Bayerisches Landessozialgericht Urteil, 11. Sept. 2018 - L 3 U 365/17

published on 11/09/2018 00:00
Bayerisches Landessozialgericht Urteil, 11. Sept. 2018 - L 3 U 365/17
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Sozialgericht München, S 9 U 663/15, 25/10/2017

Gericht

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Tenor

I. Auf die Berufung des Klägers werden der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts München vom 25. Oktober 2017 und der Bescheid vom 24. August 2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 03. Dezember 2015 aufgehoben und die Beklagte verurteilt, das Ereignis vom 22. April 2015 als Arbeitsunfall anzuerkennen.

II. Die Beklagte erstattet die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers im Widerspruchs-, Klage- und Berufungsverfahren in vollem Umfang.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Der 1988 geborene Kläger begehrt die Feststellung, dass es sich bei dem Ereignis vom 22.04.2015 um einen versicherten Wegeunfall im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Unfallversicherung (SGB VII) gehandelt hat.

Der Kläger arbeitete im Rahmen seiner Masterarbeit im Gebäude der Sektion für Physik der L.-Universität Am C. 1 in C-Stadt. Dort bereitete er am 22.04.2015 seine Präsentation für den nächsten Tag vor, an dem er die Ergebnisse seiner Vorbereitungsphase vorstellen und die Masterarbeit offiziell anmelden wollte.

Nach Aussagen von Kollegen verließ er gegen 19.00 Uhr das Universitätsgebäude, um mit dem Fahrrad nach Hause in die K-Straße 10, A-Stadt zu fahren. Der Kläger begab sich jedoch nicht unmittelbar nach Hause, sondern besuchte nach einem weiteren Aufenthalt in der Universität zunächst seinen Freund S. W. und S. L. in der S-Straße 6, 80805 A-Stadt. - Streitig ist zwischen den Parteien vor allem, ob sich der Kläger dort mehr als zwei Stunden aufhielt. - Nachfolgend verunfallte der Kläger gegen 23.30 Uhr an der Kreuzung D-Straße, als er als Fahrradfahrer unbehelmt bei Rot in südlicher Richtung die Kreuzung überquerte und hierbei in einen mit etwa 40 bis 50 km/h querenden VW-Bus hineinfuhr. Nach notärztlicher Erstversorgung wurde der Kläger in das Klinikum B. aufgenommen. Dort wurde ein offenes Schädel-Hirn-Trauma Grad III mit Felsenbeinfraktur rechts, eine Kalottenfraktur temporoparietooccipital rechts, ein Subduralhämatom links sowie diverse Kontusionsblutungen frontal bei Mittellinienshift diagnostiziert.

Zu dem zeitlichen Ablauf im Einzelnen: Die Mutter des Klägers teilte mit telefonischer Unfallmeldung vom 27.05.2015 mit, dass der Kläger am 22.04.2015 um 23.30 Uhr verunfallt sei. Am 01.06.2015 ergänzte die Mutter des Klägers, dass er einen Freund vor dem Unfall privat in dessen Wohnung besucht habe und sie zusammen zu Abend gegessen hätten. Der Kläger sei so gegen 21.00 Uhr bei dem Freund eingetroffen. Nach 23.00 Uhr habe er die Wohnung verlassen. Die genauen Zeiten würden noch mitgeteilt. Die Mutter des Klägers präzisierte mit weiterem Telefonat vom 03.06.2015, dass der Kläger um 20.28 Uhr bei dem Freund angerufen und sich zum Abendessen verabredet hätte. Laut Internet wäre er dann um 21.10 Uhr bis 21.15 Uhr dort gewesen. Kurz nach 23.00 Uhr hätte er dessen Wohnung verlassen. Laut Polizeibericht habe sich der Unfall um ca. 23.30 Uhr ereignet.

S. W. teilte mit Schreiben vom 16.06.2015 mit, dass er am Abend des 22.04.2015 länger als gewöhnlich im Büro gewesen sei. Gegen 20.15 Uhr habe er sein Büro im A. A-Stadt in der A-Straße verlassen und sich auf den Nachhauseweg begeben. Von dort habe er 30 Minuten mit dem Bus nach Hause benötigt, um die Wohnung in der S-Straße 6 zu erreichen. Bei seiner Ankunft zu Hause gegen 20.45 Uhr habe seine Mitbewohnerin S. L. berichtet, dass der Kläger angerufen habe und auf seinem Nachhauseweg kurz bei ihnen vorbeikommen würde. Im Nachhinein hätten die Eltern des Klägers nachvollziehen können, dass dieser den Anruf um 20.28 Uhr von seinem Smartphone abgesetzt hätte. Für S. L. hörte es sich so an, dass er zu diesem Zeitpunkt in C-Stadt mit dem Fahrrad losgefahren sei. Die beiden hätten rund fünf Minuten telefoniert. Er selbst hätte noch genügend Zeit gehabt, um zu Hause zu duschen und sich umzuziehen. Der Kläger müsse demnach um ca. 21.15 Uhr eingetroffen sein. Nachdem er unter der Woche spätestens um 23.15 Uhr bis 23.30 Uhr schlafen gehe, lasse sich daraus schlussfolgern, dass der Kläger die Wohnung in der S-Straße 6 zwischen 22.45 Uhr und 23.00 Uhr verlassen haben müsse.

Frau K./P.-Institut C-Stadt teilte am 23.06.2015 mit, dass der Kläger das Gebäude der L. (Campus C-Stadt) gegen 19.00 Uhr verlassen hätte. Der Vater des Klägers ergänzte mit Telefonat vom 07.07.2015, dass sich nach 19.00 Uhr noch mehrere Studenten bis ca. 20.00 Uhr zusammengesetzt hätten. Es müsse noch eruiert werden, was sein Sohn (der Kläger) von 19.00 Uhr bis 19.30 Uhr auf dem Gelände in C-Stadt gemacht habe. Der Vater des Klägers präzisierte mit Telefonat vom 14.07.2015, sein Sohn habe sich mit Kommilitonen, mit welchen er die Forschungen durchgeführt habe, von 19.00 Uhr bis 20.30 Uhr auf dem Gelände getroffen. Sie hätten dann ihre Experimente und die Durchführung besprochen. Der für die Masterarbeit des Klägers mitverantwortliche wissenschaftliche Mitarbeiter der L. und Doktorand H. C. teilte mit E-Mail vom 24.07.2015 mit, er habe das Gelände um etwa 20.30 Uhr verlassen und sei zur Bahn gegangen (Abfahrt 20.33 Uhr), während der Kläger zu seinem Fahrrad gegangen sei.

Nach Auswertung des Polizeiberichts lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 24.08.2015 die Anerkennung eines Arbeitsunfalls ab. Zur Begründung führte die Beklagte aus, dass der Kläger am 22.04.2015 mit dem Fahrrad das Campus-Gelände in C-Stadt in Richtung A-Stadt verlassen habe. Zuvor habe er noch mit einem Freund telefoniert, um sich mit ihm zum Abendessen in dessen Wohnung in der S-Straße 6 zu treffen. Er habe den direkten Heimweg unterbrochen, als er in die S-Straße (Seitenstraße der U-Straße) eingebogen sei. Gegen 21.15 Uhr sei er in der Wohnung des Freundes eingetroffen. Laut Mitteilung des Freundes habe er die Wohnung gegen 22.45 Uhr bis 23.00 Uhr verlassen, um den direkten Heimweg fortzusetzen. Hierbei sei es laut Polizeibericht zu dem Unfall um 23.33 Uhr gekommen. Nach dem Routenplaner sei der Weg von der S-Straße zum Unfallort in zwei Minuten mit dem Fahrrad zurückzulegen. Aufgrund dieser Tatsache habe er die S-Straße erst kurz vor 23.33 Uhr verlassen. Die 2-Stunden-Grenze sei somit überschritten. Wegen der Unterbrechung des Heimweges aus privaten Gründen um mehr als zwei Stunden habe der Kläger nicht mehr unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung gestanden.

