Bayerisches Landessozialgericht Urteil, 31. Okt. 2018 - L 12 KA 93/17

published on 31/10/2018 00:00
Bayerisches Landessozialgericht Urteil, 31. Okt. 2018 - L 12 KA 93/17
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Tenor

I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts München vom 15.05.2017 aufgehoben und die Klagen werden abgewiesen.

II. Die Kosten der Verfahren trägt die Klägerin.

III. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

Im Berufungsverfahren noch streitig ist eine Honorarrückforderung aufgrund nachträglicher sachlich-rechnerischer Berichtigungen der GOP 01100 EBM-Ä für die Quartale 2/2008 bis 2/2011.

Die Klägerin und Berufungsbeklagte (im Folgenden: Klägerin) ist eine überörtliche Berufsausübungsgemeinschaft, Fachrichtung Anästhesiologie. Wegen auffälliger Tagesarbeitszeiten hatte die Beklagte bei der Klägerin mit Schreiben vom 26.05.2011 eine Plausibilitätsprüfung für das Quartal 1/2009 eingeleitet, bei der Abrechnungsauffälligkeiten bei den Gebührenordnungspositionen 05230, 01100 und 01414A EBM-Ä festgestellt wurden. Zu der allein noch streitigen GOP 01100 EBM-Ä wies die Beklagte und Berufungsklägerin (im Folgenden: Beklagte) darauf hin, dass diese Ziffer offensichtlich auch dann abgerechnet worden sei, wenn es sich nicht um eine unvorhergesehene Inanspruchnahme gehandelt habe. Zudem sei die GOP schematisch neben den GOP 05230, 40144 und 01602 EBM-Ä abgerechnet worden. Die Klägerin führte hierzu aus, die GOP 01100 EBM-Ä sei im Rahmen des praxiseigenen Bereitschaftsdienstes an Tagen nach den Eingriffen abgerechnet worden. Die abgerechneten Kontakte würden grundsätzlich zwischen 20:00 Uhr und 6:00 Uhr erfolgen, es würden keine Sprechzeiten zu den in der Leistungslegende angegebenen Zeiten abgehalten. Nicht mit den Sprechzeiten zu verwechseln sei der Bereitschaftsdienst der Praxis, der nicht die Sprechzeiten verlängere. Es bestehe kein Unterschied zur Einzelpraxis, in der der Arzt notfallmäßig zuhause oder mobil erreichbar sei.

Mit Bescheiden vom 13.03.2012 berichtigte die Beklagte die Honorarabrechnungen für die Quartale 2/2008 - 3/2009 (auf die GOP 01100 entfielen 10.913,94 €) sowie 4/2009 - 4/2010 (auf die GOP 01100 entfielen 10.292,14 €). Die Inanspruchnahme sei nicht unvorhergesehen, da die Praxis einen 24-Stunden-Bereitschaftsdienst vorhalte, mit dem auch auf der Internetseite der Klägerin geworben würde. Im Rahmen dieses Notdienstes müsse jeder Vertragsarzt damit rechnen, in Anspruch genommen zu werden.

Mit Bescheiden vom 24.09.2012 berichtigte die KVB die Honorarabrechnungen für die Quartale 1/2011 (109 implausible Ansätze, Rückforderungsquote 97,32%, 771,25 €) und 2/2011 (57 implausible Ansätze, Rückforderungsquote 96,61%, 504,11 €). Auch hiergegen legte die Klägerin Widerspruch ein.

Zur Begründung der Widersprüche wurde vorgetragen, der einzige Unterschied zum Landarzt, der selbstverständlich außerhalb der Sprechzeiten bei unvorhergesehener Inanspruchnahme z.B. über seine Privattelefonnummer die GOP 01100 abrechnen könne, sei, dass das Anästhesie Center C., in dem viele Ärzte arbeiteten, die Anrufe auf einen diensthabenden Arzt kanalisiere. Das Vorhalten eines internen Notfallbereitschaftsdienstes über Handy außerhalb der Sprechzeiten gehöre zum Leistungsspektrum der Klägerin. Das ändere aber nichts daran, dass die Inanspruchnahme unvorhergesehen erfolge. Grundsätzlich erhalte der Vertragsarzt die GOP 01100 EBM-Ä stets vergütet, wenn er außerhalb der Sprechstunde und in der Regel auch außerhalb der Praxis zu den in der Leistungslegende genannten Zeiten in Anspruch genommen werde.

Mit Widerspruchsbescheiden vom 25.02.2005 wies die Beklagte die Widersprüche gegen die Bescheide vom 13.03.2012 und 24.09.2012 zurück. Der Ansatz der GOP 01100 EBM-Ä sei implausibel, weil die Inanspruchnahme nicht unvorhergesehen erfolgt sei. Unter Hinweis auf die Entscheidung des Sozialgerichts München vom 24.09.2014 (Az. S 21 KA 1354/14) wurde ausgeführt, unvorhergesehen sei die Inanspruchnahme des Vertragsarztes, wenn dieser zum Zeitpunkt der Inanspruchnahme nicht damit rechne, vertragsärztliche Leistungen zu erbringen, er also nicht in einer Dienstsituation in Anspruch genommen werde. Diese Dienstsituation könne entweder aufgrund einer Sprechstunde oder aufgrund eines angeboten Notdienstes bestehen oder deshalb, weil der Patient für die Behandlung am Sonntag bestellt war. Anfangs habe auch die Klägerin von einem Bereitschaftsdienst oder einem 24-Stunden-Notdienst gesprochen. Auffällig sei zudem, dass die Abrechnung der GOP 01100 EBM-Ä meistens in Zusammenhang mit den GOP 05230, 40144 und 01602 EBM-Ä und zwar am Tag nach der Operation erfolge. Im Übrigen müsse die Initiative vom Patienten ausgehen, nicht von einem anderen Arzt.

Hiergegen legte die Klägerin jeweils Klage zum Sozialgericht München ein. Bezogen auf die allein noch streitigen Ansätze der GOP 01100 EBM-Ä argumentierte die Klägerin, das Vorhalten einer Erreichbarkeit über ein Mobiltelefon könne nicht mit einer Inanspruchnahme im Rahmen von Dienstsituationen, insbesondere in organisierten Sprechstunden, verglichen werden. Die Behandlung jedes Patienten sei unvorhergesehen, nicht beabsichtigt und nicht geplant gewesen. Insbesondere sei die Situation der Klägerin nicht vergleichbar mit dem Sachverhalt, der der Entscheidung des Landessozialgerichts Hamburg vom 07.06.2012 (Az. L 1 KA 59/09) zu Grunde gelegen habe. Dort hätten Ärzte im Ärzteverbund den hausärztlichen Notdienst als Bereitschaftsdienst organisiert. Die Situation der Klägerin sei vielmehr vergleichbar mit der eines Hausarztes, der zur Unzeit telefonisch kontaktiert und aufgesucht werde. Würde man der Auffassung der Beklagten folgen, hätte dies zur Folge, dass die Klägerin mangels Teilnahme am organisierten Notfalldienst auch die Notfallpauschale oder die Notfall-Konsultationspauschalen nicht abrechnen könne. Ihr Aufwand bleibe somit vollkommen entschädigungslos. Auch aus einer Nebeneinanderabrechnung der GOP 05230 (Aufwandsentschädigung für das Aufsuchen eines Kranken in der Praxis eines anderen Arztes … zur Durchführung von …Anästhesien), 40144 (Kostenpauschale für kopierte Unterlagen) und 01602 (Mehrfertigung eines Berichtes oder Briefes) EBM-Ä könne nicht auf eine Implausibilität der GOP 01100 EBM-Ä geschlossen werden. So würden die Patienten in der Praxis des Operateurs aufgesucht, wo auch die Durchführung der Narkose stattfinde. Dafür rechneten die Anästhesisten die GOP 05230, 40144 und 01602 EBM-Ä ab. Sofern der Patient nach einem ambulanten Eingriff zuhause Beschwerden verspüre und daraufhin einen Anästhesisten der Klägerin kontaktiere, werde für diese Behandlung die GOP 01100 EBM-Ä berechnet. Es finde daher zwischen den Leistungen eine zeitliche Zäsur statt. Im Übrigen beziehe sich die postoperative Betreuung des Operateurs auf die Grundversorgung, während die Klägerin im Bedarfsfall schmerztherapeutisch tätig werde. Dass sich Patienten an die Anästhesisten wenden würden, sei dem Umstand geschuldet, dass den Patienten bekannt sei, dass der Anästhesist für die Schmerztherapie zuständig sei. Soweit die Beklagte darauf abstellen wolle, ob der Arzt mit seiner Inanspruchnahme rechnen könne, handle es sich um ein untaugliches Kriterium.

Die Beklagte trug vor, es sei entscheidend, ob der Arzt damit habe rechnen können, vom Patienten zur Unzeit in Anspruch genommen zu werden. Wer - wie die Klägerin - bewusst, geplant und organisiert die postoperative Betreuung übernehme und dies auch so kommuniziere, befinde sich in einer Dienstsituation, d.h. er sei ständig auf „Abruf“.

Die Klägerin habe sich bereit erklärt, rund um die Uhr zur Verfügung zu stehen. Bei diesem Service habe die Klägerin damit rechnen müssen, in Anspruch genommen zu werden. Das beworbene Serviceangebot entspreche nicht der Situation eines Hausarztes, der außerhalb der Sprechstunde und ohne einen 24-Stunden-Dienst anzubieten, außerplanmäßig kontaktiert werde. Nicht nachvollziehbar sei auch, dass sich die Patienten bei Beschwerden an die Anästhesisten wenden würden, anstatt an den behandelnden Arzt. Es sei zu vermuten, dass das Serviceangebot der Klägerin auf eine Absprache mit dem Operateur und den Patienten als Ansprechpartner zurückgehe.

In der mündlichen Verhandlung nahm die Klägerin die Klagen hinsichtlich der übrigen zunächst streitigen Gebührenordnungspositionen zurück.

