Bayerisches Landessozialgericht Urteil, 19. Feb. 2015 - L 8 SF 353/13 EK

published on 19/02/2015 00:00
Bayerisches Landessozialgericht Urteil, 19. Feb. 2015 - L 8 SF 353/13 EK
Urteilsbesprechung zu {{shorttitle}}
Referenzen - Gesetze
Referenzen - Urteile

Gericht

There are no judges assigned to this case currently.
addJudgesHint

Principles

no content added to this principle

no content added to this principle

no content added to this principle

no content added to this principle

no content added to this principle

no content added to this principle

Tenor

I.

Der Beklagte hat dem Kläger 1.500 € zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

II.

Der Beklagte trägt die Hälfte der Kosten des Verfahrens.

III.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um Entschädigung wegen der (überlangen) Dauer des Klageverfahrens mit dem Aktenzeichen S 9 AS 985/08 beim Sozialgericht Bayreuth (SG). Dieses Verfahren hat mit Erhebung der Klage am 25.06.2008 begonnen und ist mit der Zustellung des Urteils vom 12. September 2013 am 17.10.2013 beendet worden. Die Berufung mit dem Aktenzeichen wurde mit Urteil vom 6. November 2014 erledigt.

Der Kläger stand seit Inkrafttreten des SGB II im Leistungsbezug des Trägers der Grundsicherung für Arbeitsuchende. Streitgegenstand beim SG waren Kosten für die Beheizung der Unterkunft des Klägers für Zeiträume vom 01.01.2005 bis 31.03.2008 und 01.04.2008 bis 28.02.2009. Am 25.06.2008 reichte der Kläger zunächst eine Untätigkeitsklage ein (Az.: S 9 AS 985/08). Gegen den Bescheid vom 24.09.2008 hat der Kläger nicht nur am 01.10.2008 Widerspruch eingelegt und die am 25.06.2008 erhobene Untätigkeitsklage für erledigt erklärt, sondern auch auf eine Anfechtungs- und Verpflichtungsklage umgestellt. Am 26.02.2009 hat der Kläger auch den Widerspruchsbescheid vom 17.02.2009 mit der Klage angefochten (Az.: S 9 AS 196/09). In der Sache sind dem Kläger seine Heizkosten pauschal monatlich mit 45 € für die Käufe von Heizöl abgegolten worden. Er hat höhere Kosten geltend gemacht, insbesondere für zusätzliche Beheizung durch Holz. Nach Ansicht des Trägers der Grundsicherung seien keine konkreten Unterlagen (Heizölrechnungen) vorgelegt worden, welche einen höheren Heizkostenbedarf für die Vergangenheit hätten nachweisen können. Das SG hat den Träger der Grundsicherung entsprechend einem abgegebenen Teilanerkenntnis am 12. September 2013 verurteilt, in Abänderung von Bescheiden vom 20.12.2004, 18.08.2005, 16.01.2006, 13.03.2006, 10.10.2006, 27.02.2007 und 22.08.2007 dem Kläger für den Zeitraum vom 01.01.2005 bis 31.03.2008 höhere Heizkosten zu gewähren und einen Betrag in Höhe von 860,76 € nachzuzahlen.

Der Kläger dieses Klageverfahrens hat in dem Verfahren beim SG mit Schriftsätzen vom 26.01.2012 und 18.02.2012 sein Missfallen mit der Dauer des Verfahrens zum Ausdruck gebracht.

Am 18.09.2012 hat der Kläger die Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) für eine noch zu erhebende Entschädigungsklage beantragt. Mit Beschluss vom 24. Mai 2013 (Az.: L 8 SF 227/12 EK PKH) hat der Senat dem Kläger die PKH bewilligt.

Am 03.09.2013 hat der Kläger Entschädigungsklage beim Bayer. Landessozialgericht (LSG) erhoben. Diese Klage hat er im Dezember 2014 erweitert und das Verfahren L 8 SF 227/12 EK PKH in sein Entschädigungsverlangen einbezogen. Insoweit hat der Senat die Klage abgetrennt. Dieses Verfahren ist unter dem Az.: beim 3. Senat des LSG anhängig.

Der Verfahrensgang des gerügten Ausgangsverfahrens S 9 AS 985/08 ist im Einzelnen Folgender:

Nach Erhebung der Klage zum SG am 25.06.2008 erfolgte ein Ablehnungsgesuch, das erfolgreich war, weil der Vorsitzende bereits in vorangegangenen Verwaltungsverfahren mit Angelegenheiten des Klägers befasst gewesen war. Im weiteren Verfahren ging es um Fragen der PKH und der Klageänderung nach Erlass des Widerspruchsbescheides vom 17.02.2009.

Am 03.03.2010 wurde der Kläger schließlich um Benennung eines Rechtsanwalts für seinen Antrag auf PKH gebeten. Am 03.03.2010 wurde ihm Auskunft über den Verfahrensgang und seine anhängigen Hauptsacheverfahren erteilt.

Am 05.05.2011 erging ein Beschluss des LSG wegen Ablehnung der Vorsitzenden vom 05.02.2011.

Am 20.10.2011 erfolgte eine Ladung zur mündlichen Verhandlung auf den 07.11.2011. Daraufhin lehnte der Kläger erneut den Vorsitzenden ab, worüber das LSG mit Beschluss vom 16.12.2011 entschied.

Am 10.03.2012 erfolgte diverse Verfügungen des Vorsitzenden des SG, zumeist im Zusammenhang mit PKH und einer Beschwerde wegen überlanger Verfahrensdauer. Mit Beschluss des LSG vom 15.03.2012 wurde die Beschwerde wegen Überlänge verworfen. Am 03.09.2012 ergingen weitere Verfügungen der Vorsitzenden wegen PKH und im Hinblick auf neue Ermittlungen beim Träger der Grundsicherung. Am 10.09.2012 wurde dem Kläger mitgeteilt, dass ein Wechsel im Vorsitz der Kammer erfolgt sei. Gleichzeitig wurde eine mündliche Verhandlung im November oder Dezember 2012 in Aussicht gestellt.

Daraufhin stellte der Kläger - wie oben ausgeführt - Antrag auf PKH zur Einreichung einer Klage auf Entschädigung. Der Senat (Az.: L 8 SF 227/12 EK PKH) hat am 24.05.2013 entschieden. Am 12.07.2013 erfolgte Terminsbestimmung auf den 06.08.2013; am 30.07.2013 Terminsaufhebung wegen eines Befangenheitsantrags. Am 23.08.2013 erfolgte erneut eine Terminierung. Die mündliche Verhandlung mit Verkündung des Urteils fand dann am 12.09.2013 statt.

Gegen das am 17.10.2013 zugestellte Urteil hat der Kläger Berufung zum LSG eingelegt, über die mit Urteil vom 6. November 2014 entschieden worden ist (Az.: ).

Am 03.09.2013 (Schriftsatz vom 31.08.2013) hat der Kläger unter anderem Anträge auf Einleitung von Klagen nach dem neuen „ÜGG“ ua für L 8 SF 227/12 EK PKH gestellt. Dabei hat er unter anderem beklagt, dass er keinen Rechtsanwalt finde.

Der beklagte ..., vertr. d. d. Landesamt für Finanzen B-Stadt, wurde am 11.02.2014 um Stellungnahme zu 3 Bd. Akten des SG, Az.: S 9 AS 985/08, gebeten. Dabei wurde auf diverse Zeiträume in den Jahren 2008 (Ende), 2010 (Mai bis November), 2011, 2012 (März bis September) hingewiesen sowie darauf, dass die statistischen Daten für 2012 vorlägen (B6200 C 201200, Veröffentlichung des Statistischen Landesamtes Bayern). Die Verfahren dauerten danach in allen Rechtsgebieten 13,3 Monate und bei Erledigung durch Urteil 19,3 Monate.

Eine vom Senat eingeholte Auskunft bei der Geschäftsstelle des LSG hat ergeben, dass Klageverfahren, die im Jahr 2008 erledigt worden sind, beim Sozialgericht Bayreuth eine durchschnittliche Laufzeit von 11,8 Monaten und für das Fachgebiet AS 11,1 Monate hatten. Eine weitere Nachfrage ergab, dass Klageverfahren im Fachgebiet AS, die im Jahr 2013 erledigt worden sind, beim SG eine Durchschnittslaufzeit von 12,5 Monaten hatten und in Bayern insgesamt 13,1 Monate dauerten.

Ein Antrag im eigentlichen Sinn wurde vom Kläger nicht gestellt. In einem seiner letzten Schriftsätze, mit Eingang vom 26.11.2014 hat er immerhin bekundet, keinen Rechtsanwalt zu bekommen. Die deutsche Justiz würde ihn insgesamt behindern und helfe ihm höchstens gar noch dabei, durch ihr rechtspolitisches Verhalten internationale Verfahren anhängig zu bekommen. Schließlich führt der Kläger dann aus, dass man ihm „falls Sie mir also etwas zusprechen“ das Landesfinanzamt bitten solle, einen Postbarscheck zu schicken, weil er kein Bankkonto habe.

Letztlich stellt der Kläger keinen bezifferten Antrag für sein Entschädigungsverlangen. Er führt aber als Sachverhalt an, dass sein „Heizölverfahren“ seit Anfang 2005 mit einer überlangen Verfahrenszeit anhängig sei (Schriftsatz vom 18.10.2013).

Das beklagte Land beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das beklagte Land hält eine Entschädigung nicht für zutreffend. Es hat aber eingeräumt, dass die Dauer des Verfahrens vor dem Sozialgericht Bayreuth betreffend die vom Gericht näher dargelegten Verzögerungszeiträume (Ende Jahr 2008, Mai bis November 2010, 2011, März bis September 2012) unangemessen gewesen sei.

Am 02.01.2015 ist dem Kläger nach Absetzung des Termins vom 19. Dezember 2014 Rechtsanwalt H. beigeordnet worden. Diesem wurde vom Kläger aber keine Vollmacht erteilt.

Gründe

Die Entschädigungsklage ist zum Teil erfolgreich.

A.

Die Klage ist zulässig.

1.