Die Eltern des Klägers hoben mit Widerspruch vom 23.09.2015 hervor, dass der Kläger gegen 23.00 Uhr die Wohnung verlassen habe. Für die Wegstrecke (ca. 700 m) würden im günstigsten Fall etwa fünf Minuten benötigt werden. Nachdem es dunkel gewesen sei, habe der Kläger zuerst die Beleuchtung am Rad montieren und prüfen müssen, eventuell sogar die Batterien wechseln, sein abgestelltes und versperrtes Rad aufschließen und vorbereiten müssen; er hätte sich mit seinem Rucksack fahrbereit richten müssen. Nicht zuletzt sei auch eine gewisse Zeit zwischen dem Unfall/Zusammenstoß und dem Notruf in Ansatz zu bringen. Nach Vermutung der Eltern hätte der Kläger auch sein Rad während der Fahrt funktionsfähig richten müssen, z. B. eine herausgesprungene Kette, fehlende Luft im Reifen, Platten . Es sei immer wieder zu Problemen mit der Fahrtüchtigkeit des Rades gekommen.

Die Beklagte recherchierte im Internet bei google-maps, dass die Entfernung S-Straße 6 in A-Stadt bis zum Unfallort nur 550 m betrug und als Fahrzeit mit dem Fahrrad zwei Minuten angegeben wurden. Nachfolgend wies die Beklagte den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 03.12.2015 zurück. Nach den im Verwaltungsverfahren eingeholten Auskünften der beteiligten Personen sowie den Angaben in der Polizeiermittlungsakte stehe fest, dass der Kläger um 21.15 Uhr in der Wohnung seines Freundes S. W. eingetroffen sei und sich der Unfall um 23.30 Uhr ereignet habe. Zudem werde für die Wegstrecke zwischen der S-Straße 6 in A-Stadt und dem Unfallort je nach gefahrener Geschwindigkeit eine Zeitdauer von unter fünf Minuten benötigt. Somit habe der Kläger sich mehr als zwei Stunden bei S. W. aufgehalten. Dies bedinge eine Lösung von der betrieblichen Tätigkeit, so dass der Versicherungsschutz endgültig beendet sei und für den Rest des Weges nicht wiederauflebe.

Hiergegen hat die (ehemalige) Bevollmächtigte des Klägers mit Telefax vom 10.12.2015 Klage zum Sozialgericht München (SG) erhoben und beantragt, das Unfallereignis vom 22.04.2015 als Wegeunfall anzuerkennen.

Das SG hat die Unfallakten der Beklagten und vom Klinikum B. das Notarztprotokoll beigezogen. In der mündlichen Verhandlung vom 20.06.2017 hat das SG die Zeugen Dr. H. G. (Notarzt) sowie S. W. und S. L. gehört.

Der Notarzt Dr. G. hat ausgeführt, er habe sich die Unterlagen nochmals angeschaut. Der Alarm sei um 23.36 Uhr bei ihm im Notarztwagen eingegangen. Das heiße, der Notruf sei bei der Leitstelle 1 bis 2 Minuten vorher eingetroffen. Der Alarm 23.36 Uhr stehe zweifelsfrei fest, da dies auch in einem Fax so dokumentiert sei. Die Ankunftszeit 23.41 Uhr habe er aus den Aufzeichnungen der Rettungssanitäter entnommen.

Der Zeuge W. hat darauf hingewiesen, dass er den Bericht für die Beklagte vom 16.06.2015 nach bestem Wissen und Gewissen erstellt habe, auch wenn es schon damals nach sieben Wochen nicht einfach gewesen sei, die Zeiten auf eine Viertelstunde genau anzugeben. Er habe aber versucht, noch irgendwelche Anknüpfungspunkte zu finden, die belegen würden, wann er oder der Kläger wo gewesen sei. Manchmal sei er erst um 22.00 Uhr aus dem Büro gekommen. Befragt zu der E-Mail vom 22.04.2015 hat der Zeuge S. W. erläutert, er könne anhand der E-Mail sehen, dass er noch eine E-Mail um 19.14 Uhr aus dem Büro geschickt habe. Der Ausdruck sei farbig. Später dann um 20.46 Uhr habe er eine E-Mail von seinem I-Phone gesendet. Das sehe er an dem andersfarbigen Druck. Das heiße, er sei zu diesem Zeitpunkt nicht mehr im Büro gewesen. Er nehme an, dass er zum Zeitpunkt 20.46 Uhr an der Bushaltestelle gewesen sei, da er es sich in Absprache mit seiner Mitbewohnerin abgewöhnt hatte, zu Hause E-Mails zu beantworten und auch die Kürze der Mail dafür spreche, dass er sie an der Bushaltestelle geschrieben habe. Er habe sich den Busfahrplan der Buslinie 53 schicken lassen. Dort sei die Busabfahrt A-Straße um 20.52 Uhr angegeben. Laut Fahrplan sei die Ankunft an der M. 21.05 Uhr. Er sei dann immer von der M. zu Fuß nach Hause gelaufen. Das seien laut Google ca. 13 Minuten. Er sei also ca. um 21.15 Uhr bis 21.18 Uhr zu Hause gewesen. Zu diesem Zeitpunkt sei der Kläger noch nicht da gewesen. Seine Mitbewohnerin Frau L. habe ihm erzählt, dass der Kläger angerufen habe und auf dem Nachhauseweg vorbeikommen habe wollen. Entsprechend seiner Angewohnheit sei er dann unter die Dusche gegangen, habe sich umgezogen und mit Frau L. angefangen, das Essen und den Salat vorzubereiten. Das brauche etwa 20 bis 30 Minuten und dann sei der Kläger zu ihnen gekommen. Da sei es ungefähr 20 Minuten vor 10.00 Uhr gewesen (= 21.40 Uhr). Später hätten sie herausgefunden, dass Frau L. und der Kläger um 20.28 Uhr telefoniert hätten. Der Kläger habe gesagt, er würde jetzt an der Uni losfahren, ob er noch bei ihnen vorbeikommen könne.

Weiterhin hat der Zeuge W. ausgesagt, dass der Kläger immer an der I. entlang geradelt sei. Dafür brauche man 1 Stunde und 1 Minute. Er nehme an, dass der Kläger mit seinem alten Stadtrad wirklich 1 Stunde Fahrzeit gebraucht habe, nachdem er die Strecke mit seinem Mountainbike abgefahren sei. Er meine, mit dem Vorbereiten nach dem Telefonat um ca. 20.30 Uhr würde dies zur Ankunft bei ihnen um 21.40 Uhr passen. Das Abendessen sei in guter Stimmung verlaufen.

Befragt zum Abfahrtszeitpunkt hat der Zeuge W. auf sein Schreiben vom 16.06.2015 (Abfahrtzeit 22.45 Uhr bis 23.00 Uhr) verwiesen. Auf Nachfrage des Beklagtenvertreters, ob der Zeuge möglicherweise den Bus früher genommen und die E-Mail im Bus geschrieben habe, hat der Zeuge W. angegeben, er habe die Angewohnheit, E-Mails nicht im Bus zu schreiben; da lese er in seinem Kindle.

Die Zeugin S. L. hat berichtet, dass sie am 20.04.2015 gegen 20.28 Uhr mit dem Kläger telefoniert habe. Wie lange das Telefonat gewesen sei, könne sie nicht mehr sagen. Das könnten ungefähr fünf Minuten gewesen sein. Wann Herr W. nach Hause gekommen sei, könne sie nicht mehr genau sagen; normalerweise sei er so zwischen 21.00 Uhr und 21.30 Uhr nach Hause gekommen, meist ziemlich spät. Als Herr W. gekommen sei, habe er erst einmal geduscht, sich umgezogen und dann hätten sie angefangen, Salat und die Brotzeit vorzubereiten. Der Kläger sei dann dazu gestoßen. Zu diesem Zeitpunkt sei noch nicht alles auf dem Tisch gestanden. Sie habe da nicht auf die Uhr geschaut und könne also zur Uhrzeit nichts sagen. Auf Nachfrage hat die Zeugin L. mitgeteilt, sie hätten in dem Schreiben vom 16.06.2015 eben versucht, möglichst genaue Angaben zu machen. Jetzt hätten sie auch nochmals nachrecherchiert, z. B. wann genau der Bus gefahren sei.