Das SG hat den Klagen sodann stattgegeben und die Honoraraufhebungsbescheide aus den Plausibilitätsprüfungen 2/2008 bis 2/2011 jeweils in der Fassung der Widerspruchsbescheide vom 25.02.2015 aufgehoben. Zur Begründung hat es zunächst auf die Urteile des LSG Hamburg vom 07.06.2012 (L 1 KA 59/09) und 25.04.2013 (L 1 KA 5/12) sowie das Urteil des SG München vom 24.09.2014 (S 21 KA 1354/12) verwiesen. Danach sei der Ansatz der GOP 01100 EBM-Ä nicht möglich, wenn zwar die Inanspruchnahme des Arztes durch den Patienten zu den in der Leistungslegende genannten Zeiten stattfinde, jedoch innerhalb einer Sprechstunde. Die vorgenannte Rechtsprechung, der sich die Kammer anschließe, gehe noch darüber hinaus, indem sie auch bei einem von Ärzten eingerichteten hausärztlichen Notfalldienst in einer Notfallambulanz der Klinik, bei einem Anbieten von Diensten zu Zeiten, für die eine Ermächtigung erteilt wurde, sowie beim Abhalten einer faktischen Sprechstunde nicht von einer unvorhergesehenen Inanspruchnahme des Arztes/der Einrichtung ausgehe, was den Ansatz der GOP 01100 EBM-Ä ausschließe.

Die Situation der Klägerin sei aber nicht mit der in den bereits von der Rechtsprechung entschiedenen Fällen vergleichbar. Ausgangspunkt der Überlegungen sei, dass der Normgeber des EBM-Ä - der Bewertungsausschuss - davon ausgehe, dass grundsätzlich alle ärztlichen Leistungen im Rahmen der Sprechstundentätigkeit erbracht werden können. Sei dies nicht der Fall, zum Beispiel, weil eine Erkrankung des Patienten zur Unzeit auftrete, zu der regelmäßig kein Praxisbetrieb stattfinde, solle eine unvorhergesehene Inanspruchnahme des Arztes durch die GOP 01100 EBM-Ä abgegolten werden. Nach der o.g. Rechtsprechung sei die Inanspruchnahme nicht unvorhersehbar und deshalb die GOP 01100 EBM-Ä dann nicht anzusetzen, wenn vom Arzt Leistungen bewusst, geplant und organisiert außerhalb der Sprechstunden angeboten werden, die der Patient annimmt (beispielsweise Einrichtung eines organisierten Notfalldienstes). Damit sei eine Dienstsituation verbunden. Der leistungserbringende Arzt müsse mit einer Inanspruchnahme rechnen, so dass für ihn die Inanspruchnahme vorhersehbar sei.

Zwar enthalte die Homepage der Klägerin mehrfach den Hinweis auf einen Bereitschaftsdienst bzw. Rufbereitschaftsdienst. Diese Hinweise richteten sich zum einen an Patienten, aber auch an die „Hausärzte“ und bringe zum Ausdruck, diese könnten sich auch bei Fragen gerne an den Bereitschaftsdienst wenden.

Ohne Frage bewerbe die Klägerin vor allem gegenüber den Patienten ihren „24-Stunden“- Dienst, stelle diesen aber auf der Homepage nicht in den Vordergrund ihrer Tätigkeit.

Vorliegend halte die Klägerin - wie die meisten anästhesistischen Praxen - keine Sprechstunden ab und habe damit auch keine Möglichkeit, die Patienten auf eine Inanspruchnahme zu normalen Sprechstundenzeiten zu verweisen. Die bisher von der Rechtsprechung aufgestellten Grundsätze könnten daher nur bedingt herangezogen werden. Es hätten somit andere Maßstäbe zu gelten. Auch wenn die Klägerin nach eigenem Bekunden den Bereitschaftsdienst vorhalte, weil nach dem Eingriff an den folgenden Tagen mit einer Inanspruchnahme zu rechnen sei, liege nach Auffassung des Gerichts im Hinblick auf die konkrete anästhesiologische Tätigkeit der Klägerin keine mit der eines normalen Bereitschafts-/Notfalldienstes vergleichbare Dienstsituation vor. Es handle sich vielmehr um ein bloßes Serviceangebot der Klägerin und an sich um eine Selbstverständlichkeit in unmittelbarem und engem Zusammenhang mit der operativen Tätigkeit, die den operierten Patienten zu Gute komme, falls nach dem Eingriff Komplikationen entstünden. In diesem Lichte sei der Begriff „unvorhersehbare Inanspruchnahme“ zu interpretieren und deshalb hier weit auszulegen. Demjenigen, der wie die Klägerin selbst keine Sprechstunden abhalte, könne deshalb auch nicht der Vorwurf gemacht werden, er halte eine faktische Sprechstunde ab, indem er dem Patienten für den Fall von Komplikationen nach der Operation eine Notfall-Mobiltelefonnummer nenne. Dies sei bei ähnlicher Bewerbung durch andere Facharztgruppen allerdings anders zu sehen.

Soweit die Beklagte die Implausibilität der GOP 01100 EBM-Ä auch dadurch verdeutlichen wolle, die Klägerin habe daneben andere Gebührenordnungsziffern, so die GOP 05230, 40144 und 01602 EBM-Ä (Nebeneinanderabrechnung) abgerechnet, habe die Klägerin dies nach Auffassung des Gerichts nachvollziehbar begründet. Danach würden Patienten in der Praxis des Operateurs aufgesucht, wo auch die Durchführung der Narkose stattfinde. Dafür rechneten die Anästhesisten die GOP 05230, 40144 und 01602 EBM-Ä ab. Sofern der Patient nach einem ambulanten Eingriff zuhause Beschwerden verspüre und daraufhin einen Anästhesisten der Klägerin kontaktiere, werde die GOP 01100 EBM-Ä für diese Behandlung berechnet. Es finde daher zwischen den Leistungen eine zeitliche Zäsur statt. Zwar sei einzuräumen, dass der Nebeneinander-Ansatz auf den ersten Blick nicht nachvollziehbar sei, sich aber letztendlich durch die oben beschriebene Tätigkeit erkläre.

Auch sei aus dem Umstand, dass sich die Patienten offensichtlich vorrangig an die Klägerin wenden und nicht an den Operateur, keine Implausibilität abzuleiten. Dies könne mannigfache Gründe haben, auch den Grund, dass den meisten Patienten die Zuständigkeit des Anästhesisten für die Schmerztherapie bekannt sei.

Gegen das Urteil des SG hat die Beklagte am 27.06.2017 Berufung zum Bayerischen Landessozialgericht eingelegt. Die abgerechneten Inanspruchnahmen seien nicht „unvorhergesehen“ gewesen, denn eine Dienstsituation liege vor, wenn der Arzt Leistungen bewusst, geplant und organisiert anbiete. Durch den Homepage-Auftritt der Klägerin werde den Patienten vermittelt, eine Kontaktaufnahme sei jederzeit möglich, so dass die Klägerin zu jeder Tages- und Nachtzeit mit einer Inanspruchnahme durch Patienten rechne. Die Klägerin bzw. der diensthabende Arzt habe sich damit in einer Dauerdienstsituation befunden, die eine Abrechnung der GOP 01100 EBM-Ä ausschließe.

Der Wortlaut der streitigen GOP sei eindeutig und einer weiten Auslegung - wie das SG meine - nicht zugänglich. Bei dem von der Klägerin angebotenen Bereitschaftsdienst handle es sich um einen eigens organisierten und den Patienten gegenüber angebotenen Notdienst. Die Klägerin selber begründe die Einrichtung dieses Dienstes damit, dass nach einem Eingriff auch an den folgenden Tagen mit einer Inanspruchnahme zu rechnen sei, für die sie den Bereitschaftsdienst vorhalte. Sie ginge damit selbst davon aus, regelmäßig zu Zeiten kontaktiert zu werden, die außerhalb ihrer üblichen Sprechzeiten lägen. Auf den Bereitschaftsdienst weise die Klägerin die Patienten auch ausdrücklich hin. Dadurch beeinflusse und veranlasse sie die Inanspruchnahme zu Uhrzeiten ab 19:00 Uhr bzw. an Wochenenden und Feiertagen zumindest mit, was die Abrechnung der GOP 0100 EBM-Ä ausschließe. Auch die Tatsache, dass die Klägerin als Anästhesiepraxis keine Sprechstunden anbiete, könne eine weite Auslegung der GOP über den Wortlaut hinaus nicht begründen. Auf das Vor- bzw. Nichtvorliegen von Sprechstunden, Rufbereitschaft, Notdiensten et cetera komme es nicht an. Maßgeblich und fachgebietsunabhängig sei allein, ob die Inanspruchnahme unvorhergesehen sei. Das angefochtene Urteil räume dem Fachgebiet Anästhesiologie zu Unrecht eine Sonderstellung ein. Im Übrigen biete die Klägerin nach deren eigener Einlassung sehr wohl Sprechzeiten an. Bei dem angebotenen Bereitschaftsdienst der Klägerin handle es sich auch nicht nur um ein bloßes Serviceangebot zu Gunsten des Patienten ohne Auswirkungen auf den EBM-Ä. Die gewollte und geplante telefonische Erreichbarkeit eines diensthabenden Arztes, der mit einer Inanspruchnahme rechne und allein zum Zwecke der Erbringung von ärztlichen Leistungen zur Verfügung stehe, gehe über ein bloßes Serviceangebot ohne Auswirkungen auf den EBM-Ä hinaus. Für andere Fachrichtungen, die einen 24-Stunden-Bereitschaftsdienst anbieten würden, sehe das SG dies ebenso.

Die Rufbereitschaft werde auch auf der aktuellen Homepage der Klägerin (17.07.2017) offiziell und aktiv beworben.