Der Senat hat das Begehren des Klägers sowohl in prozessualer als auch in materiellrechtlicher Hinsicht an §§ 198 ff. GVG i. V. m. § 202 SGG zu messen, obwohl diese Vorschriften erst während des hier von dem Kläger als überlang gerügten Verfahren in Kraft getreten ist. Die Vorschriften des Gesetzes über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren (ÜGG) vom 24.11.2011 (BGBl I 2302) und damit auch die §§ 198 ff GVG finden aufgrund der Übergangsregelung des Art. 23 S 1 ÜGG auch auf Verfahren Anwendung, die bei Inkrafttreten des ÜGG am 03.12.2011 (vgl. Art 24 ÜGG) bereits anhängig waren (zeitlicher Anwendungsbereich der Vorschrift). Das Verfahren S 9 AS 985/08 war bereits seit 25.06.2008 anhängig.

2.

Das LSG ist für die Entscheidung funktional und örtlich zuständig. In den der Sozialgerichtsbarkeit zugewiesenen Angelegenheiten (vgl. § 51 SGG) ist gemäß § 201 Abs. 1 S. 1 GVG i. V. m. § 202 S. 2 SGG für Klagen auf Entschädigung nach § 198 GVG gegen ein Land das für dieses Land örtlich zuständige Landessozialgericht (hier Bayerisches Landessozialgericht - LSG - gem. Art. 4 Abs. 1 AGSGG Bay) zuständig.

3.

In Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit wird der Freistaat Bayern unbeschadet der §§ 7a bis 12 der Vertretungsverordnung durch das Landesamt für Finanzen - Dienststelle B-Stadt - als allgemeine Vertretungsbehörde vertreten (§ 7 S. 1 VertV).

4.

Die unbeziffert erhobene Klage ist gemäß § 54 Abs. 5 SGG als allgemeine Leistungsklage zulässig. Insoweit kann die Verurteilung zur Zahlung eines bestimmten Betrages oder zur Leistung dem Grunde nach verlangt werden (vergleiche Böttiger in: Breitkreuz/Fichte, § 54). Wird gemäß § 54 Abs. 4 oder 5 SGG eine Leistung in Geld begehrt, auf die ein Rechtsanspruch besteht, so kann auch zur Leistung nur dem Grunde nach verurteilt werden (§ 130 Abs. 1 SGG).

5.

Der Kläger hat seine Klage rechtzeitig am 03.09.2013 innerhalb der Klagefrist erhoben. Gemäß § 198 Abs. 5 S. 2 GVG muss die Klage zwar spätestens sechs Monate nach Eintritt der Rechtskraft der Entscheidung, die das Verfahren beendet, oder einer anderen Erledigung des Verfahrens erhoben werden. Dabei handelt es sich um eine Ausschlussfrist (Gesetzesbegründung, BT-Drucks. 17/3802, S. 22). Der Kläger hat die Entschädigungsklage aber bereits am 03.09.2013 vor Abschluss des gerügten Verfahrens mit Urteil des LSG vom 06.11.2014 beim LSG erhoben. Dies ist zulässig, was sich schon daran zeigt, dass das Entschädigungsgericht das Verfahren aussetzen kann, wenn das Gerichtsverfahren, von dessen Dauer ein Anspruch nach § 198 GVG abhängt, noch andauert (§ 201 Abs. 3 S. 1 GVG). Lediglich eine ohne Einhaltung der Wartefrist (s.u.) unzulässig erhobene Klage ist nicht mehr heilbar.

B.

Die damit zulässige Klage ist nur z. T. begründet.

Wer infolge unangemessener Dauer eines Gerichtsverfahrens als Verfahrensbeteiligter einen Nachteil erleidet, wird angemessen entschädigt. Die Angemessenheit der Verfahrensdauer richtet sich nach den Umständen des Einzelfalles, insbesondere nach der Schwierigkeit und Bedeutung des Verfahrens und nach dem Verhalten der Verfahrensbeteiligten und Dritter (§ 198 Abs. 1 GVG in der Fassung vom 24.11.2011).

1.

Gegenstand der Klage ist ein unbezifferter Antrag unter Benennung einer 10-jährigen Verzögerung bzw. unter Bezug auf das gesamte Verfahren Az.: S 9 AS 985/08 als insgesamt verzögert, ohne das Berufungsverfahren davon auszunehmen. Nur bestimmte Zeitabschnitte der gesamten Dauer dieses Verfahrens führen aber zu einer Entschädigung, da es wiederum zu anderen Zeiten gerechtfertigt nicht betrieben worden ist. Beides trifft für Zeiten nach Erhebung der Verzögerungsrügen (unten 3a) sowie für die zuvor als Altfall im Sinne von Art. 23 ÜGG einbezogenen Zeiträume (unten 3b).

2.

Die erst bei der Begründetheit zu prüfende prozessuale Geltendmachung einer Verzögerungsrüge (Beschluss des BSG v 27.06.2013, Az.: B 10 ÜG 9/13 B, unter II.2.b, Rn. 27 m. w. N., Urteil des Bayer. LSG vom 20.06.2013, L 8 SO 134/12 EK, vgl. dazu Begründung zum Gesetzentwurf BT-Drucks. 17/3802 S. 20, 27) ergibt, dass die Äußerung (Schriftsatz) vom 26. Januar 2012 eine Verzögerungsrüge i. S. des § 198 Abs. 3 GVG ist.

a)

Diese bedarf keiner besonderen Form, so ist insbesondere nicht erforderlich, dass sie als Verzögerungsrüge bezeichnet wird. Es genügt, dass zum Ausdruck kommt, dass kein Einverständnis mit der bisherigen Dauer der Bearbeitung besteht und dass eine zügige Bearbeitung der Sache geschehen solle. Das ist hier der Fall, wenn der Kläger ausführt, dass das zugrunde liegende Verfahren bereits gegen den Präzedenzfall des Bundesverfassungsgerichts verstoße, in dem eine Verfahrensdauer von drei dreiviertel Jahren verfassungswidrig gewesen sei. Sein Verfahren laufe bereits seit vier Jahren. In diesem Schreiben hat er die Laufzeit des Verfahrens kritisiert („Verschleppung meines Heizöl-Hauptsacheverfahrens S 5 AS 985/08 durch das Sozialgericht Bayreuth ... „). Zutreffend hat der Bundesfinanzhof (Urteil vom 07.11.2013, Az.: X K 13/12, RN 27, 28) die Funktion der Verzögerungsrüge unter Hinweis auf die Gesetzesmaterialien beschrieben. Eine Verzögerungsrüge könne auch mündlich erhoben werden (BT-Drucks. 17/3802, 22); auch brauche sie nicht begründet zu werden, insbesondere genüge ein schlichter Hinweis auf die bisherige Verfahrensdauer (BT-Drucks. 17/7217, 27). Aus dem Wortlaut und der Entstehungsgeschichte des Gesetzes folge daher, dass auch eine nicht ausdrücklich als „Verzögerungsrüge“ bezeichnete Äußerung eines Verfahrensbeteiligten im Wege der Auslegung als Verzögerungsrüge i. S. des § 198 Abs. 3 GVG angesehen werden könne. Die an Prozesshandlungen zu stellenden Anforderungen im Hinblick auf die Klarheit, Eindeutigkeit und Bedingungsfeindlichkeit derartiger Äußerungen gälten für Verzögerungsrügen nicht, weil es sich bei diesen nicht um eine Prozesshandlung im engeren Sinne handele. Sie wirkten nicht unmittelbar auf das im Ausgangsverfahren bestehende Prozessrechtsverhältnis rechtsgestaltend ein.

b)

Die Verzögerungsrüge ist auch zulässig erhoben. Sie kann nach § 198 Abs. 3 S. 2 GVG erst erhoben werden, wenn Anlass zur Besorgnis besteht, dass das Verfahren nicht in einer angemessenen Zeit abgeschlossen wird; die Rüge darf nicht ins Blaue hinein erhoben werden. Eine verfrüht erhobene Rüge ist unwirksam und bleibt dies auch, wenn später tatsächlich eine Verfahrensverzögerung eintritt (Breitkreuz/Fichte, SGG, 2. Auflage, § 202 Rn. 40; LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 30.06.2014 - L 11 SF 364/12 VE AS). Die Voraussetzungen des § 198 Abs. 3 S. 2 GVG sind nach den Gesetzesmaterialien erfüllt, wenn der Betroffene bereits Anhaltspunkte hatte, dass das Verfahren keinen zügigen Fortgang nehmen werde, also die konkrete Möglichkeit einer Verzögerung bestand. Zur Gewissheit verdichtet muss diese Möglichkeit im Zeitpunkt der Rüge noch nicht gewesen sein (BT-Drucks. 17/3802 S. 20). Das war aber im Januar 2012 in der Sache S 9 AS 985/08 der Fall. Zuvor hatte das Verfahren bereits seit 25.06.2008 in einem Fachgebiet angedauert, in dem durchschnittlich nach etwa 13 Monaten bayernweit eine Erledigung erfolgt.

c)

Die Wartefrist nach § 198 Abs. 5 S. 1 GVG ist bei Klage am 03.09.2013 eingehalten. Danach kann eine Klage zur Durchsetzung eines Anspruchs nach § 198 Abs. 1 GVG frühestens sechs Monate nach der hier am 26.01.2012 vorgebrachten Verzögerungsrüge erhoben werden. Die Einhaltung der Frist ist eine besondere Sachurteilsvoraussetzung, die in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu prüfen ist (Urteil des BSG vom 03.09.2014, Az.: B 10 ÜG 2/14 R). Eine vor Fristablauf erhobene Klage würde nach Ablauf der Frist nicht zulässig (vgl. auch zu den Ausnahmen BGH Urteil vom 21.05.2014 - III ZR 355/13 m. w. N.; BGH Urteil vom 17.07.2014 - III ZR 228/13, Rn. 17 f.; im Rahmen von PKH auch BFH Beschluss vom 12.3.2013 - X S 12/13 ).

3.