Nach Vertagung hat das SG die Beteiligten mit Schreiben vom 24.07.2017 zu dem beabsichtigten Erlass eines klageabweisenden Gerichtsbescheids gehört. Nachfolgend hat das SG die Klage mit Gerichtsbescheid vom 25.10.2017 abgewiesen. Der Unfallzeitpunkt 23.30 Uhr stehe aus der Sicht des Gerichts fest. Denn der behandelnde Notarzt Dr. G. hätte nachvollziehbar berichtet, dass ein Alarm um 23.36 Uhr im Notarztwagen eingegangen sei. Ausgehend von einem Beginn des Heimwegs um 20.30 Uhr und dem Unfallzeitpunkt 23.30 Uhr habe der Kläger den Nachhauseweg um mehr als 2 Stunden unterbrochen. Im Schreiben vom 16.06.2015 der Zeugen S. W. und S. L. sei als Ankunftszeit 21.15 Uhr und als Zeitpunkt des Verlassens der S-Straße der Zeitrahmen 22.45 Uhr bis 23.00 Uhr angegeben worden. Die später genannte Ankunftszeit 21.45 Uhr sei nicht gesichert, da auf Annahmen beruhend. Damit gelinge aber nicht der Nachweis, dass die Unterbrechung anlässlich des eigenwirtschaftlichen Besuchs der Freunde kürzer als zwei Stunden gewesen sei. Im Übrigen sei aus der Sicht des SG vorliegend ein Versicherungsschutz in Zusammenhang mit der vom Kläger selbst geschaffenen Gefahr zu verneinen (Überfahren des Rotlichts und die verminderte Aufmerksamkeit durch Tragen von Kopfhörern mit Beschallung von lauter Musik). Ob die Gefahr zusätzlich durch fehlende Fahrradbeleuchtung erhöht gewesen sei, bedürfe daher keiner weiteren Aufklärung mehr.

Die hiergegen gerichtete Berufung vom 29.11.2017 geht am 30.11.2017 beim Bayerischen Landessozialgericht (BayLSG) ein. Die (nunmehrigen) Bevollmächtigten des Klägers heben mit Schriftsatz vom 31.01.2018 hervor, dass der Zeuge S. W. im Rahmen seiner Einvernahme vor dem SG schlüssig und überzeugend dargelegt habe, dass der Kläger (erst) gegen 21.40 Uhr in der S-Straße 6 in A-Stadt eingetroffen sei. Seine Heimfahrt habe der Kläger vor 23.40 Uhr fortgesetzt, denn der Notruf sei von der Polizei um 23.33 Uhr abgesetzt worden. Der Unfall müsse also vorher passiert sein. Damit stehe fest, dass der Kläger seine Weiterfahrt vor Ablauf der zwei Stunden begonnen habe. Im Übrigen sei das SG zu Unrecht von einer selbst geschaffenen Gefahr ausgegangen. Auch wenn der Kläger als routinierter Radfahrer die Strecke gekannt habe, lasse der Rotlichtverstoß den Versicherungsschutz nicht entfallen.

Von Seiten des Senats werden die Unfallakten der Beklagten und die erstinstanzlichen Streitakten beigezogen. Nach Überprüfung werden die Bevollmächtigten des Klägers mit Schreiben vom 16.03.2018 auf folgende Problematik aufmerksam gemacht: Der Kläger müsse sich kurz vor 20.30 Uhr von Herrn C. getrennt haben, weil dieser die U-Bahn um 20.33 Uhr habe erreichen wollen und der Weg zur U-Bahn etwa fünf bis acht Minuten dauere. Dies korrespondiere mit dem Telefonanruf des Klägers um 20.28 Uhr mit Frau L. von etwa fünf Minuten. Für diese habe es sich so angehört, dass der Kläger zu diesem Zeitpunkt (etwa 20.33 Uhr) in C-Stadt mit dem Fahrrad habe losfahren wollen. Hiervon ausgehend ergebe die Kontrollüberlegung des Senats, dass der Kläger, wäre er direkt nach Hause gefahren, die Unfallstelle in der U-Straße in A-Stadt nach 43 Minuten (so die übliche Fahrzeit nach Google) um 21.16 Uhr erreicht hätte. Rechne man die zweistündige Unterbrechungszeit hinzu, hätte sich der Unfall spätestens um 23.16 Uhr ereignen dürfen. Somit habe der Unfall um 23.30 Uhr nicht mehr unter dem Versicherungsschutz des § 8 Abs. 2 SGB VII gestanden. Dies gelte auch, wenn man für vertretbare Wege durch die I. 11 Minuten hinzurechne (dann würde sich als Ankunftszeit 21.27 Uhr ergeben und der Versicherungsschutz hätte sich bis 23.27 Uhr erstreckt). - Im Übrigen teile der Berichterstatter die Auffassung nicht, der Kläger sei einer selbst geschaffenen Gefahr aufgrund seines verkehrswidrigen Verhaltens erlegen, die einen Versicherungsschutz ausschließe (vgl. § 7 Abs. 2 SGB VII; BSG, Urteil vom 04.06.2002 - B 2 U 11/01 R).

Die Bevollmächtigten des Klägers verweisen mit Schreiben vom 08.04.2018 nochmals auf die Angaben des Zeugen S. W. in der mündlichen Verhandlung vor dem SG und legen einen Google-maps-Ausdruck vor, nach welchem der Radweg von dem Institut am C. 1 in C-Stadt durch die I. bis in die S-Straße 6 in A-Stadt 1 Std. 5 Minuten beträgt. Die Beklagte entgegnet mit Schriftsatz vom 28.06.2018, dass entsprechend den Erstangaben der Zeugen S. W. und S. L. der Unfallzeitpunkt nicht in den noch versicherten 2-Stunden-Zeitraum transferiert werden könne. Zudem hätte die im vorgelegten Google-maps-Ausdruck angegebene Zeitdauer von 1 Std. 5 Minuten nicht reproduziert werden können. Dabei habe sich lediglich eine durchschnittliche Fahrtdauer von 48 Minuten ergeben. Die Bevollmächtigten des Klägers heben in ihrer Replik vom 16.08.2018 hervor, dass der Kläger nicht mit einem Rennrad oder Mountainbike unterwegs gewesen sei, sondern mit einem älteren Fahrrad. Die Aussage der Beklagten sei daher spekulativ, dass der Kläger die Strecke in wesentlich geringerer Zeit hätte zurücklegen können.

In der mündlichen Verhandlung vom 11.09.2018 verweist der Kläger darauf, dass er mit einem „Bergradl“ gefahren sei. Sein Vater erläutert, dass es sich um ein altes sogenanntes „Bahnhofsradl“ gehandelt habe, bei welchem etwaige Beschädigungen oder gar eine Entwendung durch Dritte verschmerzbar gewesen wären.

Zur Problematik, welche Fahrwege von der Universität in C-Stadt nach Hause in Betracht gekommen wären (aus der Sicht des Senats kommen grundsätzlich drei Wegevarianten gleichwertig in Betracht, vergl. die Entscheidungsgründe), räumt der Bevollmächtigte der Beklagten ein, dass aufgrund einer mangelnden Beleuchtung (gemeint: im Bereich des I.-Radweges) am Abend durchaus auch eine Fahrt über die U-Straße naheliegend sei.

Der Vorsitzende weist darauf hin, dass unter Anwendung einer sehr genauen Wander- und Radfahrapp (K.; siehe auch www.k...de) eine sehr differenzierte Fahrroute darstellbar ist. Dabei geht der Senat von einer Fahrt im Wesentlichen entlang des I.-Radweges aus. Dies stellt eine Strecke von 15,9 km (von Am C. 1 in C-Stadt bis S-Straße 6 in A-Stadt) dar. Je nach Leistungsniveau des Fahrradfahrers ergeben sich unterschiedliche Fahrzeiten. Diese wurden im Einzelnen besprochen und in der mündlichen Verhandlung angegeben: Bei 10 km/h 1 Std. 36 Min., bei 12 km/h 1 Std. 19 Min., bei 15 km/h 1 Std. 04 Min., bei 20 km/h 48 Min. (wobei K. letztes als „Profi-Niveau“ bezeichnet). Außerdem ergibt sich aus K., dass die Strecke von C-Stadt nach A-Stadt stetig leicht bergauf führe.

Die Bevollmächtigte des Klägers stellt den Antrag,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts München vom 25.10.2017 sowie den Bescheid vom 24.08.2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 03.12.2015 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, das Ereignis vom 22.04.2015 als Arbeitsunfall anzuerkennen.

Der Bevollmächtigte der Beklagten beantragt,

die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf den Inhalt der beigezogenen Unfallakten der Beklagten sowie die Gerichtsakten beider Instanzen Bezug genommen.

Gründe

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist gemäß §§ 143, 144 und 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässig und begründet.

