, wird sich im Hauptsacheverfahren voraussichtlich als rechtswidrig erweisen.

Nach Art. 15 Abs. 1 BayVersG kann die zuständige Behörde die Versammlung beschränken, wenn nach den zur Zeit des Erlasses der Verfügung erkennbaren Umständen die öffentliche Sicherheit oder Ordnung bei Durchführung der Versammlung unmittelbar gefährdet ist. Unter Berücksichtigung der Bedeutung der Versammlungsfreiheit (Art. 8 Abs. 1 GG) darf die Behörde dabei allerdings keine zu geringen Anforderungen an die Gefahrenprognose stellen. Als Grundlage der Gefahrenprognose sind konkrete und nachvollziehbare tatsächliche Anhaltspunkte erforderlich; bloße Verdachtsmomente oder Vermutungen reichen hierzu nicht aus (BVerfGE 69, 315/353 f.).

Ferner gilt, dass, soweit sich der Veranstalter und die Versammlungsteilnehmer grundsätzlich friedlich verhalten und Störungen der öffentlichen Sicherheit vorwiegend aufgrund des Verhaltens Dritter - insbesondere von Gegendemonstrationen - zu befürchten sind, die Durchführung der Versammlung zu schützen ist und behördliche Maßnahmen primär gegen die Störer zu richten sind. Gegen die friedliche Versammlung selbst kann dann nur unter den besonderen Voraussetzungen des polizeilichen Notstandes eingeschritten werden (vgl. BVerfGE 69, 315/360 f.).

Selbst wenn man im Hinblick darauf, dass der Antragsteller die vom Verwaltungsgericht gebilligte Gefahrenprognose der Antragsgegnerin in ihrer Beschwerdebegründung nicht in Zweifel gezogen hat, davon ausgeht, dass nach diesen Maßstäben die öffentliche Sicherheit bei einer Durchführung der vom Antragsteller angemeldeten Versammlung unmittelbar gefährdet gewesen und daher eine Beschränkung in Form einer Verlegung des Kundgebungsortes grundsätzlich in Betracht gekommen wäre, erweist sich die Zuweisung des in dem dem Bescheid beiliegenden Plan bezeichneten Bereichs südlich der L.-kirche als unverhältnismäßige Beschränkung der Versammlungsfreiheit.

Zwar kann das sich aus Art. 8 Abs. 1 GG ergebende Selbstbestimmungsrecht des Veranstalters hinsichtlich des Versammlungsorts durch Rechte anderer beschränkt sein. In diesem Fall ist für die wechselseitige Zuordnung der Rechtsgüter mit dem Ziel ihres jeweils größtmöglichen Schutzes zu sorgen. Wird den gegenläufigen Interessen Dritter oder der Allgemeinheit bei der Planung der angemeldeten Versammlung nicht hinreichend Rechnung getragen, kann nach Art. 15 Abs. 1 BayVersG die praktische Konkordanz zwischen den Rechtsgütern durch versammlungsrechtliche Beschränkungen hergestellt werden (vgl. BVerfG, B. v. 6.5.2005 - 1 BvR 961/05 - juris Rn. 24). Treffen wie hier angesichts der zur gleichen Zeit im Bereich der L.-kirche stattfindenden Gegendemonstration und der von der Antragsgegnerin angenommenen Konfrontationsgefahren mehrere Versammlungen in mit der öffentlichen Sicherheit und Ordnung unvereinbarer Weise aufeinander, so ist der zuerst angemeldeten Versammlung des Antragstellers grundsätzlich Priorität einzuräumen. Jedoch können wichtige Gründe, etwa die besondere Bedeutung des Ortes und Zeitpunktes für die Verfolgung des jeweiligen Versammlungszwecks, für eine andere Vorgehensweise sprechen (vgl. BVerfG, B. v. 6.5.2005 - 1 BvR 961/05 - juris Rn. 25). Kommt es zu konkurrierenden Nutzungswünschen, ist eine praktische Konkordanz bei der Ausübung der Grundrechte unterschiedlicher Grundrechtsträger herzustellen. Dabei kann die Behörde aus hinreichend gewichtigen Gründen unter strikter Berücksichtigung des Grundsatzes inhaltlicher Neutralität von der zeitlichen Reihenfolge der Anmeldung einer Versammlung abweichen (vgl. BVerfG, B. v. 6.5.2005 - 1 BvR 961/05 - juris Rn. 26).

Ging die Antragsgegnerin davon aus, dass die gleichzeitige Anwesenheit der Versammlung des Antragstellers und der angemeldeten Gegendemonstration und etwaiger weiterer Gegendemonstranten im Bereich der L.-kirche eine unmittelbare Gefährdung der öffentlichen Sicherheit darstellen würde, so hätte sie, wenn sie schon nicht dem Prioritätsgrundsatz folgte, sondern der zuerst angemeldeten Versammlung des Antragstellers und nicht der Gegendemonstration einen anderen Ort zuwies, nach dem Prinzip der praktischen Konkordanz einen verhältnismäßigen Ausgleich zwischen den Grundrechten der beteiligten Versammlungsteilnehmer herstellen müssen. Dies ist hier jedoch nicht geschehen. Vielmehr erweist sich die gegenüber dem Antragsteller getroffene Regelung insoweit nicht als ein dem Prinzip der praktischen Konkordanz genügender verhältnismäßiger Ausgleich der betroffenen Grundrechte, der dem Ziel ihres größtmöglichen Schutzes verpflichtet ist.

Während die erst am 15. September 2015 angezeigte Gegendemonstration örtlich nicht beschränkt wird, sondern an der gewünschten Stelle stattfinden kann, wird die bereits am 11. September 2015 vom Antragsteller angezeigte Versammlung an einen anderen Ort verlegt. Zwar befindet sich der ihr als Versammlungsort zugewiesene Bereich nur etwa 20 m vom beabsichtigten Kundgebungsort am Hauptportal der L.-kirche entfernt in einer südlich an sie angrenzenden Seitenstraße. Jedoch ist mit dieser Verlegung der Kundgebung eine schwerwiegende Beeinträchtigung der Versammlungsfreiheit der an ihr teilnehmenden Personen verbunden. Der zugewiesene Versammlungsbereich grenzt zwar mit seiner westlichen Schmalseite an die belebte Königstraße und gewährleistet daher grundsätzlich, dass die Versammlung von den sich dort aufhaltenden Passanten wahrgenommen werden kann. Es trifft daher auch zu, dass die Versammlung an diesem Ort in der Verwirklichung ihres kommunikativen Zwecks grundsätzlich nur geringfügig beeinträchtigt wäre. Die Gegendemonstration soll aber, wie sich aus dem von der Antragsgegnerin im erstinstanzlichen wie im Beschwerdeverfahren vorgelegten Luftbild und der Beschwerdeerwiderung ergibt, unmittelbar westlich an die zum Schutz der Versammlung des Antragstellers vorgesehenen Sperrgitter angrenzend in der Königstraße stattfinden. Es ist daher angesichts der erwarteten Zahl von 200 Teilnehmern der Gegendemonstration entsprechend der Darstellung in dem von der Antragsgegnerin vorgelegten Luftbild davon auszugehen, dass die in der Seitenstraße südlich der L.-kirche stattfindende Versammlung des Antragstellers durch die Gegendemonstration in der Königstraße völlig von den sich sonst im Umkreis der L.-kirche aufhaltenden Passanten abgeschirmt wird. Da sich östlich des der Versammlung zugewiesenen Standorts in der südlich der L.-kirche gelegenen Seitenstraße eine Baustelle befindet und darüber hinaus auch dort ein die Seitenstraße vollständig unpassierbar machendes Sperrgitter errichtet werden soll, ist auch von Osten her nicht mit einem nennenswerten Publikumsverkehr zu rechnen, der durch die Kundgebung des Antragstellers erreicht werden könnte. Der eigentliche Zweck der Versammlung, in ihrer kollektiven Meinungsäußerung von möglichst vielen Passanten wahrgenommen zu werden und so Einfluss auf die öffentliche Meinung zu nehmen, kann daher nicht erreicht werden. Dies gilt umso mehr, als die Gegendemonstration bereits für 18.00 Uhr angezeigt ist und bis 21.00 Uhr dauern soll, also während der gesamten Dauer der Kundgebung des Antragstellers stattfindet.