Die Abrechnung der hier streitigen GOP neben den GOP 05230, 40114 und 01602 EBM-Ä jeweils am Tag nach dem Eingriff sei zudem nicht schlüssig. Die behauptete zeitliche Zäsur, mit der der Nebeneinander-Ansatz angeblichen plausibel erklärt werde, sei nicht nachvollziehbar, denn die Klägerin rechne die vorgenannten GOP 05230, 40114 und 01602 EBM-Ä dann ab, wenn sich der Patient beim Operateur befinde und der Anästhesist in die Praxis des Operateurs hinzukomme. Im Übrigen rechne die Klägerin zusätzlich die GOP 01100 EBM-Ä ab, wenn der Patient später oder zuvor von zuhause aus die Klägerin kontaktiere. Die Klägerin habe aber die Gegebenheiten zur Abrechnung der GOP 01100 EBM-Ä in einer vorangegangenen Stellungnahme bereits dahingehend beschrieben, dass der Anästhesist der Klägerin unvorhergesehen von dem Operateur zur Behandlung eines Kranken angefordert werde. Die in der mündlichen Verhandlung behauptete zeitliche Zäsur widerspräche damit der bisherigen Darstellung. Wenn aber die Klägerin vom Operateur im Rahmen der postoperativen Behandlung - wie anzunehmen - hinzugeholt worden sei, so spreche dies gegen eine unvorhergesehene Inanspruchnahme im Sinne der GOP 01100 EBM-Ä, da es sich bei der postoperativen Behandlung grundsätzlich um eine geplante Inanspruchnahme des Operateurs zu den normalen Dienstzeiten handle. Hilfsweise machte die Beklagte einen fehlerhaften Tenor des erstinstanzlichen Urteils geltend.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts München vom 15.05.2017 (Az. S 38 KA 305/15) aufzuheben und die Klagen abzuweisen.

Die Klägerin stellt den Antrag,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angegriffene Urteil für zutreffend, es erkenne und berücksichtige die Sondersituation der Klägerin. Nach den Anmerkungen zu der GOP 01100 EBM-Ä wirke allein leistungsausschließend das Abhalten einer Sprechstunde oder die Einbestellung von Patienten. Auf die rein subjektive Erwartungshaltung des Individuums könne es bei der Auslegung des Begriffs „unvorhergesehen“ nicht ankommen, da dieser Maßstab zu unbestimmt wäre. Im Übrigen müsse jeder Arzt, soweit der Patient seine Kontaktdaten habe, grundsätzlich damit rechnen, in Anspruch genommen zu werden, so dass in diesem Fall nie Raum für die Abrechnung der GOP 01100 EBM-Ä wäre. Soweit die Rechtsprechung auf das Vorliegen einer Dienstsituation abstelle, sei auch dieser Begriff unklar und müsse von Fall zu Fall ausgelegt werden. Der aus der Unklarheit des Begriffs geschlossene Auslegungsmaßstab sei durch das Sozialgericht München zutreffend bestimmt worden. Das SG gehe zu Recht von der Überlegung aus, dass die streitige GOP Leistungen des Arztes abgelten solle, die dieser außerhalb seiner Sprechzeiten oder einer vergleichbaren Dienstsituation erbringe. Das Sozialgericht stelle zutreffend fest, dass die bei der Klägerin beschäftigten Anästhesisten keine Sprechstunden im üblich verstandenen Sinne abhalten würden. Die Tätigkeit der auf die Betreuung ambulanter Operationen spezialisierten Anästhesisten sei regelmäßig an eine konkrete Operation gebunden. Übliche Sprechzeiten, in denen eine fortgesetzte Behandlung von Patienten stattfinde oder die vom Patienten als Anlaufmöglichkeit für die Behandlung ihrer gesundheitlichen Probleme wahrgenommen würden, halte die Klägerin nicht ab. Sprechzeiten in der Art, dass Patienten zu den vereinbarten Operationsterminen an den jeweiligen Standort, an dem die Operation stattfinde, einbestellt würden, gebe es natürlich. Hierauf habe sich der bisherige Vortrag im Verfahren bezogen. Durch die 24-Stunden-Mobilfunknummer werde keine Dienstsituation begründet, die mit der eines Bereitschafts- oder Notfalldienstes auch im Sinne der zu 01100 EBM-Ä ergangenen Rechtsprechung vergleichbar sei. Die Notfallnummer der Klägerin diene im Wesentlichen nur dazu, den Patienten, bei denen eine Operation durchgeführt worden sei, im Fall von Komplikationen, insbesondere auftretenden Schmerzen, eine Rückfragemöglichkeit zu eröffnen.

Die Abrechnung der GOP 01100 sei auch plausibel. Soweit es in Ausnahmefällen zur Abrechnung der Ziffer im Zusammenhang mit einer Nachbehandlung durch den Operateur gekommen sei, so sei dies nur geschehen, wenn der Operateur einen bei der Klägerin beschäftigten Anästhesisten unvorhergesehen hinzugezogen habe, zum Beispiel bei akuter Kreislaufproblematik. Um eine nach Uhrzeit mit dem Anästhesisten abgesprochene postoperative Kontrolle habe es sich hierbei nicht gehandelt. Für die Frage, ob die Inanspruchnahme unvorhergesehen war, spiele es keine Rolle, von wem der Arzt in Anspruch genommen worden sei.

Hierzu ergänzt die Beklagte, die Klägerin habe bisher vorgetragen, dass zwischen der postoperativen Behandlung und der Inanspruchnahme kein zeitlicher Zusammenhang bestanden habe und die GOP 01100 EBM-Ä nur bei telefonischer Kontaktaufnahme abends oder nachts durch den Patienten abgerechnet würde. Durch den Vortrag, wonach der Operateur die Klägerin kontaktiere, stelle sich die Annahme des SG München, die vorliegende Abrechnungsweise am Tag der Operation lasse sich mit einer zeitlichen Zäsur zwischen dem Aufsuchen der Praxis des Operateurs und der Inanspruchnahme erklären, weil der Patient den Anästhesisten der Klägerin kontaktiere, als falsch dar und entspreche nicht den tatsächlichen Gegebenheiten. Der Wortlaut der GOP 01100 EBM-Ä setze voraus, dass die Inanspruchnahme durch den Patienten zu erfolgen habe.

Mit Schreiben vom 12.10.2018 hat der Senat den Klägerbevollmächtigten um Klarstellung zum Ablauf der Erreichbarkeit der Praxis im Notfall gebeten. Nach Ansicht des Gerichts stelle sich die Situation wie folgt dar:

Auf der Homepage des OP-Centrums werde eine Mobilfunknummer genannt, unter der jederzeit (24/7) im Notfall ein Arzt zu erreichen sei. Die Anrufe würden auf das Mobiltelefon eines hierfür jeweils eingeteilten Arztes der Klägerin weitergeleitet. Bei Inanspruchnahme des Telefondienstes durch einen Patienten würden sodann durch den jeweils eingeteilten Arzt die erforderlichen Maßnahmen erbracht bzw. eingeleitet.

Diese Darstellung bestätigte die Klägerin mit Schriftsatz vom 22.10.2018 und ergänzte, den Patienten werde vor der Operation eine Informationsmappe über den Ablauf des Operationstages zur Verfügung gestellt. In der Mappe finde sich auch die Mobilfunknummer.

In der mündlichen Verhandlung ergänzte die Klägerin auf Frage des Senats, dass die jeweils eingeteilten angestellten Ärzte während ihrer Erreichbarkeit über das Mobiltelefon vergütet würden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Prozessakten sowie der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, verwiesen.

Gründe

Die Berufung ist statthaft, §§ 143, 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG), und auch im Übrigen zulässig, insbesondere ist sie form- und fristgerecht (§ 151 SGG) eingelegt worden.

Sie ist auch begründet, denn die Beklagte war berechtigt, die Abrechnungen der Klägerin sachlich-rechnerisch im erfolgten Umfang richtig zu stellen.

1. Das SG hat mit seiner Entscheidung, in Ziffer 1 des Tenors des Urteils vom 15.05.2017 die angefochtenen Honorarrückforderungsbescheide aus den Plausibilitätsprüfungen 2/08 bis 2/11 jeweils in der Fassung der Widerspruchsbescheide vom 25.02.2015 vollumfänglich aufzuheben, über mehr als den Streitgegenstand der Klageverfahren entschieden und damit gegen den Grundsatz „ne ultra petita“ (§ 123 SGG) verstoßen. Denn ausweislich des Protokolls und der Antragstellung in der mündlichen Verhandlung war streitig nur noch die Richtigstellung bzw. Rückforderung der Leistungen der GOP 0100 EBM-Ä. Bezogen auf die übrigen, zunächst noch streitigen GOP (GOP 05230 und 01414) hatte die Klägerin ihre Klagen zurückgenommen, so dass die angefochtenen Bescheide insoweit bestandskräftig geworden sind.

Einer Prozesspartei mehr zuzusprechen, als sie beantragt hat, ist dem Gericht verwehrt (s. § 123 SGG „ne ultra petita“ und dazu Meyer-Ladewig, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 12. Aufl. 2017, § 123 RdNr. 4).

2. Die angefochtenen Bescheide waren auch bezogen auf die allein noch streitige Absetzung der GOP 0100 EBM-Ä zutreffend.

a) Rechtsgrundlage der angefochtenen Berichtigungsbescheide ist § 106a Abs. 2 SGB V in der bis zum 31.12.2016 geltenden Fassung (heute § 106d SGB V). Danach stellt die KÄV die sachliche und rechnerische Richtigkeit der Abrechnungen der an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Ärzte fest; dazu gehört auch die arztbezogene Prüfung der Abrechnungen auf Plausibilität sowie die Prüfung der abgerechneten Sachkosten. Die Prüfung auf sachlich-rechnerische Richtigkeit der Abrechnungen des Vertragsarztes zielt auf die Feststellung, ob die Leistungen rechtmäßig, also im Einklang mit den gesetzlichen, vertraglichen oder satzungsrechtlichen Vorschriften des Vertragsarztrechts - mit Ausnahme des Wirtschaftlichkeitsgebots -, erbracht und abgerechnet worden sind. Die Befugnis zu Richtigstellungen besteht auch für bereits erlassene Honorarbescheide (nachgehende Richtigstellung). Sie bedeutet dann im Umfang der vorgenommenen Korrekturen eine teilweise Rücknahme des Honorarbescheides. Die genannten Bestimmungen stellen Sonderregelungen dar, die gemäß § 37 Satz 1 SGB I in ihrem Anwendungsbereich die Regelung des § 45 SGB X verdrängen (stRspr, zB BSGE 89, 62, 66 = SozR 3-2500 § 85 Nr. 42 S. 345 f und BSGE 89, 90, 93 f = SozR 3-2500 § 82 Nr. 3 S. 6 f; BSG, SozR 4-5520 § 32 Nr. 2 RdNr. 10; BSGE 96, 1, 2 f = SozR 4-2500 § 85 Nr. 22, RdNr. 11; BSG, SozR 4-2500 § 106a Nr. 1 RdNr. 12). Eine nach den Bestimmungen zur sachlich-rechnerischen Richtigstellung rechtmäßige (Teil-)Rücknahme des Honorarbescheides mit Wirkung für die Vergangenheit löst nach § 50 Abs. 1 Satz 1 SGB X eine entsprechende Rückzahlungsverpflichtung des Empfängers der Leistung aus (BSG SozR 3-2500 § 76 Nr. 2 S. 3; BSGE 89, 62, 75 = SozR 3-2500 § 85 Nr. 42 S. 355; BSGE 96, 1, 3 = SozR 4-2500 § 85 Nr. 22, RdNr. 11; BSG SozR 4-2500 § 106a Nr. 1 RdNr. 12; aaO Nr. 3 RdNr. 18).