Die Klage ist als kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (§ 54 Abs. 1 SGG) zulässig (vgl. Bundessozialgericht - BSG -, Urteil vom 15.05.2012 - B 2 U 8/11 R -, BSGE 111, 37 und juris Rdnr. 13 m. w. N.) und begründet. Der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts München vom 25.10.2017 und der Bescheid der Beklagten vom 24.08.2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 03.12.2015 verletzen den Kläger in seinen Rechten und sind zu aufzuheben. Denn das Ereignis vom 22.04.2015 stellt einen versicherten Arbeitsunfall im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 1 Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Unfallversicherung (SGB VII) dar.

Der Kläger gehörte zum Unfallzeitpunkt dem versicherten Personenkreis gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 8c SGB VII an. Denn er fertigte seine Masterarbeit an der L.-Universität A-Stadt und war somit als dort Studierender versichert.

Das Vorliegen eines Wegeunfalls im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII ist zur Überzeugung des Senats auch nachgewiesen. Nach dieser Rechtsnorm sind versicherte Tätigkeiten auch das Zurücklegen des mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden unmittelbaren Weges nach und von dem Ort der Tätigkeit.

Das Zurücklegen des Weges ist das Sichfortbewegen auf einer Strecke, die durch einen Ausgangs- und Zielpunkt begrenzt ist, mit der objektivierten Handlungstendenz, den jeweils versicherten Ort zu erreichen (BSG, Urteil vom 31.08.2017 - B 2 U 2/16 R -). Ausgangspunkt ist vorliegend das Institut für Physik, Am C. 1 in C-Stadt; Endpunkt ist die damalige Wohnung des Klägers in der K-Straße 10, A-Stadt gewesen.

Gängige Routenplaner wie google-maps, aber auch weniger bekannte Routenplaner wie K., gehen übereinstimmend davon aus, dass für einen Radfahrer im Wesentlichen drei Wegevarianten in Betracht kommen, um von C-Stadt nach Hause in die K-Straße 10 in A-Stadt zu gelangen: Es handelt sich um eine westliche Variante von C-Stadt-Süd über die M.- und F. Landstraße sowie anschließend durch die U-Straße und die Stadtmitte, um eine mittlere Variante westlich der I. (= I.-Radweg) weitgehend durch den E. und eine Variante östlich der I. durch die dortigen I..

Ein Wechsel von der mittleren Variante zu westlichen Variante ist hierbei ohne relevanten Umweg insbesondere im Bereich der O-Straße auf Höhe der S-Straße möglich, wenn es zum Beispiel gilt, bei Dunkelheit von dem weitgehend unbeleuchteten I.-Radweg auf die auch des Nachts regelmäßig verkehrsreiche, aber beleuchtete Strecke durch die U-Straße zu wechseln. Dies hat auch der Bevollmächtigte der Beklagten in der mündlichen Verhandlung vom 11.09.2018 als naheliegend angesehen.

Zur Überzeugung des Senats steht fest, dass der Kläger zunächst den I.-Radweg befuhr und nach dem Abendessen über die U-Straße nach Hause fahren wollte. Dies stützte Senat zunächst auf den glaubhaften Vortrag der Bevollmächtigten, des Vaters des Klägers und wird auch durch den Zeugen W. in der mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht vom 20.06.2017 bestätigt. Dieser bestätigte dabei, der Kläger habe den Weg durch die I. bevorzugt. Im Übrigen ist dies nahe liegend, da die Strecke am I.-Radweg oder in den I. für Fahrradfahrer wesentlich angenehmer zu befahren ist, als die sehr verkehrsreiche westliche Route an der Straße.

Der Kläger hat sich folglich immer noch auf einem sinnvollen Nachhauseweg befunden, wenn er durch die S-Straße gefahren ist, um von der mittleren Wegevariante auf die westliche Streckenvariante zu wechseln. Der Wohnort der Zeugen W. und L. in der S-Straße 6 liegt somit auf einem der möglichen und sinnvollen Nachhausewege des Klägers.

In der Konsequenz liegt auch der Unfallort an der Kreuzung D-Straße auf dem versicherten Nachhauseweg des Klägers (westliche Variante). Dies gilt sowohl unter dem Gesichtspunkt, dass der Kläger (entgegen seinen Gepflogenheiten) von Anfang an die westliche Wegevariante hätte wählen können, als auch unter dem Gesichtspunkt, dass er unabhängig von der Unterbrechung bei den Zeugen W. und L. in diesem Bereich die Wegevarianten von der mittleren zur westlichen Variante gewechselt hat. In Anbetracht der zwischenzeitlich eingetretenen Dunkelheit im April ist der Wechsel von der mittleren zur westlichen Variante, welche beleuchtet ist, auch aus diesem Grund sinnvoll.

Auch in zeitlicher Hinsicht hat der Kläger noch unter dem Unfallversicherungsschutz des § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII gestanden. Denn eine Lösung von der versicherten Tätigkeit tritt ein, wenn der Versicherte den Weg vom Tätigkeitsort um mehr als zwei Stunden durch private Verrichtungen (einschließlich der damit im Zusammenhang stehenden Wege) unterbrochen hat (BSG, Urteil vom 02.12.2008 - B 2 U 26/06 R, Rz. 28, BSGE 102, S. 111 ff.; BSG, Urteil vom 27.10.2009 - B 2 U 23/08 R -, UV-Recht aktuell 2010, S. 114 ff.).

Ausnahmen von der strikten Zeitgrenze von zwei Stunden kommen aus Gründen der Rechtssicherheit weder zu Lasten noch zugunsten des Versicherten in Betracht (Keller in Hauck/Noftz, Gesetzliche Unfallversicherung, K § 8 Rz. 265 m. w. N.). Beweispflichtig für das Einhalten der 2-Stunden-Grenze ist der Kläger (Kasseler Kommentar § 8 Rz. 273 mit Hinweis auf BSG, Urteil vom 27.10.2009 - B 2 U 23/08 R -). Ihm obliegt die Beweislast, dass er den Nachhauseweg nicht länger als zwei Stunden unterbrochen hat (BSG, Urteil vom 02.12.2008 - B 2 U 26/06 R -; BSGE 102, 111-121, SozR 4-2700 § 8 Nr. 29).

Nach dem Ergebnis der Ermittlungen im Verwaltungsverfahren und vor dem Sozialgericht München lässt sich zur Überzeugung des Senats gesichert der Beweis führen, dass der Kläger den Unfallort an der Kreuzung D-Straße nach einer Unterbrechung von weniger als zwei Stunden erreicht hat. Danach hat sich der Kläger kurz vor 20.30 Uhr von Herrn C. getrennt, da dieser die U-Bahn um 20.33 Uhr erreichen wollte und der Weg zur U-Bahn etwa fünf bis acht Minuten dauert.

Dies korrespondiert mit dem Telefonanruf des Klägers um 20.28 Uhr der Zeugin L. von etwa fünf Minuten. Für diese hörte es sich so an, dass der Kläger zu diesem Zeitpunkt (etwa 20.33 Uhr) in C-Stadt mit dem Fahrrad losfahren wollte. Der Senat ist davon überzeugt, dass der Kläger anschließend die übliche mittlere Wegvariante über den I.-Radweg gewählt hat, um abseits der verkehrsreichen Straßen bei hereinbrechender Dunkelheit seinen Nachhauseweg anzutreten. Der Weg von Am C. 1 in C-Stadt nach S-Straße 6 in A-Stadt beträgt hierbei etwa 15,8 km.

Hierfür benötigt der Kläger nach dem gängigen Routenplaner Google-Maps etwa 48 Minuten, worauf auch die Beklagte mit Schriftsatz vom 28.06.2018 hingewiesen hat. Der Vergleich mit der in der mündlichen Verhandlung vom 11.09.2018 eingehend erläuterten Wander- und Fahrrad-App K. ergibt jedoch, dass hierbei eine Durchschnittsgeschwindigkeit vom 20 km/h zugrunde gelegt worden ist, die K. dem „Profi-Niveau“ zuordnet.

Auch wenn es sich bei dem Kläger zum Unfallzeitpunkt um einen kräftigen jungen Mann gehandelt hat (so der Eindruck des Gerichts in der mündlichen Verhandlung vom 11.09.2018 von dem Kläger, auch wenn dieser nunmehr auf einen Rollstuhl angewiesen ist), ist zu berücksichtigen, dass dieser ein älteres „Berg- oder Bahnhofsradl“ gefahren hat, das nicht so hohe Durchschnittsgeschwindigkeiten zulässt wie ein Rennsportrad. Außerdem darf nicht außer Acht gelassen werden, dass die gesamte Strecke entsprechend dem Verlauf der I. stetig leicht bergauf führt, und deswegen eine niedrigere Durchschnittsgeschwindigkeit anzusetzen ist.