Zunächst bestimmt sich die Entschädigung von dem Zeitpunkt an, in dem der Kläger seiner Rügeobliegenheit genügt hat (unter a). An einer späteren Stelle (unter b) wird noch geprüft, ob sich der Umfang der Entschädigung gemäß Art. 23 S 5 ÜGG erweitert, weil die Rüge auch Verzögerungen in der Vergangenheit wahrt.

a)

§ 198 Abs. 1 GVG bestimmt, dass angemessen entschädigt wird, wer infolge unangemessener Dauer eines Gerichtsverfahrens als Verfahrensbeteiligter einen Nachteil erleidet. Die Angemessenheit der Verfahrensdauer richtet sich nach den Umständen des Einzelfalles, insbesondere nach der Schwierigkeit und Bedeutung des Verfahrens und nach dem Verhalten der Verfahrensbeteiligten und Dritter (§ 198 Abs. 1 GVG). Ein Nachteil, der nicht Vermögensnachteil ist, wird vermutet, wenn ein Gerichtsverfahren unangemessen lange gedauert hat. Hierfür kann Entschädigung nur beansprucht werden, soweit nicht nach den Umständen des Einzelfalles Wiedergutmachung auf andere Weise gemäß Abs. 4 ausreichend ist (Abs. 2). Wiedergutmachung auf andere Weise ist insbesondere möglich durch die Feststellung des Entschädigungsgerichts, dass die Verfahrensdauer unangemessen war.

aa) Ausgangspunkt und erster Schritt der Angemessenheitsprüfung bildet die Gesamtdauer des Gerichtsverfahrens - § 198 Abs. 6 Nr. 1 GVG. Gem. § 198 Abs. 6 Nr. 1 GVG ist ein Gerichtsverfahren jedes Verfahren von der Einleitung bis zum rechtskräftigen Abschluss. Darunter ist die formelle Rechtskraft einer Entscheidung zu verstehen, so dass in die Verfahrensdauer auch der Zeitraum bis zur Zustellung des Urteils oder einer anderen das Verfahren abschließenden Entscheidung einbezogen ist (Ott in Steinbeiß-Winkelmann/Ott, Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren, 2013, § 198 GVG Rn. 54 m. w. N.).

Das gesamte Verfahren dauerte danach von Juni 2008 bis November 2014 (76 Monate). Bei der Beurteilung der Dauer eines Verfahrens kann von Bedeutung sein, in welcher Zeit vergleichbare Verfahren erledigt werden, sofern die betreffenden statistischen Zahlen nicht eine im Durchschnitt überlange Verfahrensdauer widerspiegeln (Urteil des BSG vom 21.02.2013 - B 10 ÜG 1/12 KL).

Die statistischen Daten liegen für 2012 vor (B6200 C 201200, Veröffentlichung des Statistischen Landesamtes Bayern). Die Durchschnittsdauer der Verfahren 1. Instanz betrug allgemein 13,3 Monate. Bis Erledigung durch Urteil waren es 19,3 Monate. Die Auskunft bei der Geschäftsstelle des LSGs ergab, dass Klageverfahren, die im Jahr 2012 erledigt worden sind, beim Sozialgericht Bayreuth eine durchschnittliche Laufzeit von 11,8 Monaten und für das Fachgebiet AS 11,1 Monate hatten. Eine weitere Nachfrage ergab, dass Klageverfahren im Fachgebiet AS, die im Jahr 2013 erledigt worden sind, beim Sozialgericht Bayreuth eine Durchschnittslaufzeit von 12,5 Monaten hatten und in Bayern insgesamt 13,1 Monate.

Das gesamte Klageverfahren - S 9 AS 985/08/- war unangemessen lang. Eine Kompensation der Überlänge des in sich selbst erheblich überlangen erstinstanzlichen Verfahrens hat im Berufungsverfahren nicht stattgefunden.

bb) In einem zweiten Schritt ist der Ablauf des Verfahrens an den von § 198 Abs. 1 S. 2 GVG genannten Kriterien zu messen. Die Angemessenheit der Verfahrensdauer richtet sich nach den Umständen des Einzelfalles, insbesondere nach der Schwierigkeit und Bedeutung des Verfahrens und nach dem Verhalten der Verfahrensbeteiligten und Dritter. Dazu sind die Zeiten der aktiven Verfahrensgestaltung des Spruchkörpers ebenso festzustellen, wie Verfahrensabschnitte, die durch das Verhalten der Beteiligten oder Dritter eine abschließende Entscheidung hinausschieben. Maßgeblich sind dabei Zeiteinheiten im Umfang eines Monats. Darunterliegende Zeitmaßstäbe erscheinen vor dem Hintergrund der vom Gesetz vorgegebenen Rechengröße von 1200 Euro pro Jahr der Überlänge (vgl. § 198 Abs. 2 S. 3 GVG) nicht mehr als sinnvoll (Urteil des BSGvom 03.09.2014, Az.: B 10 ÜG 12/13 R).

Im März 2012 erfolgten mehrere Verfügungen des Vorsitzenden sowie die Behandlung einer Beschwerde wegen überlangen Verfahrens, die vom zuständigen AS-Fachsenat des LSG mit Beschluss vom 15.03.2012, Az.: L AS 182/12 B, verworfen worden ist. Die nächsten aktiven Handlungen geschahen im September 2012 wegen PKH und neuen Ermittlungen bei der Beklagten, in welchem Monat auch mitgeteilt wurde, dass der Vorsitzende gewechselt habe. In diesen Monat fiel auch der Antrag auf PKH zur Einreichung einer Entschädigungsklage, weitergeleitet an das LSG (erkennender Senat, Az.: L 8 SF 227/12 EK PKH) sowie die erneute Nachfrage beim Kläger wegen Benennung eines Rechtsanwalts. Das Verfahren bei der Kammer nahm dann seinen Fortgang nach dem Beschluss des LSG (Az.: L 8 SF 227/12 EK PKH) vom 24. Mai 2013 mit einer Terminsbestimmung vom 12.07.2013 auf den 06.08.2013, einem neuen Beschluss über PKH, einer Terminsbestimmung vom 23.08.2013 und der mündliche Verhandlung vom 12. September 2013 sowie der Zustellung des Urteils am 17.10.2013.

Der Kläger reichte wiederum umfangreiche Schriftsätze in den Monaten Januar, Februar, März, September, Oktober und November 2012 sowie in den Monaten Januar, Februar, März, April, Juni und August und September 2013 ein. Das LSG schließlich bearbeitete den Antrag auf PKH des Klägers vom September 2012 bis zum Mai des Folgejahres.

Eine Angemessenheit der Verfahrensdauer bestand damit nicht, soweit es die Monate April bis incl. August sowie den Monat Dezember 2012 betrifft (insgesamt 6 Monate). In dem Zeitabschnitt nach der Verzögerungsrüge hat das Verfahren bereits mehr als drei Jahre angedauert und es bestand eine besondere Pflicht zur Förderung desselben, weil damit die durchschnittliche Dauer derartiger Verfahren im Recht der Grundsicherung schon weit überschritten war. Dies umso mehr, als schon in dem vorangegangenen Zeitraum (im Einzelnen unter b) weit gehend keine Belegung mit Zeiten der aktiven Verfahrensgestaltung oder dem Verhalten der Beteiligten oder Dritter vorgelegen hatte. Insbesondere war das Zeitmaß von 12 Monaten, das das BSG - nur für die Sozialgerichtsbarkeit - einem Spruchkörper nach dem Grundsatz der Verfahrensführung im Ermessen des Richters zubilligt (vgl. Urteil vom 3. September 2014, B 10 ÜG 9/13 R) bereits durch die vorangegangenen Verfahrensabschnitte aufgebraucht.

Die übrigen Monate (Januar, Februar, März, September, Oktober und November 2012 sowie in den Monaten Januar, Februar, März, April, Juni und August und September 2013) waren wie angeführt im Rahmen zulässigen Prozessverhaltens vom Kläger selbst herbeigeführte Verfahrensverzögerungen. Dessen Schriftsätze bestehen aus Kopien unterschiedlicher Schriftwerke, auf die er z. T. handschriftliche Anmerkungen oder Zeichen z. T. mehrfarbig setzt. Hinzu kommt, dass die Schriftsätze zahlreiche Beleidigungen unter anderem auch von Gerichtspersonen (z. B. durch bewusste Namensverdrehungen) enthalten. Seine umfangreichen, schwer zu lesenden und herabsetzende Wertung enthaltenden Schreiben bewirken eine Überlegens- und Bearbeitungszeit, die jeweils mit einem Monat zu Buche schlägt (vgl. Urteil des BSG vom 03.09.2014, Az.: B 10 ÜG 12/13 R). Das Lesen, Ertragen und Übersenden derartiger Schriftsätze kostet Zeit und Kraft. Insoweit geht der Senat davon aus, dass eingereichte Schriftsätze, die einen gewissen Umfang haben und sich inhaltlich mit Fragen des Verfahrens befassen, generell eine Überlegungs- und Bearbeitungszeit beim Gericht bewirken, die mit einem Monat zu Buche schlägt. Kein Grund zur Zurückstellung in der Sache des Klägers ist sein Verhalten schlechthin, dass er beleidigende Schriftsätze mit zum Teil nicht zur Sache beitragendem Inhalt und in erheblichem Umfang sowie häufig einreicht. Das durch dieses Verhalten verursachte Nichttätigwerden findet Berücksichtigung durch die Zubilligung einer Überlegens- und Bearbeitungszeit von einem Monat pro Schriftsatz.

Der Monat Dezember 2012 ist nicht mit aktiver Verfahrensgestaltung belegt und auch nicht einem Verhalten Dritter zuzurechnen. Selbst wenn die Akten während dieser Zeit an das LSG versandt worden sind, um eine Entscheidung über den Antrag zu treffen, wäre gegebenenfalls insoweit die Förderung des Verfahrens durch Nachfrage oder Anfordern der Akten beim LSG sachdienlich gewesen. Denn es ist nichts geschehen, ohne dass dies gerechtfertigt gewesen wäre. Eher handelt es sich um zurechenbares Unterlassen; das SG hätte mahnen müssen.