Die Tatbestandsvoraussetzung für eine nachträgliche sachlich-rechnerische Richtigstellung nach § 106a Abs. 2 Satz 1 SGB V ist vorliegend erfüllt, weil die Klägerin die GOP 01100 EBM-Ä in den streitgegenständlichen Quartalen zu Unrecht abgerechnet hat und daher die Honorarbescheide vom 09.10.2008 (2/2008), 10.03.2009 (3/2008), 21.04.2009 (4/2008), 23.09.2009 (1/2009), 17.02.2010 (2/2009), 18.05.2010 (3/2009), 19.05.2010 (4/2009), 18.08.2010 (1/2010), 17.11.2010 (2/2010), 16.02.2011 (3/2010), 18.05.2011 (4/2010), 17.08.2011 (1/2011) und 16.11.2011 (2/2011) insoweit rechtswidrig sind. In wessen Verantwortungsbereich die sachlich-rechnerische Unrichtigkeit fällt, ist unerheblich; einzige tatbestandliche Voraussetzung ist die Rechtswidrigkeit des Honorarbescheides (vgl. BSGE 93, 69, 71 = SozR 4-2500 § 85 Nr. 11, RdNr. 7 - hierzu Engelhard, jurisPR-SozR 44/2004 Anm. 1).

b) Die Beklagte ist zu Recht von einem unzutreffenden Ansatz der GOP 01100 ausgegangen.

aa) Der für die Quartale 2/2008 bis 2/2011 jeweils maßgebliche EBM-Ä enthielt in Abschnitt II (Arztübergreifende allgemeine Gebührenordnungspositionen), 1. (Allgemeine Gebührenordnungspositionen), 1.1 (Aufwandserstattung für die besondere Inanspruchnahme des Vertragsarztes durch einen Patienten) unter anderem die GOP 01100. Der Wortlaut der GOP 01100 lautet:

„Unvorhergesehene Inanspruchnahme eines Vertragsarztes durch einen Patienten

- zwischen 19:00 und 22:00 Uhr

- an Samstagen, Sonntagen und gesetzlichen Feiertagen, am 24.12. und 31.12. zwischen 07:00 und 19:00 Uhr Die Gebührenordnungsposition 01100 ist nicht berechnungsfähig, wenn Sprechstunden vor 07:00 Uhr oder nach 19:00 Uhr stattfinden oder Patienten zu diesen Zeiten bestellt werden. […]".

bb) Mit der Problematik der unvorhergesehenen Inanspruchnahme bei der GOP 0100 EBM-Ä hat sich das LSG Hamburg in zwei Entscheidungen auseinandergesetzt.

Im Verfahren L 1 KA 5/12 (Urteil vom 25.04.2013) hatte das LSG entschieden, dass keine unvorhergesehene Inanspruchnahme des Vertragsarztes bzw. einer ermächtigten ärztlich geleiteten Einrichtung durch Patienten iS von Nr. 01100 EBM-Ä 2008 vorliegt, wenn diese das vorgehaltene Angebot der Einrichtung annehmen, sich dort zu Zeiten behandeln zu lassen, die ansonsten üblicherweise sprechstundenfrei sind. Die Klägerin im dortigen Verfahren war auf ihren Antrag hin unter anderem in dem streitigen Quartal ermächtigt, in der Geburtshilflich Gynäkologischen Klinik als ärztlich geleiteter Einrichtung für die an sprechstundenfreien Tagen unbedingt notwendige Überwachung von Schwangeren mit Terminüberschreitung auf Überweisung durch Gynäkologen an der vertragsärztlichen Versorgung im Bezirk der Beklagten teilzunehmen. Da die Klägerin gerade und ausschließlich zu diesen Zeiten ihre Dienste anbiete und ihr auf ihren Antrag hin auch nur für diese Zeiten die Ermächtigung erteilt worden sei, an der vertragsärztlichen Versorgung teilzunehmen, sei die Behandlung eines Patienten während dieser Zeiträume nicht unvorhergesehen, sondern beabsichtigt und geplant. Diese Zeiten seien die normalen Dienstzeiten der Klägerin, sodass die Inanspruchnahme nicht außerhalb von diesen Zeiten stattfinde. Es treffe zwar zu, dass im Einzelfall nicht vorhersehbar ist, an welchem Tag und zu welcher Uhrzeit eine Schwangere ärztliche Hilfe benötigt. Dadurch unterscheide sich der Fall aber nicht von einem normalen Praxisbetrieb, in dem auch nicht vorhersehbar ist, zu welchem Zeitpunkt innerhalb der Sprechstundenzeit ein Patient den Arzt tatsächlich aufsucht. Maßgeblich sei insoweit nur, dass die Klägerin von den Patienten gerade in den Zeiten aufgesucht wird, in denen sie ihre Dienste regulär anbiete und die Inanspruchnahme insofern nicht unerwartet erfolge Streitig im Verfahren L 1 KA 59/09 (Urteil des LSG Hamburg vom 07.06.2012) war die Frage, ob die GOP 01100 auch im Rahmen eines vom Vertragsarzt vorgehaltenen Angebots einer Notfallsprechstunde abrechenbar ist. Das LSG verneinte die Abrechenbarkeit, denn es sei keine unvorhergesehene Inanspruchnahme des Vertragsarztes durch einen Patienten, wenn dieser das vom Vertragsarzt vorgehaltene Angebot einer Notfallsprechstunde annimmt. Es sei zu unterscheiden zwischen der Initiierung einer Notfallbehandlung durch den Patienten, der unvorhergesehen ärztlicher Behandlung bedürfe, und der Frage, ob diese Inanspruchnahme ärztlicher Behandlung durch den Patienten für den Arzt unvorhergesehen sei zu einer Zeit, in der er an einem unter seiner Mitwirkung bereitgestellten Notfalldienst teilnehme.

Das SG München hat sich im Verfahren S 21 KA 1354/12 (Urteil vom 24.09.2014) ebenfalls mit der unvorhergesehenen Inanspruchnahme beschäftigt. In diesem Verfahren ging es um die Situation, dass ein Vertragsarzt am Sonntag für einbestellte Patienten Sprechstunden abhielt, in dieser Zeit aber auch nicht angemeldete Patienten behandelte und für diese die GOP 01100 abrechnete. Hier hat das SG das Vorliegen einer Dienstsituation auch für die nicht angemeldeten Patienten gesehen, denn der Kläger habe auch alle nicht bestellten Patienten, die am Sonntag während seiner Anwesenheit eine Behandlung wünschten, behandelt. Dies entspreche einer faktischen Sprechstunde, die nach der Rechtsprechung der Abrechnung der GOP 01100 entgegensteht (so unter Bezugnahme auf den Beschluss des BSG vom 29.11.2007, B 6 KA 52/07 B; LSG Hamburg, Urteil vom 25.04.2013, Az. L 1 KA 5/12 und vom 07.06.2012, Az. L 1 KA 50/09).

Diese bereits entschiedenen Konstellationen unterscheiden sich jedoch von der vorliegenden insofern, als dort jeweils eine Behandlung im Rahmen einer Sprechstunde stattgefunden hatte, sei es im Rahmen einer Ermächtigung, einer Notfallsprechstunde oder bei der Gelegenheit einer regulären Sprechstunde. Die Klägerin im hier zu entscheidenden Fall hat aber unstreitig zumindest zu den im Zusammenhang mit der GOP 0100 EBM-Ä abgerechneten Zeiten keine Sprechstunden abgehalten, sondern lediglich einen Bereitschaftsdienst vorgehalten.

cc) Unzweifelhaft ist die GOP 01100 nur abrechenbar für die unvorhergesehene Inanspruchnahme des Vertragsarztes. Für die Auslegung vertragsärztlicher Vergütungsbestimmungen ist nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts in erster Linie der Wortlaut der Regelungen maßgeblich. Nur soweit dieser zweifelhaft ist, ist Raum für eine systematische oder entstehungsgeschichtliche Interpretation (BSG, unter anderem Urteil vom 15.08.2012, Az. B 6 KA 34/11 R, RdNr. 13; vom 18.08.2010, Az. B 6 KA 23/09 R, RdNr. 11). Leistungsbeschreibungen dürfen weder ausdehnend ausgelegt noch analog angewendet werden.

Die streitgegenständliche Berichtigung der Honorarforderung nach der Nr. 01100 EBM-Ä ist danach rechtmäßig, denn es ist keine unvorhergesehene Inanspruchnahme des Vertragsarztes durch einen Patienten, wenn dieser das vom Vertragsarzt vorgehaltene Angebot einer Inanspruchnahme während eines Bereitschaftsdienstes annimmt. Es ist zu unterscheiden zwischen der Initiierung einer Notfallbehandlung durch den Patienten, der unvorhergesehen ärztlicher Behandlung bedarf, und der Frage, ob diese Inanspruchnahme ärztlicher Behandlung durch den Patienten für den Arzt unvorhergesehen ist zu einer Zeit, in der er an einem unter seiner Mitwirkung bereitgestellten Bereitschaftsdienst teilnimmt. Der medizinische Fall kann dabei unvorhergesehen sein, die daraufhin erfolgte Inanspruchnahme des Arztes jedoch nicht. Eine weite Auslegung des Begriffs der „unvorhergesehenen Inanspruchnahme“ kommt nicht in Betracht.

