Bayerisches Landessozialgericht Beschluss, 20. Aug. 2015 - L 15 VK 6/15 RG

published on 20/08/2015 00:00
Bayerisches Landessozialgericht Beschluss, 20. Aug. 2015 - L 15 VK 6/15 RG
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Tenor

I.

Die Anhörungsrüge gegen den Beschluss vom 25.09.2014, Az.: L 15 VK 6/12, wird als unzulässig verworfen.

II.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe

I.

In der Hauptsache hat der Kläger vom Beklagten als Träger der Versorgungsverwaltung die Kostenerstattung für das nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel Cardiavis N, die Erstattung der über den Festbetrag hinausgehenden Mehrkosten für das Arzneimittel Voltaren 100 und die Übernahme der Kosten für eine Zahnerhaltungsmaßnahme gemäß Heil- und Kostenplan vom 22.11.2006 begehrt.

Mit Urteil vom 15.07.2009 hat das Sozialgericht München die Klage abgewiesen.

In dem sich daran anschließenden Berufungsverfahren beim Bayer. Landessozialgericht (LSG) hat der Kläger mit Schreiben vom 20.09.2014 den Vorsitzenden Richter am LSG Dr. X. und den Berichterstatter des Senats wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt. Der Senat hat das Ablehnungsgesuch in der mündlichen Verhandlung vom 25.09.2014 durch Beschluss zurückgewiesen und anschließend mit Urteil vom selben Tag in der Hauptsache entschieden. Beschluss und Urteil vom 25.09.2014 sind dem Kläger am 25.10.2014 zugestellt worden.

Anschließend hat sich der Kläger mit an das Bundessozialgericht (BSG) gerichtetem Schreiben vom 20.11.2014, beim BSG eingegangen am 24.11.2014, gegen den Beschluss des Senats vom 25.09.2014 gewandt und eine „Rechtsbeschwerde (außerordentlicher Rechtsbehelf nach Artikel 103, Abs. 1 GG i. V. m. § 178 a SGG (Anhörungsrüge) und § 321 a ZPO)“ eingelegt.

Das BSG hat die Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Senats vom 25.09.2014 mit Beschluss vom 05.03.2015, Az.: B 9 V 62/14 B, als unzulässig verworfen. In den Gründen des Beschlusses vom 05.03.2015 hat es unter anderem ausgeführt, dass der Senat ungeachtet der beim BSG erfolgten Verwerfung der Beschwerde in eigener Zuständigkeit zu prüfen haben werde, „ob der Kläger in der Sache eine Anhörungsrüge (§ 178 a SGG) erhoben hat.“

Das Schreiben des Klägers vom 20.11.2014 ist dem Senat auf Anfrage beim BSG hin mit dortigem Schreiben vom 14.08.2015 zur Verfügung gestellt worden.

II.

Die mit Schreiben vom 20.11.2014 erhobene Anhörungsrüge ist gemäß § 178 a Abs. 4 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) als unzulässig zu verwerfen.

1. Auslegung des Rechtsschutzziels des Klägers

Das Schreiben des Klägers vom 20.11.2014 stellt eine Anhörungsrüge gegen den Beschluss des Senats vom 25.09.2014 dar, mit dem über den Befangenheitsantrag des Klägers im Schreiben vom 20.09.2014 entschieden worden ist.

Maßstab der Auslegung von Prozesserklärungen ist der Empfängerhorizont eines verständigen Beteiligten (vgl. BSG, Urteil vom 12.12.2013, Az.: B 4 AS 17/13), wobei der Grundsatz einer rechtsschutzgewährenden Auslegung zu berücksichtigen ist (vgl. Bundesfinanzhof - BFH -, Beschluss vom 29.11.1995, Az.: X B 328/94). Verbleiben Zweifel, ist von einem umfassenden Rechtsschutzbegehren auszugehen (vgl. BSG, Urteil vom 01.03.2011, Az.: B 1 KR 10/10 R), um dem Grundrecht des Art. 19 Abs. 4 Satz 1 Grundgesetz auf wirksamen und möglichst lückenlosen richterlichen Rechtsschutz gegen Akte der öffentlichen Gewalt sowie dem damit verbundenen Gebot der Effektivität des Rechtsschutzes gerecht zu werden (vgl. Bundesverfassungsgericht - BVerfG -, Beschlüsse vom 30.04.2003, Az.: 1 PBvU 1/02, und vom 03.03.2004, Az.: 1 BvR 461/03).