Der Ablauf des Verfahrens im Berufungsverfahren beim LSG (Az.: ) war nicht verzögert. Einem Entschädigungsanspruch würde insoweit ohnehin das Fehlen einer Verzögerungsrüge entgegenstehen. Diese ist für jede Instanz erneut einzulegen (§ 198 Abs. 3 letzter Satz GVG).

cc) In einem dritten Schritt ist eine wertende Gesamtbetrachtung unter Abwägung aller Einzelfallumstände vorzunehmen, ob die Verfahrensdauer die äußerste Grenze des Angemessenen deutlich überschritten und deshalb das Recht auf Rechtsschutz in angemessener Zeit verletzt hat. Diese Feststellung lässt sich nicht allein mit den nicht zu rechtfertigenden Verzögerungen im Umfang von sechs Monaten im Jahre 2012 treffen. Insoweit ist in einem nächsten Schritt zu prüfen, ob auch Verzögerungszeiträume vor der Verzögerungsrüge mit in die Betrachtung einzubeziehen sind.

b)

aa) Gemäß Art. 23 S. 2 ÜGG gilt § 198 Abs. 3 GVG für anhängige Verfahren, die bei seinem Inkrafttreten schon verzögert sind, mit der Maßgabe, dass die Verzögerungsrüge unverzüglich nach Inkrafttreten erhoben werden muss. In diesem Fall wahrt die Verzögerungsrüge einen Anspruch nach § 198 Abs. 1 GVG auch für den vorausgehenden Zeitraum (Art. 23 S. 1 ÜGG). Denn für die Ermittlung des im Einzelfall tatsächlich vorliegenden inaktiven Gesamtzeitraums sind die inaktiven Phasen sowohl vor als auch nach Erhebung der Verzögerungsrüge von Belang. Der Sinn der Verzögerungsrüge besteht darin, dem Gericht die Möglichkeit zu geben, das Verfahren zu fördern und eine weitere Verzögerung zu verhindern (BT-Drucks. 17/3802 S. 20). Da aber der bereits eingetretenen Verzögerung nicht mehr abgeholfen werden kann, darf dem Betroffenen insoweit auch der kompensierende Rechtsschutz nicht abgeschnitten werden. Im Übrigen würde die gegenteilige Sichtweise zu dem vom Gesetzgeber nicht gewollten Erfolg (siehe BT-Drucks. 17/3802 S. 21) führen, dass die Geduld eines Beteiligten bestraft und die frühzeitige Erhebung von Verzögerungsrügen gefördert würde.

bb) An der Zulässigkeit der am 26.01.2012 erhobenen Rüge (Form, Frist, Rechtzeitigkeit) gibt es keine Zweifel. Insoweit kann auf die Ausführungen oben (B 2 a und b) Bezug genommen werden. Die Rüge war im Sinne von Art. 23 S. 3 ÜÜG auch so rechtzeitig, dass sie die Zeit der Verzögerung vor ihrer Erhebung wahrt. Wie schon früher der Bundesfinanzhof eine Frist im Umfang der Hälfte der in Art. 35 Abs. 1 EMRK genannten Frist (Zwischenurteil vom 07.11.2013, Aktenzeichen: X K 13/12, Rn. 41) hat nun auch das BSG eine Frist von drei Monaten nach Inkrafttreten des ÜGG für angemessen gehalten (Urteil vom 27.06.2013 - B 10 ÜG 9/13 B, Rn. 55).

cc) Die Dauer der Verzögerung ergibt sich in einem ersten Schritt aus einer Betrachtung des konkreten Verfahrensablaufs der, wie oben bereits festgestellt, insgesamt zu lang war. In einem zweiten Schritt ist der Ablauf des Verfahrens an den von § 198 Abs. 1 S. 2 GVG genannten Kriterien zu messen.

aaa) Im Zeitraum vom 25.06.2008 (Klageschriftsatz) bis zum Januar 2012 ist der Monat August 2008 mit Tätigkeiten belegt (unter anderen Ablehnungsbeschluss des Kammervorsitzenden). Am 03.03.2010 erging die Bitte zur Benennung eines Rechtsanwalts sowie ein Auskunftsschreiben an den Kläger über den Verfahrensgang und die von ihm anhängigen Hauptsacheverfahren. Nach einem Beschluss des LSG vom 05.05. 2011 wegen der Ablehnung des Vorsitzenden am 05.02.2011 erfolgte am 20.10.2011 eine Ladung zur mündlichen Verhandlung auf den 07.11.2011. Am 16.12.2011 erging ein weiterer Beschluss wegen Befangenheit durch das LSG.

bbb) Auf das Verhalten des Klägers zurückzuführen waren die Bearbeitungszeiten, die durch seine umfangreichen, wie oben charakterisierten, Schriftsätze bedingt waren (BSG vom 03.09.2014, B 10 ÜG 12/13 R). Dabei handelte es sich um die Monate Juni, September und Oktober 2008; die Monate Januar, Februar, März, Mai und November 2009; die Monate Januar, Februar, März, April und Mai 2010 sowie die Monate Februar, September, Oktober und Dezember 2011. Im Januar 2012 erfolgte dann die Verzögerungsrüge.

Ebenso auf das Verhalten des Klägers zurückzuführen waren die Zeiten, in denen die Kammer wegen der Wartepflicht nach der Stellung eines Antrags auf Prüfung der Befangenheit (§ 47 ZPO) nicht tätig werden durfte (März bis Mai 2011, Dezember 2011). Es geht hier um den Beschlüsse des LSG wegen Ablehnung der Vorsitzenden vom 5. Mai 2011 (Antrag 05.02.2011) sowie vom 16.Dezember 2011 mit Ablehnung vom 24.10.2011.

ccc) Zusammenfassend lagen damit 21 Monate nicht aktiver Verfahrensgestaltung oder sonstiger Inaktivität vor, im Jahr 2008 in den Monaten Juli, November und Dezember (3 Monate); im Jahr 2009 in den Monaten April, Juni, Juli, August, September, Oktober und Dezember (7 Monate); im Jahr 2010 in den Monaten Juli, August, September, Oktober, November und Dezember (7 Monate) sowie im Jahr 2011 in den Monaten Januar, Juni, Juli und August (4 Monate).

dd) Nunmehr kann die in einem dritten Schritt vorzunehmende wertende Gesamtbetrachtung erfolgen. Sie geschieht nach der Feststellung einer gesamten Zeit der Verzögerung vor und nach der Rüge im Umfang von 27 Monaten.

aaa) Bei der Abwägung aller Einzelfallumstände, ob die Verfahrensdauer die äußerste Grenze des Angemessenen deutlich überschritten und deshalb das Recht auf Rechtsschutz in angemessener Zeit verletzt ist, ist nunmehr auch das Recht der selbstständigen Verhandlungsführung der verfassungsrechtlich garantierten unabhängigen Richterpersönlichkeit einzustellen. So hat das BSG schon in seinen ersten Entscheidungen zum ÜGG ausgeführt, dass die Dauer eines Verfahrens in hohem Maße von dem Verhältnis abhängig ist, in dem die Zahl der von Rechtsuchenden betriebenen Verfahren zu den persönlichen und sächlichen Mitteln des jeweils zuständigen Gerichts steht. Dabei reicht es aus, dass dieses Verhältnis angemessen ist. Der Staat ist jedenfalls nicht verpflichtet, so große Gerichtskapazitäten vorzuhalten, dass jedes anhängig gemachte Verfahren sofort und ausschließlich von einem Richter bearbeitet werden kann. Vielmehr muss ein Rechtsuchender damit rechnen, dass der zuständige Richter neben seinem Rechtsbehelf auch noch andere (ältere) Sachen zu behandeln hat (vgl. Urteil 21.02.2013 Az.: B 10 ÜG 1/12 KL, Rn. 28). Insofern ist ihm eine gewisse Wartezeit zuzumuten. Jedenfalls ist es dem Richter unbenommen, zumindest die durchschnittliche Verfahrenslaufzeit - hier etwa 13 Monate - auszuschöpfen.

Diese Zeitspanne ist aber ebenso überschritten, wie die vom EGMR oder dem Bundesverfassungsgericht gebilligten Bearbeitungszeiten von etwa zwei Jahren pro Instanz. Dennoch erlangt der Gesichtspunkt struktureller Überlastung bestimmter Gerichtsbarkeiten auch in dieser Sache Bedeutung. Das BSG hat schon früher Verzögerungen in einen allgemeinen Wertungsrahmen eingeordnet und eine gewisse Schwere der Belastung von vornherein vorausgesetzt (BSG a. a. O. Rn. 25).

bbb) In seinem Urteil vom 3. September 2014, Az.: B 10 ÜG 12/13 R hat das BSG nunmehr zur Gewährleistung einer einheitlichen Rechtsanwendung und damit aus Gründen der Rechtssicherheit und Vorhersehbarkeit zeitraumbezogene Konkretisierungen vorgenommen. Die persönliche und sachliche Ausstattung der Sozialgerichte muss demnach so beschaffen sowie die gerichtsinterne Organisation der Geschäfte (Geschäftsverteilung, Gestaltung von Dezernatwechseln etc.) so geregelt sein, dass ein Richter oder Spruchkörper die inhaltliche Bearbeitung und Auseinandersetzung mit der Sache wegen anderweitig anhängiger ggf. älterer oder vorrangiger Verfahren im Regelfall nicht länger als zwölf Monate zurückzustellen braucht (a. a. O. Rn. 53). Beruht die Verfahrensdauer, die die genannte Dauer von zwölf Monaten je Instanz übersteigt, auf vertretbarer aktiver Verfahrensgestaltung (z. B. Zeit für Einholung von Auskünften, Zeugenaussagen, Sachverständigengutachten, Beiziehung von Akten) oder wird sie maßgeblich durch das Verhalten des Klägers, anderer Verfahrensbeteiligter oder Dritter verlängert, so macht selbst dies die Verfahrensdauer in der Regel ebenfalls noch nicht unangemessen. Anderes gilt für Zeiten, in denen eine Sache über zwölf Monate hinaus („am Stück“ oder immer wieder für kürzere Zeiträume) ohne sachlichen Grund „auf Abruf“ liegt, ohne dass das Verfahren zeitgleich inhaltlich betrieben wird oder sich auf sog Schiebeverfügungen beschränkt (a. a. O. Rn. 55).