Die GOP 01100 stellt eine Verengung der Voraussetzungen gegenüber der Nr. 5 im bis 31.03.2005 geltenden EBM-Ä dar (vergleiche LSG Hamburg, Urteil vom 07.06.2012, L 1 KA 59/09, SG München, Urteil vom 24.09.2014, S 21 KA 1354/12), der den Begriff der „unvorhergesehenen Inanspruchnahme“ noch nicht kannte. Schon dies spricht gegen eine weite Auslegung der GOP 01100. Unvorhergesehen ist die Inanspruchnahme des Vertragsarztes, wenn dieser zum Zeitpunkt der Inanspruchnahme nicht damit rechnete, vertragsärztliche Leistungen zu erbringen, er also nicht in einer Dienstsituation in Anspruch genommen wurde. Diese Dienstsituation kann z.B. aufgrund einer Sprechstunde oder aufgrund eines angebotenen Notdienstes bestehen oder deshalb, weil der Patient für die Behandlung in den genannten Zeiten bestellt war.

Vorliegend hat die Klägerin zwar weder Sprechstunden angeboten noch die Patienten für die Behandlung in den genannten Zeiten bestellt. Sie hat aber einen Bereitschaftsdienst organisiert, indem sie sowohl den Patienten als auch den behandelnden Ärzten gegenüber eine Mobil-Notfallnummer bekannt gegeben hat, unter der jederzeit (24/7) ein Arzt der Beklagten erreichbar war. Nach Vortrag der Beklagten wurde die auch auf der Homepage der Beklagten bekannt gegebene Mobilfunknummer auf das Mobiltelefon des jeweils dafür eingeteilten Arztes umgeleitet. Dem jeweils eingeteilten Arzt war demnach bewusst, dass er jederzeit für die Patienten erreichbar war und dieser Bereitschaftsdienst auch Teil des Konzeptes der Beklagten gewesen ist. Soweit der diensthabende Arzt in dieser Situation durch einen Patienten telefonisch über die Notfallnummer kontaktiert wurde, war dies für den kontaktierten Arzt gerade nicht unvorhersehbar, da er wusste, dass er zum Bereitschaftsdienst eingeteilt war. Das Vorliegen einer dem Notdienst vergleichbaren Dienstsituation wird auch durch die Bezahlung der angestellten Ärzte während ihrer Einteilung zum Bereitschaftsdienst deutlich. Die Inanspruchnahme erfolgte damit nicht wider Erwarten. Eine Dienstsituation lag somit vor, weil die Klägerin den 24-Stunden-Bereitschaftsdienst bewusst, geplant und organisiert anbietet und der diensthabende Arzt in dieser Zeit mit einer Inanspruchnahme rechnen muss.

dd) Soweit die Klägerin vorträgt, die Situation sei mit der eines Hausarztes, dessen private Telefonnummer den Patienten bekannt ist, vergleichbar, teilt der Senat diese Auffassung nicht. Der Hausarzt, der außerhalb seiner Dienstzeiten über seine private Telefonnummer kontaktiert wird, hat die Möglichkeit, den Patienten auf die Sprechstunden bzw. den allgemeinen ärztlichen Bereitschaftsdienst zu verweisen. Auch ist er nicht gehalten, das Telefongespräch überhaupt anzunehmen, denn er befindet sich gerade nicht in einer Dienstsituation. Der (Haus) Arzt ist auch nicht verpflichtet, sich außerhalb der Sprechstunden und Bereitschaftsdienste an einem Ort aufzuhalten, der ihm eine Behandlung seiner Patienten ermöglicht. Demgegenüber ist der insoweit eingeteilte (Bereitschafts) Arzt der Klägerin verpflichtet, den Anruf, der ihn über die Notfallnummer erreicht, entgegenzunehmen und sich dem Anliegen des Patienten zu widmen. Denn der Bereitschaftsdienst gehört nach eigenem Bekunden der Klägerin zu ihrem Leistungsspektrum. Mit der Angabe der Telefonnummer tritt die Klägerin aktiv an die Patienten heran und bietet ihnen an, bei Beschwerden auch abends und nachts zur Verfügung zu stehen. Dadurch beeinflusst und veranlasst sie die Inanspruchnahme zu Uhrzeiten ab 19:00 Uhr bzw. am Wochenende und an Feiertagen zumindest mit, was die Abrechnung der GOP 01100 EBM-Ä ausschließt (so auch Kölner Kommentar zum EBM-Ä, GOP 01100, Stand 01.04.2018).

ee) Auch der Gesichtspunkt - wie das SG meint -, dass die Klägerin aufgrund ihrer besonderen Situation als Anästhesiepraxis keine regulären Sprechstunden anbietet, führt zu keinem anderen Ergebnis. Ob die Klägerin überhaupt und in welchem Umfang Sprechstunden anbietet, spielt für die Abrechnung der GOP 01100 EBM-Ä keine Rolle, so dass eine Sonderstellung für das Fachgebiet Anästhesiologie nicht gerechtfertigt ist. Maßgeblich ist allein der Wortlaut der Leistungslegende, d.h. die unvorhergesehene Inanspruchnahme innerhalb eines bestimmten Zeitrahmens mit den genannten Einschränkungen. Bei der Auslegung der Klägerin, die GOP 0100 könne immer dann abgerechnet werden, wenn die in der Legende genannten Einschränkungen - Sprechstunde oder Einbestellung der Patienten - nicht vorlägen, hätte es des Zusatzes „unvorhergesehen“ nicht bedurft, weil jede Inanspruchnahme außerhalb der Sprechstunde und der Einbestellung unter die GOP fiele.

ff) Zudem ist die gehäufte Nebeneinanderabrechnung der GOP 01100 EBM-Ä neben der GOP 05230 EBM-Ä nicht schlüssig dargelegt. Die GOP 05230 vergütet das Aufsuchen der Praxis eines anderen Arztes, im vorliegenden Fall des Operateurs. Geht man - wie vom SG angenommen und vom Klägerbevollmächtigten vorgetragen - von einer zeitlichen Zäsur zwischen der OP und der Inanspruchnahme der Klägerin aus, so fand die Inanspruchnahme nicht im Zusammenhang mit dem Aufsuchen der Praxis des Operateurs statt. Nicht nachvollziehbar ist dann jedoch, wozu der Anästhesist am Tag nach dem Eingriff noch einmal die Praxis des Operateurs aufsuchte, wenn der Operateur an diesem Tag die postoperative Behandlung durchführte. Schmerztherapeutische Leistungen wurden dabei ausweislich der Abrechnungsdaten jedenfalls nicht erbracht (vergleiche hierzu beispielsweise laut Einzelfall-Nachweis die Behandlung der Patienten E. W. am 02.02.2010 und R. S. am 12.01.2010). Demgegenüber trägt der Klägerbevollmächtigte im Schriftsatz vom 19.03.2018 vor, eine zeitliche Zäsur habe in Ausnahmefällen nicht vorgelegen, wenn der Operateur bei einer Nachbehandlung einen bei der Klägerin beschäftigten Anästhesisten unvorhergesehen hinzugezogen habe, zum Beispiel bei Kreislaufproblemen. Um eine nach Uhrzeit mit dem Anästhesisten abgesprochene postoperative Kontrolle habe sich hierbei nicht gehandelt. Eine Hinzuziehung zur postoperativen Behandlung bei gleichzeitiger Abrechnung der GOP 01100 EBM-Ä ist aber insofern realitätsfern, als der Operateur seine Patienten dann in der Zeit zwischen 19.00 Uhr und 22:00 Uhr zur routinemäßigen postoperativen Behandlung einbestellt hätte. Es erscheint zumindest ungewöhnlich, wenn eine reguläre postoperative Kontrolle nach 19.00 Uhr oder am Wochenende stattgefunden haben soll.

Aber auch unterstellt, die Uhrzeiten sind zutreffend, ist davon auszugehen, dass der hinzugezogene Arzt der Klägerin über die Notfallmobilfunknummer der Klägerin gerufen wurde, so dass auch in dieser Konstellation die Inanspruchnahme nicht unvorhersehbar gewesen ist. Auf die Frage, ob die Abrechenbarkeit der GOP 01100 bereits dann ausgeschlossen ist, wenn die Initiative zur Inanspruchnahme nicht vom Patienten selbst, sondern von dem anderen behandelnden Arzt - hier dem Operateur - ausgeht, kommt es insoweit nicht an.

Als Anwendungsfälle für die Nr. 01100 bleiben daher echte Fälle unvorhersehbarer Inanspruchnahme zur kurativen Behandlung außerhalb der Sprechzeiten oder der Teilnahme an einem angebotenen Notfall/Bereitschaftsdienst, etwa der nächtliche Anruf beim Haus- oder Kinderarzt des Vertrauens.

3. Die Befugnis der Beklagten zur sachlich-rechnerischen Richtigstellung der fehlerhaften Honorarbescheide war auch nicht durch den Grundsatz des Vertrauensschutzes eingeschränkt.