Bei Beachtung dieser Vorgaben beinhaltet die mit Schreiben vom 20.11.2014 an das BSG gerichtete „Rechtsbeschwerde“ auch eine Anhörungsrüge gemäß § 178 a SGG zum Bayer. LSG. Denn ganz abgesehen davon, dass der Kläger selbst in seinem an das BSG gerichteten Schreiben vom 20.11.2014 den Begriff der „Anhörungsrüge“ verwendet, ist Ziel des Klägers offenkundig eine inhaltliche Überprüfung und Aufhebung des Beschlusses des Senats vom 25.09.2014, mit dem im Berufungsverfahren über seinen Befangenheitsantrag entschieden worden ist. Ein Rechtsmittel gegen eine derartige landessozialgerichtliche Entscheidung sieht das SGG gemäß § 177 SGG nicht vor; eröffnet ist nur die Anhörungsrüge als Möglichkeit der richterlichen Selbstkorrektur (vgl. auch die in Sachen des Klägers ergangenen Beschlüsse des BSG vom 05.03.2015, Az.: B 9 V 62/14 B, B 9 V 63/14 B, B 9 V 64/14 B, B 9 V 65/14 B und B 9 V 66/14 B).

An dieser Auslegung ändert auch die Tatsache nichts, dass der Kläger durch die Adressierung seiner „Rechtsbeschwerde“ an das BSG zum Ausdruck gebracht hat, dass er primär eine Entscheidung des BSG begehrt und nicht eine Überprüfung des von ihm angegriffenen Beschlusses im Rahmen der Selbstkontrolle durch den Senat. Denn ohne jeden Zweifel strebt der Kläger eine Aufhebung des Beschlusses des Senats vom 25.09.2014 an. Um dem Kläger den grundgesetzlich garantierten Rechtsschutz zu ermöglichen, ist sein Schreiben vom 20.11.2014 daher zumindest auch als Anhörungsrüge zu betrachten.

2. Unzulässigkeit der Anhörungsrüge

Die Anhörungsrüge ist gemäß § 178 a Abs. 4 Satz 1 SGG als unzulässig zu verwerfen, da sie nicht innerhalb der Zwei-Wochen-Frist des § 178 a Abs. 2 Satz 1 SGG erhoben worden ist. Zudem fehlt ihr das Rechtsschutzbedürfnis.

2.1. Verfristung

Die Anhörungsrüge ist verfristet.

Der Kläger hätte seine Anhörungsrüge innerhalb von zwei Wochen ab dem am 24.10.2014 erfolgten Zugang des Beschlusses vom 25.09.2014 erheben müssen. Zu diesem Zeitpunkt hätte er etwaige von ihm geltend zu machende Gründe für die Anhörungsrüge erkennen können. Das Schreiben vom 20.11.2014 ist aber erst deutlich nach Fristablauf und zudem nicht bei dem gemäß § 178 a Abs. 2 Satz 4 SGG zuständigen Gericht, dem Bayer. LSG, sondern beim BSG, eingegangen. Irgendwelche Wiedereinsetzungsgründe sind weder ersichtlich noch vom Kläger geltend gemacht worden.

2.2. Fehlendes Rechtsschutzbedürfnis

Der Anhörungsrüge fehlt auch das Rechtsschutzbedürfnis.

Über den Weg der Anhörungsrüge kann das klägerische Ziel einer abgeänderten Entscheidung über den Befangenheitsantrag in der Hauptsache nicht mehr realisiert werden.