ccc) Der Bundesfinanzhof nimmt in einem Verfahren ohne Besonderheiten eine Vermutung der Angemessenheit von gut zwei Jahren an („Karenzzeitraum“, BFH Zwischenurteil vom 07.11.2013, Aktenzeichen: X K 13/12, Rn. 70). Dieser Zeitraum ermögliche es dem Richter an einem oberen Landesgericht (vgl. § 2 FGO), in Verantwortung für die inhaltliche Richtigkeit und das qualitativ hohe Niveau seiner Entscheidung sowie in Ausübung seiner richterlichen Unabhängigkeit gegebenenfalls von seinem Gestaltungsspielraum Gebrauch zu machen, indem er einzelne Verfahren zeitlich vorzieht oder besonders intensiv bearbeitet, und andere Verfahren dadurch notwendigerweise länger unbearbeitet lässt.

ddd) Der Senat schließt sich der Betrachtungsweise des BSG an. Sie beruht auf einer Auslegung von Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz, die erst ab einer gewissen Schwere der Rechtsverletzung die Voraussetzungen nach § 198 GVG annimmt. Tatsächlich weisen auch die Justizgeschäftsstatistiken (Statistisches Bundesamt, Fachserie 10 Reihe 2.7 - 2013 bzw. Veröffentlichungen des Bayerischen Landesamts für Statistik und Datenverarbeitung Kennziffer B VI 2 j 2013) in der Sozialgerichtsbarkeit erhebliche Rückstände auf, die über das Ausmaß des jeweiligen Jahreseingangs hinausgehen. So standen beispielsweise in Bayern im Jahre 2013 unerledigte Klagen zu Jahresbeginn von 43.681 einem Eingang in diesem Jahr von 39.524 Klagen (neben Anträgen auf einstweiligen Rechtsschutz von 3853) gegenüber. Im Bundesgebiet waren es 493.784 zu 392.999 Neuzugängen (bei 46.497 Verfahren im einstweiligen Rechtsschutz). Dies spiegelt zwar auch das Bild einer systematischen Verfehlung geordneten Rechtsschutzes wieder, ist aber auch nicht ohne Belang im Hinblick auf die Anforderungen an das Personal in der Rechtspflege. Die gefundene Lösung einer Karenzzeit von 12 Monaten, zumindest für die erste Instanz, ist ausgewogen und vertretbar.

eee) Nach diesen Maßstäben beträgt hier die unangemessene Verfahrensdauer 15 Monate. Denn die Zeiten der nicht gerechtfertigten Inaktivität werden in einem Umfang von 12 Monaten den strukturellen Besonderheiten einer Gerichtsbarkeit und insbesondere der Sozialgerichtsbarkeit geschuldet. Dabei ist es ohne Bedeutung, dass diese Zeiten zerstückelt sind. Denn gerade das immer wieder von Neuem sich mit den Schriftsätzen des Klägers Beschäftigen-Müssen, rechtfertigt wieder eine Überlegens- und Bearbeitungszeit.

fff) Daran ändert sich auch nicht durch weitere Gesichtspunkte nach § 198 GVG. So haben die Schwierigkeit und Bedeutung der Sache keinen über den Durchschnitt hinausgehenden verlängernden Einfluss. Es zeigt sich allein schon an der ohnehin kurzen Bearbeitungszeit in der Sache an sich. Es gab z. B. keine schwierigen, langwierigen medizinischen Ermittlungen oder umfangreiche Zeugeneinvernahmen. Es handelte sich zwar um Leistungen der Grundsicherung. Allein dieser Umstand spricht schon gegen eine untergeordnete Bedeutung. Allerdings ging es um Leistungen, die dem Kläger dem Grunde nach bereits bewilligt gewesen waren. Das Verfahren ging um die Durchbrechung der Bindungswirkung zahlreicher Bescheide zugunsten des Klägers. Die von § 198 GVG genannte Bedeutung eines Verfahrens ergibt sich zum einen aus der allgemeinen Tragweite der Entscheidung für die materiellen und ideellen Interessen der Beteiligten. Eine besondere Bedeutung hatte das Verfahren damit nicht.

4.

Nachteil i. S. des § 198 Abs. 1 GVG sind sämtliche immateriellen Folgen des überlangen Verfahrens S 9 AS 985/08; dazu gehört nach den Vorstellungen des Gesetzgebers insbesondere die seelische Unbill durch die lange Verfahrensdauer (Gesetzentwurf BT-Drucks. 17/3802 S 19). Ein solcher Nachteil, der nicht Vermögensnachteil ist, wird nach § 198 Abs. 2 S 1 GVG vermutet, wenn ein Gerichtsverfahren unangemessen lange gedauert hat. Anhaltspunkte dafür, dass die Vermutung im konkreten Fall widerlegt sein könnte, sind nicht ersichtlich.

5.

Gegen das Bestehen eines Entschädigungsanspruchs ist nicht einzuwenden, dass gem. § 198 Abs. 2. S.2 i. V. m. § 198 Abs. 4 S. 1 GVG Wiedergutmachung auf andere Weise ausreichend ist, nämlich durch die Feststellung des Entschädigungsgerichts, dass die Verfahrensdauer unangemessen war. Von einer derart untergeordneten Bedeutung war das Verfahren nicht. Wie oben bereits ausgeführt ging es um Leistungen der Grundsicherung, also existenzielle Belange mit gewissen Auswirkungen auf den Lebenszuschnitt des Klägers. Das SG hat den Beklagten immerhin entsprechend einem Anerkenntnis verurteilt in Abänderung von Bescheiden über einen Zeitraum vom 20.12.2004 bis zum 31.03.2008 höhere Heizkosten zu gewähren und einen Betrag in Höhe von 860,76 € nachzuzahlen. Dieser Fall unterscheidet sich damit deutlich von anderen Fällen, in denen der Senat lediglich eine Feststellung getroffen hat (vgl. z. B. Urteil vom 23.05.2014, Az.: L 8 SF 22/12 EK, wo es lediglich um die Aufforderung zu einer Meldung gegangen ist, die sich längst durch Zeitablauf erledigt hatte bzw. Urteil vom 23.05.2014, Az.: L 8 SF 49/13 EK). Maßstab für die Schwierigkeit des Verfahrens im Sinne von § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG ist iÜ deren Einschätzung durch das zuständige Gericht, die in der Entscheidung zum Ausdruck kommt. Eine inhaltliche Überprüfung dieser Entscheidung steht dem Entschädigungsgericht nicht zu (vgl. Urteil des Senats vom 23.05.2014, Az.: L 8 SF 22/12 EK, Rn. 46).

6.

Die Entschädigung gemäß § 198 Abs. 2 S. 2 GVG beträgt gemäß § 198 Abs. 2 S. 3 GVG grundsätzlich 1200 Euro für jedes Jahr der Verzögerung. Für Zeiträume unter einem Jahr erfolgt eine zeitanteilige Berechnung (BT-Drucks. 17/3802 S. 20; Urteil des BSG vom 21.02.2013, Az.: B 10 ÜG 2/12 KL, Rn. 47ff.). Auch insoweit liegen keine durchschlagenden Anhaltspunkte vor, dass ein Abschlag gem. § 198 Abs. 2 S. 4 GVG vorgenommen werden müsste, weil nach den Umständen des Einzelfalles eine Regelentschädigung unbillig wäre. Naturgemäß handelt es sich im Bereich der Grundsicherung um geringere Beträge. Dennoch handelte es sich nach den Vorstellungen des Klägers um eine nicht unbedeutende Summe, zudem über einen längeren Zeitraum.

7.

Die Entschädigungszahlung ist zwar in entsprechender Anwendung der §§ 288 Abs. 1, 291 S. 1 BGB ab Rechtshängigkeit mit 5% über dem Basiszinssatz zu verzinsen (BSG, Urteil vom 03.09.2014 - B 10 ÜG 12/13 R). Ein entsprechender Antrag ist vom Kläger nicht gestellt worden (§ 123 SGG).

8.

Die Klage ist im Übrigen abzuweisen, weil der Kläger einen unbezifferten Klageantrag gestellt hatte, aber dem Sachverhalt nach eine höhere Entschädigung verlangt.

C.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 197a Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1, § 202 S 2 SGG, § 155 Abs. 1 S 1 VwGO und entspricht dem Verhältnis zwischen Obsiegen und Unterliegen bei dem unbezifferten Klageantrag. Der Kläger hat den Klageantrag nicht beziffert, aber weitaus höhere Zeiträume der Verzögerung angeführt, als tatsächlich im rechtlichen Sinne vorliegen.

Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) sind nicht ersichtlich.

Urteilsbesprechung zu {{shorttitle}}
{{count_recursive}} Urteilsbesprechungen zu {{shorttitle}}

moreResultsText


#BJNR001950896BJNE028103377 (1) Eine Geldschuld ist während des Verzugs zu verzinsen. Der Verzugszinssatz beträgt für das Jahr fünf Prozentpunkte über dem Basiszinssatz. (2) Bei Rechtsgeschäften, an denen ein Verbraucher nicht beteiligt ist, betr
{{title}} zitiert {{count_recursive}} §§.