Kann damit aber die Gegendemonstration uneingeschränkt am vorgesehenen Versammlungsort stattfinden, während die zuerst angezeigte Versammlung des Antragstellers an einen Ort verlegt wird, an dem die von ihr angestrebte kommunikative Wirkung nahezu vollständig ausgeschlossen ist, so liegt darin, selbst wenn es sich, wie die Antragsgegnerin geltend macht, um die beste Lösung zum Schutz der Versammlung des Antragstellers handeln sollte, kein dem Prinzip praktischer Konkordanz entsprechender verhältnismäßiger Ausgleich der Grundrechte der jeweiligen Versammlungsteilnehmer.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2 und § 52 Abs. 2 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Gründe

1

1. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung hat keinen Erfolg. Nach § 32 Abs. 1 BVerfGG kann das Bundesverfassungsgericht im Streitfall einen Zustand durch einstweilige Anordnung vorläufig regeln, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile, zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus einem anderen wichtigen Grund zum gemeinen Wohl dringend geboten ist. Erweist sich eine Verfassungsbeschwerde weder als von vornherein unzulässig oder offensichtlich unbegründet, sind die Folgen, die eintreten würden, wenn eine einstweilige Anordnung nicht erginge, eine Verfassungsbeschwerde aber Erfolg hätte, gegenüber den Nachteilen abzuwägen, die entstünden, wenn die begehrte einstweilige Anordnung erlassen würde, einer Verfassungsbeschwerde aber der Erfolg zu versagen wäre (vgl. BVerfGE 71, 158 <161>; 96, 120 <128 f.>; stRspr).

2

2. Danach fehlt es hier an den Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung.

3

a) Wenn sich - wie dies nach den Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts der Fall ist, von denen auch das Bundesverfassungsgericht ausgeht - der Veranstalter und die Versammlungsteilnehmer überwiegend friedlich verhalten und Störungen der öffentlichen Sicherheit vorwiegend auf Grund des Verhaltens Dritter - insbesondere von Gegendemonstrationen - zu befürchten sind, ist die Durchführung der Versammlung jedoch nach Art. 8 Abs. 1 GG grundsätzlich zu schützen und sind behördliche Maßnahmen primär gegen die Störer zu richten (vgl. BVerfGE 69, 315 <360 f.>; BVerfGK 8, 79 <81>). Gegen die friedliche Versammlung selbst kann dann nur unter den besonderen, eng auszulegenden Voraussetzungen des polizeilichen Notstandes eingeschritten werden (vgl. BVerfGE 69, 315 <360 f.>; BVerfGK 17, 303 <308>). Dies setzt voraus, dass die Versammlungsbehörde mit hinreichender Wahrscheinlichkeit anderenfalls wegen der Erfüllung vorrangiger staatlicher Aufgaben und trotz des Bemühens, gegebenenfalls externe Polizeikräfte hinzuzuziehen, zum Schutz der von dem Beschwerdeführer angemeldeten Versammlung nicht in der Lage wäre; eine pauschale Behauptung dieses Inhalts reicht allerdings nicht (BVerfGK 8, 79 <82>; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 20. Dezember 2012 - 1 BvR 2794/10 -, NVwZ 2013, S. 570 <571>). Die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen von Gründen für ein Verbot oder eine Auflage liegt bei der Behörde (BVerfGK 17, 303 <308>).

4

Mit Art. 8 GG wäre es nicht zu vereinbaren, dass bereits mit dem Bevorstehen einer Gegendemonstration, deren Durchführung den Einsatz von Polizeikräften erfordern könnte, erreicht werden kann, dass dem Veranstalter der angemeldeten Versammlung die Möglichkeit genommen wird, sein Demonstrationsanliegen zu verwirklichen. Deshalb muss vorrangig versucht werden, den Schutz der Versammlung auf andere Weise durchzusetzen. Der Staat darf insbesondere nicht dulden, dass friedliche Demonstrationen einer bestimmten politischen Richtung durch gewalttätige Gegendemonstrationen verhindert werden. Drohen Gewalttaten als Gegenreaktion auf Versammlungen, so ist es Aufgabe der zum Schutz der rechtsstaatlichen Ordnung berufenen Polizei, in unparteiischer Weise auf die Verwirklichung der Versammlungsfreiheit für alle Grundrechtsträger hinzuwirken und die polizeilichen Mittel und Kräfte bereitzustellen beziehungsweise erforderlichenfalls im Wege der Amtshilfe zu organisieren, um dieses Ziel zu erreichen (vgl. BVerfGK 8, 79 <81>). Der Bund und die Länder sind gegebenenfalls zur Amtshilfe verpflichtet. Im Regelfall muss und wird es deshalb möglich sein, eine Versammlung, die - wie im vorliegenden Verfahren - frühzeitig angemeldet wurde, vor Angriffen Dritter zu schützen und so deren Durchführung sicherzustellen. Lassen sich angesichts nicht vorhersehbarer Entwicklungen oder außergewöhnlicher Umstände im Einzelfall die zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit benötigten Polizeikräfte am Veranstaltungstag auch unter Hinzuziehung externer Kräfte nicht rechtzeitig bereitstellen, verlangt eine verhältnismäßige Beschränkung des Art. 8 Abs. 1 GG auch die Prüfung einer zeitlichen Verschiebung der Versammlung anstelle eines Verbots als milderes Mittel.

5

b) Das Oberverwaltungsgericht stellt unter Zugrundelegung dieser Grundsätze mit guten Gründen darauf ab, dass vorliegend zweifelhaft ist, ob die Antragsgegnerin des Ausgangsverfahrens die erforderlichen Anstrengungen zum Schutz der Versammlung unternommen hat und das Verbot der Versammlung zu Recht auf einen polizeilichen Notstand gestützt werden konnte. Vertretbar hält es diese Frage im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes unter dem besonderen Zeitdruck des Falls nicht für aufklärbar. Die im Rahmen der Folgenabwägung erstellte Gefahrenprognose, dass die geplante Durchführung der Versammlung angesichts der jedenfalls im Ergebnis nicht hinreichend verfügbaren Einsatzkräfte mit Sicherheit zu gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen einem erheblichen Teil der Teilnehmer und Gegendemonstranten führen wird, die unter diesen Bedingungen nicht verhindert werden können, war nicht auf bloße Vermutungen, sondern auf umfangreiche Tatsachenfeststellungen gestützt. Sie hält sich unter den besonderen Bedingungen des vorliegenden Falls noch im fachgerichtlichen Wertungsrahmen. Sie nimmt die Anforderungen an den polizeilichen Notstand ernst und behält sich dessen Prüfung im Hauptsacheverfahren vor. Es ist weder ersichtlich, dass das Gericht damit den Sicherheitsbehörden einen Weg öffnen will, durch schlichte Verweigerung der gebotenen Anstrengungen Versammlungen zu verhindern, noch dass die Antragsgegnerin sich an die insoweit maßgeblichen Maßstäbe nicht halten und diesen Weg als ein Mittel zur Verhinderung von unliebsamen Versammlungen wählen wird.

6

Eine hiervon abweichende eigene Folgenabwägung ist auch dem Bundesverfassungsgericht angesichts der Kürze der Zeit nicht möglich. Im Rahmen der Entscheidung über eine einstweilige Anordnung nach § 32 Abs. 1 BVerfGG ist eine verantwortliche Abwägung nur in voller Kenntnis der hierfür maßgeblichen Umstände möglich. Fehlt es an einer realistischen Möglichkeit, sich diese zu verschaffen, und ist insbesondere in der zur Verfügung stehenden Zeit feststellbar, dass die Ausgangsentscheidungen die verfassungsrechtlichen Grundsätze nicht verkannt haben, die für eine solche Abwägung gelten, sieht sich das Bundesverfassungsgericht zu einer abweichenden Beurteilung außerstande (vgl. BVerfGE 56, 244 <246>; 72, 299 <301>; 83, 158 <161>). So liegt es hier. Insbesondere hat das Oberverwaltungsgericht die einschlägigen verfassungsrechtlichen Grundsätze nicht verkannt.

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Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

Tenor

I.

Die Beschwerde der Antragstellerin wird zurückgewiesen.

II.

Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird in Abänderung von Nr. I des Beschlusses des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 5. Juni 2015 der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung insgesamt abgelehnt.

III.

In Abänderung von Nr. II des Beschlusses trägt die Antragstellerin die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.

IV.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 5.000 Euro festgesetzt.

Gründe

I.

Die Beschwerden der Antragstellerin und des Antragsgegners richten sich gegen einen Beschluss des Verwaltungsgerichts, mit dem die aufschiebende Wirkung der Klage der Antragstellerin gegen versammlungsrechtliche Beschränkungen in Bezug auf einen Sternmarsch anlässlich des G7-Gipfels in Elmau teilweise angeordnet der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung im Übrigen jedoch abgelehnt worden ist.