Die nachträgliche Korrektur eines Honorarbescheides nach den Vorschriften über die sachlich-rechnerisch Richtigstellung ist nicht mehr möglich, wenn die Frist von vier Jahren seit Erlass des betroffenen Honorarbescheides bereits abgelaufen ist (BSGE 89, 90, 103 = SozR 3-2500 § 82 Nr. 3 S. 16 mwN; vgl. zur Hemmung der vierjährigen Ausschlussfrist BSG Urteil vom 12.12.2012 - B 6 KA 35/12 R - SozR 4-2500 § 106a Nr. 10; vgl. im Hinblick auf die Durchführung einer Wirtschaftlichkeitsprüfung nach § 106 SGB V auch: BSG Urteil vom 15.8.2012 - B 6 KA 27/11 R - SozR 4-2500 § 106 Nr. 37 RdNr. 19 ff; Urteil vom 15.8.2012 - B 6 KA 45/11 R - SozR 4-2500 § 106 Nr. 36 RdNr. 16 ff). Eine Rücknahme des Honorarbescheides ist nach Ablauf der Frist nur noch unter Berücksichtigung der Vertrauensausschlusstatbestände des § 45 Abs. 2 Satz 3 iVm Abs. 4 Satz 1 SGB X möglich. Diese Fallgruppe ist vorliegend nicht einschlägig, da ersichtlich die Frist von vier Jahren, die nach der Rechtsprechung des BSG am Tag nach der Bekanntgabe des Honorarbescheides beginnt (vgl. BSGE 89, 90, 103 = SozR 3-2500 § 82 Nr. 3 S. 16; BSG Urteil vom 28.3.2007 - B 6 KA 26/06 R - Juris RdNr. 16; BSGE 106, 222, 236 = SozR 4-5520 § 32 Nr. 4, RdNr. 60 mwN), nicht abgelaufen ist. Der Honorarbescheid für das Quartal 2/08 datiert vom 09.10.2008. Die Frist von vier Jahren war daher am 13.03.2012, dem Datum des Erlasses des Berichtigungsbescheides für die Quartale 2/08 bis 3/09, noch nicht abgelaufen. Auch die anderen Fallkonstellationen, die die Befugnis der KÄV zur sachlich-rechnerischen Richtigstellung aus Vertrauensschutzgesichtspunkten einschränken, liegen nicht vor. Entsprechendes wurde von der Klägerin auch nicht vorgetragen.

Die Berufung hat daher Erfolg. Die streitgegenständlichen Bescheide vom 13.03.20112 und 24.09.2012 in Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 25.02.2015 sind nicht zu beanstanden, weshalb das Urteil des SG aufzuheben ist und die Klagen abzuweisen sind.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 197a SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Revision ist wegen grundsätzlicher Bedeutung zuzulassen, § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG.

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(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Lastenausgleichsgesetz - LAG
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(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

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published on 12/12/2012 00:00

Tenor Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 14. März 2012 wird zurückgewiesen.
published on 15/08/2012 00:00

Tenor Auf die Revision der Klägerin werden das Urteil des Sozialgerichts Mainz vom 2.3.2011 sowie der Bescheid des Beklagten vom 13.2.2008 aufgehoben und der Beklagte verpflichtet, unter Beachtung
published on 15/08/2012 00:00

Tenor Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 15. September 2011 aufgehoben. Die Berufung der Beigeladenen zu 2. gegen das Urteil des Sozialgerich
published on 15/08/2012 00:00

Tenor Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 5. Mai 2011 wird zurückgewiesen.
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Annotations

(1) Die Berufung ist bei dem Landessozialgericht innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen.

(2) Die Berufungsfrist ist auch gewahrt, wenn die Berufung innerhalb der Frist bei dem Sozialgericht schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle eingelegt wird. In diesem Fall legt das Sozialgericht die Berufungsschrift oder das Protokoll mit seinen Akten unverzüglich dem Landessozialgericht vor.

(3) Die Berufungsschrift soll das angefochtene Urteil bezeichnen, einen bestimmten Antrag enthalten und die zur Begründung dienenden Tatsachen und Beweismittel angeben.

Das Gericht entscheidet über die vom Kläger erhobenen Ansprüche, ohne an die Fassung der Anträge gebunden zu sein.

(1) Die Wirtschaftlichkeit der erbrachten ärztlichen Leistungen kann auf begründeten Antrag einer einzelnen Krankenkasse, mehrerer Krankenkassen gemeinsam oder der Kassenärztlichen Vereinigung arztbezogen durch die jeweilige Prüfungsstelle nach § 106c geprüft werden. Die Prüfung kann neben dem zur Abrechnung vorgelegten Leistungsvolumen auch Überweisungen sowie sonstige veranlasste ärztliche Leistungen, insbesondere aufwändige medizinisch-technische Leistungen umfassen; honorarwirksame Begrenzungsregelungen haben keinen Einfluss auf die Prüfungen.

(2) Veranlassung für die Prüfung der Wirtschaftlichkeit nach Absatz 1 besteht insbesondere

1.
bei begründetem Verdacht auf fehlende medizinische Notwendigkeit der Leistungen (Fehlindikation),
2.
bei begründetem Verdacht auf fehlende Eignung der Leistungen zur Erreichung des therapeutischen oder diagnostischen Ziels (Ineffektivität),
3.
bei begründetem Verdacht auf mangelnde Übereinstimmung der Leistungen mit den anerkannten Kriterien für ihre fachgerechte Erbringung (Qualitätsmangel), insbesondere in Bezug auf die in den Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses enthaltenen Vorgaben,
4.
bei begründetem Verdacht auf Unangemessenheit der durch die Leistungen verursachten Kosten im Hinblick auf das Behandlungsziel oder
5.
bei begründetem Verdacht, dass Leistungen des Zahnersatzes und der Kieferorthopädie unvereinbar mit dem Heil- und Kostenplan sind.

(3) Die Kassenärztlichen Bundesvereinigungen und der Spitzenverband Bund der Krankenkassen vereinbaren bis zum 30. November 2019 das Nähere zu den Voraussetzungen nach Absatz 2 in Rahmenempfehlungen. Die Rahmenempfehlungen sind bei den Vereinbarungen nach § 106 Absatz 1 Satz 2 zu berücksichtigen.

(4) Die in § 106 Absatz 1 Satz 2 genannten Vertragspartner können über die Prüfung nach Absatz 1 hinaus Prüfungen ärztlicher Leistungen nach Durchschnittswerten oder andere arztbezogene Prüfungsarten vereinbaren. Hat der Landesausschuss der Ärzte und Krankenkassen eine Feststellung nach § 100 Absatz 1 oder Absatz 3 getroffen, dürfen bei Ärzten der betroffenen Arztgruppe keine Prüfungen nach Durchschnittswerten durchgeführt werden. In den Vereinbarungen nach § 106 Absatz 1 Satz 2 sind die Zahl der je Quartal höchstens zu prüfenden Ärzte in einer Kassenärztlichen Vereinigung sowie im Rahmen der Prüfungen nach Absatz 1 und der Prüfungen nach Satz 1 als Kriterien zur Unterscheidung Praxisbesonderheiten festzulegen, die sich aus besonderen Standort- und Strukturmerkmalen des Leistungserbringers oder bei besonderen Behandlungsfällen ergeben. Die Praxisbesonderheiten sind vor Durchführung der Prüfungen als besonderer Versorgungsbedarf durch die Prüfungsstellen anzuerkennen; dies gilt insbesondere auch bei der Beurteilung der Wirtschaftlichkeit von Besuchsleistungen.

(1) Die Kassenärztlichen Vereinigungen und die Krankenkassen prüfen die Rechtmäßigkeit und Plausibilität der Abrechnungen in der vertragsärztlichen Versorgung.

(2) Die Kassenärztliche Vereinigung stellt die sachliche und rechnerische Richtigkeit der Abrechnungen der an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Ärzte und Einrichtungen fest; dazu gehört auch die arztbezogene Prüfung der Abrechnungen auf Plausibilität, auf Einhaltung der Vorgaben nach § 295 Absatz 4 Satz 3 sowie die Prüfung der abgerechneten Sachkosten. Gegenstand der arztbezogenen Plausibilitätsprüfung ist insbesondere der Umfang der je Tag abgerechneten Leistungen im Hinblick auf den damit verbundenen Zeitaufwand des Arztes; Vertragsärzte und angestellte Ärzte sind entsprechend des jeweiligen Versorgungsauftrages gleich zu behandeln. Bei der Prüfung nach Satz 2 ist ein Zeitrahmen für das pro Tag höchstens abrechenbare Leistungsvolumen zu Grunde zu legen; zusätzlich können Zeitrahmen für die in längeren Zeitperioden höchstens abrechenbaren Leistungsvolumina zu Grunde gelegt werden. Soweit Angaben zum Zeitaufwand nach § 87 Abs. 2 Satz 1 zweiter Halbsatz bestimmt sind, sind diese bei den Prüfungen nach Satz 2 zu Grunde zu legen. Satz 2 bis 4 gilt nicht für die vertragszahnärztliche Versorgung. Bei den Prüfungen ist von dem jeweils angeforderten Punktzahlvolumen unabhängig von honorarwirksamen Begrenzungsregelungen auszugehen. Soweit es für den jeweiligen Prüfungsgegenstand erforderlich ist, sind die Abrechnungen vorangegangener Abrechnungszeiträume in die Prüfung einzubeziehen. Die Kassenärztliche Vereinigung unterrichtet die in Absatz 5 genannten Verbände der Krankenkassen sowie die Ersatzkassen unverzüglich über die Durchführung der Prüfungen und deren Ergebnisse. Satz 2 gilt auch für Verfahren, die am 31. Dezember 2014 noch nicht rechtskräftig abgeschlossen waren.

(3) Die Krankenkassen prüfen die Abrechnungen der an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Ärzte und Einrichtungen insbesondere hinsichtlich

1.
des Bestehens und des Umfangs ihrer Leistungspflicht,
2.
der Plausibilität von Art und Umfang der für die Behandlung eines Versicherten abgerechneten Leistungen in Bezug auf die angegebene Diagnose, bei zahnärztlichen Leistungen in Bezug auf die angegebenen Befunde,
3.
der Plausibilität der Zahl der vom Versicherten in Anspruch genommenen Ärzte, unter Berücksichtigung ihrer Fachgruppenzugehörigkeit.
Sie unterrichten die Kassenärztlichen Vereinigungen unverzüglich über die Durchführung der Prüfungen und deren Ergebnisse.