Der am 25.09.2014 ergangene Beschluss zum Befangenheitsantrag kann vom Senat nicht mehr abgeändert werden, weil die Entscheidung in der Hauptsache bereits am 25.09.2014 ergangen ist (vgl. BGH, Beschluss vom 11.07.2007, Az.: IV ZB 38/06 - m. w. N.). Daran kann auch eine Anhörungsrüge nichts ändern. Wegen der abschließenden Entscheidung in der Hauptsache in der Instanz fehlt der Anhörungsrüge gegen den Befangenheitsbeschluss daher das Rechtsschutzbedürfnis (vgl. Beschlüsse des Senats vom 20.08.2015, Az.: L 15 SF 238/15 AB, L 15 SF 239/15 AB, L 15 SF 240/15 AB, L 15 SF 241/15 AB und L 15 SF 241/15 AB; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 08.08.2014, Az.: L 20 SF 650/14 AB RG).

Lediglich zur Information des Klägers weist der Senat darauf hin, dass der Kläger damit nicht rechtsschutzlos gestellt ist, was nachträgliche Einwendungen gegen die Ablehnung eines Befangenheitsantrags betrifft. Auch wenn die Entscheidung über den Befangenheitsantrag gemäß § 177 SGG unanfechtbar ist, besteht in derartigen Fällen gleichwohl unter strengen Voraussetzungen die Möglichkeit, Einwände gegen die Entscheidung über die Richterablehnung im Rahmen der Nichtzulassungsbeschwerde oder der Revision weiter zu verfolgen. Dies setzt aber eine Nichtigkeit der Entscheidung über den Befangenheitsantrag voraus (vgl. BSG, Beschlüsse vom 02.11.2007, Az.: B 1 KR 72/07 B, und vom 25.10.2012, Az.: B 9 V 17/12 B). Eine solche Nichtigkeit ist nur dann gegeben, wenn der Beschluss zur Befangenheit aus inhaltlichen oder verfahrensrechtlichen Gründen unter keinem denkbaren Gesichtspunkt rechtlich vertretbar, also offensichtlich unhaltbar oder willkürlich ist (vgl. BVerfG, Beschluss vom 30.06.1970, Az.: 2 BvR 48/70, Entscheidung vom 09.06.1971, Az.: 2 BvR 225/69, und Beschluss vom 02.04.1974, Az.: 1 BvR 92/70, 1 BvR 97/70). Davon kann vorliegend zweifelsfrei nicht ausgegangen werden, wie dem in Sachen des Klägers ergangenen Beschluss des BSG vom 05.03.2015, Az.: B 9 V 57/14 B, zu entnehmen ist.

Die Anhörungsrüge hat daher keinen Erfolg.

Die kostenrechtliche Einordnung des Verfahrens der Anhörungsrüge folgt dem zugrunde liegenden Verfahren, das mit der gerügten Entscheidung beendet worden ist (vgl. Beschluss des Senats vom 13.01.2015, Az.: L 15 SF 335/14; Leitherer, in: Meyer-Ladewig/Keller/ders., SGG, 11. Aufl. 2014, § 178 a, Rdnr. 9b). Die Kostenentscheidung beruht daher auf § 193 SGG.

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BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS IV ZB 38/06 vom 11. Juli 2007 in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja ZPO § 42 Für ein Ablehnungsgesuch, das sich im Tatbestandsberichtigungsverfahren gegen sämtliche Richter des Spruchkörpers richte
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published on 01/03/2011 00:00

Tenor Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 24. Februar 2010 wird zurückgewiesen.
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Annotations

Entscheidungen des Landessozialgerichts, seines Vorsitzenden oder des Berichterstatters können vorbehaltlich des § 160a Abs. 1 dieses Gesetzes und des § 17a Abs. 4 Satz 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden.

(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.

(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.

(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.

(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.