Durch Allgemeinverfügung vom 29. April 2015, die am 5. Mai 2015 im Amtsblatt des Landratsamts Garmisch-Partenkirchen bekanntgegeben wurde, richtete der Antragsgegner im Umgriff des Schlosses Elmau, in dem am 7. und 8. Juni 2015 der G7-Gipfel stattfindet, sowie jeweils seitlich entlang der nach Elmau führenden Mautstraße ab der Mautstelle in der Zeit vom 30. Mai 2015 bis 9. Juni 2015 einen Sicherheitsbereich ein (Nr. 1 der Allgemeinverfügung), zu dem nur die am G7-Gipfel teilnehmenden Gäste und deren Begleitpersonen Zutritt erhalten. Personen, die ein besonderes berechtigtes Interesse am Betreten des Sicherheitsbereichs nachweisen, können auf Antrag eine Betretungserlaubnis erhalten (Nr. 2 der Allgemeinverfügung).

Mit Bescheid vom 28. Mai 2015 beschränkte der Antragsgegner unter anderem den Streckenverlauf zweier im Rahmen eines Sternmarsches am 7. Juni 2015 als „Route 4 - Klais“ (im Folgenden: Route 4) und „Route 5 - Mittenwald“ (im Folgenden: Route 5) von der Antragstellerin im Namen des Aktionsbündnisses STOP G 7 - Elmau angemeldeter Demonstrationen. Die Beschränkung der Route 4, die um 8.00 Uhr am Bahnhof Klais beginnen und von dort auf der Mautstraße nach Elmau führen sollte und für die nach der Anmeldung etwa 500 Teilnehmer erwartet werden, besteht darin, dass der Demonstrationszug am nahegelegenen Anwesen Bahnhofstraße 18 zu enden hat. Die Demonstration auf der Route 5, die um 8.00 Uhr am Bahnhof Mittenwald beginnen und von dort über die Arnspitzstraße, die Viererspitzstraße, die Karwendelstraße, die Innsbrucker Straße und die Ferchenseestraße am Lautersee vorbei nach Elmau führen sollte, wird dahingehend beschränkt, dass die Route stattdessen über die Bahnhofstraße, die Hochstraße, den Fritz-Prölß-Platz, die Partenkirchener Straße, die Straße Am Anger, die Goethestraße, den Schlipferweg, den Gröblweg, die Straße Am Kalvarienberg, den Parkplatz am Kranzbergsessellift und Kaffeefeld und sodann über die Wanderwege Nr. 828, 826 und 812 bis zur Gabelung der Wanderwege Nr. 812 und Nr. 807 verläuft, wobei der Wanderweg Nr. 807 nicht betreten werden darf (Nr. 1.2.2 des Bescheids).

Unter anderem gegen diese Beschränkungen in Nr. 1.2.2 des Bescheids vom 28. Mai 2015 sowie gegen Nr. 1 und 2 der Allgemeinverfügung vom 29. April 2015 erhob die Antragstellerin Klage und beantragte gleichzeitig die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage bezüglich der unter Nr. 1.2.2 des Bescheids vom 28. Mai 2015 verfügten Streckenänderungen der Routen 4 und 5 (Nr. II des Antrags), hilfsweise bezüglich der unter Nr. 1.2.2 des Bescheids verfügten Streckenänderungen der Route 5 (Nr. II.a des Antrags), hilfsweise dazu bezüglich der unter Nr. 1.2.2 des Bescheids verfügten Streckenänderungen der Route 4 (Nr. II.b des Antrags), hilfsweise dazu bezüglich der unter Nr. 1.2.2 verfügten Streckenänderungen der Route 4 mit der Maßgabe, dass den Versammlungsteilnehmern aufgegeben wird, sich auf der ursprünglich von den Antragstellern angemeldeten Route 4 lediglich in Zweierreihen fortzubewegen (Nr. II.c), hilfsweise dazu bezüglich der unter Nr. 1.2.2 verfügten Streckenänderungen der Route 4 mit der Maßgabe, dass den Versammlungsteilnehmern aufgegeben wird, sich auf der ursprünglich von den Antragstellern angemeldeten Route 4 lediglich in einer Reihe (sog. Gänsemarsch) fortzubewegen (Nr. II.d des Antrags), und schließlich hilfsweise dazu bezüglich der unter Nr. 1.2.2 verfügten Streckenänderungen der Route 4 mit der Maßgabe, dass lediglich einer Anzahl von bis zu 50 Versammlungsteilnehmern gestattet wird, sich bis in Ruf- und Sichtweite des Schlosses Elmau zu bewegen und dort Transparente zu zeigen und Sprechchöre (auch mit Hilfe von Handmegaphonen) anzustimmen (Nr. II.e des Antrags). Außerdem beantragte die Antragstellerin, die aufschiebende Wirkung der Klage gegen Nr. 1 und 2 der Allgemeinverfügung vom 29. April 2015 wiederherzustellen, soweit es für die Durchführung der ursprünglich von den Veranstaltern beantragten Versammlungsrouten erforderlich ist (Nr. III des Antrags).

Mit Beschluss vom 5. Juni 2015 ordnete das Verwaltungsgericht die aufschiebende Wirkung der Klage an, soweit die Antragstellerin hilfsweise beantragt hat, die in Nummer 1.2.2 des Bescheides vom 28. Mai 2015 angeordnete Streckenänderung der Route 4 der Versammlung mit der Maßgabe aufzuheben, dass es einer Anzahl von bis zu 50 Versammlungsteilnehmern gestattet wird, sich in Hör- und Sichtweite des Schlosses Elmau aufzuhalten und dort Transparente zu zeigen und Sprechchöre (auch mit Hilfe von Handmegaphonen) anzustimmen. Die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage erfolgte dabei unter der Auflage, dass weitere versammlungsrechtliche Beschränkungen des Antragsgegners zu dulden sind, die dem Schutz von der Versammlungsfreiheit entgegenstehenden Rechtsgütern dienen, insbesondere dass sich die Versammlungsteilnehmer außerhalb des inneren Sicherheitsbereichs 1 auf einer ihnen vom Antragsgegner zugewiesenen Fläche aufzustellen haben und den gleichen Personenkontrollen unterliegen wie andere Personen (Journalisten u. a.), denen der Zutritt zu dem eingerichteten Sicherheitsbereich gewährt wird. Im Übrigen lehnte das Verwaltungsgericht den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung ab.

Das Verwaltungsgericht sah die Änderung der Versammlungsrouten als nach Art. 15 Abs. 1 BayVersG zulässig an. Die Einrichtung eines Ringverkehrs für den Rettungs- und Evakuierungsverkehr in Form eines ohne Gegenverkehr nutzbaren Straßensystems auf den angemeldeten Routen 4 und 5 sei zur Gewährleistung der Sicherheit der am Tagungsort versammelten rund 5.000 Personen und einer ausreichend gesicherten Protokollstrecke zwingend notwendig. Das Erfordernis einer uneingeschränkten Nutzungsmöglichkeit beider Strecken schließe unter Berücksichtigung der von den jeweiligen Demonstrationen ausgehenden Blockadegefahr die von der Antragstellerin begehrte parallele Nutzung durch die von der Antragstellerin begehrte parallele Nutzung durch Versammlungsteilnehmer auch dann aus, wenn diese sich in Zweierreihen oder im Gänsemarsch fortbewegten. Auf der Mautstraße, auf der sich Fahrzeuge mit hoher Geschwindigkeit bewegten, bestehe darüber hinaus ein nicht hinnehmbares Verletzungsrisiko für die Versammlungsteilnehmer.