#BJNR001950896BJNE028103377 (1) Eine Geldschuld ist während des Verzugs zu verzinsen. Der Verzugszinssatz beträgt für das Jahr fünf Prozentpunkte über dem Basiszinssatz. (2) Bei Rechtsgeschäften, an denen ein Verbraucher nicht beteiligt ist, betr
5 Referenzen - Urteile

moreResultsText

{{Doctitle}} zitiert oder wird zitiert von {{count_recursive}} Urteil(en).

published on 23/05/2014 00:00

Tenor I. Es wird festgestellt, dass die Dauer des Klageverfahrens S 35 AL 810/03 vor dem Sozialgericht München unangemessen war. II. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. III. Von den Kosten des Verfahrens haben die
published on 23/05/2014 00:00

Tatbestand Die Parteien streiten über die Gewährung von Entschädigungsleistungen wegen einer überlangen Verfahrensdauer bei der Feststellung zusätzlicher Unfallfolgen aus dem Arbeitsunfall des Klägers vom 09.06.1994 in mehreren Verwal
published on 17/07/2014 00:00

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL III ZR 228/13 Verkündet am: 17. Juli 2014 K i e f e r Justizangestellter als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja GVG § 198 Abs.
published on 21/05/2014 00:00

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL III ZR 355/13 Verkündet am: 21. Mai 2014 Kiefer Justizangestellter als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja GVG § 198 Abs. 6 Nr. 1
{{Doctitle}} zitiert {{count_recursive}} Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Annotations

Soweit dieses Gesetz keine Bestimmungen über das Verfahren enthält, sind das Gerichtsverfassungsgesetz und die Zivilprozeßordnung einschließlich § 278 Absatz 5 und § 278a entsprechend anzuwenden, wenn die grundsätzlichen Unterschiede der beiden Verfahrensarten dies nicht ausschließen; Buch 6 der Zivilprozessordnung ist nicht anzuwenden. Die Vorschriften des Siebzehnten Titels des Gerichtsverfassungsgesetzes sind mit der Maßgabe entsprechend anzuwenden, dass an die Stelle des Oberlandesgerichts das Landessozialgericht, an die Stelle des Bundesgerichtshofs das Bundessozialgericht und an die Stelle der Zivilprozessordnung das Sozialgerichtsgesetz tritt. In Streitigkeiten über Entscheidungen des Bundeskartellamts, die die freiwillige Vereinigung von Krankenkassen nach § 172a des Fünften Buches Sozialgesetzbuch betreffen, sind die §§ 63 bis 80 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen mit der Maßgabe entsprechend anzuwenden, dass an die Stelle des Oberlandesgerichts das Landessozialgericht, an die Stelle des Bundesgerichtshofs das Bundessozialgericht und an die Stelle der Zivilprozessordnung das Sozialgerichtsgesetz tritt.

(1) Die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit entscheiden über öffentlich-rechtliche Streitigkeiten

1.
in Angelegenheiten der gesetzlichen Rentenversicherung einschließlich der Alterssicherung der Landwirte,
2.
in Angelegenheiten der gesetzlichen Krankenversicherung, der sozialen Pflegeversicherung und der privaten Pflegeversicherung (Elftes Buch Sozialgesetzbuch), auch soweit durch diese Angelegenheiten Dritte betroffen werden; dies gilt nicht für Streitigkeiten in Angelegenheiten nach § 110 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch aufgrund einer Kündigung von Versorgungsverträgen, die für Hochschulkliniken oder Plankrankenhäuser (§ 108 Nr. 1 und 2 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch) gelten,
3.
in Angelegenheiten der gesetzlichen Unfallversicherung mit Ausnahme der Streitigkeiten aufgrund der Überwachung der Maßnahmen zur Prävention durch die Träger der gesetzlichen Unfallversicherung,
4.
in Angelegenheiten der Arbeitsförderung einschließlich der übrigen Aufgaben der Bundesagentur für Arbeit,
4a.
in Angelegenheiten der Grundsicherung für Arbeitsuchende,
5.
in sonstigen Angelegenheiten der Sozialversicherung,
6.
in Angelegenheiten des sozialen Entschädigungsrechts mit Ausnahme der Streitigkeiten aufgrund der §§ 25 bis 27j des Bundesversorgungsgesetzes (Kriegsopferfürsorge), auch soweit andere Gesetze die entsprechende Anwendung dieser Vorschriften vorsehen,
6a.
in Angelegenheiten der Sozialhilfe einschließlich der Angelegenheiten nach Teil 2 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch und des Asylbewerberleistungsgesetzes,
7.
bei der Feststellung von Behinderungen und ihrem Grad sowie weiterer gesundheitlicher Merkmale, ferner der Ausstellung, Verlängerung, Berichtigung und Einziehung von Ausweisen nach § 152 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch,
8.
die aufgrund des Aufwendungsausgleichsgesetzes entstehen,
9.
(weggefallen)
10.
für die durch Gesetz der Rechtsweg vor diesen Gerichten eröffnet wird.

(2) Die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit entscheiden auch über privatrechtliche Streitigkeiten in Angelegenheiten der Zulassung von Trägern und Maßnahmen durch fachkundige Stellen nach dem Fünften Kapitel des Dritten Buches Sozialgesetzbuch und in Angelegenheiten der gesetzlichen Krankenversicherung, auch soweit durch diese Angelegenheiten Dritte betroffen werden. Satz 1 gilt für die soziale Pflegeversicherung und die private Pflegeversicherung (Elftes Buch Sozialgesetzbuch) entsprechend.

(3) Von der Zuständigkeit der Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit nach den Absätzen 1 und 2 ausgenommen sind Streitigkeiten in Verfahren nach dem Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen, die Rechtsbeziehungen nach § 69 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch betreffen.

(1) Zuständig für die Klage auf Entschädigung gegen ein Land ist das Oberlandesgericht, in dessen Bezirk das streitgegenständliche Verfahren durchgeführt wurde. Zuständig für die Klage auf Entschädigung gegen den Bund ist der Bundesgerichtshof. Diese Zuständigkeiten sind ausschließliche.

(2) Die Vorschriften der Zivilprozessordnung über das Verfahren vor den Landgerichten im ersten Rechtszug sind entsprechend anzuwenden. Eine Entscheidung durch den Einzelrichter ist ausgeschlossen. Gegen die Entscheidung des Oberlandesgerichts findet die Revision nach Maßgabe des § 543 der Zivilprozessordnung statt; § 544 der Zivilprozessordnung ist entsprechend anzuwenden.

(3) Das Entschädigungsgericht kann das Verfahren aussetzen, wenn das Gerichtsverfahren, von dessen Dauer ein Anspruch nach § 198 abhängt, noch andauert. In Strafverfahren, einschließlich des Verfahrens auf Vorbereitung der öffentlichen Klage, hat das Entschädigungsgericht das Verfahren auszusetzen, solange das Strafverfahren noch nicht abgeschlossen ist.

(4) Besteht ein Entschädigungsanspruch nicht oder nicht in der geltend gemachten Höhe, wird aber eine unangemessene Verfahrensdauer festgestellt, entscheidet das Gericht über die Kosten nach billigem Ermessen.

Soweit dieses Gesetz keine Bestimmungen über das Verfahren enthält, sind das Gerichtsverfassungsgesetz und die Zivilprozeßordnung einschließlich § 278 Absatz 5 und § 278a entsprechend anzuwenden, wenn die grundsätzlichen Unterschiede der beiden Verfahrensarten dies nicht ausschließen; Buch 6 der Zivilprozessordnung ist nicht anzuwenden. Die Vorschriften des Siebzehnten Titels des Gerichtsverfassungsgesetzes sind mit der Maßgabe entsprechend anzuwenden, dass an die Stelle des Oberlandesgerichts das Landessozialgericht, an die Stelle des Bundesgerichtshofs das Bundessozialgericht und an die Stelle der Zivilprozessordnung das Sozialgerichtsgesetz tritt. In Streitigkeiten über Entscheidungen des Bundeskartellamts, die die freiwillige Vereinigung von Krankenkassen nach § 172a des Fünften Buches Sozialgesetzbuch betreffen, sind die §§ 63 bis 80 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen mit der Maßgabe entsprechend anzuwenden, dass an die Stelle des Oberlandesgerichts das Landessozialgericht, an die Stelle des Bundesgerichtshofs das Bundessozialgericht und an die Stelle der Zivilprozessordnung das Sozialgerichtsgesetz tritt.

(1) Wer infolge unangemessener Dauer eines Gerichtsverfahrens als Verfahrensbeteiligter einen Nachteil erleidet, wird angemessen entschädigt. Die Angemessenheit der Verfahrensdauer richtet sich nach den Umständen des Einzelfalles, insbesondere nach der Schwierigkeit und Bedeutung des Verfahrens und nach dem Verhalten der Verfahrensbeteiligten und Dritter.

(2) Ein Nachteil, der nicht Vermögensnachteil ist, wird vermutet, wenn ein Gerichtsverfahren unangemessen lange gedauert hat. Hierfür kann Entschädigung nur beansprucht werden, soweit nicht nach den Umständen des Einzelfalles Wiedergutmachung auf andere Weise gemäß Absatz 4 ausreichend ist. Die Entschädigung gemäß Satz 2 beträgt 1 200 Euro für jedes Jahr der Verzögerung. Ist der Betrag gemäß Satz 3 nach den Umständen des Einzelfalles unbillig, kann das Gericht einen höheren oder niedrigeren Betrag festsetzen.

(3) Entschädigung erhält ein Verfahrensbeteiligter nur, wenn er bei dem mit der Sache befassten Gericht die Dauer des Verfahrens gerügt hat (Verzögerungsrüge). Die Verzögerungsrüge kann erst erhoben werden, wenn Anlass zur Besorgnis besteht, dass das Verfahren nicht in einer angemessenen Zeit abgeschlossen wird; eine Wiederholung der Verzögerungsrüge ist frühestens nach sechs Monaten möglich, außer wenn ausnahmsweise eine kürzere Frist geboten ist. Kommt es für die Verfahrensförderung auf Umstände an, die noch nicht in das Verfahren eingeführt worden sind, muss die Rüge hierauf hinweisen. Anderenfalls werden sie von dem Gericht, das über die Entschädigung zu entscheiden hat (Entschädigungsgericht), bei der Bestimmung der angemessenen Verfahrensdauer nicht berücksichtigt. Verzögert sich das Verfahren bei einem anderen Gericht weiter, bedarf es einer erneuten Verzögerungsrüge.

(4) Wiedergutmachung auf andere Weise ist insbesondere möglich durch die Feststellung des Entschädigungsgerichts, dass die Verfahrensdauer unangemessen war. Die Feststellung setzt keinen Antrag voraus. Sie kann in schwerwiegenden Fällen neben der Entschädigung ausgesprochen werden; ebenso kann sie ausgesprochen werden, wenn eine oder mehrere Voraussetzungen des Absatzes 3 nicht erfüllt sind.

(5) Eine Klage zur Durchsetzung eines Anspruchs nach Absatz 1 kann frühestens sechs Monate nach Erhebung der Verzögerungsrüge erhoben werden. Die Klage muss spätestens sechs Monate nach Eintritt der Rechtskraft der Entscheidung, die das Verfahren beendet, oder einer anderen Erledigung des Verfahrens erhoben werden. Bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Klage ist der Anspruch nicht übertragbar.