(4) Die Krankenkassen oder ihre Verbände können, sofern dazu Veranlassung besteht, gezielte Prüfungen durch die Kassenärztliche Vereinigung nach Absatz 2 beantragen. Die Kassenärztliche Vereinigung kann, sofern dazu Veranlassung besteht, Prüfungen durch die Krankenkassen nach Absatz 3 beantragen. Bei festgestellter Unplausibilität nach Absatz 3 Satz 1 Nr. 2 oder 3 kann die Krankenkasse oder ihr Verband eine Wirtschaftlichkeitsprüfung ärztlicher Leistungen beantragen; dies gilt für die Kassenärztliche Vereinigung bei festgestellter Unplausibilität nach Absatz 2 entsprechend. Wird ein Antrag nach Satz 1 von der Kassenärztlichen Vereinigung nicht innerhalb von sechs Monaten bearbeitet, kann die Krankenkasse einen Betrag in Höhe der sich unter Zugrundelegung des Antrags ergebenden Honorarberichtigung auf die zu zahlende Gesamtvergütung anrechnen.

(5) Die Kassenärztlichen Vereinigungen und die Landesverbände der Krankenkassen und die Ersatzkassen gemeinsam und einheitlich vereinbaren Inhalt und Durchführung der Prüfungen nach den Absätzen 2 bis 4. In den Vereinbarungen sind auch Maßnahmen für den Fall von Verstößen gegen Abrechnungsbestimmungen, einer Überschreitung der Zeitrahmen nach Absatz 2 Satz 3 sowie des Nichtbestehens einer Leistungspflicht der Krankenkassen, soweit dies dem Leistungserbringer bekannt sein musste, vorzusehen. Die Maßnahmen, die aus den Prüfungen nach den Absätzen 2 bis 4 folgen, müssen innerhalb von zwei Jahren ab Erlass des Honorarbescheides festgesetzt werden; § 45 Absatz 2 des Ersten Buches gilt entsprechend. Der Inhalt der Richtlinien nach Absatz 6 ist Bestandteil der Vereinbarungen.

(6) Die Kassenärztlichen Bundesvereinigungen und der Spitzenverband Bund der Krankenkassen vereinbaren Richtlinien zum Inhalt und zur Durchführung der Prüfungen nach den Absätzen 2 und 3 einschließlich der Voraussetzungen für die Einhaltung der Ausschlussfrist nach Absatz 5 Satz 3 und des Einsatzes eines elektronisch gestützten Regelwerks; die Richtlinien enthalten insbesondere Vorgaben zu den Kriterien nach Absatz 2 Satz 2 und 3. Die Richtlinien sind dem Bundesministerium für Gesundheit vorzulegen. Es kann sie innerhalb von zwei Monaten beanstanden. Kommen die Richtlinien nicht zu Stande oder werden die Beanstandungen des Bundesministeriums für Gesundheit nicht innerhalb einer von ihm gesetzten Frist behoben, kann das Bundesministerium für Gesundheit die Richtlinien erlassen.

(7) § 106 Absatz 4 gilt entsprechend.

Das Erste und Zehnte Buch gelten für alle Sozialleistungsbereiche dieses Gesetzbuchs, soweit sich aus den übrigen Büchern nichts Abweichendes ergibt; § 68 bleibt unberührt. Der Vorbehalt gilt nicht für die §§ 1 bis 17 und 31 bis 36. Das Zweite Kapitel des Zehnten Buches geht dessen Erstem Kapitel vor, soweit sich die Ermittlung des Sachverhaltes auf Sozialdaten erstreckt.

(1) Soweit ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), rechtswidrig ist, darf er, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden.

(2) Ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt darf nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Das Vertrauen ist in der Regel schutzwürdig, wenn der Begünstigte erbrachte Leistungen verbraucht oder eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann. Auf Vertrauen kann sich der Begünstigte nicht berufen, soweit

1.
er den Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung erwirkt hat,
2.
der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Begünstigte vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat, oder
3.
er die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte; grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat.

(3) Ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt mit Dauerwirkung kann nach Absatz 2 nur bis zum Ablauf von zwei Jahren nach seiner Bekanntgabe zurückgenommen werden. Satz 1 gilt nicht, wenn Wiederaufnahmegründe entsprechend § 580 der Zivilprozessordnung vorliegen. Bis zum Ablauf von zehn Jahren nach seiner Bekanntgabe kann ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt mit Dauerwirkung nach Absatz 2 zurückgenommen werden, wenn

1.
die Voraussetzungen des Absatzes 2 Satz 3 Nr. 2 oder 3 gegeben sind oder
2.
der Verwaltungsakt mit einem zulässigen Vorbehalt des Widerrufs erlassen wurde.
In den Fällen des Satzes 3 kann ein Verwaltungsakt über eine laufende Geldleistung auch nach Ablauf der Frist von zehn Jahren zurückgenommen werden, wenn diese Geldleistung mindestens bis zum Beginn des Verwaltungsverfahrens über die Rücknahme gezahlt wurde. War die Frist von zehn Jahren am 15. April 1998 bereits abgelaufen, gilt Satz 4 mit der Maßgabe, dass der Verwaltungsakt nur mit Wirkung für die Zukunft aufgehoben wird.

(4) Nur in den Fällen von Absatz 2 Satz 3 und Absatz 3 Satz 2 wird der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen. Die Behörde muss dies innerhalb eines Jahres seit Kenntnis der Tatsachen tun, welche die Rücknahme eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsaktes für die Vergangenheit rechtfertigen.

(5) § 44 Abs. 3 gilt entsprechend.

(1) Soweit ein Verwaltungsakt aufgehoben worden ist, sind bereits erbrachte Leistungen zu erstatten. Sach- und Dienstleistungen sind in Geld zu erstatten.

(2) Soweit Leistungen ohne Verwaltungsakt zu Unrecht erbracht worden sind, sind sie zu erstatten. §§ 45 und 48 gelten entsprechend.

(2a) Der zu erstattende Betrag ist vom Eintritt der Unwirksamkeit eines Verwaltungsaktes, auf Grund dessen Leistungen zur Förderung von Einrichtungen oder ähnliche Leistungen erbracht worden sind, mit fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz jährlich zu verzinsen. Von der Geltendmachung des Zinsanspruchs kann insbesondere dann abgesehen werden, wenn der Begünstigte die Umstände, die zur Rücknahme, zum Widerruf oder zur Unwirksamkeit des Verwaltungsaktes geführt haben, nicht zu vertreten hat und den zu erstattenden Betrag innerhalb der von der Behörde festgesetzten Frist leistet. Wird eine Leistung nicht alsbald nach der Auszahlung für den bestimmten Zweck verwendet, können für die Zeit bis zur zweckentsprechenden Verwendung Zinsen nach Satz 1 verlangt werden; Entsprechendes gilt, soweit eine Leistung in Anspruch genommen wird, obwohl andere Mittel anteilig oder vorrangig einzusetzen sind; § 47 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 bleibt unberührt.

(3) Die zu erstattende Leistung ist durch schriftlichen Verwaltungsakt festzusetzen. Die Festsetzung soll, sofern die Leistung auf Grund eines Verwaltungsakts erbracht worden ist, mit der Aufhebung des Verwaltungsaktes verbunden werden.

(4) Der Erstattungsanspruch verjährt in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem der Verwaltungsakt nach Absatz 3 unanfechtbar geworden ist. Für die Hemmung, die Ablaufhemmung, den Neubeginn und die Wirkung der Verjährung gelten die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs sinngemäß. § 52 bleibt unberührt.

(5) Die Absätze 1 bis 4 gelten bei Berichtigungen nach § 38 entsprechend.

(1) Die Wirtschaftlichkeit der erbrachten ärztlichen Leistungen kann auf begründeten Antrag einer einzelnen Krankenkasse, mehrerer Krankenkassen gemeinsam oder der Kassenärztlichen Vereinigung arztbezogen durch die jeweilige Prüfungsstelle nach § 106c geprüft werden. Die Prüfung kann neben dem zur Abrechnung vorgelegten Leistungsvolumen auch Überweisungen sowie sonstige veranlasste ärztliche Leistungen, insbesondere aufwändige medizinisch-technische Leistungen umfassen; honorarwirksame Begrenzungsregelungen haben keinen Einfluss auf die Prüfungen.

(2) Veranlassung für die Prüfung der Wirtschaftlichkeit nach Absatz 1 besteht insbesondere

1.
bei begründetem Verdacht auf fehlende medizinische Notwendigkeit der Leistungen (Fehlindikation),
2.
bei begründetem Verdacht auf fehlende Eignung der Leistungen zur Erreichung des therapeutischen oder diagnostischen Ziels (Ineffektivität),
3.
bei begründetem Verdacht auf mangelnde Übereinstimmung der Leistungen mit den anerkannten Kriterien für ihre fachgerechte Erbringung (Qualitätsmangel), insbesondere in Bezug auf die in den Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses enthaltenen Vorgaben,
4.
bei begründetem Verdacht auf Unangemessenheit der durch die Leistungen verursachten Kosten im Hinblick auf das Behandlungsziel oder
5.
bei begründetem Verdacht, dass Leistungen des Zahnersatzes und der Kieferorthopädie unvereinbar mit dem Heil- und Kostenplan sind.

(3) Die Kassenärztlichen Bundesvereinigungen und der Spitzenverband Bund der Krankenkassen vereinbaren bis zum 30. November 2019 das Nähere zu den Voraussetzungen nach Absatz 2 in Rahmenempfehlungen. Die Rahmenempfehlungen sind bei den Vereinbarungen nach § 106 Absatz 1 Satz 2 zu berücksichtigen.

(4) Die in § 106 Absatz 1 Satz 2 genannten Vertragspartner können über die Prüfung nach Absatz 1 hinaus Prüfungen ärztlicher Leistungen nach Durchschnittswerten oder andere arztbezogene Prüfungsarten vereinbaren. Hat der Landesausschuss der Ärzte und Krankenkassen eine Feststellung nach § 100 Absatz 1 oder Absatz 3 getroffen, dürfen bei Ärzten der betroffenen Arztgruppe keine Prüfungen nach Durchschnittswerten durchgeführt werden. In den Vereinbarungen nach § 106 Absatz 1 Satz 2 sind die Zahl der je Quartal höchstens zu prüfenden Ärzte in einer Kassenärztlichen Vereinigung sowie im Rahmen der Prüfungen nach Absatz 1 und der Prüfungen nach Satz 1 als Kriterien zur Unterscheidung Praxisbesonderheiten festzulegen, die sich aus besonderen Standort- und Strukturmerkmalen des Leistungserbringers oder bei besonderen Behandlungsfällen ergeben. Die Praxisbesonderheiten sind vor Durchführung der Prüfungen als besonderer Versorgungsbedarf durch die Prüfungsstellen anzuerkennen; dies gilt insbesondere auch bei der Beurteilung der Wirtschaftlichkeit von Besuchsleistungen.