Legt man auch in Berücksichtigung des Umstandes, dass der Kläger ein älteres Fahrrad gefahren hat und der Weg stets leicht bergauf gegangen ist, die zweithöchste (von insgesamt 5 Leistungsstufen) „sehr sportliche“ Durchschnittsgeschwindigkeit zugrunde, die K. mit 15,3 km/h vorsieht, ergibt sich bei einer Wegstrecke von 15,8 km/h eine Fahrzeit von 1 Std. 01 Min. von Am C. 1 in C-Stadt nach S-Straße 6 in A-Stadt. Bei niedrigerem Leistungsniveau von 12 km/h oder 10 km/h verlängert sich die Fahrtzeit laut K. entsprechend. Dies bedingt, dass der Kläger von einer gesicherten Abfahrtszeit in C-Stadt um 20.33 Uhr und einer Fahrzeit von 1 Std. 01 Min., die der Senat zugrunde legt, frühestens um 21.34 Uhr in der S-Straße 6 in A-Stadt angekommen ist.

Dies entspricht den korrigierten Angaben des Zeugen W. in der mündlichen Verhandlung vom 20.06.2017. Dort hat der Zeuge W. in sich schlüssig dargelegt, warum er entgegen seinen Erstangaben mit Schreiben vom 16.06.2015 nicht mehr an der Ankunftszeit 21.15 Uhr festhält, sondern nach reiflicher Überlegung von einer Ankunftszeit des Klägers um 21.40 Uhr ausgeht.

Seine vor dem Sozialgericht München korrigierte Aussage ist für den Senat schlüssig und überzeugend, weil der Zeuge W. nunmehr anhand von konkreten Anknüpfungspunkten versucht hat, den genauen Zeitpunkt der Ankunft des Klägers bei ihm zu Hause zu rekonstruieren und die Anknüpfungspunkte (zwei E-Mails vom Büro bzw. von Unterwegs aus, übliche Fahrzeiten mit dem Bus Nr. 53 von der A-Straße in A-Stadt zur M., nachgewiesen durch den konkreten Busfahrplan, häusliche Gepflogenheiten wie Duschen, anschließendes Herrichten des Abendessens und Richten des Salats mit der Zeugin L.) ausreichend objektivierbar einen Rückschluss auf die tatsächliche Ankunftszeit des Klägers in der S-Straße 6 in A-Stadt ergeben.

Die zeitliche Differenz von 6 Minuten (vom Senat errechnete und zugrunde gelegte Ankunftszeit 21.34 Uhr - von dem Zeugen W. genannte Ankunftszeit 21.40 Uhr) erklärt sich durch die Notwendigkeit, das Fahrrad ordnungsgemäß abzustellen und zu verschließen bzw. sich nach dem Fahrradfahren etwas zu richten.

Ausgehend von der Ankunftszeit 21.34 Uhr in der S-Straße 6 in A-Stadt hätte der Kläger sich maximal zwei Stunden bei den Zeugen W. und L. aufhalten dürfen, um den Versicherungsschutz des § 8 Abs. 2 SGB VII durch die dortige Unterbrechung nicht zu verlieren.

Der Kläger hat sich jedoch wenige Minuten vor dem fiktiven Ablauf des Versicherungsschutzes um 23.34 Uhr wieder auf dem versicherten Nachhauseweg befunden.

Denn der Unfallzeitpunkt 23.30 Uhr bis 23.32 Uhr ist für den Senat aufgrund der Aussage des Notarztes Dr. G. gesichert. Der Alarm ist bei ihm um 23.36 Uhr im Notarztwagen eingegangen. Der Notruf bei der Polizei ist wenige Minuten zuvor um 23.33 Uhr dort eingegangen. Unter Berücksichtigung, dass auch das Absetzen des Notrufes durch einen Ersthelfer ein oder zwei Minuten umfasst, ist der Unfallzeitpunkt zwischen 23.30 Uhr und 23.32 Uhr gesichert. Dabei ist weiter zu berücksichtigen, dass der Kläger von der S-Straße 6 auch noch einige Minuten bis zum Unfallort benötigte. Wie bereits oben ausgeführt wurde, handelte es sich bei der Fahrt über die S.straße 6 auch nicht um einen unversicherten Abweg.

Der Kläger hat sich somit aus zeitlicher Sicht eben noch im Versicherungsschutz des § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VIII befunden. Denn er hat nach den vorstehenden Ausführungen seinen Nachhauseweg um weniger als 2 Stunden unterbrochen.

In diesem Zusammenhang kann der Senat offenlassen, dass der genaue Zeitpunkt des Verlassens der Wohnung S-Straße 6 in A-Stadt nicht gesichert ist. Die reine Fahrtzeit von der S-Straße 6 in A-Stadt bis zum Unfallort Kreuzung D-Straße kann bei etwa 550 m auch unter Berücksichtigung des Umstandes, dass vor dem erneuten Antritt der Weiterfahrt das Rad gerichtet werden muss, in wenigen Minuten zurückgelegt werden. Ausgehend von dem Unfallzeitpunkt 23.30 Uhr bis 23.32 Uhr muss der Kläger somit spätestens gegen 23.20 Uhr bis 23.25 Uhr die Zeugen W. und L. verlassen haben. Wenn die Zeugen in ihrem Schreiben vom 16.06.2015 von einem früheren Verlassen der Wohnung zwischen 22.45 Uhr und 23.00 Uhr ausgegangen sind und dies nachfolgend in der mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht München am 20.06.2017 nicht mehr haben bestätigen können, ist dies unschädlich. Denn selbst wenn man von einer weiteren zeitlichen Unterbrechung des Klägers durch nicht mehr aufklärbare Umstände (z.B. längeres Richten des Fahrrads) ausgeht, lässt dies den Versicherungsschutz nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII nicht entfallen, da die Gesamtzeit der Unterbrechung unter 2 Stunden betragen hat, wie vorstehend bereits dargelegt.

Im Übrigen ist der Rechtsauffassung des Sozialgerichts München nicht zu folgen, der Kläger sei einer selbst geschaffenen Gefahr aufgrund seines verkehrswidrigen Verhaltens erlegen. Denn der Gesetzgeber hat in § 7 Abs. 2 SGB VII normiert, dass selbst ein verbotswidriges Handeln einen Versicherungsfall nicht ausschließt. Auch wenn der Kläger sich möglicherweise in mehrfacher Hinsicht selbst gefährdet hat (Fahren ohne Helm, Rotlichtverstoß und Tragen von Kopfhörern bzw. Hören von Musik), schließt dies einen Versicherungsschutz nicht aus (Keller in Hauck/Noftz, Gesetzliche Unfallversicherung, K § 2 Rz. 7 mit Hinweis auf BSG, Urteil vom 04.06.2002 - B 2 U 11/01 R -, SozR 3-2700 § 8 Nr. 10).

Die Problematik eines Alkoholeinflusses stellt sich hier nicht (vergl. BSG, Urteil vom 05.09.2006 - B 2 U 24/05 R -; juris, BSGE 97, 54-63, SozR 4-2700 § 8 Nr. 18). Denn der Kläger hat ausweislich des aktenkundigen Laborberichts des Notfallzentrums am Klinikum B. vom 23.04.2015 diesbezüglich ein unauffälliges Blutbild gehabt. Dies gilt auch hinsichtlich anderer möglicherweise die Sinne beeinträchtigende Substanzen wie Opiate, Cocain, starke Schmerzmittel usw.

Vielmehr hat das BSG (Urteil vom 12.04.2005 - B 2 U 11/04 R -; juris, SGb 2006, 166-172) bestätigt, dass der ursächliche Zusammenhang zwischen der Arbeitsverrichtung (hier: Wegeunfall) und dem Unfallereignis nur dann ausnahmsweise entfallen kann, wenn die betrieblichen Umstände durch eine selbst geschaffene Gefahr so weit in den Hintergrund gedrängt werden, dass letztere als die rechtlich allein wesentliche Ursache anzusehen sind.