(6) Im Sinne dieser Vorschrift ist

1.
ein Gerichtsverfahren jedes Verfahren von der Einleitung bis zum rechtskräftigen Abschluss einschließlich eines Verfahrens auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes und zur Bewilligung von Prozess- oder Verfahrenskostenhilfe; ausgenommen ist das Insolvenzverfahren nach dessen Eröffnung; im eröffneten Insolvenzverfahren gilt die Herbeiführung einer Entscheidung als Gerichtsverfahren;
2.
ein Verfahrensbeteiligter jede Partei und jeder Beteiligte eines Gerichtsverfahrens mit Ausnahme der Verfassungsorgane, der Träger öffentlicher Verwaltung und sonstiger öffentlicher Stellen, soweit diese nicht in Wahrnehmung eines Selbstverwaltungsrechts an einem Verfahren beteiligt sind.

(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts oder seine Abänderung sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts begehrt werden. Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage zulässig, wenn der Kläger behauptet, durch den Verwaltungsakt oder durch die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsakts beschwert zu sein.

(2) Der Kläger ist beschwert, wenn der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsakts rechtswidrig ist. Soweit die Behörde, Körperschaft oder Anstalt des öffentlichen Rechts ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, ist Rechtswidrigkeit auch gegeben, wenn die gesetzlichen Grenzen dieses Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist.

(3) Eine Körperschaft oder eine Anstalt des öffentlichen Rechts kann mit der Klage die Aufhebung einer Anordnung der Aufsichtsbehörde begehren, wenn sie behauptet, daß die Anordnung das Aufsichtsrecht überschreite.

(4) Betrifft der angefochtene Verwaltungsakt eine Leistung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, so kann mit der Klage neben der Aufhebung des Verwaltungsakts gleichzeitig die Leistung verlangt werden.

(5) Mit der Klage kann die Verurteilung zu einer Leistung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, auch dann begehrt werden, wenn ein Verwaltungsakt nicht zu ergehen hatte.

(1) Wird gemäß § 54 Abs. 4 oder 5 eine Leistung in Geld begehrt, auf die ein Rechtsanspruch besteht, so kann auch zur Leistung nur dem Grunde nach verurteilt werden. Hierbei kann im Urteil eine einmalige oder laufende vorläufige Leistung angeordnet werden. Die Anordnung der vorläufigen Leistung ist nicht anfechtbar.

(2) Das Gericht kann durch Zwischenurteil über eine entscheidungserhebliche Sach- oder Rechtsfrage vorab entscheiden, wenn dies sachdienlich ist.

(1) Wer infolge unangemessener Dauer eines Gerichtsverfahrens als Verfahrensbeteiligter einen Nachteil erleidet, wird angemessen entschädigt. Die Angemessenheit der Verfahrensdauer richtet sich nach den Umständen des Einzelfalles, insbesondere nach der Schwierigkeit und Bedeutung des Verfahrens und nach dem Verhalten der Verfahrensbeteiligten und Dritter.

(2) Ein Nachteil, der nicht Vermögensnachteil ist, wird vermutet, wenn ein Gerichtsverfahren unangemessen lange gedauert hat. Hierfür kann Entschädigung nur beansprucht werden, soweit nicht nach den Umständen des Einzelfalles Wiedergutmachung auf andere Weise gemäß Absatz 4 ausreichend ist. Die Entschädigung gemäß Satz 2 beträgt 1 200 Euro für jedes Jahr der Verzögerung. Ist der Betrag gemäß Satz 3 nach den Umständen des Einzelfalles unbillig, kann das Gericht einen höheren oder niedrigeren Betrag festsetzen.

(3) Entschädigung erhält ein Verfahrensbeteiligter nur, wenn er bei dem mit der Sache befassten Gericht die Dauer des Verfahrens gerügt hat (Verzögerungsrüge). Die Verzögerungsrüge kann erst erhoben werden, wenn Anlass zur Besorgnis besteht, dass das Verfahren nicht in einer angemessenen Zeit abgeschlossen wird; eine Wiederholung der Verzögerungsrüge ist frühestens nach sechs Monaten möglich, außer wenn ausnahmsweise eine kürzere Frist geboten ist. Kommt es für die Verfahrensförderung auf Umstände an, die noch nicht in das Verfahren eingeführt worden sind, muss die Rüge hierauf hinweisen. Anderenfalls werden sie von dem Gericht, das über die Entschädigung zu entscheiden hat (Entschädigungsgericht), bei der Bestimmung der angemessenen Verfahrensdauer nicht berücksichtigt. Verzögert sich das Verfahren bei einem anderen Gericht weiter, bedarf es einer erneuten Verzögerungsrüge.

(4) Wiedergutmachung auf andere Weise ist insbesondere möglich durch die Feststellung des Entschädigungsgerichts, dass die Verfahrensdauer unangemessen war. Die Feststellung setzt keinen Antrag voraus. Sie kann in schwerwiegenden Fällen neben der Entschädigung ausgesprochen werden; ebenso kann sie ausgesprochen werden, wenn eine oder mehrere Voraussetzungen des Absatzes 3 nicht erfüllt sind.

(5) Eine Klage zur Durchsetzung eines Anspruchs nach Absatz 1 kann frühestens sechs Monate nach Erhebung der Verzögerungsrüge erhoben werden. Die Klage muss spätestens sechs Monate nach Eintritt der Rechtskraft der Entscheidung, die das Verfahren beendet, oder einer anderen Erledigung des Verfahrens erhoben werden. Bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Klage ist der Anspruch nicht übertragbar.

(6) Im Sinne dieser Vorschrift ist

1.
ein Gerichtsverfahren jedes Verfahren von der Einleitung bis zum rechtskräftigen Abschluss einschließlich eines Verfahrens auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes und zur Bewilligung von Prozess- oder Verfahrenskostenhilfe; ausgenommen ist das Insolvenzverfahren nach dessen Eröffnung; im eröffneten Insolvenzverfahren gilt die Herbeiführung einer Entscheidung als Gerichtsverfahren;
2.
ein Verfahrensbeteiligter jede Partei und jeder Beteiligte eines Gerichtsverfahrens mit Ausnahme der Verfassungsorgane, der Träger öffentlicher Verwaltung und sonstiger öffentlicher Stellen, soweit diese nicht in Wahrnehmung eines Selbstverwaltungsrechts an einem Verfahren beteiligt sind.

(1) Zuständig für die Klage auf Entschädigung gegen ein Land ist das Oberlandesgericht, in dessen Bezirk das streitgegenständliche Verfahren durchgeführt wurde. Zuständig für die Klage auf Entschädigung gegen den Bund ist der Bundesgerichtshof. Diese Zuständigkeiten sind ausschließliche.

(2) Die Vorschriften der Zivilprozessordnung über das Verfahren vor den Landgerichten im ersten Rechtszug sind entsprechend anzuwenden. Eine Entscheidung durch den Einzelrichter ist ausgeschlossen. Gegen die Entscheidung des Oberlandesgerichts findet die Revision nach Maßgabe des § 543 der Zivilprozessordnung statt; § 544 der Zivilprozessordnung ist entsprechend anzuwenden.

(3) Das Entschädigungsgericht kann das Verfahren aussetzen, wenn das Gerichtsverfahren, von dessen Dauer ein Anspruch nach § 198 abhängt, noch andauert. In Strafverfahren, einschließlich des Verfahrens auf Vorbereitung der öffentlichen Klage, hat das Entschädigungsgericht das Verfahren auszusetzen, solange das Strafverfahren noch nicht abgeschlossen ist.

(4) Besteht ein Entschädigungsanspruch nicht oder nicht in der geltend gemachten Höhe, wird aber eine unangemessene Verfahrensdauer festgestellt, entscheidet das Gericht über die Kosten nach billigem Ermessen.

(1) Wer infolge unangemessener Dauer eines Gerichtsverfahrens als Verfahrensbeteiligter einen Nachteil erleidet, wird angemessen entschädigt. Die Angemessenheit der Verfahrensdauer richtet sich nach den Umständen des Einzelfalles, insbesondere nach der Schwierigkeit und Bedeutung des Verfahrens und nach dem Verhalten der Verfahrensbeteiligten und Dritter.

(2) Ein Nachteil, der nicht Vermögensnachteil ist, wird vermutet, wenn ein Gerichtsverfahren unangemessen lange gedauert hat. Hierfür kann Entschädigung nur beansprucht werden, soweit nicht nach den Umständen des Einzelfalles Wiedergutmachung auf andere Weise gemäß Absatz 4 ausreichend ist. Die Entschädigung gemäß Satz 2 beträgt 1 200 Euro für jedes Jahr der Verzögerung. Ist der Betrag gemäß Satz 3 nach den Umständen des Einzelfalles unbillig, kann das Gericht einen höheren oder niedrigeren Betrag festsetzen.

(3) Entschädigung erhält ein Verfahrensbeteiligter nur, wenn er bei dem mit der Sache befassten Gericht die Dauer des Verfahrens gerügt hat (Verzögerungsrüge). Die Verzögerungsrüge kann erst erhoben werden, wenn Anlass zur Besorgnis besteht, dass das Verfahren nicht in einer angemessenen Zeit abgeschlossen wird; eine Wiederholung der Verzögerungsrüge ist frühestens nach sechs Monaten möglich, außer wenn ausnahmsweise eine kürzere Frist geboten ist. Kommt es für die Verfahrensförderung auf Umstände an, die noch nicht in das Verfahren eingeführt worden sind, muss die Rüge hierauf hinweisen. Anderenfalls werden sie von dem Gericht, das über die Entschädigung zu entscheiden hat (Entschädigungsgericht), bei der Bestimmung der angemessenen Verfahrensdauer nicht berücksichtigt. Verzögert sich das Verfahren bei einem anderen Gericht weiter, bedarf es einer erneuten Verzögerungsrüge.

(4) Wiedergutmachung auf andere Weise ist insbesondere möglich durch die Feststellung des Entschädigungsgerichts, dass die Verfahrensdauer unangemessen war. Die Feststellung setzt keinen Antrag voraus. Sie kann in schwerwiegenden Fällen neben der Entschädigung ausgesprochen werden; ebenso kann sie ausgesprochen werden, wenn eine oder mehrere Voraussetzungen des Absatzes 3 nicht erfüllt sind.