Soweit das Verwaltungsgericht die aufschiebende Wirkung anordnete, begründete es dies im Wesentlichen damit, dass die vom Antragsgegner angestellte Gefahrenprognose die Verkürzung der Route 4 nicht trage, wenn die Demonstration in Form einer auf 50 individualisierbare Teilnehmer beschränkten (stationären) Protestkundgebung in Hör- und Sichtweite des Tagungsortes in Elmau stattfinde, ein fahrzeuggebundener Personentransport an den Kundgebungsort erfolge und für die im Sicherheitsbereich stattfindende Versammlung weitere versammlungsrechtliche Beschränkungen zugunsten der öffentlichen Sicherheit erfolgten. Von wenigen Versammlungsteilnehmern ausgehende Sicherheitsstörungen könnten durch ein noch vertretbares Aufgebot an Polizeikräften rasch unterbunden werden. Hingegen komme eine sich zu Fuß von Klais nach Elmau fortbewegende Versammlung im Hinblick auf die Funktion der Mautstraße als Not- und Rettungsweg und als Protokollstrecke ebensowenig in Betracht wie eine Kundgebung im inneren Sicherheitsbereich, den der Antragsgegner zum Schutz der Gipfelteilnehmer, vor allem der besonders gefährdeten Staatsgäste, und zur Gewährleistung eines störungsfreien Ablaufs der staatlichen Veranstaltung unmittelbar am Tagungsort eingerichtet habe. Darüber hinaus seien weitere versammlungsrechtliche Beschränkungen erforderlich. Den Versammlungsteilnehmern sei eine Aufstellfläche zuzuweisen, die den störungsfreien Ablauf des Gipfelgeschehens und den Schutz sonstiger bedeutender Rechtsgüter wie etwa der Sicherheit des Flugverkehrs gewährleiste. Im Hinblick auf die Beanspruchung der dort tätigen Polizeikräfte sei auch eine zeitliche Beschränkung der Kundgebung im Sicherheitsbereich denkbar. Außerdem komme eine Beschränkung in Betracht, durch die den Versammlungsteilnehmern in gleicher Weise wie den Pressevertretern aufgegeben werde, den Versammlungsort in einem Fahrzeug zu erreichen und beim Einlass in den Sicherheitsbereich Personenkontrollen hinzunehmen.

Schließlich hält das Verwaltungsgericht die Klage bezüglich der Allgemeinverfügung für voraussichtlich unbegründet, weil den Versammlungsteilnehmern nach deren Nr. 2 eine Betretenserlaubnis zu erteilen und die Allgemeinverfügung auch im Übrigen nicht zu beanstanden sei.

Gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts haben sowohl die Antragstellerin als auch der Antragsgegner Beschwerde erhoben.

Die Antragstellerin macht im Wesentlichen geltend, die Beschränkungen hinsichtlich der Routen 4 und 5 seien nicht gerechtfertigt. Angesichts der Breite der betreffenden Straßen könne der Fahrverkehr durch geeignete Anordnungen gesichert werden. Einer Blockadegefahr könne durch polizeiliche Anordnungen und durch die sich vor Ort befindenden Polizeikräfte wirksam begegnet werden. Ebenso könne dem Verletzungsrisiko für die Versammlungsteilnehmer durch geeignete Maßnahmen entgegengewirkt werden. Außerdem komme als milderes Mittel eine Beschränkung auf 500 oder weniger Personen in Betracht. Auch die Hilfsanträge der Antragstellerin zeigten Möglichkeiten auf, dem Begehren der Versammlungsteilnehmer, ihr Anliegen in hinreichender Nähe zum Versammlungsort sichtbar zu machen, Rechnung zu tragen. Soweit das Verwaltungsgericht die aufschiebende Wirkung angeordnet habe, seien die damit verbundenen Beschränkungen nicht akzeptabel. Die Maßgabe, dass weitere versammlungsrechtliche Beschränkungen des Antragsgegners zu dulden seien, verletze den Bestimmtheitsgrundsatz. Die im Tenor als weitere Beschränkung genannte Personenkontrolle beinhalte auch die Feststellung der Personalien und verstoße gegen das Grundrecht der Versammlungsfreiheit. Sie sei geeignet, die Teilnehmer von der Wahrnehmung ihres Versammlungsrechts abzuhalten und laufe auf eine Durchleuchtung der politischen Gesinnung der Betroffenen hinaus. Eine solche Kontrolle sei auch nicht erforderlich, weil die Teilnehmer einer Versammlung leichter überwachbar seien als sich im Sicherheitsbereich frei bewegende Journalisten und weil der Versammlungsleiter jedenfalls bei höchstens 50 Personen in der Lage sei, den sicheren Verlauf der Versammlung zu gewährleisten. Die Versammlungsteilnehmer könnten notfalls auch im Nachhinein individualisiert werden. Soweit das Verwaltungsgericht davon ausgehe, dass die Versammlungsteilnehmer zum Versammlungsort im Sicherheitsbereich transportiert werden müssten, könne dies nur durch die Polizei geschehen. Darin liege aber ein Verstoß gegen elementare Grundsätze des Versammlungsrechts. Schon der Anschein einer Lenkung einer Kundgebung widerspreche dem grundgesetzlichen Schutz der Versammlungsfreiheit. Die Versammlungsteilnehmer könnten als Alibidemonstranten erscheinen.

Die Antragstellerin beantragt sinngemäß,

die Beschwerde des Antragsgegners zurückzuweisen und unter Abänderung der Nr. I des Beschlusses des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 5. Juni 2015 die aufschiebende Wirkung ihrer Klage nach Maßgabe von Nr. II, hilfsweise Nr. II.a bis II.e, und III ihres erstinstanzlichen Antrags auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung anzuordnen.

Der Antragsgegner beantragt,

die Beschwerde der Antragstellerin zurückzuweisen, den Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichts München aufzuheben, soweit darin die aufschiebende Wirkung angeordnet worden ist, und den Antrag der Antragstellerin auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung in vollem Umfang abzulehnen.

Er ist der Ansicht, sämtliche Routenbeschränkungen seien durch die Durchführung des G7-Gipfels als einer rechtmäßigen Veranstaltung des Staates gerechtfertigt. Das Verwaltungsgericht habe daher die aufschiebende Wirkung der Klage zu Unrecht teilweise angeordnet. Die verfügte Auflage sei zu unbestimmt. Es ergebe sich nicht in hinreichender Weise, wie die konfligierenden Interessen der Versammlungsfreiheit aus Art. 8 Abs. 1 GG und dem sich aus Art. 2 Abs. 2 GG ergebenden Auftrag zur Abwehr von Gefahren für Leib und Leben sowie zur Sicherung der Durchführung der internationalen Konferenz zu einem konkordanten Ausgleich gebracht werden könnten. Unbestimmt seien nicht nur die Begriffe der Sicht- und der Hörweite, sondern auch die weiteren Auflagen, weil sie bei der Zuweisung des Kundgebungsstandorts den Schutz des störungsfreien Ablaufs des Gipfels und etwaige andere bedeutende Rechtsgüter berücksichtigen müssten. Dies gelte auch für eine zeitliche Beschränkung und die Personenkontrollen. Auch gebe es für die Auflage weder nach Prozessrecht noch nach materiellem Recht eine Rechtsgrundlage. Die Delegation von 50 Personen sei keine Versammlung im Sinne von Art. 8 Abs. 1 GG. Eine Auswahl dieser Personen allein durch die Antragstellerin verletze die Versammlungsfreiheit der übrigen Demonstranten. Auch gewähre Art. 8 Abs. 1 GG kein Leistungsrecht auf Bereitstellung einer Versammlungsfläche oder auf einen Transport zum Versammlungsort durch von behördlicher Seite zur Verfügung gestellte Fahrzeuge, der hier, wie das Verwaltungsgericht zutreffend festgestellt habe, unerlässlich sei. Letztlich handele es sich bei der vom Verwaltungsgericht verfügten Auflage nicht um ein milderes Mittel gegenüber den Beschränkungen des Bescheids. Die Dimension eines Abwehrrechts im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung könne nicht zu einem Teilhabeanspruch modifiziert werden. Das Verwaltungsgericht lasse auch offen, wie die Delegationslösung rechtlich vertretbar durchgeführt werden könne. Die Antragstellerin könne die Delegationsteilnehmer nicht für den Antragsgegner verbindlich auswählen, weil sie nicht über die Ausübung der Grundrechte Dritter entscheiden könne. Auch binde die Auflage, andere versammlungsrechtliche Beschränkungen des Antragsgegners zu dulden, nur die Antragstellerin, nicht aber den Mitanmelder oder andere Mitglieder des Aktionsbündnisses STOP G7 - Elmau. Der Umsetzung der Maßgaben des Verwaltungsgerichts stünden erhebliche konkrete Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung entgegen. Es sei mit einer erheblichen Zahl gewalttätiger Störer zu rechnen. Selbst von 50 Teilnehmern könnten Sicherheitsstörungen ausgehen. Die Auflösung einer Sitzblockade von 50 Personen nehme 90 Minuten in Anspruch. Es sei nicht vertretbar, das besondere Sicherheitsniveau durch den Einlass einer Delegation in den Sicherheitsbereich zu konterkarieren, zumal wenn diese möglicherweise an einem Blockadetraining oder ähnlichen taktischen Schulungen teilgenommen hätten, die es ihnen ermöglichten, sich der polizeilichen Begleitung zu entziehen. Im Übrigen stehe dem Beschluss des Verwaltungsgerichts die für rechtmäßig erachtete Allgemeinverfügung entgegen. Darin sei das Grundrecht der Versammlungsfreiheit umfassend abgewogen worden. Es könne daher ein besonderes berechtigtes Interesse am Betreten des Sicherheitsbereichs nicht mehr rechtfertigen. Der kommunikative Zweck der Versammlung der Antragstellerin werde schließlich nicht verfehlt. Der Protest könne auf andere Weise medial wirksam vermittelt werden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten wird auf die jeweiligen Beschwerdebegründungen und Beschwerdeerwiderungen vom 5. und 6. Juni 2015 Bezug genommen.