Ein solcher Ausnahmefall liegt hier jedoch nicht vor, weil ausweislich der Verkehrsunfallanzeige der Verkehrspolizeiinspektion A-Stadt / T. Landstraße vom 24.07.2015 sich ausschließlich Gefahren realisiert haben, die aus der Teilnahme am Straßenverkehr resultieren, nämlich das vorstehend erwähnte selbstgefährdende Verhalten des Klägers im Straßenverkehr und das zeitlich unglückliche Kreuzen des vorfahrtberechtigten VW-Busses, in den der Kläger seitlich rechts hinten mit so hoher Geschwindigkeit hineingefahren ist, dass sogar das Fenster des VW-Busses rechts hinten gesplittert ist.

Nach alledem ist der Berufung des Klägers stattzugeben gewesen.

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf §§ 183, 193 SGG und entspricht dem Ausgang des Verfahrens.

Die Revision ist nicht zuzulassen, da weder die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat noch das Urteil von einer Entscheidung des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG).

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(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen ha
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(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen ha
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published on 31/08/2017 00:00

Tenor Auf die Revision des Klägers werden die Urteile des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 2. September 2015 und des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 29. April 2014 sowie der Bescheid d
published on 15/05/2012 00:00

Tenor Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 8. Februar 2011 wird zurückgewiesen.
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Annotations

(1) Arbeitsunfälle sind Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach § 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen. Wird die versicherte Tätigkeit im Haushalt der Versicherten oder an einem anderen Ort ausgeübt, besteht Versicherungsschutz in gleichem Umfang wie bei Ausübung der Tätigkeit auf der Unternehmensstätte.

(2) Versicherte Tätigkeiten sind auch

1.
das Zurücklegen des mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden unmittelbaren Weges nach und von dem Ort der Tätigkeit,
2.
das Zurücklegen des von einem unmittelbaren Weg nach und von dem Ort der Tätigkeit abweichenden Weges, um
a)
Kinder von Versicherten (§ 56 des Ersten Buches), die mit ihnen in einem gemeinsamen Haushalt leben, wegen ihrer, ihrer Ehegatten oder ihrer Lebenspartner beruflichen Tätigkeit fremder Obhut anzuvertrauen oder
b)
mit anderen Berufstätigen oder Versicherten gemeinsam ein Fahrzeug zu benutzen,
2a.
das Zurücklegen des unmittelbaren Weges nach und von dem Ort, an dem Kinder von Versicherten nach Nummer 2 Buchstabe a fremder Obhut anvertraut werden, wenn die versicherte Tätigkeit an dem Ort des gemeinsamen Haushalts ausgeübt wird,
3.
das Zurücklegen des von einem unmittelbaren Weg nach und von dem Ort der Tätigkeit abweichenden Weges der Kinder von Personen (§ 56 des Ersten Buches), die mit ihnen in einem gemeinsamen Haushalt leben, wenn die Abweichung darauf beruht, daß die Kinder wegen der beruflichen Tätigkeit dieser Personen oder deren Ehegatten oder deren Lebenspartner fremder Obhut anvertraut werden,
4.
das Zurücklegen des mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden Weges von und nach der ständigen Familienwohnung, wenn die Versicherten wegen der Entfernung ihrer Familienwohnung von dem Ort der Tätigkeit an diesem oder in dessen Nähe eine Unterkunft haben,
5.
das mit einer versicherten Tätigkeit zusammenhängende Verwahren, Befördern, Instandhalten und Erneuern eines Arbeitsgeräts oder einer Schutzausrüstung sowie deren Erstbeschaffung, wenn diese auf Veranlassung der Unternehmer erfolgt.

(3) Als Gesundheitsschaden gilt auch die Beschädigung oder der Verlust eines Hilfsmittels.

(1) Versicherungsfälle sind Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten.

(2) Verbotswidriges Handeln schließt einen Versicherungsfall nicht aus.

(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts oder seine Abänderung sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts begehrt werden. Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage zulässig, wenn der Kläger behauptet, durch den Verwaltungsakt oder durch die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsakts beschwert zu sein.

(2) Der Kläger ist beschwert, wenn der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsakts rechtswidrig ist. Soweit die Behörde, Körperschaft oder Anstalt des öffentlichen Rechts ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, ist Rechtswidrigkeit auch gegeben, wenn die gesetzlichen Grenzen dieses Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist.

(3) Eine Körperschaft oder eine Anstalt des öffentlichen Rechts kann mit der Klage die Aufhebung einer Anordnung der Aufsichtsbehörde begehren, wenn sie behauptet, daß die Anordnung das Aufsichtsrecht überschreite.

(4) Betrifft der angefochtene Verwaltungsakt eine Leistung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, so kann mit der Klage neben der Aufhebung des Verwaltungsakts gleichzeitig die Leistung verlangt werden.

(5) Mit der Klage kann die Verurteilung zu einer Leistung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, auch dann begehrt werden, wenn ein Verwaltungsakt nicht zu ergehen hatte.