(5) Eine Klage zur Durchsetzung eines Anspruchs nach Absatz 1 kann frühestens sechs Monate nach Erhebung der Verzögerungsrüge erhoben werden. Die Klage muss spätestens sechs Monate nach Eintritt der Rechtskraft der Entscheidung, die das Verfahren beendet, oder einer anderen Erledigung des Verfahrens erhoben werden. Bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Klage ist der Anspruch nicht übertragbar.

(6) Im Sinne dieser Vorschrift ist

1.
ein Gerichtsverfahren jedes Verfahren von der Einleitung bis zum rechtskräftigen Abschluss einschließlich eines Verfahrens auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes und zur Bewilligung von Prozess- oder Verfahrenskostenhilfe; ausgenommen ist das Insolvenzverfahren nach dessen Eröffnung; im eröffneten Insolvenzverfahren gilt die Herbeiführung einer Entscheidung als Gerichtsverfahren;
2.
ein Verfahrensbeteiligter jede Partei und jeder Beteiligte eines Gerichtsverfahrens mit Ausnahme der Verfassungsorgane, der Träger öffentlicher Verwaltung und sonstiger öffentlicher Stellen, soweit diese nicht in Wahrnehmung eines Selbstverwaltungsrechts an einem Verfahren beteiligt sind.

(1) Ein abgelehnter Richter hat vor Erledigung des Ablehnungsgesuchs nur solche Handlungen vorzunehmen, die keinen Aufschub gestatten.

(2) Wird ein Richter während der Verhandlung abgelehnt und würde die Entscheidung über die Ablehnung eine Vertagung der Verhandlung erfordern, so kann der Termin unter Mitwirkung des abgelehnten Richters fortgesetzt werden. Wird die Ablehnung für begründet erklärt, so ist der nach Anbringung des Ablehnungsgesuchs liegende Teil der Verhandlung zu wiederholen.

Gerichte der Finanzgerichtsbarkeit sind
in den Ländern die Finanzgerichte als obere Landesgerichte,
im Bund der Bundesfinanzhof mit dem Sitz in München.

(1) Wer infolge unangemessener Dauer eines Gerichtsverfahrens als Verfahrensbeteiligter einen Nachteil erleidet, wird angemessen entschädigt. Die Angemessenheit der Verfahrensdauer richtet sich nach den Umständen des Einzelfalles, insbesondere nach der Schwierigkeit und Bedeutung des Verfahrens und nach dem Verhalten der Verfahrensbeteiligten und Dritter.

(2) Ein Nachteil, der nicht Vermögensnachteil ist, wird vermutet, wenn ein Gerichtsverfahren unangemessen lange gedauert hat. Hierfür kann Entschädigung nur beansprucht werden, soweit nicht nach den Umständen des Einzelfalles Wiedergutmachung auf andere Weise gemäß Absatz 4 ausreichend ist. Die Entschädigung gemäß Satz 2 beträgt 1 200 Euro für jedes Jahr der Verzögerung. Ist der Betrag gemäß Satz 3 nach den Umständen des Einzelfalles unbillig, kann das Gericht einen höheren oder niedrigeren Betrag festsetzen.

(3) Entschädigung erhält ein Verfahrensbeteiligter nur, wenn er bei dem mit der Sache befassten Gericht die Dauer des Verfahrens gerügt hat (Verzögerungsrüge). Die Verzögerungsrüge kann erst erhoben werden, wenn Anlass zur Besorgnis besteht, dass das Verfahren nicht in einer angemessenen Zeit abgeschlossen wird; eine Wiederholung der Verzögerungsrüge ist frühestens nach sechs Monaten möglich, außer wenn ausnahmsweise eine kürzere Frist geboten ist. Kommt es für die Verfahrensförderung auf Umstände an, die noch nicht in das Verfahren eingeführt worden sind, muss die Rüge hierauf hinweisen. Anderenfalls werden sie von dem Gericht, das über die Entschädigung zu entscheiden hat (Entschädigungsgericht), bei der Bestimmung der angemessenen Verfahrensdauer nicht berücksichtigt. Verzögert sich das Verfahren bei einem anderen Gericht weiter, bedarf es einer erneuten Verzögerungsrüge.

(4) Wiedergutmachung auf andere Weise ist insbesondere möglich durch die Feststellung des Entschädigungsgerichts, dass die Verfahrensdauer unangemessen war. Die Feststellung setzt keinen Antrag voraus. Sie kann in schwerwiegenden Fällen neben der Entschädigung ausgesprochen werden; ebenso kann sie ausgesprochen werden, wenn eine oder mehrere Voraussetzungen des Absatzes 3 nicht erfüllt sind.

(5) Eine Klage zur Durchsetzung eines Anspruchs nach Absatz 1 kann frühestens sechs Monate nach Erhebung der Verzögerungsrüge erhoben werden. Die Klage muss spätestens sechs Monate nach Eintritt der Rechtskraft der Entscheidung, die das Verfahren beendet, oder einer anderen Erledigung des Verfahrens erhoben werden. Bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Klage ist der Anspruch nicht übertragbar.

(6) Im Sinne dieser Vorschrift ist

1.
ein Gerichtsverfahren jedes Verfahren von der Einleitung bis zum rechtskräftigen Abschluss einschließlich eines Verfahrens auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes und zur Bewilligung von Prozess- oder Verfahrenskostenhilfe; ausgenommen ist das Insolvenzverfahren nach dessen Eröffnung; im eröffneten Insolvenzverfahren gilt die Herbeiführung einer Entscheidung als Gerichtsverfahren;
2.
ein Verfahrensbeteiligter jede Partei und jeder Beteiligte eines Gerichtsverfahrens mit Ausnahme der Verfassungsorgane, der Träger öffentlicher Verwaltung und sonstiger öffentlicher Stellen, soweit diese nicht in Wahrnehmung eines Selbstverwaltungsrechts an einem Verfahren beteiligt sind.

*

(1) Eine Geldschuld ist während des Verzugs zu verzinsen. Der Verzugszinssatz beträgt für das Jahr fünf Prozentpunkte über dem Basiszinssatz.

(2) Bei Rechtsgeschäften, an denen ein Verbraucher nicht beteiligt ist, beträgt der Zinssatz für Entgeltforderungen neun Prozentpunkte über dem Basiszinssatz.

(3) Der Gläubiger kann aus einem anderen Rechtsgrund höhere Zinsen verlangen.

(4) Die Geltendmachung eines weiteren Schadens ist nicht ausgeschlossen.

(5) Der Gläubiger einer Entgeltforderung hat bei Verzug des Schuldners, wenn dieser kein Verbraucher ist, außerdem einen Anspruch auf Zahlung einer Pauschale in Höhe von 40 Euro. Dies gilt auch, wenn es sich bei der Entgeltforderung um eine Abschlagszahlung oder sonstige Ratenzahlung handelt. Die Pauschale nach Satz 1 ist auf einen geschuldeten Schadensersatz anzurechnen, soweit der Schaden in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist.

(6) Eine im Voraus getroffene Vereinbarung, die den Anspruch des Gläubigers einer Entgeltforderung auf Verzugszinsen ausschließt, ist unwirksam. Gleiches gilt für eine Vereinbarung, die diesen Anspruch beschränkt oder den Anspruch des Gläubigers einer Entgeltforderung auf die Pauschale nach Absatz 5 oder auf Ersatz des Schadens, der in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist, ausschließt oder beschränkt, wenn sie im Hinblick auf die Belange des Gläubigers grob unbillig ist. Eine Vereinbarung über den Ausschluss der Pauschale nach Absatz 5 oder des Ersatzes des Schadens, der in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist, ist im Zweifel als grob unbillig anzusehen. Die Sätze 1 bis 3 sind nicht anzuwenden, wenn sich der Anspruch gegen einen Verbraucher richtet.

Das Gericht entscheidet über die vom Kläger erhobenen Ansprüche, ohne an die Fassung der Anträge gebunden zu sein.

Soweit dieses Gesetz keine Bestimmungen über das Verfahren enthält, sind das Gerichtsverfassungsgesetz und die Zivilprozeßordnung einschließlich § 278 Absatz 5 und § 278a entsprechend anzuwenden, wenn die grundsätzlichen Unterschiede der beiden Verfahrensarten dies nicht ausschließen; Buch 6 der Zivilprozessordnung ist nicht anzuwenden. Die Vorschriften des Siebzehnten Titels des Gerichtsverfassungsgesetzes sind mit der Maßgabe entsprechend anzuwenden, dass an die Stelle des Oberlandesgerichts das Landessozialgericht, an die Stelle des Bundesgerichtshofs das Bundessozialgericht und an die Stelle der Zivilprozessordnung das Sozialgerichtsgesetz tritt. In Streitigkeiten über Entscheidungen des Bundeskartellamts, die die freiwillige Vereinigung von Krankenkassen nach § 172a des Fünften Buches Sozialgesetzbuch betreffen, sind die §§ 63 bis 80 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen mit der Maßgabe entsprechend anzuwenden, dass an die Stelle des Oberlandesgerichts das Landessozialgericht, an die Stelle des Bundesgerichtshofs das Bundessozialgericht und an die Stelle der Zivilprozessordnung das Sozialgerichtsgesetz tritt.

(1) Wenn ein Beteiligter teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jedem Teil zur Hälfte zur Last. Einem Beteiligten können die Kosten ganz auferlegt werden, wenn der andere nur zu einem geringen Teil unterlegen ist.

(2) Wer einen Antrag, eine Klage, ein Rechtsmittel oder einen anderen Rechtsbehelf zurücknimmt, hat die Kosten zu tragen.

(3) Kosten, die durch einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand entstehen, fallen dem Antragsteller zur Last.

(4) Kosten, die durch Verschulden eines Beteiligten entstanden sind, können diesem auferlegt werden.

(1) Gegen das Urteil eines Landessozialgerichts und gegen den Beschluss nach § 55a Absatz 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundessozialgericht nur zu, wenn sie in der Entscheidung des Landessozialgerichts oder in dem Beschluß des Bundessozialgerichts nach § 160a Abs. 4 Satz 1 zugelassen worden ist.

(2) Sie ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs. 1 Satz 1 und auf eine Verletzung des § 103 nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das Landessozialgericht ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.

(3) Das Bundessozialgericht ist an die Zulassung gebunden.