Ergänzend wird auf die Gerichtsakten in beiden Instanzen sowie die beigezogenen Behördenakten Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde der Antragstellerin ist zurückzuweisen. Demgegenüber hat die Beschwerde des Antragsgegners Erfolg.

1. Die zulässige Beschwerde der Antragstellerin ist unbegründet. Die in der Beschwerdebegründung dargelegten Gründe, die der Verwaltungsgerichtshof nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO allein zu prüfen hat, rechtfertigen nicht die Abänderung oder Aufhebung des angefochtenen Beschlusses.

Die nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 1 VwGO zu treffende Abwägungsentscheidung führt nicht zu dem Ergebnis, dass das Verwaltungsgericht die aufschiebende Wirkung der Klage der Antragstellerin in weitergehendem Umfang hätte anordnen müssen. Vielmehr wird sich die Klage, soweit der Bescheid vom 28. Mai 2015 Gegenstand des Eilverfahrens ist, im Hauptsacheverfahren voraussichtlich in vollem Umfang als unbegründet erweisen.

a) Dies gilt zunächst, soweit sich die Klage gegen die Beschränkung des Streckenverlaufs der Routen 4 und 5 in Nr. 1.2.2 des Bescheids vom 28. Mai 2015 richtet, im Hinblick auf die die Antragstellerin mit Nr. II ihres Antrags die Anordnung der aufschiebenden Wirkung begehrt.

Nach Art. 15 Abs. 1 BayVersG kann eine Versammlung unter freiem Himmel beschränkt werden, wenn nach den zur Zeit des Erlasses der Verfügung erkennbaren Umständen die öffentliche Sicherheit oder Ordnung bei Durchführung der Versammlung unmittelbar gefährdet ist. Unter Berücksichtigung der Bedeutung der Versammlungsfreiheit dürfen beim Erlass von versammlungsrechtlichen Beschränkungen keine zu geringen Anforderungen an die Gefahrenprognose gestellt werden. Sie ist auf konkrete und nachvollziehbare tatsächliche Anhaltspunkte zu stützen, die bei verständiger Würdigung eine hinreichende Wahrscheinlichkeit des Gefahreneintritts ergeben (BVerfG, B. v. 6.6.2007 - 1 BvR 1423/07 - juris Rn. 17). Bloße Verdachtsmomente und Vermutungen reichen für sich allein nicht aus (BVerfG, B. v. 12.5.2010 - 1 BvR 2636/04 - juris Rn. 17).

Das Verwaltungsgericht hat dies seiner Entscheidung zugrunde gelegt und ist auf dieser Grundlage zu dem Ergebnis gelangt, dass die im Bescheid vom 28. Mai 2015 angeordneten Beschränkungen der Demonstrationen auf den Routen 4 und 5 rechtmäßig sind, weil bei Durchführung dieser Versammlungen die öffentliche Sicherheit unmittelbar gefährdet ist, und die Beschränkungen auch dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit genügen.

aa) Es ist davon ausgegangen, dass zur Gewährleistung der Sicherheit der am Tagungsort versammelten rund 5.000 Personen die Einrichtung eines gegenverkehrfreien Ringverkehrs für den Rettungs- und Evakuierungsverkehr über die Mautstraße, die als Aufzugstrecke der Demonstration auf der Route 4 dienen soll, und die Ferchenseestraße, auf der die Demonstration auf der Route 5 stattfinden soll, sowie eine ausreichend gesicherte Protokollstrecke tatsächlich zwingend erforderlich ist. Es legt außerdem dar, dass dies die parallele Nutzung dieser Straßen durch die Versammlungsteilnehmer, deren Zahl vom Veranstalter mit 500 angegeben wird, selbst in Zweierreihen oder im Gänsemarsch insbesondere im Hinblick auf die von den Versammlungsteilnehmern ausgehende Blockadegefahr ausgeschlossen ist, die das Gericht nicht zuletzt mit den Erfahrungen aus früheren Großveranstaltungen, insbesondere im Zusammenhang mit dem G8-Gipfel in Heiligendamm im Jahr 2007, und damit begründet hat, dass das Aktionsbündnis als Veranstalter des Sternmarsches selbst zu Blockaden aufgerufen und im Internet ein entsprechendes Blockadekonzept veröffentlicht hat. Neben dem Leben und der Gesundheit der in Elmau anwesenden Personen, sowie dem Schutz der Staatsgäste und der Durchführung der von der Bundesregierung einberufenen internationalen Konferenz als einer rechtmäßigen Veranstaltung des Staates, die jeweils selbstständig vom Schutzgut der öffentlichen Sicherheit im Sinne von Art. 15 Abs. 1 BayVersG umfasst sind (vgl. BVerfG, B.v. 6.6.2007 - 1 BvR 1423/07 - juris Rn. 26 und 28), hat das Verwaltungsgericht bei einer Unpassierbarkeit der Rettungswege darüber hinaus das Leben und die Gesundheit der Versammlungsteilnehmer selbst als unmittelbar gefährdet angesehen, weil auf der Mautstraße, die gegebenenfalls mit hoher Geschwindigkeit und von überbreiten Fahrzeugen befahren werde, ein hohes Verletzungsrisiko bestehe.

Diese Gefahrenprognose hat die Antragstellerin nicht substantiiert angegriffen. Mit der Erforderlichkeit eines gegenverkehrfreien Ringverkehrs für den Rettungs- und Evakuierungsverkehrs über die Mautstraße und die Ferchenseestraße setzt sie sich ebenso wenig auseinander wie mit der Notwendigkeit, diese Straßen uneingeschränkt als Rettungs-, Evakuierungs- und Protokollstrecke nutzen zu können, und der Blockadegefahr, die von den Demonstrationsteilnehmern ausgeht. Auch zieht sie die Beeinträchtigung des Ringverkehrs durch die Demonstration auf der Route 5 nicht in Zweifel, die das Verwaltungsgericht auf die Stellungnahme des Roten Kreuzes vom 2. Mai 2015 (wohl irrtümlich 20. Mai 2014) stützt, nach der eine Demonstration auf dieser Straße auch in Zweierreihen bei der angemeldeten Zahl der Teilnehmer unweigerlich zu einer Blockade des Rettungsweges führen würde und es den Versammlungsteilnehmern in weiten Teilen nicht möglich wäre auszuweichen, weil eine Ausweichmöglichkeit aus Platzmangel nicht besteht.

bb) Vielmehr beschränkt sich die Antragstellerin darauf, die Verhältnismäßigkeit der Beschränkungen der Demonstrationen auf den Routen 4 und 5 in Zweifel zu ziehen.

Insoweit macht sie geltend, angesichts der Breite der Mautstraße könne der Fahrverkehr durch geeignete Beschränkungen wie die Verpflichtung, nur eine Straßenseite zu nutzen oder in Zweierreihen oder im Gänsemarsch zu gehen, gesichert werden. In Betracht kämen insbesondere wohl für die Ferchenseestraße Beschränkungen, mit denen die Versammlungsteilnehmer verpflichtet würden, an breiten Straßenstellen zu halten oder die Versammlung vorübergehend zu teilen. Jedoch lässt sich aus diesen Ausführungen die Unverhältnismäßigkeit der angeordneten Beschränkungen nicht herleiten. Denn diese Beschränkungen sind nicht geeignet, die auch von der Antragstellerin nicht in Abrede gestellte Blockadegefahr zu beseitigen. Auch kann die Blockadegefahr entgegen der Ansicht der Antragstellerin nicht durch polizeiliche Anordnungen und durch die große Zahl der vor Ort befindlichen Polizeikräfte wirksam verhindert werden. Denn da auch ein Mitglied des Aktionsbündnisses STOP G7 - Elmau dazu aufgerufen hat, an einem Blockadetraining teilzunehmen, ist mit großer Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass Blockaden trotz der Anwesenheit einer großen Zahl von Polizeibeamten nicht sicher verhindert oder erst nach einiger Zeit durch die Polizei wieder aufgelöst werden können.