(1) Kraft Gesetzes sind versichert

1.
Beschäftigte,
2.
Lernende während der beruflichen Aus- und Fortbildung in Betriebsstätten, Lehrwerkstätten, Schulungskursen und ähnlichen Einrichtungen,
3.
Personen, die sich Untersuchungen, Prüfungen oder ähnlichen Maßnahmen unterziehen, die aufgrund von Rechtsvorschriften zur Aufnahme einer versicherten Tätigkeit oder infolge einer abgeschlossenen versicherten Tätigkeit erforderlich sind, soweit diese Maßnahmen vom Unternehmen oder einer Behörde veranlaßt worden sind,
4.
behinderte Menschen, die in anerkannten Werkstätten für behinderte Menschen, bei einem anderen Leistungsanbieter nach § 60 des Neunten Buches oder in Blindenwerkstätten im Sinne des § 226 des Neunten Buches oder für diese Einrichtungen in Heimarbeit tätig sind,
5.
Personen, die
a)
Unternehmer eines landwirtschaftlichen Unternehmens sind und ihre im Unternehmen mitarbeitenden Ehegatten oder Lebenspartner,
b)
im landwirtschaftlichen Unternehmen nicht nur vorübergehend mitarbeitende Familienangehörige sind,
c)
in landwirtschaftlichen Unternehmen in der Rechtsform von Kapital- oder Personenhandelsgesellschaften regelmäßig wie Unternehmer selbständig tätig sind,
d)
ehrenamtlich in Unternehmen tätig sind, die unmittelbar der Sicherung, Überwachung oder Förderung der Landwirtschaft überwiegend dienen,
e)
ehrenamtlich in den Berufsverbänden der Landwirtschaft tätig sind,
wenn für das Unternehmen die landwirtschaftliche Berufsgenossenschaft zuständig ist.
6.
Hausgewerbetreibende und Zwischenmeister sowie ihre mitarbeitenden Ehegatten oder Lebenspartner,
7.
selbständig tätige Küstenschiffer und Küstenfischer, die zur Besatzung ihres Fahrzeugs gehören oder als Küstenfischer ohne Fahrzeug fischen und regelmäßig nicht mehr als vier Arbeitnehmer beschäftigen, sowie ihre mitarbeitenden Ehegatten oder Lebenspartner,
8.
a)
Kinder während des Besuchs von Tageseinrichtungen, deren Träger für den Betrieb der Einrichtungen der Erlaubnis nach § 45 des Achten Buches oder einer Erlaubnis aufgrund einer entsprechenden landesrechtlichen Regelung bedürfen, während der Betreuung durch geeignete Tagespflegepersonen im Sinne von § 23 des Achten Buches sowie während der Teilnahme an vorschulischen Sprachförderungskursen, wenn die Teilnahme auf Grund landesrechtlicher Regelungen erfolgt,
b)
Schüler während des Besuchs von allgemein- oder berufsbildenden Schulen und während der Teilnahme an unmittelbar vor oder nach dem Unterricht von der Schule oder im Zusammenwirken mit ihr durchgeführten Betreuungsmaßnahmen,
c)
Studierende während der Aus- und Fortbildung an Hochschulen,
9.
Personen, die selbständig oder unentgeltlich, insbesondere ehrenamtlich im Gesundheitswesen oder in der Wohlfahrtspflege tätig sind,
10.
Personen, die
a)
für Körperschaften, Anstalten oder Stiftungen des öffentlichen Rechts oder deren Verbände oder Arbeitsgemeinschaften, für die in den Nummern 2 und 8 genannten Einrichtungen oder für privatrechtliche Organisationen im Auftrag oder mit ausdrücklicher Einwilligung, in besonderen Fällen mit schriftlicher Genehmigung von Gebietskörperschaften ehrenamtlich tätig sind oder an Ausbildungsveranstaltungen für diese Tätigkeit teilnehmen,
b)
für öffentlich-rechtliche Religionsgemeinschaften und deren Einrichtungen oder für privatrechtliche Organisationen im Auftrag oder mit ausdrücklicher Einwilligung, in besonderen Fällen mit schriftlicher Genehmigung von öffentlich-rechtlichen Religionsgemeinschaften ehrenamtlich tätig sind oder an Ausbildungsveranstaltungen für diese Tätigkeit teilnehmen,
11.
Personen, die
a)
von einer Körperschaft, Anstalt oder Stiftung des öffentlichen Rechts zur Unterstützung einer Diensthandlung herangezogen werden,
b)
von einer dazu berechtigten öffentlichen Stelle als Zeugen zur Beweiserhebung herangezogen werden,
12.
Personen, die in Unternehmen zur Hilfe bei Unglücksfällen oder im Zivilschutz unentgeltlich, insbesondere ehrenamtlich tätig sind oder an Ausbildungsveranstaltungen dieser Unternehmen einschließlich der satzungsmäßigen Veranstaltungen, die der Nachwuchsförderung dienen, teilnehmen,
13.
Personen, die
a)
bei Unglücksfällen oder gemeiner Gefahr oder Not Hilfe leisten oder einen anderen aus erheblicher gegenwärtiger Gefahr für seine Gesundheit retten,
b)
Blut oder körpereigene Organe, Organteile oder Gewebe spenden oder bei denen Voruntersuchungen oder Nachsorgemaßnahmen anlässlich der Spende vorgenommen werden,
c)
sich bei der Verfolgung oder Festnahme einer Person, die einer Straftat verdächtig ist oder zum Schutz eines widerrechtlich Angegriffenen persönlich einsetzen,
d)
Tätigkeiten als Notärztin oder Notarzt im Rettungsdienst ausüben, wenn diese Tätigkeiten neben
aa)
einer Beschäftigung mit einem Umfang von regelmäßig mindestens 15 Stunden wöchentlich außerhalb des Rettungsdienstes oder
bb)
einer Tätigkeit als zugelassener Vertragsarzt oder als Arzt in privater Niederlassung
ausgeübt werden,
14.
Personen, die
a)
nach den Vorschriften des Zweiten oder des Dritten Buches der Meldepflicht unterliegen, wenn sie einer besonderen, an sie im Einzelfall gerichteten Aufforderung der Bundesagentur für Arbeit, des nach § 6 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 des Zweiten Buches zuständigen Trägers oder eines nach § 6a des Zweiten Buches zugelassenen kommunalen Trägers nachkommen, diese oder eine andere Stelle aufzusuchen,
b)
an einer Maßnahme teilnehmen, wenn die Person selbst oder die Maßnahme über die Bundesagentur für Arbeit, einen nach § 6 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 des Zweiten Buches zuständigen Träger oder einen nach § 6a des Zweiten Buches zugelassenen kommunalen Träger gefördert wird,
15.
Personen, die
a)
auf Kosten einer Krankenkasse oder eines Trägers der gesetzlichen Rentenversicherung oder der landwirtschaftlichen Alterskasse stationäre oder teilstationäre Behandlung oder stationäre, teilstationäre oder ambulante Leistungen zur medizinischen Rehabilitation erhalten,
b)
zur Vorbereitung von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben auf Aufforderung eines Trägers der gesetzlichen Rentenversicherung oder der Bundesagentur für Arbeit einen dieser Träger oder eine andere Stelle aufsuchen,
c)
auf Kosten eines Unfallversicherungsträgers an vorbeugenden Maßnahmen nach § 3 der Berufskrankheiten-Verordnung teilnehmen,
d)
auf Kosten eines Trägers der gesetzlichen Rentenversicherung, der landwirtschaftlichen Alterskasse oder eines Trägers der gesetzlichen Unfallversicherung an Präventionsmaßnahmen teilnehmen,
16.
Personen, die bei der Schaffung öffentlich geförderten Wohnraums im Sinne des Zweiten Wohnungsbaugesetzes oder im Rahmen der sozialen Wohnraumförderung bei der Schaffung von Wohnraum im Sinne des § 16 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 des Wohnraumförderungsgesetzes oder entsprechender landesrechtlicher Regelungen im Rahmen der Selbsthilfe tätig sind,
17.
Pflegepersonen im Sinne des § 19 Satz 1 und 2 des Elften Buches bei der Pflege eines Pflegebedürftigen mit mindestens Pflegegrad 2 im Sinne der §§ 14 und 15 Absatz 3 des Elften Buches; die versicherte Tätigkeit umfasst pflegerische Maßnahmen in den in § 14 Absatz 2 des Elften Buches genannten Bereichen sowie Hilfen bei der Haushaltsführung nach § 18 Absatz 5a Satz 3 Nummer 2 des Elften Buches.

(1a) Versichert sind auch Personen, die nach Erfüllung der Schulpflicht auf der Grundlage einer schriftlichen Vereinbarung im Dienst eines geeigneten Trägers im Umfang von durchschnittlich mindestens acht Wochenstunden und für die Dauer von mindestens sechs Monaten als Freiwillige einen Freiwilligendienst aller Generationen unentgeltlich leisten. Als Träger des Freiwilligendienstes aller Generationen geeignet sind inländische juristische Personen des öffentlichen Rechts oder unter § 5 Abs. 1 Nr. 9 des Körperschaftsteuergesetzes fallende Einrichtungen zur Förderung gemeinnütziger, mildtätiger oder kirchlicher Zwecke (§§ 52 bis 54 der Abgabenordnung), wenn sie die Haftpflichtversicherung und eine kontinuierliche Begleitung der Freiwilligen und deren Fort- und Weiterbildung im Umfang von mindestens durchschnittlich 60 Stunden je Jahr sicherstellen. Die Träger haben fortlaufende Aufzeichnungen zu führen über die bei ihnen nach Satz 1 tätigen Personen, die Art und den Umfang der Tätigkeiten und die Einsatzorte. Die Aufzeichnungen sind mindestens fünf Jahre lang aufzubewahren.

(2) Ferner sind Personen versichert, die wie nach Absatz 1 Nr. 1 Versicherte tätig werden. Satz 1 gilt auch für Personen, die während einer aufgrund eines Gesetzes angeordneten Freiheitsentziehung oder aufgrund einer strafrichterlichen, staatsanwaltlichen oder jugendbehördlichen Anordnung wie Beschäftigte tätig werden.

(3) Absatz 1 Nr. 1 gilt auch für

1.
Personen, die im Ausland bei einer amtlichen Vertretung des Bundes oder der Länder oder bei deren Leitern, Mitgliedern oder Bediensteten beschäftigt und in der gesetzlichen Rentenversicherung nach § 4 Absatz 1 Satz 2 des Sechsten Buches pflichtversichert sind,
2.
Personen, die
a)
im Sinne des Entwicklungshelfer-Gesetzes Entwicklungsdienst oder Vorbereitungsdienst leisten,
b)
einen entwicklungspolitischen Freiwilligendienst „weltwärts” im Sinne der Richtlinie des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung vom 1. August 2007 (BAnz. 2008 S. 1297) leisten,
c)
einen Internationalen Jugendfreiwilligendienst im Sinne der Richtlinie Internationaler Jugendfreiwilligendienst des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend vom 20. Dezember 2010 (GMBl S. 1778) leisten,
3.
Personen, die
a)
eine Tätigkeit bei einer zwischenstaatlichen oder überstaatlichen Organisation ausüben und deren Beschäftigungsverhältnis im öffentlichen Dienst während dieser Zeit ruht,
b)
als Lehrkräfte vom Auswärtigen Amt durch das Bundesverwaltungsamt an Schulen im Ausland vermittelt worden sind oder
c)
für ihre Tätigkeit bei internationalen Einsätzen zur zivilen Krisenprävention als Sekundierte nach dem Sekundierungsgesetz abgesichert werden.
Die Versicherung nach Satz 1 Nummer 3 Buchstabe a und c erstreckt sich auch auf Unfälle oder Krankheiten, die infolge einer Verschleppung oder einer Gefangenschaft eintreten oder darauf beruhen, dass der Versicherte aus sonstigen mit seiner Tätigkeit zusammenhängenden Gründen, die er nicht zu vertreten hat, dem Einflussbereich seines Arbeitgebers oder der für die Durchführung seines Einsatzes verantwortlichen Einrichtung entzogen ist. Gleiches gilt, wenn Unfälle oder Krankheiten auf gesundheitsschädigende oder sonst vom Inland wesentlich abweichende Verhältnisse bei der Tätigkeit oder dem Einsatz im Ausland zurückzuführen sind. Soweit die Absätze 1 bis 2 weder eine Beschäftigung noch eine selbständige Tätigkeit voraussetzen, gelten sie abweichend von § 3 Nr. 2 des Vierten Buches für alle Personen, die die in diesen Absätzen genannten Tätigkeiten im Inland ausüben; § 4 des Vierten Buches gilt entsprechend. Absatz 1 Nr. 13 gilt auch für Personen, die im Ausland tätig werden, wenn sie im Inland ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt haben.