(1) Die Krankenkassen und die Kassenärztlichen Vereinigungen überwachen die Wirtschaftlichkeit der vertragsärztlichen Versorgung durch Beratungen und Prüfungen. Die Landesverbände der Krankenkassen und die Ersatzkassen gemeinsam und einheitlich und die Kassenärztlichen Vereinigungen vereinbaren Inhalt und Durchführung der Beratungen und Prüfungen nach Absatz 2 sowie die Voraussetzungen für Einzelfallprüfungen. Die Vertragspartner können die Prüfungsstelle mit der Prüfung ärztlich verordneter Leistungen in der ambulanten Versorgung außerhalb der vertragsärztlichen Versorgung beauftragen und tragen die Kosten. Die Krankenkassen übermitteln der Prüfungsstelle die Daten der in der ambulanten Versorgung außerhalb der vertragsärztlichen Versorgung verordneten Leistungen; dabei sind zusätzlich die Zahl der Behandlungsfälle und eine Zuordnung der verordneten Leistungen zum Datum der Behandlung zu übermitteln. Die §§ 296 und 297 gelten entsprechend.

(2) Die Wirtschaftlichkeit der Versorgung wird von der Prüfungsstelle nach § 106c geprüft durch

1.
arztbezogene Prüfungen ärztlicher Leistungen nach § 106a,
2.
arztbezogene Prüfungen ärztlich verordneter Leistungen nach § 106b.
Die Prüfungen werden auf der Grundlage der Daten durchgeführt, die der Prüfungsstelle nach § 106c gemäß § 296 Absatz 1, 2 und 4 sowie § 297 Absatz 2 übermittelt werden. Hat die Prüfungsstelle Zweifel an der Richtigkeit der übermittelten Daten, ermittelt sie die Datengrundlagen für die Prüfung aus einer Stichprobe der abgerechneten Behandlungsfälle des Arztes und rechnet die so ermittelten Teildaten nach einem statistisch zulässigen Verfahren auf die Grundgesamtheit der Arztpraxis hoch.

(3) Die Prüfungsstelle nach § 106c bereitet die für die Prüfungen nach Absatz 2 erforderlichen Daten und sonstigen Unterlagen auf, trifft Feststellungen zu den für die Beurteilung der Wirtschaftlichkeit wesentlichen Sachverhalten und entscheidet unter Beachtung der Vereinbarungen nach den §§ 106a und 106b, ob der Vertragsarzt, der ermächtigte Arzt oder die ermächtigte Einrichtung gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot verstoßen hat und welche Maßnahmen zu treffen sind. Eine Maßnahme kann insbesondere auch die Festsetzung einer Nachforderung oder einer Kürzung sein. Die Festsetzung einer Nachforderung oder einer Kürzung auf Grund einer Wirtschaftlichkeitsprüfung, die von Amts wegen durchzuführen ist, muss für ärztliche Leistungen innerhalb von zwei Jahren ab Erlass des Honorarbescheides und für ärztlich verordnete Leistungen innerhalb von zwei Jahren ab dem Schluss des Kalenderjahres, in dem die Leistungen verordnet worden sind, erfolgen; § 45 Absatz 2 des Ersten Buches gilt entsprechend. Für Wirtschaftlichkeitsprüfungen, die auf Grund eines Antrags erfolgen, ist der Antrag für die Prüfung ärztlicher Leistungen spätestens 18 Monate nach Erlass des Honorarbescheides und für die Prüfung ärztlich verordneter Leistungen spätestens 18 Monate nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Leistungen verordnet worden sind, bei der Prüfungsstelle nach § 106c einzureichen. Die Festsetzung einer Nachforderung oder einer Kürzung muss innerhalb weiterer zwölf Monate nach Ablauf der in Satz 4 genannten Frist erfolgen; die Regelung des § 45 Absatz 2 des Ersten Buches findet keine entsprechende Anwendung. Gezielte Beratungen sollen weiteren Maßnahmen in der Regel vorangehen. Die Prüfungsstelle berät die Vertragsärzte auf der Grundlage von Übersichten über die von ihnen im Zeitraum eines Jahres oder in einem kürzeren Zeitraum erbrachten, verordneten oder veranlassten Leistungen über Fragen der Wirtschaftlichkeit und Qualität der Versorgung.

(4) Werden Wirtschaftlichkeitsprüfungen nicht in dem vorgesehenen Umfang oder nicht entsprechend den für ihre Durchführung geltenden Vorgaben durchgeführt, haften die zuständigen Vorstandsmitglieder der Krankenkassenverbände und Kassenärztlichen Vereinigungen für eine ordnungsgemäße Umsetzung. Können Wirtschaftlichkeitsprüfungen nicht in dem vorgesehenen Umfang oder nicht entsprechend den für ihre Durchführung geltenden Vorgaben durchgeführt werden, weil die erforderlichen Daten nach den §§ 296 und 297 nicht oder nicht im vorgesehenen Umfang oder nicht fristgerecht übermittelt worden sind, haften die zuständigen Vorstandsmitglieder der Krankenkassen oder der Kassenärztlichen Vereinigungen. Die zuständige Aufsichtsbehörde hat nach Anhörung der Vorstandsmitglieder und der jeweils entsandten Vertreter im Ausschuss den Verwaltungsrat oder die Vertreterversammlung zu veranlassen, das Vorstandsmitglied auf Ersatz des aus der Pflichtverletzung entstandenen Schadens in Anspruch zu nehmen, falls der Verwaltungsrat oder die Vertreterversammlung das Regressverfahren nicht bereits von sich aus eingeleitet hat.

(5) Die Absätze 1 bis 4 gelten auch für die Prüfung der Wirtschaftlichkeit der im Krankenhaus erbrachten ambulanten ärztlichen und belegärztlichen Leistungen.

(1) Soweit ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), rechtswidrig ist, darf er, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden.

(2) Ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt darf nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Das Vertrauen ist in der Regel schutzwürdig, wenn der Begünstigte erbrachte Leistungen verbraucht oder eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann. Auf Vertrauen kann sich der Begünstigte nicht berufen, soweit

1.
er den Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung erwirkt hat,
2.
der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Begünstigte vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat, oder
3.
er die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte; grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat.

(3) Ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt mit Dauerwirkung kann nach Absatz 2 nur bis zum Ablauf von zwei Jahren nach seiner Bekanntgabe zurückgenommen werden. Satz 1 gilt nicht, wenn Wiederaufnahmegründe entsprechend § 580 der Zivilprozessordnung vorliegen. Bis zum Ablauf von zehn Jahren nach seiner Bekanntgabe kann ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt mit Dauerwirkung nach Absatz 2 zurückgenommen werden, wenn

1.
die Voraussetzungen des Absatzes 2 Satz 3 Nr. 2 oder 3 gegeben sind oder
2.
der Verwaltungsakt mit einem zulässigen Vorbehalt des Widerrufs erlassen wurde.
In den Fällen des Satzes 3 kann ein Verwaltungsakt über eine laufende Geldleistung auch nach Ablauf der Frist von zehn Jahren zurückgenommen werden, wenn diese Geldleistung mindestens bis zum Beginn des Verwaltungsverfahrens über die Rücknahme gezahlt wurde. War die Frist von zehn Jahren am 15. April 1998 bereits abgelaufen, gilt Satz 4 mit der Maßgabe, dass der Verwaltungsakt nur mit Wirkung für die Zukunft aufgehoben wird.

(4) Nur in den Fällen von Absatz 2 Satz 3 und Absatz 3 Satz 2 wird der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen. Die Behörde muss dies innerhalb eines Jahres seit Kenntnis der Tatsachen tun, welche die Rücknahme eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsaktes für die Vergangenheit rechtfertigen.

(5) § 44 Abs. 3 gilt entsprechend.

(1) Gehört in einem Rechtszug weder der Kläger noch der Beklagte zu den in § 183 genannten Personen oder handelt es sich um ein Verfahren wegen eines überlangen Gerichtsverfahrens (§ 202 Satz 2), werden Kosten nach den Vorschriften des Gerichtskostengesetzes erhoben; die §§ 184 bis 195 finden keine Anwendung; die §§ 154 bis 162 der Verwaltungsgerichtsordnung sind entsprechend anzuwenden. Wird die Klage zurückgenommen, findet § 161 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung keine Anwendung.

(2) Dem Beigeladenen werden die Kosten außer in den Fällen des § 154 Abs. 3 der Verwaltungsgerichtsordnung auch auferlegt, soweit er verurteilt wird (§ 75 Abs. 5). Ist eine der in § 183 genannten Personen beigeladen, können dieser Kosten nur unter den Voraussetzungen von § 192 auferlegt werden. Aufwendungen des Beigeladenen werden unter den Voraussetzungen des § 191 vergütet; sie gehören nicht zu den Gerichtskosten.

(3) Die Absätze 1 und 2 gelten auch für Träger der Sozialhilfe einschließlich der Leistungen nach Teil 2 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch, soweit sie an Erstattungsstreitigkeiten mit anderen Trägern beteiligt sind.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Gegen das Urteil eines Landessozialgerichts und gegen den Beschluss nach § 55a Absatz 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundessozialgericht nur zu, wenn sie in der Entscheidung des Landessozialgerichts oder in dem Beschluß des Bundessozialgerichts nach § 160a Abs. 4 Satz 1 zugelassen worden ist.

(2) Sie ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs. 1 Satz 1 und auf eine Verletzung des § 103 nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das Landessozialgericht ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.

(3) Das Bundessozialgericht ist an die Zulassung gebunden.