Angesichts der erheblichen Blockadegefahr spielt es auch keine Rolle, dass wie die Antragstellerin meint, die Gefahr für die Demonstranten durch die die Mautstraße mit hoher Geschwindigkeit befahrenden Fahrzeuge möglicherweise durch Warnung der betreffenden Fahrzeuge und der Demonstranten verringert werden könnte. Soweit die Antragstellerin darüber hinaus eine Begrenzung der Versammlungsteilnehmer auf 500 oder weniger als geeignete Beschränkung vorschlägt, trägt sie nicht vor, auf welche Zahl von Teilnehmern die Versammlung begrenzt werden müsste, damit eine Blockadegefahr nicht mehr bestünde. Denn angesichts des Blockadekonzepts des Veranstalters des Sternmarsches und der zu erwartenden Teilnahme von blockadegeschulten Demonstranten besteht die Gefahr von Blockaden auch bei einer geringeren Teilnehmerzahl fort.

b) Schließlich kommt im Hinblick auf die von der Antragstellerin nicht in Zweifel gezogene Notwendigkeit eines Ringverkehrs auch nicht die alternative Beschränkung des Streckenverlaufs der Demonstrationen auf den Routen 4 und 5 in Betracht, um es den Versammlungsteilnehmern zu ermöglichen, in unmittelbarer Nähe zum Veranstaltungsort des G7-Gipfels zu demonstrieren, wie die Antragstellerin dies hilfsweise mit Nr. II.a und II.b ihres Antrags begehrt. Denn der Ringverkehr ist auf beiden Strecken durch die Demonstration gefährdet. Wie ausgeführt, steht die konkrete Blockadegefahr schließlich auch der in Nr. II.c und II.d des Antrags der Antragstellerin hilfsweise beantragten Versammlung auf der Route 4 in Zweierreihen oder im Gänsemarsch entgegen.

c) Die Klage hat in der Hauptsache voraussichtlich auch insoweit keinen Erfolg, als die Antragstellerin mit Nr. II.e ihres Antrags die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die unter Nr. 1.2.2 des Bescheids vom 28. Mai 2015 verfügten Streckenänderungen der Route 4 hilfsweise mit der Maßgabe begehrt, dass einer Anzahl von bis zu 50 Versammlungsteilnehmern gestattet wird, sich bis in Ruf- und Sichtweite des Schlosses Elmau zu bewegen und dort Transparente zu zeigen und Sprechchöre (auch mit Hilfe von Handmegaphonen) anzustimmen.

Zwar hat das Verwaltungsgericht die aufschiebende Wirkung hinsichtlich der Demonstration auf der Route 4 teilweise angeordnet, weil es davon ausgeht, dass die für eine unbegrenzte, sich auf den Tagungsort zubewegende Menschenmenge geltende Gefahrenprognose nicht das in der Streckenbeschränkung enthaltene Verbot einer zahlenmäßig stark begrenzten, von individualisierbaren Teilnehmern veranstalteten Protestkundgebung in Hör- und Sichtweite des Tagungsortes des G7-Gipfels trage. Es hat aber gleichwohl auch eine auf höchstens 50 Teilnehmer beschränkte Versammlung, die sich auf der Mautstraße zu Fuß zum Kundgebungsort in Hör- und Sichtweite von Schloss Elmau bewegt, als Versammlung angesehen, bei deren Durchführung die öffentliche Sicherheit im Hinblick auf die Notwendigkeit eines gegenverkehrfreien Ringverkehrs für den Rettungs- und Evakuierungsverkehr und das Freihalten der Protokollstrecke sowie das Verletzungsrisiko für die Demonstranten aufgrund des Befahrens der Mautstraße mit hoher Geschwindigkeit im Sinne von Art. 15 Abs. 1 BayVersG unmittelbar gefährdet ist und deshalb durch den Ausschluss dieses Streckenabschnitts beschränkt werden kann.

Dies zieht die Antragstellerin mit der Beschwerde aber nur insoweit in Zweifel, als sie vorbringt, eine Blockade könne bei einer Teilnehmerzahl von 50 Personen durch vorsorgende Anordnungen wie Gänsemarsch oder polizeiliche Begleitung schon im Ansatz verhindert und eine etwaige Blockade in wenigen Minuten beseitigt werden. Abgesehen davon, dass im Falle eines Notfalls auch wenige Minuten etwa den Abtransport von Verletzten oder das Anrücken der Feuerwehr so erheblich verzögern können, dass dies zu nicht unerheblichen Schäden führen kann, ist angesichts des Blockadekonzepts des Aktionsbündnisses STOP G7 Elmau und des Aufrufs eines seiner führenden Vertreter zur Teilnahme an einem Blockadetraining, wie ausgeführt, die Gefahr von Blockaden trotz vorbeugender Maßnahmen der Polizei auch bei einer kleineren Gruppe von Demonstranten gegeben. Angesichts dessen ist aber die Ansicht des Verwaltungsgerichts, ein Aufzug auf der Mautstraße stelle eine unmittelbare Gefährdung der öffentlichen Sicherheit dar, die seine Untersagung nach Art. 15 Abs. 1 BayVersG rechtfertige, nicht zu beanstanden.

Kommt damit aber eine Anordnung der aufschiebenden Wirkung hinsichtlich einer solchen Versammlung auch bei einer Begrenzung auf 50 Personen nicht in Betracht, so kommt es auf die im Übrigen von der Antragstellerin geltend gemachten Zweifel an der Rechtmäßigkeit der vom Verwaltungsgericht angeordneten Maßgaben und Auflagen nicht entscheidungserheblich an.

2. Die zulässige Beschwerde des Antragsgegners ist begründet. Die in der Beschwerdebegründung dargelegten Gründe, die der Verwaltungsgerichtshof nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO allein zu prüfen hat, rechtfertigen die Abänderung des angefochtenen Beschlusses.

Der Antragsgegner wendet sich mit der Beschwerde insbesondere gegen die Maßgaben und Auflagen, mit denen das Verwaltungsgericht die teilweise Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage der Antragstellerin versehen hat. Er macht insoweit namentlich geltend, § 80 Abs. 5 VwGO stelle dafür keine Rechtsgrundlage dar. Dies trifft im Ergebnis zu, so dass die Anordnung der aufschiebenden Wirkung, wie sie das Verwaltungsgericht vorgenommen hat, aufzuheben und der Antrag der Antragstellerin nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO insgesamt abzulehnen ist.

Im Anwendungsbereich des § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO ist dem Gericht bei seiner Entscheidung ein Gestaltungsspielraum insoweit eingeräumt, als es dem Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung auch nur teilweise stattgeben und dies gemäß § 80 Abs. 5 Satz 4 VwGO zudem nach pflichtgemäßem Ermessen von Auflagen abhängig machen kann (vgl. Schoch in Schoch/Schneider/Bier, Verwaltungsgerichtsordnung, Stand: Oktober 2014, § 80 Rn. 426 f. und 436 ff.; Schmidt in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 80 Rn. 86 ff.; Gersdorf in BeckOK VwGO, Stand: 1.10.2013, § 80 Rn. 193). Die nur teilweise Anordnung der aufschiebenden Wirkung setzt die Teilbarkeit des Verwaltungsakts voraus. Dessen Vollzugsfähigkeit muss in der Weise teilbar sein, dass der von der Herstellung der aufschiebenden Wirkung erfasste Teil als „abspaltbares Minus“ gegenüber der gesamten Regelung qualifiziert werden kann (Schoch, a. a. O., Rn. 426; Gersdorf, a. a. O., Rn. 193 jeweils m. w. N.).