(4) Familienangehörige im Sinne des Absatzes 1 Nr. 5 Buchstabe b sind

1.
Verwandte bis zum dritten Grade,
2.
Verschwägerte bis zum zweiten Grade,
3.
Pflegekinder (§ 56 Abs. 2 Nr. 2 des Ersten Buches)
der Unternehmer, ihrer Ehegatten oder ihrer Lebenspartner.

(1) Arbeitsunfälle sind Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach § 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen. Wird die versicherte Tätigkeit im Haushalt der Versicherten oder an einem anderen Ort ausgeübt, besteht Versicherungsschutz in gleichem Umfang wie bei Ausübung der Tätigkeit auf der Unternehmensstätte.

(2) Versicherte Tätigkeiten sind auch

1.
das Zurücklegen des mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden unmittelbaren Weges nach und von dem Ort der Tätigkeit,
2.
das Zurücklegen des von einem unmittelbaren Weg nach und von dem Ort der Tätigkeit abweichenden Weges, um
a)
Kinder von Versicherten (§ 56 des Ersten Buches), die mit ihnen in einem gemeinsamen Haushalt leben, wegen ihrer, ihrer Ehegatten oder ihrer Lebenspartner beruflichen Tätigkeit fremder Obhut anzuvertrauen oder
b)
mit anderen Berufstätigen oder Versicherten gemeinsam ein Fahrzeug zu benutzen,
2a.
das Zurücklegen des unmittelbaren Weges nach und von dem Ort, an dem Kinder von Versicherten nach Nummer 2 Buchstabe a fremder Obhut anvertraut werden, wenn die versicherte Tätigkeit an dem Ort des gemeinsamen Haushalts ausgeübt wird,
3.
das Zurücklegen des von einem unmittelbaren Weg nach und von dem Ort der Tätigkeit abweichenden Weges der Kinder von Personen (§ 56 des Ersten Buches), die mit ihnen in einem gemeinsamen Haushalt leben, wenn die Abweichung darauf beruht, daß die Kinder wegen der beruflichen Tätigkeit dieser Personen oder deren Ehegatten oder deren Lebenspartner fremder Obhut anvertraut werden,
4.
das Zurücklegen des mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden Weges von und nach der ständigen Familienwohnung, wenn die Versicherten wegen der Entfernung ihrer Familienwohnung von dem Ort der Tätigkeit an diesem oder in dessen Nähe eine Unterkunft haben,
5.
das mit einer versicherten Tätigkeit zusammenhängende Verwahren, Befördern, Instandhalten und Erneuern eines Arbeitsgeräts oder einer Schutzausrüstung sowie deren Erstbeschaffung, wenn diese auf Veranlassung der Unternehmer erfolgt.

(3) Als Gesundheitsschaden gilt auch die Beschädigung oder der Verlust eines Hilfsmittels.

(1) Kinder und Jugendliche sind entsprechend ihrem Entwicklungsstand an allen sie betreffenden Entscheidungen der öffentlichen Jugendhilfe zu beteiligen. Sie sind in geeigneter Weise auf ihre Rechte im Verwaltungsverfahren sowie im Verfahren vor dem Familiengericht und dem Verwaltungsgericht hinzuweisen.

(2) Kinder und Jugendliche haben das Recht, sich in allen Angelegenheiten der Erziehung und Entwicklung an das Jugendamt zu wenden.

(3) Kinder und Jugendliche haben Anspruch auf Beratung ohne Kenntnis des Personensorgeberechtigten, solange durch die Mitteilung an den Personensorgeberechtigten der Beratungszweck vereitelt würde. § 36 des Ersten Buches bleibt unberührt. Die Beratung kann auch durch einen Träger der freien Jugendhilfe erbracht werden; § 36a Absatz 2 Satz 1 bis 3 gilt entsprechend.

(4) Beteiligung und Beratung von Kindern und Jugendlichen nach diesem Buch erfolgen in einer für sie verständlichen, nachvollziehbaren und wahrnehmbaren Form.

(1) Arbeitsunfälle sind Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach § 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen. Wird die versicherte Tätigkeit im Haushalt der Versicherten oder an einem anderen Ort ausgeübt, besteht Versicherungsschutz in gleichem Umfang wie bei Ausübung der Tätigkeit auf der Unternehmensstätte.

(2) Versicherte Tätigkeiten sind auch

1.
das Zurücklegen des mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden unmittelbaren Weges nach und von dem Ort der Tätigkeit,
2.
das Zurücklegen des von einem unmittelbaren Weg nach und von dem Ort der Tätigkeit abweichenden Weges, um
a)
Kinder von Versicherten (§ 56 des Ersten Buches), die mit ihnen in einem gemeinsamen Haushalt leben, wegen ihrer, ihrer Ehegatten oder ihrer Lebenspartner beruflichen Tätigkeit fremder Obhut anzuvertrauen oder
b)
mit anderen Berufstätigen oder Versicherten gemeinsam ein Fahrzeug zu benutzen,
2a.
das Zurücklegen des unmittelbaren Weges nach und von dem Ort, an dem Kinder von Versicherten nach Nummer 2 Buchstabe a fremder Obhut anvertraut werden, wenn die versicherte Tätigkeit an dem Ort des gemeinsamen Haushalts ausgeübt wird,
3.
das Zurücklegen des von einem unmittelbaren Weg nach und von dem Ort der Tätigkeit abweichenden Weges der Kinder von Personen (§ 56 des Ersten Buches), die mit ihnen in einem gemeinsamen Haushalt leben, wenn die Abweichung darauf beruht, daß die Kinder wegen der beruflichen Tätigkeit dieser Personen oder deren Ehegatten oder deren Lebenspartner fremder Obhut anvertraut werden,
4.
das Zurücklegen des mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden Weges von und nach der ständigen Familienwohnung, wenn die Versicherten wegen der Entfernung ihrer Familienwohnung von dem Ort der Tätigkeit an diesem oder in dessen Nähe eine Unterkunft haben,
5.
das mit einer versicherten Tätigkeit zusammenhängende Verwahren, Befördern, Instandhalten und Erneuern eines Arbeitsgeräts oder einer Schutzausrüstung sowie deren Erstbeschaffung, wenn diese auf Veranlassung der Unternehmer erfolgt.

(3) Als Gesundheitsschaden gilt auch die Beschädigung oder der Verlust eines Hilfsmittels.

(1) Versicherungsfälle sind Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten.

(2) Verbotswidriges Handeln schließt einen Versicherungsfall nicht aus.

Das Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit ist für Versicherte, Leistungsempfänger einschließlich Hinterbliebenenleistungsempfänger, behinderte Menschen oder deren Sonderrechtsnachfolger nach § 56 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch kostenfrei, soweit sie in dieser jeweiligen Eigenschaft als Kläger oder Beklagte beteiligt sind. Nimmt ein sonstiger Rechtsnachfolger das Verfahren auf, bleibt das Verfahren in dem Rechtszug kostenfrei. Den in Satz 1 und 2 genannten Personen steht gleich, wer im Falle des Obsiegens zu diesen Personen gehören würde. Leistungsempfängern nach Satz 1 stehen Antragsteller nach § 55a Absatz 2 Satz 1 zweite Alternative gleich. § 93 Satz 3, § 109 Abs. 1 Satz 2, § 120 Absatz 1 Satz 2 und § 192 bleiben unberührt. Die Kostenfreiheit nach dieser Vorschrift gilt nicht in einem Verfahren wegen eines überlangen Gerichtsverfahrens (§ 202 Satz 2).

(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.

(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.

(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.

(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.