Davon ausgehend hat das Verwaltungsgericht in der angefochtenen Entscheidung die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die versammlungsrechtliche Beschränkung in Form der verfügten Streckenänderung der Route 4 durch die streitbefangenen Bescheide nur insoweit angeordnet, als diese Beschränkung auch eine (stationäre) Protestkundgebung mit einer Anzahl von bis zu 50 Versammlungsteilnehmern in Hör- und Sichtweite des Tagungsorts Schloss Elmau betrifft. Diese Protestkundgebung am Tagungsort hat das Verwaltungsgericht dabei als einen abtrennbaren Teil der Gesamtregelung (Beschränkung der Route 4) und nicht als ein aliud zu der unter anderem durch die Antragstellerin angezeigten Versammlung angesehen, weil davon auszugehen sei, dass die beabsichtigte Meinungskundgabe (auch) dieses Teils des Sternmarsches vor allem unmittelbar vor Ort in der Nähe des Tagungshotels stattfinden solle und daher die Gestattung einer zahlenmäßig begrenzten Protestkundgebung vor Ort prozessual als Minus gegenüber den weitergehenden Klageanträgen zur Verlegung der Versammlungsrouten 2 bis 5 zu werten sei. Den von der Route 4 nach Maßgabe des erstinstanzlichen Antrags II.e mit umfassten Teil eines Aufzugs der Versammlungsteilnehmer vom Ausgangspunkt in Klais über die Mautstraße nach Elmau hat das Verwaltungsgericht dagegen im Hinblick auf die von einer sich auf der Mautstraße fortbewegenden Versammlung ausgehenden Gefahren als nicht hinnehmbar erachtet, so dass insoweit eine Anordnung der aufschiebenden Wirkung nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO nicht in Betracht kam.

Um dem erforderlichen Interessenausgleich zwischen einem wirksamen Rechtsschutz (Art. 19 Abs. 4 GG) der Versammlungsteilnehmer auf Verwirklichung ihres Grundrechts der Versammlungsfreiheit (Art. 8 Abs. 1 GG) und ihres besonderen kommunikativen Anliegens einerseits und dem staatlichen Vollzugsinteresse an der Beschränkung dieser Route wegen des besonderen Gefahrenpotenzials einer Protestkundgebung in Hör- und Sichtweite des Tagungsortes andererseits hinreichend Rechnung zu tragen, hat das Verwaltungsgericht die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegenüber der Antragstellerin von der Auflage im Sinne von § 80 Abs. 5 Satz 4 VwGO abhängig gemacht, dass weitere versammlungsrechtliche Beschränkungen dieser stationären Protestkundgebung durch den Antragsgegner zu dulden sind, insbesondere solche zur Zuweisung einer Aufstellfläche, einer zeitlichen Beschränkung dieses Versammlungsteils, zu Personenkontrollen der Versammlungsteilnehmer in der Sicherheitszone und zu einem fahrzeuggebundenen Transport der Versammlungsteilnehmer zum Versammlungsort. Derartige verbindliche versammlungsrechtliche Beschränkungen hat das Verwaltungsgericht in der angefochtenen Entscheidung selbst jedoch nicht getroffen, sondern diese vielmehr der zuständigen Versammlungsbehörde in Kooperation mit dem Veranstalter dieser Versammlung (vgl. dazu Art. 14 Abs. 1 BayVersG) anheimgestellt.

Diese Beurteilung der Teilbarkeit der auf die Demonstration auf der Route 4 bezogenen versammlungsrechtlichen Beschränkung des Antragsgegners und die auf dieser Grundlage erfolgte Vorgehensweise des Erstgerichts gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 und 4 VwGO sind jedoch letztlich aufgrund einer inzwischen geänderten Sachlage nicht mehr aufrechtzuerhalten. Zwar durfte das Verwaltungsgericht auf der Grundlage gerade auch der Einlassungen der Antragstellerin im Eilverfahren davon ausgehen, dass eine Beschränkung der Versammlung bezüglich der angezeigten Route 4 nach Maßgabe des im Eilverfahren gestellten Antrags Nr. II.e auf eine zeitlich begrenzte stationäre Protestkundgebung vor Ort den Charakter der Versammlung nicht so verändert, dass dies auf die Durchführung einer ganz anderen, von der Antragstellerin bislang nicht beantragten Versammlung hinauslaufen würde, weil dadurch der vom Zeitpunkt, dem Motto, dem Erscheinungsbild und dem Veranstaltungsort geprägte Charakter der Versammlung wesentlich verändert würde (vgl. dazu BVerfG, B.v. 16.11.2002 - 1 BvQ 47/02 - juris Rn. 4; B.v. 24.3.2001 - 1 BvQ 13/01 - juris Rn. 33). Auch ist in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts anerkannt, dass in bestimmten außergewöhnlichen Situationen eine zeitliche und örtliche Begrenzung einer als Aufzug geplanten und angemeldeten Versammlung auf eine stationäre Versammlung versammlungsrechtlich zulässig und damit hinnehmbar ist (BVerfG, B.v. 10.5.2006 - 1 BvQ 14/06 - juris Rn. 15).

Diese Bewertung ist allerdings durch den Senat im für seine Entscheidung maßgeblichen Zeitpunkt vor allem im Hinblick auf das Beschwerdevorbringen der Antragstellerin neu vorzunehmen. Denn die Antragstellerin hat in ihrer Beschwerdebegründung mehrfach unmissverständlich klargestellt, dass der vom Verwaltungsgericht bei seiner Entscheidung nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO vorausgesetzte fahrzeuggebundene Transport der Versammlungsteilnehmer zum Kundgebungsort auch unter Einbeziehung der sonstigen Entscheidungsgründe des Erstgerichts letztlich nur ein polizeilicher Transport sein könne, ein solcher unter polizeilicher Aufsicht durchgeführter Transport mit (Polizei-)Fahrzeugen aber nicht nur einen eklatanten Widerspruch zur grundgesetzlich geschützten Versammlungsfreiheit darstelle, sondern als „unerträglich“ kategorisch abgelehnt werde. Durchführbare bzw. praktikable Alternativen, die in der dargelegten außergewöhnlichen Situation dem erforderlichen Interessenausgleich gerecht würden, werden aber weder von der Antragstellerin noch vom Antragsgegner aufgezeigt. Vielmehr machen beide Seiten aus unterschiedlichen Gründen geltend, dass eine stationäre Versammlung vor Ort unter dieser Voraussetzung rechtlich und tatsächlich nicht möglich sei. Demnach ist es aber nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofs gerade auch im Hinblick auf die Achtung des Selbstbestimmungsrechts des Veranstalters dieses Sternmarsches nicht mehr gerechtfertigt, weiterhin von einem abtrennbaren Abschnitt der angemeldeten Versammlung auf der Route 4 und nicht von einem aliud der angezeigten Versammlung auszugehen. Dementsprechend ist dann aber auch eine teilweise Stattgabe nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO von der richterlichen Gestaltungsbefugnis im Rahmen dieser Bestimmung nicht mehr gedeckt.

Ist aber, wie im Rahmen der Beschwerde der Antragstellerin dargelegt, auch eine Anordnung der aufschiebenden Wirkung im vollen Umfang des Antrags Nr. II.e der Antragstellerin nicht möglich, so ist mangels Rechtsgrundlage für die getroffene Regelung der Beschluss des Verwaltungsgerichts abzuändern, soweit er die aufschiebende Wirkung der Klage anordnet, und der Antrag der Antragstellerin nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO insgesamt abzulehnen. Eines Eingehens auf die Einwände, die der Antragsgegner im Übrigen gegen die vom Verwaltungsgericht angeordneten Maßgaben und Auflagen vorgebracht hat, bedarf es nicht mehr.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 und 2 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1, § 39 Abs. 1, § 47 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2 und § 52 Abs. 2 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

(1) Alle Deutschen haben das Recht, Beruf, Arbeitsplatz und Ausbildungsstätte frei zu wählen. Die Berufsausübung kann durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes geregelt werden.

(2) Niemand darf zu einer bestimmten Arbeit gezwungen werden, außer im Rahmen einer herkömmlichen allgemeinen, für alle gleichen öffentlichen Dienstleistungspflicht.

(3) Zwangsarbeit ist nur bei einer gerichtlich angeordneten Freiheitsentziehung zulässig.

(1) Das Eigentum und das Erbrecht werden gewährleistet. Inhalt und Schranken werden durch die Gesetze bestimmt.

(2) Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.

(3) Eine Enteignung ist nur zum Wohle der Allgemeinheit zulässig. Sie darf nur durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes erfolgen, das Art und Ausmaß der Entschädigung regelt. Die Entschädigung ist unter gerechter Abwägung der Interessen der Allgemeinheit und der Beteiligten zu bestimmen. Wegen der Höhe der Entschädigung steht im Streitfalle der Rechtsweg vor den ordentlichen Gerichten offen.

(1) Alle Deutschen haben das Recht, sich ohne Anmeldung oder Erlaubnis friedlich und ohne Waffen zu versammeln.

(2) Für Versammlungen unter freiem Himmel kann dieses Recht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes beschränkt werden.

(1) Wenn ein Beteiligter teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jedem Teil zur Hälfte zur Last. Einem Beteiligten können die Kosten ganz auferlegt werden, wenn der andere nur zu einem geringen Teil unterlegen ist.

(2) Wer einen Antrag, eine Klage, ein Rechtsmittel oder einen anderen Rechtsbehelf zurücknimmt, hat die Kosten zu tragen.

(3) Kosten, die durch einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand entstehen, fallen dem Antragsteller zur Last.

(4) Kosten, die durch Verschulden eines Beteiligten entstanden sind, können diesem auferlegt werden.

(1) Sind Gebühren, die sich nach dem Streitwert richten, mit der Einreichung der Klage-, Antrags-, Einspruchs- oder Rechtsmittelschrift oder mit der Abgabe der entsprechenden Erklärung zu Protokoll fällig, setzt das Gericht sogleich den Wert ohne Anhörung der Parteien durch Beschluss vorläufig fest, wenn Gegenstand des Verfahrens nicht eine bestimmte Geldsumme in Euro ist oder gesetzlich kein fester Wert bestimmt ist. Einwendungen gegen die Höhe des festgesetzten Werts können nur im Verfahren über die Beschwerde gegen den Beschluss, durch den die Tätigkeit des Gerichts aufgrund dieses Gesetzes von der vorherigen Zahlung von Kosten abhängig gemacht wird, geltend gemacht werden. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit.

(2) Soweit eine Entscheidung nach § 62 Satz 1 nicht ergeht oder nicht bindet, setzt das Prozessgericht den Wert für die zu erhebenden Gebühren durch Beschluss fest, sobald eine Entscheidung über den gesamten Streitgegenstand ergeht oder sich das Verfahren anderweitig erledigt. In Verfahren vor den Gerichten für Arbeitssachen oder der Finanzgerichtsbarkeit gilt dies nur dann, wenn ein Beteiligter oder die Staatskasse die Festsetzung beantragt oder das Gericht sie für angemessen hält.

(3) Die Festsetzung kann von Amts wegen geändert werden

1.
von dem Gericht, das den Wert festgesetzt hat, und
2.
von dem Rechtsmittelgericht, wenn das Verfahren wegen der Hauptsache oder wegen der Entscheidung über den Streitwert, den Kostenansatz oder die Kostenfestsetzung in der Rechtsmittelinstanz schwebt.
Die Änderung ist nur innerhalb von sechs Monaten zulässig, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat.

(1) Im Rechtsmittelverfahren bestimmt sich der Streitwert nach den Anträgen des Rechtsmittelführers. Endet das Verfahren, ohne dass solche Anträge eingereicht werden, oder werden, wenn eine Frist für die Rechtsmittelbegründung vorgeschrieben ist, innerhalb dieser Frist Rechtsmittelanträge nicht eingereicht, ist die Beschwer maßgebend.

(2) Der Streitwert ist durch den Wert des Streitgegenstands des ersten Rechtszugs begrenzt. Das gilt nicht, soweit der Streitgegenstand erweitert wird.

(3) Im Verfahren über den Antrag auf Zulassung des Rechtsmittels und im Verfahren über die Beschwerde gegen die Nichtzulassung des Rechtsmittels ist Streitwert der für das Rechtsmittelverfahren maßgebende Wert.

(1) In folgenden Verfahren bestimmt sich der Wert nach § 3 der Zivilprozessordnung:

1.
über die Anordnung eines Arrests, zur Erwirkung eines Europäischen Beschlusses zur vorläufigen Kontenpfändung, wenn keine Festgebühren bestimmt sind, und auf Erlass einer einstweiligen Verfügung sowie im Verfahren über die Aufhebung, den Widerruf oder die Abänderung der genannten Entscheidungen,
2.
über den Antrag auf Zulassung der Vollziehung einer vorläufigen oder sichernden Maßnahme des Schiedsgerichts,
3.
auf Aufhebung oder Abänderung einer Entscheidung auf Zulassung der Vollziehung (§ 1041 der Zivilprozessordnung),
4.
nach § 47 Absatz 5 des Energiewirtschaftsgesetzes über gerügte Rechtsverletzungen, der Wert beträgt höchstens 100 000 Euro, und
5.
nach § 148 Absatz 1 und 2 des Aktiengesetzes; er darf jedoch ein Zehntel des Grundkapitals oder Stammkapitals des übertragenden oder formwechselnden Rechtsträgers oder, falls der übertragende oder formwechselnde Rechtsträger ein Grundkapital oder Stammkapital nicht hat, ein Zehntel des Vermögens dieses Rechtsträgers, höchstens jedoch 500 000 Euro, nur insoweit übersteigen, als die Bedeutung der Sache für die Parteien höher zu bewerten ist.

(2) In folgenden Verfahren bestimmt sich der Wert nach § 52 Absatz 1 und 2:

1.
über einen Antrag auf Erlass, Abänderung oder Aufhebung einer einstweiligen Anordnung nach § 123 der Verwaltungsgerichtsordnung oder § 114 der Finanzgerichtsordnung,
2.
nach § 47 Absatz 6, § 80 Absatz 5 bis 8, § 80a Absatz 3 oder § 80b Absatz 2 und 3 der Verwaltungsgerichtsordnung,
3.
nach § 69 Absatz 3, 5 der Finanzgerichtsordnung,
4.
nach § 86b des Sozialgerichtsgesetzes und
5.
nach § 50 Absatz 3 bis 5 des Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetzes.

(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

(2) Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5 000 Euro anzunehmen.

(3) Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend. Hat der Antrag des Klägers offensichtlich absehbare Auswirkungen auf künftige Geldleistungen oder auf noch zu erlassende, auf derartige Geldleistungen bezogene Verwaltungsakte, ist die Höhe des sich aus Satz 1 ergebenden Streitwerts um den Betrag der offensichtlich absehbaren zukünftigen Auswirkungen für den Kläger anzuheben, wobei die Summe das Dreifache des Werts nach Satz 1 nicht übersteigen darf. In Verfahren in Kindergeldangelegenheiten vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit ist § 42 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 entsprechend anzuwenden; an die Stelle des dreifachen Jahresbetrags tritt der einfache Jahresbetrag.

(4) In Verfahren

1.
vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit, mit Ausnahme der Verfahren nach § 155 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung und der Verfahren in Kindergeldangelegenheiten, darf der Streitwert nicht unter 1 500 Euro,
2.
vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit und bei Rechtsstreitigkeiten nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz nicht über 2 500 000 Euro,
3.
vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit über Ansprüche nach dem Vermögensgesetz nicht über 500 000 Euro und
4.
bei Rechtsstreitigkeiten nach § 36 Absatz 6 Satz 1 des Pflegeberufegesetzes nicht über 1 500 000 Euro
angenommen werden.

(5) Solange in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit der Wert nicht festgesetzt ist und sich der nach den Absätzen 3 und 4 Nummer 1 maßgebende Wert auch nicht unmittelbar aus den gerichtlichen Verfahrensakten ergibt, sind die Gebühren vorläufig nach dem in Absatz 4 Nummer 1 bestimmten Mindestwert zu bemessen.

(6) In Verfahren, die die Begründung, die Umwandlung, das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Beendigung eines besoldeten öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses betreffen, ist Streitwert

1.
die Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen, wenn Gegenstand des Verfahrens ein Dienst- oder Amtsverhältnis auf Lebenszeit ist,
2.
im Übrigen die Hälfte der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen.
Maßgebend für die Berechnung ist das laufende Kalenderjahr. Bezügebestandteile, die vom Familienstand oder von Unterhaltsverpflichtungen abhängig sind, bleiben außer Betracht. Betrifft das Verfahren die Verleihung eines anderen Amts oder den Zeitpunkt einer Versetzung in den Ruhestand, ist Streitwert die Hälfte des sich nach den Sätzen 1 bis 3 ergebenden Betrags.

(7) Ist mit einem in Verfahren nach Absatz 6 verfolgten Klagebegehren ein aus ihm hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch verbunden, ist nur ein Klagebegehren, und zwar das wertmäßig höhere, maßgebend.

(8) Dem Kläger steht gleich, wer sonst das Verfahren des ersten Rechtszugs beantragt hat.

(1) Entscheidungen des Oberverwaltungsgerichts können vorbehaltlich des § 99 Abs. 2 und des § 133 Abs. 1 dieses Gesetzes sowie des § 17a Abs. 4 Satz 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes nicht mit der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht angefochten werden.

(2) Im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gilt für Entscheidungen des beauftragten oder ersuchten Richters oder des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle § 151 entsprechend.